Herzerwärmendes Theater
Seit ihrem Erscheinen im Jahr 1843 ist die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens in zahlreichen Theaterstücken und Filmen immer wieder neu erzählt und aufgeführt worden. Und seine Faszination scheint der Stoff, der die rührende Wandlung des Geizkragens Ebenezer Scrooge zum Herzensmenschen erzählt, bis heute nicht verloren zu haben. Denn zahlreiche Eltern oder Großeltern fanden mit ihren Kindern den Weg in das Bühnenhaus, um sich von der Geschichte einfangen zu lassen.
Allein schon das Bühnenbild mit der wunderbaren historischen Hauskulisse versetzte die Zuschauer direkt in die Zeit des 19. Jahrhunderts. Und auch die Schauspieler in ihren ehrwürdigen Kostümen konnten den Charakter der Weihnachtsgeschichte auch optisch sehr gut transportieren. Oliver Gebhardt spielte den alten Griesgram Scrooge, der sich mürrisch hinter seinem Schreibtisch verkriecht und für den Weihnachten überhaupt keine Bedeutung hat. „Ich wünsche mir ein gewinnbringendes Fest“, sagt er. Selbst der Holzscheit, den sein Angestellter Bob Cratchit (Sebastian Teichner) ins Kaminfeuer legen will, ist dem Geizkragen zu viel und er droht mit „Kündigung“. Die Einladung zum gemeinsamen Essen bei seinem Neffen (Andreas Werth) lehnt er genauso rigoros ab wie die Bitte einer Spende für die Armen seitens einer Sammlerin (Sonja Wigger).
Drei Geister führen ihm sein Leben vor Augen
Als er in seinem Stuhl einschläft, erscheint ihm im Fenster der Geist seines verstorbenen Kompagnons (Jacob Marley), der unter der Last der Ketten und Gewichte leidet, die er durch sein herzloses Auftreten im Leben gesammelt hat. Er kündigt ihm den Besuch dreier Geister an – dem der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht. Diese Geister (Leonard Maschner) führen ihm nach und nach sein Leben vor Augen:
Wie er einsam als Kind aufwuchs, weil der Vater ihm nicht verzeihen konnte, dass die Mutter im Kindbett starb. Wie er sich erstmals verliebte und seine Verlobte Belle aus zunehmender Hinwendung zum Geld vernachlässigte und sie ihn daraufhin verließ. Der zweite Geist „der gegenwärtigen Weihnacht“ erscheint um Schlag zwei Uhr: Er führt Scrooge das bescheidene Heim seines Angestellten Bob Cratchit und seiner Familie vor, in dem auch Cratchits’ jüngster Sohn Tiny Tim lebt, der sehr schwach ist und auf eine Krücke angewiesen ist. Er werde wohl sterben, „wenn sich die Schatten der Zukunft nicht ändern“, mahnt ihn der Geist.
Der „Geist der zukünftigen Weihnacht“ zeigt ihm dann die Szene eines Lumpenhändlers und einer Reinemachefrau, die über Kleidungsstücke verhandeln, die sie einem Toten gestohlen hat. Scrooge erkennt dort sein Bettkissen wieder. Und er führt ihn zum Haus des Angestellten, in dem die Familie voller Schmerz und liebevoller Erinnerung an Tiny Tim um dessen Tod trauern. Am Ende muss Scrooge ertragen, seinen eigenen Grabstein zu sehen – und versteht, dass er der Verstorbene war, über den so spöttisch geredet wurde.
Dann war er ein anderer Mensch
Am Boden liegend wacht er am Morgen des ersten Weihnachtstages wieder auf, springt erleichtert durch sein Zimmer – und setzt sein den Geistern gegebenes Versprechen um, fortan ein anderer Mensch zu sein. Er schickt Bob Cratchit als anonymer Gönner einen riesigen Truthahn als Festtagsbraten, verdoppelt dessen Gehalt, nimmt des Neffen Einladung an, verteilt eine großzügige Spende und wird für Tiny Tim wie ein zweiter Vater. Die Wandlung des Alten vom Geizkragen zum Herzensmensch gelang Oliver Gebhardt großartig.
Wirklich zu Herzen gehend spielten Andrea Wigger und Sebastian Teichner das bescheidene Angestellten-Ehepaar, das in Armut mehr Herz und Würde zeigt als der alte Mann. Und die musikalischen Elemente bereicherten das fesselnde Spiel des Ensembles, das dazu führte, dass kein einziges Kind unruhig auf seinem Stuhl saß. „Dass er nicht mehr geizig war und Gutes getan hat“, fand die neunjährige Elisabeth neben den „Liedern und der kleinen TinyTim-Puppe“ am schönsten. „Die Puppe und die Geister“ hatten auch den siebenjährigen Erik aus Weeze gepackt.