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Ehrenbürger Hansgerd Kronenberg

Den eingefleischten Winnekendonker Hansgerd Kronenberg als einen „bourgeois honoraire“ zu betiteln, würde diesen wahrscheinlich nur zu einem gütigen Lächeln veranlassen. Dennoch liegt die Wurzel der ihm jüngst verliehenen Ehrenbürgerwürde, in einer im Nachgang der Französischen Revolution sich emanzipierenden bürgerlichen Gesellschaft.

Ehre, wem Ehre gebührt

Ehre, wem Ehre gebührt! – da bestehen bei Kronenberg keine Zweifel. Die ihm durch alle politischen Lager gezollte Anerkennung zeigte sich deutlich in der Einstimmigkeit des Ratsbeschlusses der vergangenen Woche. Ein Ergebnis, mit dem der Geehrte selbst nicht gerechnet hatte, welches ihn aber mit besonderer Freude erfüllt. Die ihm zueigne Bescheidenheit weicht dadurch allerdings nicht: „Ja, dann hab‘ ich gedacht: Gut, das muss man mal einfach über sich ergehen lassen. Das ist eine besondere Ehrung. Die bekommt man nicht alle Tage.“ Auch wenn er als neuer Ehrenbürger nun im Fokus steht, sieht er es mehr als Anerkennung der für Winnekendonk geleisteten Arbeit und da schließt er ausdrücklich seine Mitstreiter und Weggefährten immer mit ein.

Auf eine über 50jährige Aktivität als Kommunalpolitiker zurückblicken zu können, ist beileibe keine Alltäglichkeit. Höhen und Tiefen wechselten dabei beständig, ließen Kronenberg aber nie an seinem Tun zweifeln. Er ist fest verwurzelt in Winnekendonk – die mehrdimensionale Offenheit von ‚Heimat‘ verschmilzt bei ihm mit der exklusiven Intimität von ‚Zuhause‘. Angesprochen auf den Inhalt des in aller Munde befindlichen Begriffs „Heimat“ antwortet er kurz und knapp: „Ich bin hier geboren, bin immer hier gewesen.“ – die kürzest mögliche Zusammenfassung seiner Liebe zu Land und Leuten. Nur das kann auch erklären, warum er die Vielzahl seiner übernommenen Ämter und Aufgaben mit einem Maß an Selbstverständlichkeit beschreibt, das am logischen Gang der Dinge keine Zweifel aufkommen lässt.

Die schwierigste Zeit

Die für ihn schwierigste Zeit fällt gleich in den Beginn seines aktiven Wirkens in die 1960er Jahre, letztlich verliert Winnekendonk 1969 seine Selbständigkeit als Gemeinde. Kronenbergs Quintessenz: „Die kommunale Neuordnung war nicht der Weisheit letzter Schluss.“ Dennoch ist genau das für ihn der Antrieb, nun die Belange seiner Heimatgemeinde im Kevelaerer Rat zu vertreten, was gerade anfänglich nach seiner Aussage keine leichte Sache war, galt es doch erst zueinanderzufinden und Balancen zwischen den Ortsteilen zu etablieren. Sorgen macht ihm die Erosion der für ein Dorfleben existenziellen Bezugs- und Bindungspunkte „Kirche, Schule, Nahversorgung, Kneipen“ – letztere sind auf dem Lande wichtiger Ort des Austauschs. Die Leute identifizieren sich einfach nicht mit den neuen Strukturen. Kronenberg fasst es so zusammen: „Wenn man an allem herumsägt, dann fallen Späne – die werden in der Regel verbrannt.“

Nach dem Studium

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Köln und einigen Stationen bei Kanzleien in der Umgebung, lässt er sich schließlich 1968 als Rechtsanwalt in Winnekendonk nieder – dieses nicht ohne anfängliche Hindernisse, die ihren Grund in den damals gültigen Niederlassungsbestimmungen finden. Die Anwaltskammer in Düsseldorf teilt ihm auf seinen Antrag hin mit, dass eine Niederlassung nur an Orten möglich sei, die mindestens über ein Amtsgericht verfügen, was in Kevelaer nie der Fall war – dennoch gab es in Kevelaer Anwälte. Darauf hingewiesen, teilt man ihm mit, dass der Fall in Kevelaer anders gelagert sei, da ja Schravelen als historischer Gerichtsort belegt sei. „Dann habe ich zurückgeschrieben: Schravelen ist aber Winnekendonker Gebiet und nicht Kevelaer.“ Die Folge der heimatkundlichen Beschlagenheit war die Erlaubnis zur Niederlassung, die heute längst nicht mehr mit derart hohen Hürden einhergeht.

Kronenbergs Winnekendonker Praxis ist nicht nur sein Büro als Anwalt, sondern auch seine Schaltzentrale als Ortsvorsteher. Ohne Ansehen der Person versucht er jedem zu helfen, der den Weg zu ihm findet: „Jeder ist mir lieb und teuer, der Hilfe haben will.“ Diese räumliche Verbindung seiner beiden Berufungen ist für ihn das Ideal als Ortsvorsteher: „fest am Ort arbeitend, ein eigenes Büro haben und frei über die eigene Zeit verfügen können“.

Der größte Erfolg

Angesprochen auf seinen größten kommunalpolitischen Erfolg, fällt ohne zu zögern das Wort „Golddorf“. Erste Anläufe dazu hatte es in Winnekendonk bereits 1962 gegeben, also noch als eigenständige Kommune. Der 1961 unter dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden“ in Leben gerufene Wettbewerb, wird Kronenberg und seine Mitstreiter 40 Jahre begleiten. Erste Erfolge stellen sich ein: „Irgendwann hatten wir dann mal Bronze auf Landesebene.“ Sie lernen viel von anderen erfolgreichen Dörfern, setzen manches davon auch in ihrem Heimatdorf um und werden immer besser. Schließlich folgt 1975 Landesgold und die Weiterleitung zum Bundeswettbewerb erbringt eine Silbermedaille. Die Krönung zum „Golddorf“ erfolgt schließlich 2001, womit für Winnekendonk auch die Zeit im Wettbewerb endete. Das Dorf war nunmehr zu groß geworden und der Staffelstab wurde an den Ortsteil Achterhoek weitergereicht – Landesgold und Bundessilber im letzten Jahr waren der Lohn.

Keine Zäsur

Als Zäsur begreift Hansgerd Kronenberg die Ehrenbürgerschaft gewiss nicht und stellt klar: „Ich werde meine Arbeit so fortsetzen, wie ich das bisher getan habe.“ Dennoch treibt auch ihn die Sorge um die Zukunft seiner Heimat um. Er wünscht sich, dass mehr junge Leute Verantwortung in der Kommunalpolitik übernehmen und dabei langfristig die gesamte Ortschaft im Blick haben und nicht nur die aktuellen Interessen ihres unmittelbaren Nahfeldes. Nur so lässt sich das einlösen, was inhaltlich hinter dem „Golddorf“ steht und auch immer Kronenbergs Antrieb war: „Unser Dorf hat Zukunft.“

Centro Kevelaer

Kevelaer. Er ist im Kevelaerer Rat der Fachmann für den Haushalt: Im KB-Interview warnt KBV-Fraktionschef Günther Krüger davor, die „schwarze Null“ zu überschätzen und schildert, welche Themen seine Fraktion in der aktuellen Ratsperiode noch beschäftigen.

Kevelaerer Blatt: Herr Krüger, lange hat Ihre Fraktion für die Haushaltskonsolidierung geworben, jetzt ist die „schwarze Null“ da.
Günther Krüger: Ein ausgeglichener Haushalt ist das eine. Die Schulden sind die andere Geschichte. Steigen die Zinsen um ein oder zwei Prozent, ist der Haushalt nicht mehr ausgeglichen. In den vergangenen Jahren wurde der Haushalt nur durch die Ausgleichsrücklage ausgeglichen – das ist fiktives Geld. Bei den Wünschen, die manche Ratskollegen schon geäußert haben, ist das kleine Plus ruckzuck weg. Übrigens kommt die schwarze Null vor allem daher, dass unsere Unternehmen in Kevelaer gut gearbeitet haben.

Welchen Anteil an der schwarzen Null hat die Arbeitsgruppe zur Haushaltskonsolidierung?
Die Arbeitsgruppe hat auch dazu beigetragen. Da ist allerdings noch nicht alles umgesetzt. Bei den Spielplätzen beispielsweise mauert die Verwaltung meines Erachtens. Man muss aber nicht im Umkreis von 200 Metern drei Spielplätze haben, wenn gleichzeitig jungen Familien Baugrundstücke fehlen.

Die Politik ist also sparwillig?
Manchmal diskutiert der Rat wochenlang über eine Ausgabe von 2000 oder 3000 Euro, aber ein Millionenbetrag wie beim Mehrzweckbecken geht dann ruckzuck. Man hätte auch die Mensa einfacher gestalten und nicht als Rundbau konzipieren können. Das wäre günstiger gewesen. Die Zweifachturnhalle war damals Deutschlands teuerste Turnhalle – weil sie auch als Aula nutzbar sein sollte. Dann hat sich gezeigt, dass das wegen der Akustik und anderer Probleme gar nicht geht. Das sind beispielsweise Projekte, die Kevelaers Verschuldung in die Höhe getrieben haben.
Letztlich ist der Einfluss der Politik aber gering. Der größte Posten im Haushalt ist das Personal. Da können Sie nicht sparen, ohne Leistungen zu kürzen. Die freiwilligen Leistungen sind in Summe ebenfalls ein großer Batzen – zu den Profiteuren gehört auch die Kirche. Da zu kürzen ist schwierig, erst recht bei einem ausgeglichenen Haushalt. Und eine Stadt muss auch lebenswert bleiben.

Das angesprochene Mehrzweckbecken ist eine Investition mit Folgekosten. Vor denen warnen Sie oft.
Das mit dem Mehrzweckbecken wurde geschickt gemacht: Wird der Zuschuss bewilligt, muss auch gebaut werden. Den Zuschuss wollten aber viele Kommunen. Ich kann mir vorstellen, dass Barbara Hendricks da angesichts eines SPD-Bürgermeisters die Finger im Spiel hatte. Aber als das Lehrschwimmbecken an der Bieg geschlossen wurde, haben wir gesagt, dass Ersatz kommen soll. Das hätte damals 700.000 Mark gekostet, die stattdessen in die energetische Sanierung der Schule geflossen sind. Heute bauen wir für zwei Millionen Euro – das ist schon weit mehr als nur ein Lehrschwimmbecken. Ich will aber nicht sagen, dass das unsinnig ist. Die Liste für Kinderschwimmkurse ist lang.

Im Sportbereich hat der Rat zuletzt über einige große Ausgaben entschieden.
Die Kunstrasenplätze sind für die Stadt ein Plus-Minus-Null-Geschäft, weil die Pflege nun von den Vereinen übernommen wird. Anders sieht es bei den Umkleiden in Kervenheim für die Footballer aus. Ich hielte es für das Beste, die Spiele ins Hülsparkstadion zu legen. Aber ob das mit den anderen Sportarten logistisch funktioniert, ist die Frage. Alternativ muss von den Footballern eine Eigenbeteiligung kommen, um die Umkleiden zu erweitern.

Noch mal zu den laufenden Kosten: Könnten nicht die Stadtwerke das Hallenbad betreiben und könnten dann dessen Verluste von ihrem Gewinn abziehen und weniger Steuern zahlen?
Diese Überlegung hatten wir wegen der Entwicklung auf der Hüls zurückgestellt. Ich möchte nicht ausschließen, dass dort noch was kommt. Aber ja, das kann man machen, das machen andere Kommunen auch so.

Wie sehen Sie die Entwicklung auf der Hüls?
So, wie es gemacht wurde, ist es für die Stadt kein Risiko. Ob wir ein Hotel und ein Gesundheitszentrum ohne das Gradierwerk bekommen hätten, weiß ich nicht. Aber wenn ich mir Xanten angucke, dann ist unser Gradierwerk zumindest attraktiver. Jetzt steht und fällt die Entwicklung mit dem künftigen Angebot. Was man lösen muss, ist außerdem die Anbindung an die Innenstadt – ob Bürgerbus oder eine Eisenbahn wie früher mal, da müssen wir was hinbekommen.

Stichwort Innenstadt: Kehrt die Verwaltung vom Hoogeweg zum Peter-Plümpe-Platz zurück?
Persönlich halte ich einen Anbau ans Verwaltungsgebäude immer noch für sinnvoll, sofern er vom Integrierten Handlungskonzept bezuschusst wird. Die KBV wollte ja anstelle einer Rathaussanierung die Verwaltung bündeln – ob auf dem Peter-Plümpe-Platz oder an der Kroatenstraße. Die Miete für den Hoogeweg hat beim Entscheid für die Sanierung keiner berücksichtigt. Damit hätte man den Anbau bei den heutigen Zinsen dreimal finanziert.
Alternativen wären, das Gebäude am Hoogeweg weiter mieten oder kaufen oder die Virginia-Satir-Schule. Vielleicht sollte man auch weiter blicken und berücksichtigen, ob sich beim Kaufcenter eine Möglichkeit ergibt.

Sie wären also bereit, den Peter-Plümpe-Platz zu bebauen?
Die Platzsituation muss man erhalten. Aber die wird wesentlich größer sein, wenn man die Marktstraße einbezieht. Eine moderate Bebauung, vielleicht auch mit Charakter einer Markthalle, könnte ich mir gut vorstellen.

Braucht Kevelaer den Peter-Plümpe-Platz für die Kirmes?
Wir müssen bei der Planung zwei Dinge berücksichtigen: erstens die fünf Tage Kirmes – wobei Kirmes in Kevelaer eigentlich nicht die Fahrgeschäfte sind, sondern der Umzug und das Festzelt. Zweitens die Pilgerbusse. Aber warum nicht die Post kaufen? Dann können die Pilger dort aussteigen und Busse parken am Europaplatz – der dafür eigentlich vorgesehen ist. Eine verkehrsberuhigte Innenstadt könnte ich mir gut vorstellen.

Also kein Bedarf für eine Tiefgarage am Peter-Plümpe-Platz?
Ich glaube nicht, dass es für eine Tiefgarage einen Investor gibt, und eine teilweise Bebauung ist dann zwingend. Aber vor der Frage sollte man überlegen, ob man den Verkehr dort überhaupt haben möchte – egal ob über- oder unterirdisch. Kevelaers Verkehrsproblem ist im Wesentlichen hausgemacht. Unter anderem fehlt ein vernünftiges Parkleitsystem.

Peter-Plümpe-Platz, Kaufcenter, Postgebäude – müsste nicht mal jemand eine große Vision für die Innenstadt entwerfen?
Ich halte nichts vom Wort „Masterplan“, aber eine grundsätzliche Konzeption muss man haben. Dafür brauche ich aber keinen Technischen Beigeordneten. Davon haben wir ja 38 im Rat (lacht).

Sie haben mal vom „Modell Centro“ gesprochen…
Was macht das Centro in Oberhausen anders? Hundert Geschäfte haben wir auch. Aber die haben ein Center-Management. Man könnte die Innenstadt zu einem kleinen Centro machen, wenn alle mitspielten. Natürlich muss man dann mehr als Geschäfte bieten – Theater, Gastronomie… Jemand muss ein Gesamtkonzept ansagen und daran müssen sich alle halten.
Ich halte übrigens auch nichts davon, pauschal gegen Geschäfte wie Mediamarkt zu sein. Damit erreicht man nur, dass die Kevelaerer zum Einkaufen in andere Städte fahren.

Wie bewerten Sie die aktuelle politische Stimmung im Rat?
Ich habe schon in meiner Haushaltsrede gesagt, dass sich der Rat stärker von der Verwaltung emanzipieren muss. Die CDU scheint immer noch ihre Bürgermeister gewohnt zu sein und könnte ruhig etwas aufmüpfiger sein. Aber solange die CDU nicht allein entscheiden kann und der Bürgermeister gucken muss, wo er seine Mehrheiten findet, finde ich die Situation sehr gut.

Weniger gut war der Eklat bei der Wahl des ersten stellvertretenden Bürgermeisters…
Wir haben nach der Kommunalwahl vereinbart, dass die CDU den ersten Stellvertreter stellt. Also hätte man den CDU-Kandidaten wählen müssen. Aber das Amt wird überschätzt. In das wichtigere Amt des Vorsitzenden des Stadtentwicklungsausschusses hingegen wurde Michael Kamps gewählt. Ich sehe hier leider unter den gegebenen Umständen keine Lösung.

Trägt so etwas zum Nachwuchsproblem in der Kommunalpolitik bei?
Wenn nur jeder Zehnte, der bei Facebook seine Meinung schreibt, sich in einer Partei oder bei uns engagierte, hätten wir kein Nachwuchsproblem. Und die Zeit, die manche mit Schreiben verbringen, würde für die Kommunalpolitik ausreichen. Die Zukunft vieler Kevelaerer Parteien sehe ich mit Sorge, auch die der KBV.

Zum Schluss ein Blick in die Ortschaften.
In Winnekendonk müssen wir das Problem Sportplatz und Edeka lösen. Da wird wohl der Sportpark erweitert werden müssen und dann kann Edeka auf dem alten Sportplatz erweitern.
In Kervenheim müssen wir sehen, dass wir die Schule erhalten. Der Ort wäre ideal für Gewerbegebiete, aber das wird uns leider nicht genehmigt – auch wenn Uedem das gelingt.
Twisteden ist durch das Irrland eine wachsende Ortschaft, da gibt es höchstens verkehrliche Probleme, die gelöst werden müssen. Aber wir können froh sein, dass wir das Irrland haben.
In Wetten sehe ich bis auf die Nahversorgung derzeit kein akutes Problem.

Das Gespräch führten Björn Lohmann und Rudolf Beerden.

Das Debakel der Demokratie

Kevelaer. „Oh“, war am Donnerstagabend die erste Reaktion von Bürgermeister Dr. Dominik Pichler, als ihm der Zettel mit der Auszählung der geheimen Wahl eines neuen stellvertretenden Bürgermeisters übergeben wurde. Einziger Kandidat in der Ratssitzung war der von der CDU nominierte Ratsherr Michael Kamps. Pichlers zweite Reaktion bestand darin, selbst noch einmal die Stimmzettel auszuzählen. Nach weiteren Sekunden des Schweigens stellte er leiser und ernster als sonst fest: „38 abgegebene Stimmen. Elf Ja-Stimmen, 26 Nein-Stimmen, eine Enthaltung.“ Was meist eine Formalie ist, war zum Fiasko geworden: Michael Kamps war fraktionsübergreifend abgelehnt worden.
Seitdem diskutieren nicht nur in der Politik viele, was bei der Nominierung schief gelaufen ist. Kamps hatte sich bei einer fraktionsinternen Abstimmung dem Vernehmen nach mit einer Stimme Vorsprung gegen drei Mitbewerber durchgesetzt. Üblicherweise hätte nun die Fraktion geschlossen hinter ihrem demokratisch gewählten Kandidaten stehen sollen. Und auch die übrigen Ratsfraktionen hätten traditionell dem CDU-Vorschlag zugestimmt, denn aus den Kommunalwahlergebnissen resultiert der Anspruch der Fraktion, den 1. Stellvertreter zu stellen. Bislang bekleidet Jürgen Aben dieses Amt, wird es aber zum Monatsende abgeben.
„Es gab bisher eine Übereinstimmung der Fraktionen, über die Kandidaten der anderen nicht zu urteilen“, betont Paul Schaffers, Fraktionsvorsitzender der CDU, im Gespräch mit dem KB. Seine Fraktion habe ihr Versprechen gehalten, den Posten der vierten Stellvertreters aufzugeben, sobald der erste Stellvertreter wieder voll einsatzfähig wäre. Der vierte Stellvertreter war eingeführt worden, nachdem Jürgen Aben krankheitsbedingt für längere Zeit sein Amt nicht ausüben konnte. Nach dem Tod von Egon Kammann wird der Posten des vierten Stellvertreters nun nicht neu besetzt.
Öffentlich möchte keine der anderen Fraktionen zu den Vorgängen Stellung nehmen. Die Abstimmung sei geheim, über die Entscheidungen und Motive anderer Fraktionsmitglieder daher keine Aussage möglich. Inoffiziell hört man unterschiedliche Gründe, weshalb Ratsmitglieder gegen Michael Kamps gestimmt haben.
Da ist zum einen die alte Debatte darum, ob Kamps überhaupt seinen Lebensmittelpunkt in Kevelaer habe. Das allerdings soll Kamps nach KB-Informationen noch zu Zeiten von Bürgermeister Axel Stibi eidesstattlich versichert haben. Lägen die Fakten anders – was auch jüngst wieder behauptet wurde – würde sein Ratsmandat grundsätzlich in Frage stehen. Eine Ablehnung in geheimer Wahl ist jedoch wenig dienlich, diese Frage zu klären.
Vereinzelt werden Kamps auch frühere politische Manöver vorgehalten. Mehrheitlich jedoch wird es still, wenn man nach konkreten Gründen für die Ablehnung fragt. Am schlüssigsten ist da noch die Einschätzung, Kamps sei einfach nicht der richtige Typ für die Aufgaben eines stellvertretenden Bürgermeisters, werde aber beispielsweise als Ausschussvorsitzender durchaus geschätzt.
Paul Schaffers ist jedenfalls ratlos. Der Kandidat war den anderen Fraktionen angekündigt worden, Kamps hat im Vorfeld sogar das persönliche Gespräch gesucht. Eine so deutliche Ablehung war beiden nicht signalisiert worden – wohl aber, dass es Gegenstimmen geben werde. „Vorurteile und Intoleranz“ sähe Schaffers darin, wenn jemand Kamps abgelehnt hätte, weil er ihm die Aufgabe nicht zutraut.
Das vielleicht größere Problem für Schaffers, der kurz sogar erwogen hatte zurückzutreten, ist aber die eigene Fraktion. Da nach KB-Informationen mindestens zwei Mitglieder anderer Parteien für Kamps gestimmt haben, müssen mindestens sieben der 17 CDU-Mitglieder gegen den eigenen Kandidaten votiert haben. Der CDU-Chef hofft, dass eine Fraktionssitzung am Freitag Aufklärung bringen wird. Spekuliert wird unter anderem darüber, ob ein Zusammenhang mit der damaligen Fax-Affäre besteht, bei der Thomas Selders aus dem Amt des CDU-Vorsitzenden gedrängt wurde – und an deren Anfang die Wohnsitzfrage eines potenziellen Ratsmitglieds stand.
In den anderen Fraktionen hofft man nun auf einen neuen Vorschlag der CDU, der einstimmig beschlossen werden könne. Doch den werde es laut Schaffers bis auf weiteres nicht geben. Für Pichlers Stellvertreter Brigitte Middeldorf und Johann-Peter van Ballegooy bleibt die Terminbelastung damit hoch. Und für künftige Personalien stellt sich die Frage, ob der fraktionsübergreifende Konsens endgültig dahin ist, die Kandidaten der vorschlagsberechtigten Partei zu akzeptieren. Das könnte dann zu unschönen öffentlichen Personaldebatten führen, wie sie jetzt schon Michael Kamps erdulden muss. Demokratisch wäre das – aber auch wünschenswert?