„Zu den Mädchenzimmern und den Jungenzimmern muss Mama nur die Treppe runter“

Kinderärztin Perihan Zengin und ihr Mann Ilhan haben ein Schmuckstück wieder zum Glänzen gebracht. Das alte Stadthaus an der Marienstraße 4, das unter Denkmalsschutz steht, wurde von ihnen in den letzten zwei Jahren liebevoll und aufwändig restauriert. Über der neu eingerichteten Praxis wurde die Wohnung von Familie Zengin eingerichtet. Die Töchter Pelda und Bengi strahlen über das ganze Gesicht, als sie gefragt werden, ob es ihnen denn im neuen Zuhause gefalle: „Zum Arbeiten in den Mädchenzimmern und Jungenzimmern muss Mama nur noch die Treppe runter.“
Mit Mädchenzimmer und Jungenzimmer meinen sie die vier Behandlungszimmer, in denen große Wandbilder neben Möbeln in modernen und komplementären Farben einen Schwerpunkt setzen. In den „Mädchenzimmern“ sind filigrane Baum-Ornamente mit Blüten, Vögeln und Fröschen zu sehen, in den „Jungenzimmern“ lenkt ein Wandbild mit Tieren von Walt Disney oder ein Blick ins Universum von Krankheiten ab.
In den funktional gestalteten Behandlungsräumen, die mit den Farben rot, gelb, grün und blau gekennzeichnet sind, können neben manuellen Untersuchungen auch Ultraschall-, EKG-Untersuchungen und Allergietests durchgeführt werden. Für Blutuntersuchungen steht ein eigenes Labor bereit. Hier können neben Urin-Untersuchungen auch erste Blutwerte bestimmt werden.
Das große Wartezimmer wird ebenfalls mit einem großen Wandbild dominiert. Alle Spielsachen darin müssen ständig desinfiziert werden. Für Kinderbücher und Erwachsenenlektüre ist gesorgt. Ein freundlich eingerichteter Empfangsbereich mit vielen farbigen Ordnern ist vom Wartezimmer räumlich getrennt. Die Verschwiegenheitspflicht und Wahrung der Persönlichkeitsrechte sollen so gewährleistet werden. Für „infektiöse Fälle“ gibt es einen gesonderten Eingang, eine eigene Toilette und einen Behandlungsraum, um Ausbreitungen zu verhindern. Zudem ist an jedem Behandlungsraum ein Desinfektionsspender angebracht. Alle Behandlungsräume sind gleich ausgestattet. Trotz 25 Grad Raumtemperatur gibt es noch einen Heizstrahler über jeder Liege und in jedem Raum befindet sich eine Babywaage im Schrank. Hierdurch wird verhindert, dass Säuglinge über den Flur zum Wiegen getragen werden müssen.

Das Gebäude an der Marienstraße 4 steht unter Denkmalschutz.


Perihan Zengin und ihr Team freuen sich auf die neuen Arbeitsbedingungen. Die alte Praxis an der Willibrordstraße 19 war viel dunkler, unmoderner und durch die Anordnung über zwei Etagen unpraktisch angelegt. Sie wurde von der kurdischen Kinderärztin übernommen, nachdem sie aus Duis­burg mit ihrer Familie nach Kevelaer gezogen war. Sie hatte zuvor in Münster studiert und ihre Zeit als Arzt im Praktikum abgeleistet. Es folgten sechs Jahre Mitarbeit in einer Klinik und drei Jahre in einer Essener Praxis.
Zengin schätzt die freundliche und positive Zusammenarbeit mit den zwei Facharztkollegen in Kevelaer. In der Großstadt sei zwischen den Kollegen ein deutliches Konkurenzverhalten zu spüren. „Hier ist es ein gutes Miteinander und wir vertreten uns gegenseitig bestens“ sagt die Medizinerin. Kevelaer gefällt ihr gut, weil die Menschen ihr und ihrer Familie ohne Vorurteile begegnen würden und weil die Innenstadt so schön sei: „Es ist alles so überschaubar und trotzdem mit so viel Leben gefüllt.“
Als Kurdin kennt sie Sprache und Kultur ihrer Landsleute nur zu gut. So verwundert es nicht, dass monatlich bis zu 100 Flüchtlingskinder die Praxis besuchen. Zengin weist darauf hin, dass diese Untersuchungen oft kulturellbedingt sehr aufwändig sind: „Da im Heimatland keine Krankenversicherung üblich ist, gehen die Menschen gewohnheitsmäßig erst sehr spät zum Arzt. Oft, wenn sie bereits alle Hausmittel ausprobiert haben.“
Alleine deshalb sei schon eine sehr gründliche Untersuchung erforderlich. Außerdem sei es nicht ganz einfach, die Kinder zu untersuchen. Das oft sehr hohe Schamgefühl macht es teilweise unmöglich oder es benötige langes Überreden, bis sich die Kinder zur Untersuchung ausziehen lassen. Bei bis zu 150 Kindern insgesamt, die an einem Tag in die Praxis kommen, bedeutet dies oft Verzögerungen.
Die Rahmenbedingungen für das private Leben im Haus Marienstraße 4 sind durch die historische Bausubstanz mit Stuckdecken, einer  Eichentreppe, uralte Bodenfliesen, viel Platz zum Wohnen und Spielen sowie der Nähe zum Arbeitsplatz gegeben. In den neuen Praxisräumen wird es schon bald hoch hergehen.
Dass dies in einem guten Arbeitsklima geschehen wird, sind sich die Mitarbeiterinnen (Medizinische Fachangestellte und Kinderkrankenschwester) sicher. Denn, so steht es auf einem Schild, das sie ihrer Chefin zum Einzug geschenkt haben: „Immer für uns da, unsere Chefin Perihan Zengin, stylish, emanzipiert, gerecht, geduldig, gelassen, ehrlich, emphatisch, schlau, verständnisvoll, humorvoll, fürsorglich, vertrauensvoll, kinderlieb.“