Zeit für den nächsten Schritt

Kevelaer. Mit 16 Jahren kam Bah Abdourahmane nach Kevelaer. Allein war er aus dem westafrikanischen Guinea geflohen, auf der Suche nach einem Ort, an dem er in Sicherheit leben kann. Wie auch andere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die 2016 nach Kevelaer kamen, lebte er zunächst in einer sogenannten Clearinggruppe des Anna-Stifts. Seit wenigen Wochen ist er erwachsen und fühlt sich bereit, die Wohngemeinschaft zu verlassen und eine eigene Wohnung zu beziehen. „Mit 18 Jahren wollen das doch alle“, sagt er lächelnd.
Die Clearinggruppe, in der Bah Abdourahmane lebt, entstand im April 2016. Die Clearinggruppen haben die Aufgabe, den Jugendlichen für die ersten Monate in Deutschland ein geeignetes Umfeld zu bieten, die weiteren Perspektiven zu klären und umzusetzen. Zunächst wohnte die Gruppe im Klostergarten. „Die pädagogische Arbeit ist dort aufgrund der Räumlichkeiten sehr limitiert“, erinnert sich Christoph Kobsch, Bereichsleiter beim Anna-Stift. „Dort entsteht kein wirkliches Gruppenleben.“ Im September 2016 zog die Gruppe schließlich ins ehemalige Gebäude des Jugendzentrums „Kompass“ um.
Etwa sechs bis neun Monate dauert das „Clearing“. Dann ist klar, welche Perspektive die jeweiligen Jugendlichen haben. Ein Großteil der Jugendlichen hat im Laufe dieses Jahres die Volljährigkeit erreicht. Aus diesem Grund wurde die Clearinggruppe im September in eine Wohngemeinschaft für junge Erwachsene umgewandelt. Die Betreuer bereiten die Jugendlichen darauf vor, in eigene Wohnungen zu ziehen. Das eigene Zimmer in Ordnung halten, putzen, kochen, den Alltag organisieren – all das erledigen die jungen Leute längst selbst. „Ich koche gerne Couscous“, erzählt der 18-Jährige. Auch die Verständigung auf Deutsch ist für keinen in der Gruppe mehr ein Problem.
Trotzdem würden die jungen Leute in einer eigenen Wohnung weiter durch die Mitarbeiter des Anna-Stifts begleitet. Denn auch wenn Bah Abdourahmane und seine Mitbewohner sehr selbstständig geworden sind: Mit 18 Jahren hat man doch noch eine Menge Fragen; Fragen, die meist Eltern oder Bekannte beantworten – und im Fall der jungen Flüchtlinge eben ihre Betreuer. Zudem sind da noch die Behördengänge und juristischen Finessen auf dem Weg zum dauerhaften Bleiberecht…
Für den jungen Guineer stehen die Chancen gut. Seit August macht er bei Helmut Brouwers eine Ausbildung zum Metallbauer. Zuvor hat er sich mit einem achtmonatigen Praktikum im Betrieb darauf vorbereitet. „Selbst die, die sich mit der nicht einfachen deutschen Sprache schwertun, sind oft handwerklich gut“, weiß Christoph Kobsch. Bei Bah Abdourahmane scheint beides zu passen.
Der 18-Jährige ist zudem gut integriert, trifft regelmäßig Freunde aus der Berufsschule, spielt Fußball und hat schon, wie er mit etwas Stolz erzählt, in Kevelaer sein „Seepferdchen“ gemacht. Eine eigene Wohnung möchte er auch deshalb, weil er dort mehr Ruhe hat, um für die Berufsschule zu lernen. „Am liebsten in Kevelaer“, sagt Bah Abdourahmane mit Blick auf die Lage der Wohnung. Denn dort liegt sein Ausbildungsbetrieb. Doch auch eine Wohnung in den umliegenden Ortschaften wäre okay, denn mit seinem Fahrrad ist der junge Mann hinreichend mobil.
Gerne möchte Bah Abdourahmane nach der Ausbildung weiter in Deutschland leben und arbeiten. „Hier ist fast alles besser“, sagt er und betont: „Viel Freiheit.“ Dann schiebt er hinterher: „Bis auf das Wetter.“
Zwei frühere Mitglieder der Clearinggruppe haben bereits eine eigene Wohnung gefunden, doch das knappe Angebot macht es den Mitarbeitern des Anna-Stifts nicht leicht. „Wir würden uns über Wohnungsangebote freuen“, betont Christoph Kobsch. „Gerne bald!“, ergänzt der junge Guineer. Er möchte sich endlich richtig erwachsen fühlen.
Kontakt: Anna-Stift, Tel. 02832-9305797, E-Mail uma-kevelaer@anna-stift.de.
Paten gesucht
Kevelaer. Mit dem Projekt „Tandem – Integration junger Flüchtlinge“ sucht das Anna-Stift Ehrenamtliche, die junge Flüchtlinge bei der Integration begleiten. Das kann Freizeitaktivitäten, Behördengänge oder Sprachtraining beinhalten oder einfach nur ein offenes Ohr. Unterstützung erhalten bei Mentoren durch eine Fachkraft des Anna-Stifts.
Wer sich engagieren möchte, kann sich an Niklas Opgenhoff wenden unter Tel. 01511-9639934 oder E-Mail n.opgenhoff@anna-stift.de.