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Wirtschaftliche Entwicklungen

Wäre alles schlecht, müsste er zugeben, einen schlechten Job gemacht zu haben. Wäre alles gut, wäre er überflüssig. Und so wundert es nicht, dass Wirtschaftsförderer Hans-Josef Bruns in diesen Tagen eine gemischte Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung der Wallfahrtsstadt präsentiert. Einerseits gibt es aus seiner Sicht viele „Erfolgsgeschichten“, andererseits besteht auf einigen Feldern durchaus noch Handlungsbedarf.

Betrachte man die Kernzahlen der vergangenen Jahre, könne man insgesamt durchaus davon sprechen, dass sich die Wirtschaft der Wallfahrtsstadt „weiter positiv entwickle“, so Bruns bei der Präsentation der vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellten Zahlen im Wirtschaftsförderungsausschuss und vor der Presse.

Bruttoinlandsprodukt

Beim Bruttoinlandsprodukt machte sich das Bundesamt diese Mühe allerdings nicht; das „BIP“ für die Wallfahrtsstadt musste sich die Kevelaerer Wirtschaftsförderung selbst errechnen. Es wird mit rund 813 Mio. Euro angegeben. Demgegenüber stehe ein Vergleichswert von 599 Mio. Euro im Jahr 2007. Damit sei der Pro-Kopf-Wert im Vergleichszeitraum um circa 7.500 Euro angestiegen und liege im Jahr 2016 bei rund 28.700 Euro pro Einwohner. Das bedeute für die Wallfahrtsstadt eine Steigerung um 35%. Damit liege Kevelaer zwar unter dem Bundesdurchschnitt von circa 40.800 Euro, dies sei aber der geografischen Lage im ländlichen Raum und der Struktur als Mittelstadt geschuldet, so Bruns.

Arbeitsmarkt

In den vergangenen fünf Jahren habe sich zudem die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Wallfahrtsstadt Kevelaer von knapp 6.000 auf 7.779 erhöht. „Das ist aus meiner Sicht ein Rekordhoch“, sagt Bruns und ist sicher, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren die Marke von 8.500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten überschritten werden könne.

Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer habe sich in den vergangenen fünf Jahren um 60% zu einem Spitzenwert von 16,5 Mio. Euro im Jahr 2018 gesteigert. Das führt Bruns neben der guten Konjunktur- und Auftragslage auch auf das „starke Engagement der Kevelaerer Unternehmer am Standort“ zurück. Der kommunale Anteil an der Einkommenssteuer (11,7 Mio. Euro) und an der Umsatzsteuer (1,7 Mio. Euro) entwickelte sich „ebenfalls bestens weiter“.

Tourismus

Handlungsbedarf sieht Bruns beim Tourismus – genauer gesagt bei der Unterbringung der Pilger und Touristen. Die Zahl der Übernachtungen ist in den vergangenen Jahren stark rückläufig. Bruns führt dies auch auf die überalterte Hotellandschaft in der Wallfahrtsstadt zurück. Und sieht natürlich mit dem Rilano-Neubau auf der Hüls Licht am Ende des Tunnels. Neben der Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Hotelsektor soll die Fertigstellung des Solegartens St. Jakob dafür sorgen, „dass die rückläufige Entwicklung im Bereich der Übernachtungszahlen sehr schnell kompensiert werden kann“.

Einzelhandel und Innenstadt

Der Einzelhandelsumsatz in Kevelaer habe sich in 2018 gegenüber dem Vorjahr um 4 Mio. Euro auf nunmehr rund 170 Mio. Euro positiv entwickelt. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die Wallfahrtsstadt, denn auch hier befindet sich der stationäre Einzelhandel im Umbruch. Die nach wie vor rasante Entwicklung des Online-Handels, der demografische Wandel sowie ein verändertes Verbraucherverhalten generell bewirken einen Veränderungsdruck für die gesamte Innenstadt“, so Bruns, der hier in der Umsetzung des integrierten Handlungskonzeptes und in der Arbeit des neuen Wirtschafts- und Verkehrsvereins „zentrale Schritte in die richtige Richtung“ sieht.

Großes Interesse an neuem Wirtschafts- und Verkehrsverein

Ein Konzept und alle arbeiten gemeinsam daran, „dann klappt das auch“, ist sich Gabriele Polders, seit der vergangenen Woche ehemalige Vorsitzende des Kevelaerer Verkehrsvereins, sicher. Und ihr Vorgänger Edmund Bercker, der als Ehrenvorsitzender des Verkehrsvereins wiederum sein Patenkind verabschieden durfte, war ebenso begeistert von der Publikums-Resonanz der Gründungsversammlung des neuen „Wirtschafts- und Verkehrsvereins“ der Wallfahrtsstadt im Bühnenhaus: „Das hätte ich gerne vor 51 Jahren gehabt“, rief er dem neuen Auditorium aus Mitgliedern des Verkersvereins, der Unternehmervereinigung Kevelaer und des Initiativkreises Wirtschaft zu.
Eine „Zäsur“ sei diese Versammlung für die tradierte Arbeit des Verkehrsvereins in jedem Falle, da war Bercker sich sicher. Er sparte nicht an Lob über Polders‘ charmanten Führungsstil, nutzte die Gelegenheit aber auch, um ein einen „großen Fehler“, die Auflösung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Kevelaer, zu erinnern, und festzustellen: „Viele Besucher finden in Kevelaer nicht nur Trost, sie suchen auch das Shopping. Wenn man den Leuten das nimmt, hat das irgendwann auch Auswirkungen auf das religiöse Leben“, mahnte er auch angesichts der Probleme bei der Sonntagsöffnung.
Andernorts lösten sich die Verkehrsvereine auf, in Kevelaer bündele man die vorhandenen Kräfte, um gemeinsam um Touristen wie Pilger, Investoren wie Kunden zu werben, sagte Gabriele Polders. „Es hängt an engagierten Männern und Frauen, die bereit sind, etwas zu tun“, motivierte sie zum Abschied die Mitglieder des neuen Vereins.
Vier engagierte Männer und Frauen hatten sich für die Vorstandsarbeit im Vorhinein zur Verfügung gestellt, und die Versammlung wählte sie jeweils einstimmig: Josi Flintrop-Ruhnau (56) war 23 Jahre lang Kassiererin des Verkehrsvereins und übernimmt nun diese Aufgabe in dem neuen Verein. Drei stimmberechtigte Mitglieder hat der Vorstand: Nicole Grüttner (52, Leiterin des Inklusionsbetriebs Hotel Klostergarten Kevelaer), Klaus Bückendorf (50, alleiniger Gesellschafter der Fahrzeugbau Kevelaer GmbH) und Denis Brüggemeier (38, selbstständiger Kaufmann, EDEKA Brüggemeier). Geschäftsführer sind Rainer Killich und Hans-Josef Bruns.
Letzterer erläuterte die Grundzüge des „WuV“-Vereins-Konzepts. Durch eine gemeinsame Marschrichtung könne mit der Vermeidung von Organisations-Dopplungen ein effizienterer Ressourceneinsatz erfolgen, mehr unternehmerische Sicht eingebracht und die Strukturen gezielt auf die Kunden ausgerichtet werden. Eine wichtige Rolle für die Effizienz spielten die sieben Handlungsfelder, die er jeweils mit Beispielen für Themen belegte: 1. „Handwerk, Industrie und Dienstleistung“ (Leitung: Hans-Josef Bruns); 2. „Einzelhandel“ (Leitung: Tobias Kocken); 3. „Landwirtschaft & Gartenbau“ (Leitung: Hans-Josef Bruns); 4. „Wallfahrt, Tourismus und Gastgewerbe“ (Leitung: Dr. Rainer Killich und Nicole Wagener), 5. „Kunst, Kultur und Kunsthandwerk“ (Leitung: Veronika Hebben), 6. „Veranstaltungen“ (Leitung: Bernd Pool; sowie 7. „Vereinsangelegenheiten“ (Leitung: Rudi Beerden). Bis zum Sommer solle die Arbeit in den Handlungsfeldern angelaufen sein.

Empfangsgebäude für den Solegarten vorgestellt

In der Sitzung des Ausschusses für Gebäudemanagement wurden die Pläne des Planungsbüros “quadrat+ Architekten” für das Empfangsgebäude im Solegraten St. Jakob präsentiert. Wie Peter Reffeling vom städtischen Gebäudemanagement erklärte, arbeite man auf einer “ganz engen Zeitschiene”, weil die Schlussrechnung aufgrund der Förderung bereits Ende November des Jahres erfolgen müsse. Vertreter des Planungsbüros stellten den Ausschussmitgliedern einen mit der Bezirksregierung zuvor abgestimmten Entwurf vor. Konkrete Angaben zur Höhe der Kosten konnten sie dabei im Ausschuss auf Nachfrage noch nicht machen, diese sollen aber in den kommenden Tagen beziffert werden.
Projektmanagerin Sandra Kimm-Hamacher schreibt in einer Pressemitteilung zu dem Gebäude: “Die funktionale Architektur überrascht mit ausgeklügelten Elementen, die dem Gebäude eine eigene Ausstrahlungskraft geben – direkt neben dem einzigartigen Gradierwerk im Solegarten St. Jakob. Der Betonkubus ist mit dezenten Holz-Elementen geplant, die mit der Lärchenholzkonstruktion des Gradierwerks korrespondieren. Das Dach uüer den Räumen schließt nicht dort ab, sondern wird verlängert zu einer weiteren Außenwand. Dadurch entsteht ein Tor-Charakter der als Durchgang zu den Gartenanlagen mit eigener Aufenthaltsfläche genutzt wird. Schattigen Platz bieten Sitzmöglichkeiten in der Mitte der Fläche rund um einen Baum. Die Baumkrone wächst durch eine Öffnung über das Dach hinaus und bildet den grünen Tupfer für alle Besucher und Gäste, die von oben auf das Gebäude schauen. Für die Region Niederrhein ist es wohl bisher das einzige Gebäude, wo der Ausspruch passt: ,Da wächst ein Baum durch das Dach.’
Die Außenwand kann von Innen sowie Außen als Projektionsfläche genutzt werden. Denkbar sind Videos mit Informationen zum Park, Illuminationen oder aber eine Open-Air-Kino Veranstaltung. Der Innenbereich des Gebäudes ist mit digitalen Informationsmedien ausgestattet. Informationen zur Sole, dem Pilgern am Niederrhein, Veranstaltungen im Solegarten St. Jakob und Informationen über die Wallfahrtsstadt Kevelaer werden durch Videos und Flyer bereitgestellt. Die öffentlichen WC-Anlagen sind vom Außenbereich aus zugänglich.”
Die Bauarbeiten sollen im Frühjahr beginnen und mit Blick auf die Schlussabrechnung Ende November 2019 abgeschlossen sein. Das Bauprojekt wird gefördert mit Mitteln aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

Unverwechselbar neu

Niemand schneuzt sich in ein Papiertaschentuch. Niemand fährt einen Geländewagen. Niemand reibt sich mit einer Hautcreme ein. Für alle diese Dinge gibt es Markennamen, die unverwechselbar mit den Produkten verbunden sind. Und idealerweise haben wir, wenn wir den Markennamen nennen, auch sofort Bilder von den Produkten im Kopf. Formen, Farben, Logos, Sprüche…
„Kann man sich als Stadt die Methoden der Konsumgüter-Industrie zunutze machen?“, fragt Hans-Josef Bruns, Leiter der Wirtschaftsförderung der Wallfahrtsstadt Kevelaer. Andere, zugegebenermaßen größere Städte, können das, haben das getan. Mit Erfolg. Und deshalb hat sich die Kevelaerer Wirtschaftsförderung das jetzt auch auf die Fahnen geschrieben. Die Standortvermarktung sei eines der wichtigsten Handlungsfelder des Standortentwicklungskonzeptes, führt Bruns weiter aus. Und eines, das gerade vorrangig in Angriff genommen werde. „Wir wollen das aber nicht mit ,Aktionitis‘ machen, sondern konzeptionell.“
Die alte Marke ist nicht schlecht
„Natürlich ist die alte Marke nicht schlecht“, erklärt Nicole Wagener, die sich seit einiger Zeit bei der Wirtschaftsförderung mit Projekten und Konzepten zur touristischen Neuausrichtung Kevelaers beschäftigt. Und auch über den Zusatz „Wallfahrtsstadt“ – den sich Kevelaer in 375 Jahren nun wahrlich verdient hat – sei man sehr glücklich, versichern Wagener und Bruns. Dennoch sei es Zeit für eine Art ,Face-Lift‘, vor allem des visuellen Auftritts. Jeder kenne beispielsweise die im Laufe der Zeit entstandenen unterschiedlichen Logos, die mit Kevelaer in Verbindung gebracht werden, „die Dreiecke und Punkte, den Schriftzug ,unverwechselbar‘, die Skyline – und jede Menge Kombinationen“, sagt Wagener. „Da ist kein roter Faden erkennbar.“ „Der Schriftzug ,unverwechselbar‘ ist natürlich etabliert und wird mit Kevelaer in Verbindung gebracht. Aber er hat einen ganz entscheidenden Nachteil“, ergänzt Bruns, „er überbringt keine Inhalte.“
Aber auch Inhalte können schnell beliebig werden: Viele Kommunen am Niederrhein führten etwa die Region im Namen. Und am Niederrhein gibt‘s nun mal viele Städte. Oder sie schmückten sich mit dem Attribut, eine „Einkaufsstadt“ zu sein. In welcher Stadt kann man denn nicht einkaufen? Es gehe um „Abgrenzung, Profilierung, Positionierung“, sagt Bruns deshalb. Es müsse klar sein, „was wir mit unserem Auftritt sagen wollen“, ergänzt Wagener. Beiden ist klar, dass sie hier an einem hoch emotionalen Thema arbeiten.
Eine Bürgerbefragung, deren Antworten mehrheitlich in die gleiche Richtung wiesen, und zwei von Experten moderierte Workshops mit der Beteiligung vieler gesellschaftlich relevanten Gruppen später, zeigten die ersten Konturen. Und die Zielgruppen waren schärfer definiert. „Wir können natürlich nicht alle Märkte gleichzeitig in gleicher Intensität bearbeiten“, sagt Wagener. Deshalb, und weil im Standortentwicklungskonzept ganz konkret formuliert sei, dass die Zahl der Touristen und Übernachtungen in Kevelaer wieder signifikant steigen müsse, wolle man sich eben als erstes auf Touristen als Zielgruppe konzentrieren.
Die Markenbotschafter
Dennoch weiß auch Wagener, dass die Kevelaererinnen und Kevelaerer „die wichtigsten Markenbotschafter“ ihrer Stadt sind. „Wenn Bürgerinnen und Bürger das Kevelaer-Feeling nach außen tragen, ist das die beste Werbung, die man haben kann.“
Wie sieht‘s denn nun aus, das „Kevelaer-Feeling“, das nach all den Analysen, Workshops und Gesprächen herausgekommen ist? Der „Markenkern“ hat drei Elemente: „Seele“ (steht für Wallfahrt, Spiritualität, auch für Mensch-Sein unter Menschen), „Flair“ (steht für Atmosphäre, Stimmung, Ausstrahlung, Faszination), „Bewusst-Sein“ (steht für Bewusstsein und sich bewusst sein, Achtsamkeit, Ruhe, zu-sich-kommen).
Wohlgemerkt handele es sich dabei um den Kern der Marke, der so direkt nicht nach außen kommuniziert werde, stellt Nicole Wagener klar. Vielmehr bildeten die drei für Kevelaer stehenden Begriffe die Grundlage, etwa für Werbebotschaften, aber auch für die Entwicklung eines Logos und eines einheitlichen „Corporate Designs“.

Dran bleiben an der Hüls

Man kann die Entwicklung auf der Hüls wie die FDP als falsch ansehen, man kann sie für eine Chance halten. Sicher ist: Sie wird kommen. Und damit sie die Chance hat, eine Chance zu sein, darf nicht für sich alleine stehen. Sie muss in ein größeres Konzept eingebunden werden.

Der künftige Park auf der Hüls muss mit Leben gefüllt werden, er muss für sich allein ein Grund sein, ihn zu besuchen. Kaum jemand glaubt heute noch, dass ein Gradierwerk Lungenprobleme löst. Das Gebäude kann also nicht mehr als das Schmuckstück des Parks sein. Nur für die Gesundheit werden sich keine Touristen dorthin verirren.

Ähnliches gilt für die Pilger, die auf dem Kapellenplatz und im Marienpark alles antreffen, was sie suchen. Zumal heute viele Gäste die Wallfahrtsstätten zwar gern besuchen, aber nicht allein deshalb nach Kevelaer kommen. Sie werden sich nach dem Kapellenplatz eher für ein Café oder einen Einkaufsbummel als für die Hüls entscheiden.

Auch der Weg zur Hüls muss also attraktiv und lohnend sein. Bimmelbahn, Seilbahn… jetzt müssen Antworten gegeben und auf den Weg gebracht werden. Der Baubeginn steht schließlich unmittelbar bevor.