Zeugnisse der Vergangenheit gefunden

Marianne Janssen, geb. Grüntjens, und ihr Mann Johannes aus Kervenheim mussten nach dem Tod einer entfernten Verwandten deren Hausstand auflösen, da es sonst keine Verwandtschaft mehr gab. Es handelte sich bei der Verstorbenen um Ursula Merten, geb. Grüntjens (24.7.1927–22.1.2018), die in den letzten Jahren im Heim lebte, ursprünglich aber aus der „Kunst- und Handelsgärtnerei“ Grüntjens, Weezer Straße 12–14 stammte.
Diese gehörte ihren Großeltern und ihrer Tante, zu denen sie 1929 im Alter von elf Jahren kam, weil ihre Mutter gestorben war und ihr Vater (ständig auf Montage) sich nicht um sie kümmern konnte.

Bei der Auflösung des Hausstandes zeigte sich, dass Ursula Merten eine Sammlerin von Andenken, Schriftstücken und Fotos war, die einen Einblick in längst vergangene Zeiten erlauben.

Ein Foto von Franz Grüntjens, der bereits 1929 verstarb.

So fand sich bei dem Nachlass ein kleiner Stapel von alten Arbeitszeugnissen. „Tippelei“, so nennen die zünftig reisenden Wandergesellen selbst ihre traditionelle Wanderschaft im Handwerk. „Auf der Walz“ gilt den meisten als Unwort und „Tippelbrüder“ sind etwas ganz anderes. In der heutigen Zeit kennen wir nur Schreiner- oder Dachdeckergesellen, die sich auf den Weg machen, um bei vielen unterschiedlichen Meistern Erfahrungen in ihrem Handwerk zu sammeln.

Auf „Tippelei“ war von 1910 bis 1914 Franz Grüntjens als Frisörgeselle. Denn früher gingen Gesellen fast aller Gewerke auf Wanderschaft. Grüntjens wurde am 10.3.1890 in Kevelaer geboren und verstarb bereits am 24.7.1929 nach einer Kriegsverletzung und zahlreichen Operationen im Lazarett.

In seinen Wanderjahren machte er bei zahlreichen „Herren“ Station. So kam er nach Friedrichsfelde bei Wesel, Düsseldorf, Hilden, Frankfurt, Stuttgart und Karlsruhe. Seine Zeugnisse beschreiben einen fleißigen, genau arbeitenden Gesellen, der mit allen Kollegen gut zusammengearbeitet hatte. Er ließ nur zufriedene Meister zurück, die traurig waren, als Franz Grüntjens sich wieder auf den Weg machte.

Zwischen vielen alten Postkarten und Fotos von Kevelaer fanden sich auch weitere zeitgeschichtliche Dokumente von besonderer Güte. Nach 1938 muss es gewesen sein: Am alten Rathaus war in der Verlängerung des Gebäudes an der Marktstraße noch das alte Steintor, das zwar den Zweiten Weltkrieg, aber nicht die Zeit überstand. In Kevelaer fuhren die ersten VW Käfer. Da gab es eine Überschwemmung von besonderem Ausmaß. Das Wasser stand so hoch ums alte Rathaus, dass der Gehsteig nicht mehr zu sehen war und ein Fahrradfahrer mit seinen Pedalen die Wasseroberfläche streifte. Diese Situation wurde von einem Zeitzeugen im Bild festgehalten.

Interessant fürs Stadtarchiv

Ein weiteres Foto zeigt die Gastwirtschaft zum St. Johannes, die an der Amsterdamer Straße gegenüber der Gastwirtschaft „Zur Krone“ gewesen sein soll. Selbst im Buch „Gastronomie in Kevelaer und den Ortsteilen“ von Karl Renard ist sie nicht verzeichnet.
Der Nachlass von Ursula Merten ist so besonders, dass sich auch das Stadtarchiv dafür interessiert und schon bald einen Besuch bei den Eheleuten Janssen in Kervenheim abstatten wird.

Eine weitere Besonderheit: Das Foto vom überschwemmten Kevelaer nach dem Jahre 1938.