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Marion Dietz klagte gegen einen Mahnbescheid, da sie angeblich ihren Laden an einem verbotenen verkaufsoffenen Sonntag geöffnet hatte

Sonntagsöffnung sollte teuer werden

Erst vor viereinhalb Jahren hat Marion Dietz ihre „Kreativstube“ an der Hauptstraße eröffnet. Dass sie einige Zeit später wegen eines Mahnbescheids von 528,50 Euro im Fokus stehen würde, hätte sie sich sicher nicht träumen lassen.

CDU Kevelaer will Sonntagsöffnung nach der Krise

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen bringen die lokale Wirtschaft und insbesondere den stationären Einzelhandel in eine schwierige, ja sogar existenzbedrohende Lage. Die bereits angelaufenen Hilfen seitens der Bundes- und Landesregierung, die Findigkeit der Geschäftsleute bei der Suche nach alternativen Verkaufswegen und die Solidarität vieler Kunden sind nach Einschätzung der Kevelerer CDU zwar “ein guter Anfang, reichen aber für viele nicht aus, um die Krise auch wirtschaftlich zu überstehen”.

Die CDU Kevelaer habe deswegen die Initiative ergriffen und den NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart gebeten, eine außerordentliche Sonntagsöffnung für den Einzelhandel bis zum Jahresende 2020 zu veranlassen, heißt es in einer Pressemitteilung von Montagnachmittag. Der kommissarische CDU-Vorsitzende Michael Kamps: „Hier muss dringend gehandelt werden. Ein weitreichendes Einzelhandelssterben trifft nicht nur die einzelnen Geschäftsleute mit Ihren Familien und Angestellten, sondern über das wirtschaftliche und soziale Gefüge alle Menschen in unserer Stadt.“

Die CDU schlage daher der Landesregierung vor, beginnend mit der Exit-Phase bis zum Jahresende 2020 die Paragraphen 5 und 6 des Ladenöffnungsgesetzes NRW auszuweiten und es dem lokalen Einzelhandel zu ermöglichen, in dieser Zeit auch ohne die derzeit vorgeschriebenen sachlichen Begründungen an jedem Sonntag für Kunden zu öffnen. Die Erfahrungen der verkaufsoffenen Sonntage sowohl hierzulande als auch in den Nachbarstädten jenseits der deutsch-niederländischen Grenze zeigten deutlich, dass hier ein Umsatzpotential liege, das geeignet sei, dem Einzelhandel zu helfen.

Händler vermissen die Sonntagsöffnung

Das Wetter am verkaufsoffenen Sonntag war durchwachsen, aber die Parkplätze rund um die Innenstadt waren wieder gut ausgelastet. An den unterschiedlichsten Autokennzeichen konnte man erkennen, dass neben Einheimischen viele Gäste aus ganz NRW und den Niederlanden angereist waren.
Für Marianne Kohfeld sind die Kunden von außerhalb existenziell, und da sie oft lange Anfahrtwege haben, können sie nur am Sonntag in ihr Geschäft kommen. Ein Beispiel hierfür ist Familie Bluhm aus Remscheid, die seit 18 Jahren zu ihren Stammkunden gehört und auch diesen Sonntag einen Einkauf machte. Damals baute der Sohn Andreas das Glockenspiel im Pax Christi und die Familie lernte das Geschäft in der Busmannstraße kennen und schätzen. „Wir sind richtig traurig darüber, hier nur noch so begrenzt einkaufen zu können und bedauern dies sehr. Früher sind wir öfter gekommen und konnten dann auch öfter in die Basilika und zur Mutter Gottes, das fällt jetzt weg“, so die Kunden aus dem Bergischen Land.
Kohfeld sieht nach dem erzwungenen Ladenschluss am Sonntag die Zukunft dunkel. Trotz Eigenherstellung vieler Produkte und überwiegend auswärtigen Kunden, wofür es eine Ausnahmegenehmigung geben kann, hat sie diese bisher nicht bekommen. „Wenn dieses Jahr wieder so wird wie das letzte Jahr, dann muss ich schließen“, so die Geschäftsfrau. Sie versucht durch Anmietung von Schaufensterfläche mehr einheimische Kunden zu werben, sieht aber auch darin nicht viel Erfolgsaussichten.
Bürgermeister Dr. Dominik Pichler verwies in einer Stellungnahme auf das Ladenöffnungsgesetz (LÖG). Inwieweit das vor Kurzem beschlossene neue LÖG Veränderungen bringen werde, vermochte er noch nicht zu sagen.
Für Alternativen beziehungsweise ein Rahmenprogramm zum Sonntagsverkauf sehen einige Einzelhändler das Stadtmarketing in der Pflicht. Angebote wie „Wir verzichten am Samstag ab 14 Uhr auf Parkgebühren, wenn sie bis 18 Uhr geöffnet lassen“, seien da untaugliche Versuche. In vielen Großstädten sei Parken am Wochenende Normalität. Foodtrucks, Straßenveranstaltungen und gemütliche Aufenthaltsbereiche müssten die einheimischen Kunden in die Stadt ziehen.
Einige sehen aber auch bei den Kevelaerer Bürgern die Notwendigkeit des Handelns. „Das Geld ist da, es wird jedoch außerhalb von Kevelaer ausgegeben. Wenn die Einwohner nicht noch mehr Leerstand und dann eine unattraktive Innenstadt haben möchten, dann sollten sie auch hier kaufen“, wurde geäußert.
Natürlich unternehmen die Einzelhändler in Kevelaer auch eigene Anstrengungen, um weiter existieren zu können. Internethandel als Multiplikator oder Stände auf Märkten am Sonntag machen teilweise 30 Prozent des Umsatzes aus. Auch stehen schon einmal Gebäck oder Süßigkeiten für die Kunden bereit oder sie werden mit Live-Musik am Klavier begrüßt. Sonderangebote oder Ermäßigungen zu bestimmten Zeiten sind weitere Mittel. Für manche Bekleidungsgeschäfte kommt aber zum Beispiel ein zusätzlicher Internethandel nicht in Frage: „Internethandel ist ein zweites Geschäft und bedarf voller Aufmerksamkeit, außerdem gibt es Retouren, die verschmutzt sind oder bei denen nicht sicher ist, ob sie getragen wurden, und man benötigt zusätzliches Personal.“
Worüber sich viele einig waren: „Die Stadt benötigt neue Ideen für den Handel und die Attraktivität der Innenstadt, sie muss entstaubt werden.“ Dann würde die Online-Abwanderung und die Tatsache, dass in den nahen Niederlanden an Sonntagen geöffnet ist, nicht auf Dauer den Einzelhandel in Kevelaer auslöschen.