Zeichen für mehr Solidarität und gegen Rassismus

Unter dem Motto „Tu‘ Deinen Mund auf für die Stummen“ hatten die Aktion pro Humanität und die Vertreter der Kirchen die sechste interreligiöse Wallfahrt gestellt. Zu Beginn versammelten sich traditionell die Religionsgemeinschaften der Juden, Christen und Muslime an dem Marienpark-Denkmal.

„Dass alle drei Religionsgemeinschaften an die denken, denen es nicht gut geht, ist greifbar – und das ist gut so“, sagte Steffi Neu. Die Moderatorin begrüßte die Teilnehmer und forderte die Menschen auf, „die Stimme für die Demokratie zu erheben.“

Man werde „immer wieder bedrängt durch die Krisen und die Ungerechtigkeit weltweit. Es ist gut, dass es dagegen auch eine Globalisierung des Zusammenschlusses und der Gerechtigkeit gibt“, sagte Pastor Gregor Kauling. „Wir erheben heute hier die Stimme für Menschen, die nicht nur unter uns, sondern auch in anderen Regionen der Welt bedroht sind. Denen, die stumm geworden sind, verleihen wir eine Stimme.“

Ahmad Aweimer, Dialog- und Kirchenbeauftragten des Zentralrats der Muslime in Deutschland, erinnerte an den Koran-Satz „Wir haben die Kinder Adams geehrt“ und an de Tatsache, „dass Gott allen Menschen Würde verliehen hat.“ Er hatte sein Schild mit der das Grundgesetz erweiternden Aufschrift „Die Würde aller Menschen ist unantastbar“ versehen. Aweimer erzählte die Geschichte vom Gefährten des Propheten Bihal, der nach unerträglichen Qualen aus der Sklaverei freigekauft wurde und seinen Häschern mit Milde begegnet.

Michael Rubinstein, dem Gemeindedirektor der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf , hielt diese Art der Zusammenkunft in Corona-Zeiten gerade für so wichtig, „weil die Religiosität untereinander gefragter ist denn je.“ Die ganze Welt sprecht über Corona, „aber nicht über die, die keine Stimme haben.“

Es sei „schön, dass wir hier mit den Religionen ganz sichtbar unterwegs sein können“, versichrte David Burau, da man durch die gleicher Welt gehe und es wichtig sei, „aneinander Anteil zu nehmen.“ Er hatte die Idee mit den Sprechblasen gehabt, die die Aufmerksamkeit auf die „Stummen“ der Welt lenken sollten. Die Aktion habe aber gezeigt, dass es wichtig sei, „wo wir gehen, wo Alltag ist“, den Mund aufzutun. „Ich wäre glücklich, wenn jeder eine Stimme oder einen Gedanken mitnimmt, denen eine Stimme zu geben, die es bitter nötig haben.“

Steffi Neu und APH-Mitbegründerin Elke Kleuren-Schryvers gaben danach Stimmen aus den Projekten wieder, für die die Aktion pro Humanität steht, aus Syrien, dem Niger, Griechenland oder dem Mittelmeer. Neu zitierte einen syrisch-katholischer Pater, der von der IS monatelang verschleppt worden war und der Ende Oktober an den Niederrhein kommen möchte. Zudem gab sie Weihbischof Rolf Lohmanns Kritik am „Profitstreben und dem Missbrauch der Ressourcen“ wieder. Und sie zitierte einen Franziskanerpater, der in der zerstörten Stadt Beirut von notwendiger Hilfe und „psychisch total zerstörten“ Menschen sprach.

Kleuren-Schryvers zitierte Erzbischof Laurent Lompo aus dem Niger und desse Aufforderung, die „vornehme Zurückhaltung“ aufzugeben und die Stimme für den „Schutz und die Sicherheit vor dem Terror in der Sahelzone“ zu erheben. Sie gab dem MOAS-Sprecher für Europa eine Stimme. Er fordert für die flüchtenden Menschen auf dem Meer eine Lösung. Und sie erzählte von einem afghanischen Flüchtling in dem Lager Moria. Dort sitzen die Menschen seit März im Lockdown und pandemiegefährdet zusammen. „Als ich das alles gelesen habe, habe ich mich selten so geschämt, Europäer zu sein“, sagte Kleuren-Schryvers. „Das sollte uns Treibstoff sein, für diese Menschen einzutreten, die unsere Stimme brauchen.“

Anschließend vollzog der Tross seinen Weg durch die Stadt. David Burau berichtete an der Antoniuskirche vom Schicksal der eine Million Uiguren in China , die in 1.200 Lagern Massenvergewaltigungen, Elektroschocks und Medikamentenexperimenten über sich ergehen lassen müssen. Er las Auszüge aus dem Leidensbericht einer Uigurin vor, die diese Folter erlebt hatten und über Kasachstan nach Schweden fliehen konnte.

Am Peter-Plümpe-Parkplatz ging Bürgermeister Dominik Pichler nochmal auf das Schicksal der Flüchtlinge auf der Insel Moria ein. „Die Menschen sind ja nicht zum Spaß auf der Flucht.“ Man dürfe sie nicht aus dem Blick verlieren, nur weil man wie einige in Berlin seine „eigenen Probleme“ sehe.

An der Hauptstraße/Ecke Annastraße ging Michael Rubinstein auf das Attentat an Yom Kippur 2019 ein, wonach die jüdische Gemeinde auch viel Solidarität erfahren. „Dass vor Gemeindezentren die Polizei steht vor schusssicherem Glas, wir die Kinder mit eigenen Bussen zur Schule befördern“, daran habe man sich gewöhnt- nicht aber daran, was man an Zuschriften erhalte oder auf Facebook lese.

Er zitierte aus einigen dieser Pamphlete wie „Der Holocaust ist nicht aufgehoben, er verzögert sich nur“ mit Hitler-Bild oder die mittlerweile auch nicht mehr anonym versendeten Email-Anhänge mit Ausdrücken wie „satanische Ausgeburt“ oder „Kriegserklärung der Juden an die Welt“.

Am meisten habe ihn der Satz „Juden , wir haben Euch im Auge“ bedrückt: Dagegen müssten alle ihre Stimme erheben, auch Nichtjuden. „Heute sind wir es, morgen die Muslime, übermorgen die Flüchtlinge und dann irgendwann Christen, die zu ihrem Glauben stehen.“

An der Friedenslichtstele auf dem Kapellenplatz legte Gregor Kauling den Fokus auf Belarus und die Situation dort, die ihn aufgrund seiner Erfahrungen dort sehr berühre. Er habe dort vor Jahren erlebt, wie Mitbrüder im Gefängnis saßen. Und selbst im Wald konnte er mit einem Kollegen nicht frei sprechen, weil sie abgehört wurden.

„Das Gesicht der Proteste in Belarus ist weiblich“, erklärte Kauling. Er führte die Beispiele an, wie eine alte Frau mit roter Fahne inmitten von Soldaten ging, eine junge Frau vorbei an einer Polizeikolonne das Victory-Zeichen zeigte oder der Präsidentschaftskandidatin, deren Mann im Gefängnis sitze und sie im Ausland mit ihren Kindern. Er betete dafür, dass „das Land in eine Revolution geführt wird, die zu Gerechtigkeit und Frieden führen kann.“

Anschließend konnten die Teilnehmer, die ihre Sprechblasen-Wünsche und Hoffnungen freien Lauf lassen, für „Sicherheit, Wohnen und Arbeit“ für die Flüchtlinge, gegen Rassismus, für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, ungewollt schwanger werdende Frauen und die Kraft des Gebets.