Zweckoptimismus in schweren Zeiten

Lachende Gesichter im Sonnenschein, gefüllte Gläser und genussvolle Torten zum Nachmittag vermittelten in dem „Cafe Binnenheide“ den Eindruck von scheinbarer Normalität.

„Es ist schön, dass es sich auflockert“, genossen Sandra und Markus Monczowski die Möglichkeit, wieder unter Menschen gehen zu können. Vorbei war auch für Dennis van den Berg die Zeit ohne einen einzigen Gast. Wochen, in denen der junge Gastronom keinen Cent Geld verdienen konnte. „Wir haben eine lange Durststrecke hinter sich“, wollte er sich zu konkreten Verlusten in der Zeit lieber nicht äußern.

„Die Binnenheide erfreut sich großen Zulaufs“, blickt der Gstronom nach vorne: „Wir haben wieder volles Programm mit italieischer Küche: Wir haben den Garten künstlerisch für einen perfekten Urlaub zuhause gestaltet. Und wir haben Stammgäste, die viermal hintereiander zu Essen kommen. Gemeinsam schaffen wir das.“

Ähnlich wie van den Berg sehen das die Verantwortlichen des Schravelner Restaurants „Antica Osteria“, wo nach langer Zeit mal wieder einige Gäste auf der Terrasse den Abend zusammen verbrachten. „Wir genießen die freie Zeit“, sagte Laura de Witt, die mit ihrem Liebsten und einem befreundeten Paar in angemessener Abstandsform trank. Sie erzählte, dass auch ein Juwelier in so einer Zeit nicht gerade leicht zurechtkommt. Aber auch da klangen Zeichen der Solidarität durch, wie die Anekdoten mit den Schmuckstücken, die Menschen aus ihren Kellern holen, um sie einfach so in der Werkstatt reparieren zu lassen.

„Wir haben hier den besten Wein Kevelaers getrunken und den besten Fisch gegessen“, betonte Marion Wolters aus Lüllingen, dass ihr Vierertisch „zu 150 Prozent Lust“ auf ein geselliges Zusammensein gehabt hatte. Auch Küchenchef Igor Cazzetta gönnte sich am Ende seines Tages ein Bier. „Wir sind cool geblieben, hatten dann ein neues Konzept mit Service außer Haus“, beschrieb er die Übergangszeit. „Wir sind über die Runden gekommen, hatte die Solidarität unseres Personals. Nun merkt man, dass die Leute Sehnsucht habe, wieder rauszugehen.“

Um durchzuhalten, hatte er aber eine fünfstellige Summe an Eigenkapital in die Hand nehmen müssen. Dazu kam staatliche Unterstützung und die Kredite der Bank, die die abgesagten Buchungen und Hochzeiten kompensieren sollen. Doch Geld sei nicht alles: „Wir sind froh, dass wir gesund sind. Alles andere ist ein Geschenk.“

Die Chefin des „Goldener Apfel“, Jutta Pesch-Braun, und ihre gastronomische (Fast-)Nachbarin Mary Aida Sellathurai genossen ebenfalls vor dem Haus eine Tasse Kaffee und Tee. „Man hört: wir kommen gerne wieder zum Essen.

Am Sonntag hatten wir ganz gut zu tun“, erzählte die Chefin des „Pfannkuchenhaus Hollandia.“ Statt 80 haben man innen jetzt halt 50 bis 60 Plätze, dazu kämen die Stühle draußen. Händedesinfektion und die Zettel zum Ausfüllen mit Name und Adresse seien kein Problem. Auch sie hat in den letzten Wochen rote Zahlen geschrieben: „April und Mai sind ja Topmonate.“ So schnell sei das auch nicht aufzufangen. „Wir verdienen jetzt wie Taschengeld.“

Und weiter führt Pesch-Braun aus: „Die Leute sind, was die Regeln betrifft, sehr diszipliniert, Aber es ist, was die Frequenz betrifft, erschreckend ruhig.“ Wo sonst täglich Pilgergruppen Restaurant und Hotel bevölkern würden, herrsche nun nach den zahlreichen Stornierungen Ruhe. „Das waren große Gruppen, jetzt kämpfen wir um Einzelgäste.“

Bis zum Nachmittag hatte sie tatsächlich nur einen einzigen Kunden. „Aber sonst kamen viele Stammkunden, viele rufen an.“ Als nahezu unglaublich empfand sie die Geste eines Kölner Kevelaer-Liebhabers, der ihr am Telefon von seiner eigenen Rente 1.000 Euro anbot. „Die Leute wollen, dass Kevelaer erhalten bleibt, wie es ist.“ Solche Moment seien es, die sie motivieren würden, weiterzumachen.

Lächeln nach einem guten Tag.

Ob dieser Jahr überhaupt nochmal Pilgergruppen kommen würden, wusste auch Wallfahrts-Geschäftsführer Reiner Killich nicht sicher zu sagen: „Im Bistum Aaachen gilt bis zum 31. August alles ab 100 Pesrsonen als Großveranstaltung. Für das Bistum Münster gibt es da noch keine klare Antwort.“ Wenn das auch für Kevelaer gelte und keine Prozessionenformen erlaubt seien, werde es schwierig. „Viele Bruderschaften melden zurück, dass die meisten nicht fahren wollen, vor allem aus Holland. Und die Ehrenamtlichen sagen; die Verantwortung tue ich mir nicht an.“

Die Hoffnung sei, dass zu „Pfingsten kleine Gruppen“ reisen dürfen, was das auch immer von heißen würde. „Es fährt nur ein halb voller Bus?“ Immerhin wollten Radpilger mit 10, 15 Personen Ende Juni kommen sowie die eine oder andere Großgruppe in getrennten Kleingruppen aus verschiedenen Ortschaften. „

Ein paar Meter im „Café Klatsche“ stellte Mitarbeiterin Kerstin Neumann schon die Stühle zusammen. „Es gibt mal einen coffee to go. Aber das war‘s auch.Wir machen oft schon um 15 Uhr zu. Das sind mehr Lohnkosten als Gewinn.“ Den Kopf hängen lassen werde man aber nicht.

Die Maske bremst

Ein wenig optimistischer schien das Stimmungsbild auf der Hauptstraße. „Die erste zwei Wochen waren richtig gut – auch wenn es natürlich nicht zu vergleichen ist mit dem Vorjahr“, berichtete Trudi Albers von „s.oliver“ von ihren momentanen Erfahrungen. Allerdings bremse die Maske. Denn sich damit in der Kabine umzuziehen, sei für viele „nicht so schön.“ Und die Maske mache auch gedankenlos. „Die Leute laufen ohne Abstand“, ist ihre Eindruck.

Natürlich fielen die Kunden, die sonst zwischen den Gottesdiensten mal zum Bummel kämen. „Aber wir müssen das Beste draus machen.“ Dazu gehöre auch kreative Urlaubszeit-Planung, um alle Kollegen bei der Stange zu halten.
Die Grundstimmung sei wieder ganz gut, fand Dominik Nellesen von der „Bilgerie“ gegenüber: „Die Leute trauen sich mehr. Viele seien allerdings von Desinfektion und Maske schon genervt.“

Und man bemerke schon, dass sich bei den Inhabern drei Gruppen herausschälen: „Die, die den Kopf schon in den Sand stecken und wenig Motivation haben, diejenigen, die sich über Wasser halten und alle, die entschlossen was tun wollen.“

„Das ist ganz unterschiedlich“, bestätigte auch Norbert Heckens von der Interessensgemeinschaft Hauptstraße. „Wir sind ein Stammkunden-Betrieb, da kommen die Menschen zurzeit gezielter als früher und kaufen auch direkt. Und sie kommen mehr vormittags als nachmittags.“ Die sechs Wochen zuvor, das gesteht er zu , waren auch für ihn schon „sehr mau. Ich denke, da kommt noch was nach.“

Auch Optiker hätten genaucso wie die Gastronomie habe gelitten. Einen richtig positiven Blick in die Zukunft wagten beide Männer nicht. „Der Knall, der kommt in zwei, drei Monaten“, ist Nellesen eher skeptisch.