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„In Bewegung“ trotz Lockdown

„Es war schon irgendwie komisch, dass wir mitten in der Ausstellungsplanung zum Thema „In Bewegung“ Anfang des Jahres, so abrupt stoppen mussten“, erinnert sich Eva-Maria Zacharias an den Lockdown im März.

Seit gut vier Jahren stellt sie regelmäßig Werke wechselnder Künstler in Form von Bildern, Skulpturen oder Texten in ihrer Galerie „wort.werk“ aus. Im schmalen Schaufenster an der Busmannstraße 28 erhalten Besucher*innen bereits einen kleinen Eindruck von den Exponaten. Im Innern des länglichen Raums sind weitere unterschiedliche Kunstwerke ausgestellt.

Zurzeit präsentieren Gabriele Hesse aus Geldern und Heinz Geilen aus Kevelaer ihre Arbeiten. „Beide passen wunderbar zusammen: Einmal wird die Dynamik auf einer Fläche und einmal in einer Form sichtbar“. erklärt Zacharias. „Ganz ohne technischen Antrieb entsteht die Bewegung sozusagen im Auge des Betrachters.“

Gabriele Hesse hat in ihrem Beruf als Architektin das handwerkliche Arbeiten mit Tusche erlernt. Zeichnerisch war sie zuständig für Planung, Gestaltung und Einrichtung von Gebäuden. Mit gezielten Strichen – Schwarz auf Weiß – entstanden unterschiedliche Entwürfe für meist feste und unbewegliche Objekte. Auf den ersten Blick erscheinen auch ihre in Kevelaer ausgestellten Bilder unbeweglich. Doch bei näherer Betrachtung braucht man nicht lange und bald hat man das Gefühl, die schwarzen Linien würden sich leicht berühren – vielleicht sogar tanzen.

Während ihres künstlerischen Schaffens hat sich Gabriele Hesse intensiv mit fernöstlicher Kalligraphie beschäftigt und arbeitet sowohl mit Tusche als auch mit Pinsel. „Mir macht es Freude, durch das Spiel mit dem Pinsel Bewegung zu erzeugen“. Während ihres Berufslebens waren die Formen vorgegeben. Nun ist sie frei in der Gestaltung. „Jedes Bild ist eine Herausforderung und ein neuer Anreiz, ich weiß vorher nie, wie es wird“, sagt sie und deutet auf ihre ausgestellten Zeichnungen an der Wand.

Obwohl alle Schwarz-Weiß und aufeinander abgestimmt sind, ist keins wie das andere und jedes einzelne erzeugt eine unterschiedliche Wirkung beim Betrachten.

„Die Dynamik entsteht im Kopf“ sagt Zacharias. Auch die Skulpturen von Heinz Geilen wirken auf den ersten Blick recht fest. „Zu den Malerarbeiten von Gabriele Hesse sind sie eine optimale Ergänzung.“ Die unterschiedlichen Figuren des Kevelaerer Künstlers können von allen Seiten betrachtet werden.

Jeder Blickwinkel zeigt eine andere Facette und mit handwerklicher Präzision erzeugt er eine spielerische Leichtigkeit sowie Rotation. Was anfangs hart wie Metall scheint, wirkt später leicht und lebendig. „Wie er es schafft, das Holz so schwungvoll zu formen, hat er wohl noch nicht verraten“ sagt Zacharias mit einem kleinen Schmunzeln.

Am Samstag, 12. Dezember, wird Heinz Geilen die Ausstellung begleiten und vielleicht das Geheimnis lüften. Aufgrund der Pandemievorschriften sind beide Künstler abwechselnd vor Ort. Gelegenheit zum Staunen und Stöbern ist zu den bekannten Öffnungszeiten, mittwochs und freitags von 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 13 bis 15 Uhr als auch nach Absprache mit der Galeristin jederzeit möglich.

Die kunstvollen Sieben

Die Freude war groß, als Eva-Maria Zacharias – natürlich mit entsprechendem Abstand – drei der Damen, die an dem Projekt „Kunst im Fenster“ mitwirkten, in ihrem „wort.werk“-Atelier an der Busmannstraße begrüßen konnte.

Brigitte Böckmann war fast eher zufällig gerade dort – schließlich fanden sich ihre Arbeiten in dem Fenster der Kevelaerer Keramikkünstlerin Yoshi Yamauchi wieder. „Ich kenne Yoshi schon lange“, gestand die bildende Künstlerin, Kunsttherapeutin und Meditationslehrerin aus Duisburg. Yamauchi hatte früher auch mit ihr bei Derix zusammen gearbeitet.

Böckmann zeigte dort ihre Glasarbeiten und Installationen. „Ich habe mit Glas angefangen – und es ist damit immer weitergegangen“, erzählte die 58-Jährige, die das Projekt eine super Idee fand.

Komplettes Neuland in Kevelaer war die Ausstellung für Ursula Wiesemes, die vor kurzem 84 Jahre jung wurde und seit einem halben Jahr nahe ihrem Sohn in Winnekendonk lebt. Bereits als junges Kind in Nürmbrecht habe sie „alle Schulhefte entfremdet – in einer Zeit, wo Papier und Stift noch zu kriegen war“, bemerkte sie lächelnd. Zwei Semester lang studierte sie in den 50er Jahren auch Kunst an der Pariser „L´école“, eine spannende Erfahrung als Deutsche, noch nicht so lange nach dem Zweiten Weltkrieg.

„Von Anfang an habe ich Aquarelle gemalt“, sagte Wiesemes. Heute sind es hauptsächlich Acryl-Arbeiten, die sie fertigt. „Ich arbeite viel mit Weiß und Wasser.“ Sie gestalte vor allem experimentelle Bilder. „Ich lege mehr Wert auf Farben als auf Formen.“ Sie hatte Peter Bursch, der das Kunstprojekt angestoßen hatte, selbst angerufen. Und so landete eines ihrer Bilder im „wort.werk“-Fenster.

Mit Annette Rischer-Spalink kam eine Künstlerin von der Metropole Berlin an den Niederrhein, die ganz viel mit der Region und der Wallfahrtsstadt verbindet. „Ich hatte hier selber über 20 Jahre lang eine Produzentengalerie auf der Hauptstraße“, berichtete die 61-jährige Lehrerin für Kunst und Textilgestaltung, die 1990 den Kevelaerer Marketingpreis erhielt. Nebenbei leitete sie jahrelang die „Kunst im Turm-Galerie“ der Klever Schwanenburg, war Lehrerin in Geldern und kam über Italien 2013 nach Berlin.

Zurzeit arbeitet sie an Objekten und Schmuck aus Plexiglas – „genauer gesagt recycelte Brillengläser“, ergänzte sie. Ihre Kollegin Yoshi Yamauchi hatte sie angeschrieben. Mit ihr und der dritten Gastgeberin der Kevelaerer „Kunst im Fenster“, Antje Witzler, war sie lange in der „Künstlergruppe Binnenheide“ zusammen – ein Treffen alter Bekannter also. „Wir brauchen das Fenster zur Welt“, meinte sie – gerade in den aktuellen Zeiten.

Nicht zu vergessen war als weiterer freischaffender Künstler im „wort.werk“ der Grafik-Designer Axel Theysen aus Kevelaer. Die Werke der drei sind dort noch bis Ende Juni zu sehen. Und die Schmuckkünstlerin und Musikerin Antje Witzler freute sich an diesem Wochenende über jeden, der auch am Fenster an der Alten Wember Straße bei ihr und der Malerin Gesine Lersch-van der Grinten vorbeischaute.

Ein Leben lang Künstlerin

„Innerlich hatte ich schon entschieden, dass ich nach Japan zurückgehe“, erklärt Yoshi Yamauchi, in welcher Situation sie sich vor über 30 Jahren befand, nachdem sie fürs Arbeiten aus Japan nach Deutschland gekommen war. Doch sie blieb. Und sie arbeitete insgesamt 25 Jahre bei der Glasmalerei Derix in Kevelaer. Ab nächsten Monat stellt sie sogar einige Werke in einer Einzelausstellung zur Schau.

In jungen Jahren studierte Yoshi Kunstmalerei in Tokyo an einer Kunsthochschule. In Berührung mit der Malerei kam sie durch ihren Onkel. „Mein Onkel war auch Maler“, berichtet Yoshi. Außerdem habe er verschiedene Illustrationen für Zeitungen angefertigt. „Jeden Tag habe ich seine Illustrationen gesehen. Da war ich auch mächtig stolz drauf“, erinnert sich die 80-Jährige zurück. Trotz der Sorge ihrer Mutter, dass man mit Malerei keine gute Zukunft hätte, entschied Yoshi sich, ihren Weg zu gehen.

Während ihres Studiums und danach arbeitete sie unter anderem an Mosaikarbeiten im Olympischen Stadion in Tokyo mit und fertigte viele eigene Arbeiten an. Im Anschluss verbrachte sie Zeit in Venedig. Im Jahr 1967 kam Yoshi im Alter von 28 Jahren nach Kevelaer und absolvierte ein viermonatiges Praktikum bei der Glasmalerei Derix. Der Kontakt entstand durch einen Musiker, den sie auf einem Flug von Tokyo nach Venedig kennenlernte. „Malen konnte ich ja. Da habe ich richtig in der Auftragsarbeit mitgearbeitet“, blickt Yoshi zurück.

Nach ihrem Praktikum verbrachte sie erneut ein Jahr in Venedig, um einen Auftrag zu erledigen. In dieser Zeit fertigte sie ein sechs Meter hohes Mosaik an. „Ein Maler wollte mich als Assistentin haben“, erzählt die Malerin. Aber sie entschied sich 1968, nach Japan zurückzukehren. „Genau zwei Jahre war ich in Europa – Venedig und Kevelaer.“ In Japan arbeitete sie unter anderem an einem Klosterfenster in Mosaikart und an Fresko-Deckenmalereien. Zu der Zeit habe man von diesen Arbeiten noch gut leben können, sagt Yoshi.

Länger geblieben als geplant

„Dann kam zufällig die Anfrage aus Kevelaer, ob ich in der Basilika ein Fenster machen kann“, erzählt die 80-Jährige. „Ich habe so an zwei bis drei Jahre gedacht, aber irgendwie bin ich hängen geblieben“, lacht sie. In Kevelaer hat sie dann in der Glasmalerei Derix gearbeitet und dort unter anderem Fenster in der Basilika nach einem Stummel-Entwurf angefertigt.

1999 legte Yoshi im Alter von 60 Jahren ihre Arbeit nieder. „Von da an habe ich hin und wieder mitgeholfen“, sagt die Künstlerin. Außerdem war sie in der Künstlergruppe „Binnenheide“ „sehr aktiv. Wir haben zwei Mal im Jahr eine Ausstellung gemacht“, berichtet Yoshi. Seit 15 Jahren hält sich die 80-Jährige mit Yoga und Walking fit. Alle eineinhalb Jahre geht sie ihre Familie in Japan für mehrere Wochen besuchen. „Eine Woche gehe ich immer auf Reisen“, berichtet Yoshi. So reiste sie zum Beispiel nach Peru oder Syrien.

Am 15. Juli 2019 wurde Yoshi 80 Jahre alt. Sie feierte ihren Geburtstag im Goldenen Löwen in Kevelaer mit 60 Gästen. „Es war richtig schön. Wir hatten eine richtig gute Stimmung“, sagt die 80-Jährige und lächelt beim Gedanken an die Feier.

Über das Leben und ihre Werke

Am Freitag, 23. August 2019, startet die Ausstellung „Lebenslinien“ über Yoshi Yamauchi und ihr Werk als Malerin in der wort.werk-Galerie in Kevelaer, Busmannstraße 28. Die Ausstellung endet am Samstag, 28. September 2019. Zur Vernissage am 23. August 2019 ab 19 Uhr gestalten Wies Kuyers und Rainer Heeke eine Collage aus Texten und Tönen über Leben und Werk der 80-jährigen Künstlerin und ihren Weg nach Kevelaer.

Start in den Ausstellungsfrühling

Enttäuscht konnte Eva-Maria Zacharias nur über den Zulauf „zum Start in den wort.werk-Ausstellungsfrühling“ sein, wie es die Busmannstraßen-Galeristen poetisch formulierte. Das stürmische Wetter hatte dazu beigetragen, dass nur gut ein Dutzend Gäste den Weg in die Räumlichkeiten fanden.
Trotzdem „liegt Aufbruch in der Luft“, hoffte Zacharias auf die gedankliche „Reiselaune“ der Anwesenden. „Denn hier und heute braucht es nur Phantasie, um abzuheben – in einem weit gespannten Kosmos der Kunst“, zitierte sie den grossen Aktionskünstler André Heller.
Mit Klaus Cordes, Viktor Nono und Nanni Wagner hatte sie „drei kreative Geister“ mit eigener künstlerischer Handschrift eingeladen, um deren Werke „mindestens so bis Mitte Juni“ zu präsentieren. Cordes und Nono erzählten Geschichten, „in denen Bilder und Texte erstaunliche, manchmal fast mystisch anmutende Verbindungen eingehen“.
Cordes kreiert Mail-Art-Collagen auf der Basis von prominenten Köpfen auf Briefmarken. In dem Fall ist es Nofretete, die er „träumend durch Zeiten und Räume reisen“ und dabei zahlreiche Rollen „von der Pharaonin bis zur modernen Frau“ einnehmen lasse.
„Ihre Träume sind Illustrationen – auch Albträume der bundesrepublikanischen Wirklichkeit“, machte der 72-jährige Bocholter die gesellschaftlichen Bezüge deutlich.
So schaffe er eine Verbindung zu Themen wie Tourismus in der Stadt, Migration oder Vereinsamung, ergänzte Zacharias. Am 26. April wird Cordes in der Galerie ergänzend dazu noch eine Art „fiktiven Briefwechsel“ zwischen ihr und Cordes vortragen.
Viktor Nono präsentiert in Kevelaer Übermalungen literarischer Texte und anderer Blätter neben Natur-Motiven in Mischtechnik auf Aluminium.
Der 57-jährige Düsseldorfer „transformiert literarische Themen und Motive aus der Natur – so wie Illustrationen zu Jules Verne oder ,Botschaften‘ aus einer skurrilen Vogelwelt“ – in seiner Kunst, erläuterte Zacharias. Dazu will Nano noch mehr bei einer Lesung am 17. Mai ausführen.
Er verwende dazu Materialien wie Papier oder Plastikfolien und natürliche Farben. „Was ich damit ausdrücken möchte – wenn ich das wüsste, könnte ich das nicht mehr machen“, meinte der Künstler selbst.
Dazu reihten sich die keramischen Miniatur-Objekte der Gel­denerin Nanni Wagner mit ein. Ihre kleine Serie lässt „filigrane Gebilde auf organischen Fundstücken“ sprießen, zarte Gewächse besiedeln Schwemmholz und Baumpilz. „Das ist wie ein Blick in einen verzauberten Wald“, beschrieb die Galeristin die Wirkung.
Die 61-Jährige selbst hat die Inspiration für ihre 30-teilige „Moosblüten“-Serie bei einem Spaziergang im bergischen Land erhalten, wie sie im KB-Gespräch erzählte. Am Ende der eineinhalbstündigen Vernissage erhielt Viktor Nono die Gelegenheit, als Ersatz für den erkrankten Klaus Pohl aus seinem Buch „Über die Vergeblichkeit der Liebesmüh“ zu lesen. Er trug dabei die etwas grotesk anmutende Geschichte eines Mannes vor, der seine Mutter in einer Art Notstand mit einem Einkaufswagen und Lebensmitteldosen vorbei an den Militärs nach Hause schiebt.