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Über Sinn und Herkunft der Europaflagge

Wie zerrissen, gespalten, gefährdet Europa momentan ist, erleben wir fast täglich in den Medien“, führte Dr. Bastian Rütten die dritte Fastenandacht in der Marienbasilika ein, die sich wieder mit dem Thema „Europa“ beschäftigte. Dieses Mal kam als Fastenprediger Dirk Tecklenborg aus Lingen in die Marienstadt.

Der Gemeindereferent hat sich bereits im Mai 2017 als Sprecher des Mysterienspiels „Mensch! Maria!“ einen Namen in Kevelaer gemacht hat. Auch seine Fastenpredigt hinterließ einen tiefen Eindruck bei den Anwesenden.

„Wer ist perfekt? Im Beruf? Im Aussehen? Im Glauben? Wer ist vollkommen? Vollkommen glücklich? Vollkommen reich?“, mit diesen Fragen begann der Theologe seine Ausführujngen. Viele wären es wohl gerne, aber perfekt bzw. vollkommen zu sein, dieses Ziel werde doch von Menschen nur selten erreicht.

Aus den neutestamentlichen Briefen heraus legte Tecklenborg dar, dass dort Geduld und Liebe als Weg zur Vollkommenheit dargestellt werden, die doch jeder üben könne. In erster Linie aber ging er auf die in der Offenbarung des Johannes erwähnte Frau mit dem Kranz von zwölf Sternen um ihr Haupt ein. Die Zwölfzahl selbst sei der Inbegriff der Vollkommenheit und auch durch die zwölf Monate des Jahres, die täglichen zwölf Tages- und Nachtstunden und die Zahl der zwölf Apostel dargestellt.

Nur Maria, die traditionell in dieser dort erwähnten Frau mit den zwölf Sternen gesehen wird, könne Vollkommenheit zugeschrieben werden. Und diese Frau aus Offenbarung Kapitel 12 sei auch die Inspirationsquelle für die Europaflagge gewesen. Viele wüssten gar nicht um die Symbolik dieser dunkelblauen Flagge mit dem Kreis von zwölf Sternen.

Die Ursprünge für die Wahl dieser Symbolik liegen, so der Prediger, in einem Gelübde von Paul Lévi, einem belgischen Juden, der in der Not des Zweiten Weltkrieges versprach: “Wenn ich den Krieg überlebe, werde ich katholisch!” Er überlebte und konvertierte. Als am 5. Mai 1949 in London der Europarat gegründet wurde, wurde Lévi zu dessen Leiter ernannt. Als 1955 eine Flagge für Europa gesucht wurde, entdeckte Lévi beim Spaziergang eine Marienstatue mit zwölf goldenen Sternen. Diese inspirierte ihn zur heute bekannten europäischen Flagge.

Der Kreis der zwölf Sterne stehe für vollkommene Solidarität, vollkommene Harmonie und vollkommene Gemeinschaft. „Wo ist diese Solidarität, wenn Flüchtlinge von einem Land zum anderen geschickt werden? Wo ist diese Harmonie, wenn ein Land aus der EU ausscheiden will? Wo ist die Gemeinschaft, wenn sogar in zentralen Fragen Uneinigkeit herrscht?“, diese Fragen stellte der Fastenprediger in den Raum. Es sei einfach, auf Missstände hinzuweisen, aber die europäische Idee von gestern sei auch die europäische Idee von heute, nämlich die Idee von der Würde und Gleichheit aller Menschen und ihren gleichen Rechten. Auch wenn die Gotteshäuser immer leerer werden, gelte es, sich hier und jetzt auf den Weg zu machen, Gott etwas zuzutrauen und trotz aller Sünden und Fehler nach Vollkommenheit zu streben. „Gott traut uns zu, dass wir Gutes bewirken können, loslegen müssen wir aber selber. Hier in Kevelaer wird deutlich, dass Maria diese Sehnsucht nach Vollkommenheit ausdrückt. Lassen wir uns vom Drachen nicht die Sterne wegfegen!“

Dr. Bastian Rütten, der mit dem Fastenprediger schon seit Studientagen freundschaftlich verbunden ist, ließ anschließend noch Gebete, Bitten und Dank mit Weihrauch vor dem Altar aufsteigen. „Wir sind nicht vollkommen, aber wir sind miteinander auf dem Weg mit dem guten Gott an unserer Seite. Bringen wir wie Maria Gott Wohlgeruch dar und lassen Sie uns am Ende dieses Gottesdienstes ‚verduften’, also anderen zu Duft werden, wie dieser Weihrauch“, schloss er die letzte Fastenandacht für dieses Jahr.

Zweite Fastenpredigt mit Blick auf Europa

Das Jahr 2019 sei ein Jahr voller Jubiläen, begann Pfarrer Dr. Antonius Hamers die zweite Fastenpredigt in der Marienbasilika: 100 Jahre Frauenwahlrecht, 100 Jahre Versailler Friedensvertrag und Weimarer Reichsverfassung, 80 Jahre Beginn des Zweiten Weltkrieges und 70 Jahre Grundgesetz.
Das Gelingen eines Staates hänge von uns ab und davon, wie weit wir in eine weitere größere Völkerfamilie eingebunden seien. Kevelaer selbst bezeichnete Hamers als eine europäische Gegend, einen Ort, der von vielen jenseits der Grenze mitbestimmt sei.
Der europäische Gedanke selbst sei nach dem Zweiten Weltkrieg besonders von drei Männern aus einer christlichen Grundhaltung heraus vorangetrieben worden: Konrad Adenauer, Robert Schuman und Alcide de Gasperi. Alle drei lebten das Motto: Feindschaft überwinden, Frieden wagen. „Sie warfen ihr Herz über die Grenzen, um Krieg und Gewalt abzubauen“, sagte der Direktor des Katholischen Büros in Düsseldorf.
Auch heute noch gelte es, nach dem Vorbild Jesu die Hände zu reichen und für Frieden und Versöhnung zu arbeiten und so die Spirale von Hass und Gewalt zu durchbrechen. Dies könne nur gelingen durch das Bewusstsein, dass jeder Mensch die gleiche Würde, das gleiche Menschsein, das gleiche Recht auf Leben und Freiheit besitze. In Bezug auf Großbritannien und den Brexit meinte er nur: „Mit dem Affentheater, das sich dort abspielt, bestrafen sich die Briten vor allem selbst.“ Die EU sei, so der Prediger, natürlich nicht perfekt, vieles sei verbesserungswürdig, aber dadurch dürfte nicht das Ganze in Frage gestellt werden.
Statt Missstände nur zu benennen, gelte es, sich selbst einzubringen, sich zu engagieren und für den europäischen Gedanken einzustehen. Uns Christen sei es besonders durch die Enzyklika „Gaudium et spes“ ins Stammbuch geschrieben, aus christlicher Verantwortung am Reich Gottes mitzubauen, christliches Engagement zu zeigen, an der Seite der Scwachen zu stehen, die Schöpfung zu bewahren und für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten.
„Die drei Gründungsväter Europas stehen dafür, dass wir auch heute im kleinen Bereich das Gute tun, Europa auch im Kleinen verteidigen, zur Wahl gehen und die Grenzen überwinden, damit Feindschaft nicht entstehen kann, die zerstört, sondern Frieden, der aufbaut“, schloss er seine Predigt.
Unter Gesang und Orgelbegleitung ließ Pastor Gregor Kauling anschließend zu den einzelnen Fürbitten Weihrauch aufsteigen.
Die dritte Fastenpredigt findet am Freitag, 21. März, wieder um 19.30 Uhr in der Marienbasilika statt. Fastenprediger ist der Gemeindereferent und Sprecher von „Mensch! Maria!“ Dirk Tecklenborg.

Mit Gott und Glauben Grenzen überwinden

Der Reigen der Fastenpredigten an St. Marien wurde mit Pfarrer Christoph Stender eröffnet. Der Priester des Bistums Aachen und Geistlicher Leiter des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken spannte in seiner Predigt den Bogen von der Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis über die aktuelle Politik mit „America first“ und der Krise Europas bis zum Kapellenplatz, den er als wunderbares Symbol für Europa würdigte.
Heute werden Grenzen und Mauern oft neu errichtet, die schon überwunden gedacht wurden. Aber im Blick auf Gott, der in seiner Dreifaltigkeit Einheit und Vielfalt ist, wollen wir Besinnung suchen“, sagte Pastor Gregor Kauling zur Einstimmung. Pfarrer Christoph Stender ging in seiner Predigt auf den Urzustand in Gottes Schöpfung ein. Der Mensch ordnete die Tiere nicht durch Grenzen, sondern durch Namen. Erst nach dem Verlust des Paradieses seien Andersorte entstanden, die ein- und ausgrenzen. Sogar der Luftraum habe heute genau festgelegte Grenzen, die man bei Bedarf dichtmachen könne.
Die Geschichte des Volkes Israel sei jedoch vielfach eine Geschichte von Fremden und Grenzgängern, wie etwa Abraham, der im Glauben sein Volk und seine Heimat verließ. „Kein Volk fällt als Volk vom Himmel“, sagte Stender. Gott selbst errichte keine Grenze, sogar der Gottesname „Ich bin der, ich bin da“ sei eine Beschreibung der Grenzenlosigkeit. Gott ermögliche vielmehr das Überwinden von Grenzen, wie es der Psalmist ausdrückt: „Mit meinem Gott springe ich über Mauern.“
Jesus, der Mauernspecht
„Was stören mich also Grenzen? Mit meinem Gott bin ich überall zuhause“, mahnte Pfarrer Stender, der Jesus in seiner Fastenpredigt sogar einen neuen Titel gab: „Jesus, der Mauernspecht“. Jesus überwinde Mauern und Grenzen, indem er die Weite in den Blick nehme. First sein wollen, sagte er in Blick auf die amerikanische Politik, klinge zuerst freundlich, aber es grenze andere Menschen aus. Der Glaube allein sei für den Christen Heimat und Glaube sei frei von Grenzen. Statt Grenzen aufzubauen, gelte es, in der Sorge füreinander über Grenzen hinweg verbunden zu sein und ein starkes Miteinander zu pflegen. Auch Europa lebe von unserem gemeinsamen Eintreten für die Sache, von unseren Talenten und Erfahrungen, die für ein starkes Europa zusammengelegt werden müssen. „Es ist zwingend notwendig, über Grenzen hinauszuschauen. An den Grenzen hört die Welt nicht auf zu ticken“, erklärte der Prediger.
Der Kapellenplatz in Kevelaer sei ein wunderbares Symbol für Europa. Menschen aus allen europäischen Ländern seien hier als Pilger und würden hier friedlich nebeneinander Kerzen anzünden. „Die Gebete sprengen die Grenzen der Länder oder der Sprachen. Hier in Ihrer Stadt haben Sie ein wunderbares Symbol. Unterschiedliche Menschen sind gemeinsam im Glauben verbunden.“ Mit einer Vision eines großen Tisches für alle Menschen, an dem Menschen satt werden und gemeinsam Lieder singen und wo Gott allein der Gastgeber ist, der niemanden ausschließe, endete seine Predigt.
Mit Fürbitten zu den angesprochenen Konflikt- und Themenfeldern durch Dr. Bastian Rütten und in gemeinsamen Liedern und Gebeten endete die erste Fastenpredigt, deren Teilnehmer jedoch nur vereinzelt die große Basilika füllten.
So geht’s weiter

Die 2. Fastenpredigt hält am Ffreitag, 15. März, Dr. Antonius Hamers, Direktor des Katholischen Büros in Düsseldorf. Zur 3. Fastenpredigt am 22. März kommt Gemeindereferent Dirk Tecklenborg, der vielen als Sprecher des Marienspiels „Mensch! Maria!“ noch in Erinnerung sein dürfte. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr in der Basilika.