Wie gehen Kevelaerer Friseure mit der Öffnung ihrer Salons um?
Seit vergangener Woche dürfen in den Friseursalons wieder Schere, Kamm und Farbe zum Einsatz kommen. Auch in Kevelaer betraten die Friseure nach einigen Wochen der Schließung wieder ihren Arbeitsbereich. Einen Friseurbesuch, wie es ihn vor der Coronakrise gab, wird es dennoch vorerst nicht mehr geben.
Zahlreiche Hygienemaßnahmen sind von Mitarbeitern und Kunden einzuhalten. Neben dem Tragen eines Mundschutzes steht das Reinigen und Desinfizieren von sämtlichen Gebrauchsgegenständen weit oben auf der Maßnahmen-Liste. Und die Getränke- sowie Zeitschriftenausgabe für die Geselligkeit während des Friseurbesuchs fallen vorerst weg. Doch wie gut funktioniert die Arbeit eines Friseurs unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen? Angela Fisicaro ist selbstständige Friseurin und betreibt ihr „Haaratelier“ an der Marktstraße in Kevelaer.
Auch die 35-Jährige musste ihren Salon vor einigen Wochen schließen. „Anfangs habe ich mir natürlich große Sorgen gemacht. Zum einen natürlich wegen einer möglichen Ansteckung in den Wochen vor der Schließung, aber auch finanzielle Sorgen. Die Kosten für den Salon liefen ja weiter und es gab keinerlei Einnahmen. Zum Glück kam Anfang April die Corona-Soforthilfe vom Land. So konnte ich die laufenden Kosten abdecken“, beschreibt die Unternehmerin ihre Lage zu Beginn der Schließung. Bis zur Öffnung am 6. Mai mussten die Kunden aber nicht gänzlich auf Fisicaro verzichten. „Ich habe über WhatsApp und auch telefonisch Fragen beantwortet. Da war vor allem das Thema Zweithaar für einige – damit noch nicht so erfahrene – Neukunden wichtig. Richtige Sitzungen mit Zoom oder Skype waren aber zum Glück nicht nötig“, sagt die Friseurin.
Haarfarben verbleiben, Ansätze wachsen heraus…
Über die Notwendigkeit eines Friseurbesuchs aus Kundensicht wurde in den vergangenen Wochen viel diskutiert. Brauchen wir das? Ist ein Friseurbesuch ein Grundbedürfnis der Menschen? „Was der Friseurbesuch für viele bedeutet, darf man nicht unterschätzen. Es geht ja oft nicht nur darum, dass die Haare ein paar Zentimeter länger sind. Haarfarben verbleichen, Ansätze wachsen heraus. Das sieht dann natürlich sehr unschön aus. Wer sich da nicht im Home-Office verstecken kann, leidet schon“, lautet Fisicaros Einschätzung. Viele Kunden hätten sich direkt nach Bekanntgabe der Wiedereröffnung gemeldet, um einen Termin zu bekommen – „am besten den ersten.“ Die Unternehmerin, die sich im September 2018 selbstständig machte, zeigt sich glücklich über ihre aktuelle Terminlage. „Den Überhang werde ich auch durch Montagsöffnungen und längere Arbeitszeiten wieder schnell bewältigt haben. Zum Glück sind da meine Kunden auch flexibel und kommen mir bei der Terminplanung sehr entgegen“, sagt Fisicaro. Es sei also auch in der aktuellen Situation kein unmögliches Unterfangen, bei ihr einen Termin zu bekommen.
Auch in dem kleinen Salon, in dem Fisicaro alleine arbeitet und nicht mehrere Kunden gleichzeitig bedient, muss sie die vorgegebenen Hygienemaßnahmen natürlich einhalten. Ob sie das vor eine große Herausforderung im Arbeitsalltag stellt? „Als ‚Einzelkämpferin‘ habe ich ja schon vor Corona nur auf Termin gearbeitet und hatte keinen Wartebereich. Das kommt mir jetzt natürlich zugute, weil ich mich nicht wirklich umstellen muss. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es natürlich, den Kunden die Haare zu schneiden, während sie eine Maske tragen. Für den Gesamteindruck ist das ganze Gesicht wichtig. Das fällt dann bei Stammkunden natürlich sehr viel leichter. Aber das sind Probleme, die sich lösen lassen. Und natürlich ist es auch für mich ungewohnt, den ganzen Tag mit Maske zu arbeiten. Noch ist es nicht so warm, aber ich denke, im Sommer kann das schon sehr anstrengend werden. Aber es geht ja nicht anders“, macht die 35-Jährige deutlich.
Auch wenn Fisicaro in ihrem Salon keine unüberwindbaren Einschränkungen durch die Hygienevorschriften erwartet, weiß sie, dass ein paar Selbstverständlichkeiten vorerst wegfallen werden und auch die Kunden sich umstellen müssen: „Die Kunden müssen sich etwas mehr Zeit für den Friseurbesuch nehmen. Das Haarewaschen dauert seine Zeit und muss gründlich geschehen. Und natürlich fällt die gemütliche Tasse Kaffee weg und das entspannte Lesen in einer Zeitschrift. Das sind alles Dinge, die aktuell nicht erlaubt sind.“ Bisher gingen die Kunden mit den getroffenen Maßnahmen jedoch entspannt um, berichtet die Friseurin. „Ich versuche einfach gemeinsam mit den Kunden, das Beste aus der Situation zu machen. Die Maßnahmen sind zwar anstrengend, aber auch sinnvoll und die Kunden verstehen, dass sie nötig sind.“
Angela Fisicaro blickt trotz der eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten positiv auf die kommende Zeit: „Genauso, wie man sich auf die veränderten Bedingungen im Supermarkt einstellen muss, wird man sich an die Veränderungen im Friseursalon gewöhnen. Langfristig wird es sicher schon einige Einbußen geben, weil sich manche den Friseurbesuch vielleicht zweimal überlegen – zum einen wegen der Furcht vor der körperlichen Nähe und zum anderen aus finanziellen Gründen. Aber das betrifft uns ja alle. Corona hat viel verändert, auch den Friseurbesuch. Aber wir sollten uns davon nicht unterkriegen lassen.“
Nicht glücklich über die Wiedereröffnung
Während viele Friseure aktuell glücklich über die Wiedereröffnung ihrer Salons sind, rücken bei dem ein oder anderen Unternehmer Zweifel in den Vordergrund. So auch bei einer selbstständigen Friseurin aus Kevelaer, die anonym bleiben möchte. „Ich liebe meinen Job“, stellt die Kevelaererin klar, „und ich finde es unglaublich furchtbar, wenn ich nicht arbeiten darf. Ich finde es aber auch unglaublich furchtbar, unter welchen Bedingungen ich in Zukunft arbeiten muss.“ Dass sie keine Getränke mehr ausgeben darf, ihren Kunden keine Zeitschriften anbieten kann und von den Kunden verlangen muss, sich bei Betreten des Ladens zwecks Kontakt-Nachverfolgung in eine Liste einzutragen, das kann die Friseurin nur schwer akzeptieren.
Außerdem sei die Öffnung zu diesem Zeitpunkt ein großes Risiko, auch für die Dienstleister. „Ich fühle mich an die Front geschickt“, sagt die Unternehmerin. Das Risiko sei groß, dass Corona-Infizierte zu ihr in den Laden kommen, weil sie symptomfrei sind und von ihrer Infektion nichts wissen. Man merke besonders in der jetzigen Zeit, wie wichtig den Menschen ihre Haare sind, doch „dieses Freuen aufs Arbeiten finde ich völlig unbedarft.“ Denn die Kevelaererin gibt für ihre Arbeit hinsichtlich der für Friseursalons getroffenen Hygienevorgaben zu: „Wir können das nicht umsetzen.“
Bleibt der Griff zur Maske nicht aus?
Der Abstand von 1,5 Metern zum Kunden könne ohnehin nicht eingehalten werden. „Stellen Sie sich vor, Sie lesen ein Buch. Der Abstand vom Kopf zum Buch ist unser Arbeitsabstand“, verdeutlicht die Unternehmerin. Und auch wenn Nase-Mund-Masken vor allem bei Unterschreitung des Abstandes Kunden und Mitarbeiter schützen sollen, sei das schwer umsetzbar. Wenn die Kunden das Gummi der Maske hinter dem Ohr haben, könne man dort nicht richtig schneiden, was dazu führe, dass die Kunden die Maske festhalten müssten. Genau dieser Griff zur Maske solle eigentlich vermieden werden. Außerdem benötige man quasi einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin, der/die den ganzen Tag lang Gebrauchsgegenstände putzt und desinfiziert. „Das, was die wollen, funktioniert nicht. Die Hygienevorschriften, die die uns auferlegt haben, kann ich nicht einhalten.“
Für die Friseurin, die seit mehr als 30 Jahren im Geschäft ist, sind auch die entstehenden Kosten eine Belastung. Zusätzliche Umhänge, Hygienemittel, Desinfektionsspray, Papiertücher auf der Toilette und die Briefbögen für die Kunden seien Faktoren, die mit der Zeit hohe Kosten hervorrufen würden. „Ich habe nichts lieber, als dass all meine Kunden glücklich sind. Ich glaube aber, dass wir so nicht glücklich werden, wenn wir so arbeiten müssen“, bezieht sie Stellung zur Wiedereröffnung der Salons. Der Staat habe ihrer Meinung nach eine Art „Zündung“ bei den Bürgern verursacht.
Das Thema „Wiedereröffnung der Friseursalons“ habe bei vielen Menschen das Bedürfnis nach einem Friseurbesuch noch größer werden lassen. „Wir hätten vernünftiger sein sollen. Ich hätte mir da mehr Gegenwehr der Friseure erhofft“, sagt die Unternehmerin. Sie selbst wäre vorerst weiterhin finanziell durch die Fördergelder für Selbstständige abgesichert gewesen. Dass eine weitergehende Schließung sie in der nächsten Zeit finanziell nicht in den Ruin getrieben hätte, trägt an dieser Stelle sicherlich einen Teil zur bestehenden Meinung bei. Auch wenn die Einnahmequelle durch die Öffnung wieder gesichert ist, bleibt bei der Kevelaererin die Sorge um die eigene Sicherheit und die der Kunden. „Wir Friseure sind ein Grundbedürfnis der deutschen Bürger. Deswegen werden wir jetzt an die Front geschickt. So fühle ich mich. Ich habe Angst.“