Wenn die Aktiven fehlen

Oft hat Horst Neisius mit den Mitgliedern der Geschichtsgruppe oder seinen Vorstandskollegen in dem Archiv-Arbeitsraum an der Grundschule zusammengesessen. Bald wird das für den 66-Jährigen nicht mehr möglich sein.

Denn der Vorsitzende des Kervenheimer Heimatvereins wird die Ortschaft in nicht allzuferner Zukunft verlassen. „Ich suche eine neue Herausforderung, schließlich bin ich ja Rentner“, sagt er und erklärt, dass er aus privaten Gründen in das ostfriesische Westoverledingen zieht: „Meine Tochter wohnt da oben, das Haus war hier zu groß. Das ist ein ebenerdiges Haus, man muss ja vorsorgen für das Alter“, schildert Neisius, was ihn zum Abschied vom Niederrhein veranlasst hat.

Seit Februar 2015 leitet er die Geschicke des Heimatvereins: „Das wichtigste Projekt war in dieser Zeit, die Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen, die faktisch nicht mehr existierte, voranzutreiben“, ist der engagierte Mann froh, dass sein umtriebiges Wirken dazu mit beigetragen hat. „Heute reden sie miteinander, arbeiten bei fast allen Projekten zusammen.“

Bedauern im Vorstand

Bei den beiden Kollegen im aktuellen Vorstand löste die Nachricht natürlich Bedauern aus. „Er hat sich überall schnell mit eingebracht – das ist ja auch Berufung“, meint Neisius‘ Stellvertreter Michael Holtmann. „Ohne Spaß kriegste nix bewegt – und das hat er echt gut gemacht. So einen brauchste da“, ergänzt Kassierer Werner Frasczak.
Der Schritt von Neisius stellt den Verein kurzfristig vor keine neue Situation, betont Michael Holtmann. „Horst Neisius zieht zwar weg, er ist aber bis zur nächsten Jahreshauptversammlung aktiv“, unterstreicht er. Die ist im Februar 2019.

Natürlich wird sich die Aktivität von Neisius immer weiter nur noch auf die formale Schiene und persönlich mehr auf die elektronische Kommunikation beschränken, da die persönliche Präsenz naturgemäß zurückgeht.

Immerhin verfügt Neisius über das Netzwerk an Kontakten, hat sich aktiv in das „LEADER“-Projekt, bei „Krake“ oder dem Initiativkreis Wirtschaft eingebracht. „Projekte anschieben, da bin ich raus“, macht Neisius ganz deutlich.

„Panik ist aber nicht angebracht“, treten alle drei möglichen Horroszenarien entgegen, die den augenblicklichen Zerfall des Vereins möglicherweise sehen. Der Verein sei finanziell stabil, auch wenn er immer wieder auf der Suche nach Sponsoren sei und habe mit 214 Mitgliedern einen festen Stamm.

Generell ist es natürlich ein Problem, wenn dem Verein der erste Vorsitzende und der Geschäftsführer fehlt – Hans-Peter Ripkens hatte letzteres Amt 2018 zur Verfügung gestellt. Das kriege man eventuell so noch hin, das sei nicht existenziell nötig.
Was aber passiert, wenn sich niemand für den Vorsitz findet? „Dann ist der Verein nicht geschäftsfähig“ – was nicht bedeutet, dass der Verein sich direkt auflösen muss, man könne ihn auch ruhen lassen oder im Vereinsregister auch einen Notvorstand einsetzen.

Ernste Situation

Ernst wäre die Situation dann aber in jedem Fall. „Es wird also dringend Unterstützung gesucht“, bleibt für Holtmann und Frasczak klar, dass sich da jetzt in der Richtung etwas bewegen muss.

Und das in einer Situation, wo es generell nicht leicht ist, unter den Migliedern des Vereins Leute zu finden, die sich aktiv engagieren. „Die Aktivien, die fehlen“, da sind sich alle drei einig.
Auf der Jahreshauptversammlung sind zumeist dieselben Gesichter anzutreffen. „Es gibt nur einen kleinen Stamm, der das Bepflanzen macht und sich drum kümmert, die sind alle über 70 – da gibt es schon Frust“, sagt Holtmann.

Kein Mittelbau

Das Problem: ein „Mittelbau“ in der Altersstruktur zwischen 35 und 55 Jahren ist kaum vorhanden. „Es fehlen uns bestimmt fünf, sechs Mann, die auch mal zwei Stunden die Älteren unterstützen, die durch das Dorf ziehen“, ergänzt Frasczak.

„Die Arbeit auch in eine Zeit legen, wo Berufstätige mit einsteigen können“, sei vielleicht eine Methode, um da eine Brücke für Interessierte zu bauen, so Holtmann. Insgesamt brauche es aber mehr Alteingessene, die sich einbringen, ist der Eindruck aller drei Vorstandsmitglieder.
Entsprechend will der Vorstand jetzt zunächst auf der Kirmes und dann im weiteren Verlauf des Jahres alle Möglichkeiten ausschöpfen, Leute aufzurütteln und sie persönlich anzusprechen, ob sie Lust haben, sich im Verein und für die vakanten Ämter zu engagieren.

„Und wer wirklich will, kann immer wissen, wo er uns findet. Das ist kein Geheimnis“, verweist Frasczak auf die E-Mail-Adresse info@heimatverein-kervenheim.de und die zugehörige Website, auf der es Anmeldeformulare gibt.