Wenn das Geld plötzlich sprudelt…

Kevelaer hat beim städtischen Haushalt 2016 nach langer Zeit wieder eine schwarze Null erreicht. Auch der Doppelhaushalt für 2018/19 ist ausgeglichen. KB-Autor Björn Lohmann sprach über die Ursachen und Folgen dieser Trendwende mit Kämmerer Ralf Püplichuisen.
KB: Herr Püplichuisen, für 2018/19 hat die Stadt Kevelaer erstmals einen Doppelhaushalt. Worin liegen dessen Vorteile?
Ralf Püplichuisen: Ein Doppelhaushalt hat eine höhere Planungssicherheit für einen längeren Zeitraum. Im zweiten Jahr spart man sich zudem den Prozess der Haushaltsverabschiedung, der auch für die Fraktionen immer sehr aufwändig ist. Natürlich kann ein Nachtragshaushalt nötig werden, aber der kann mit einem einfachen Beschluss in einer Ratssitzung genehmigt werden.
Gibt es auch Nachteile?
Speziell der aktuelle Haushalt ist von vielen Unwägbarkeiten betroffen. Bei zwei Jahren gibt es stärkere Unsicherheiten. Aber die Vorteile sind deutlich größer.
Weshalb gibt es dann erst jetzt einen Doppelhaushalt?
Es hat früher schon Anträge für einen Doppelhaushalt gegeben, aber der Rat hat das abgelehnt, weil man meinte, damit Kompetenzen abzugeben. Das habe ich nie verstanden, denn der Rat beschließt ja den Doppelhaushalt.
Der jüngste Haushalt – 2016 – hat mit einem leichten Plus knapp fünf Millionen Euro besser abgeschnitten als geplant. Auch die mittelfristige Planung sieht nur schwarze Zahlen vor. Woher kommt die Trendwende?
Auch die vorherigen Jahresergebnisse waren schon deutlich besser als geplant. Entscheidend ist die gesamtwirtschaftliche Lage. Sie wirkt sich auf alle Zuflüsse aus, die für uns wichtig sind. Außerdem gibt es einige Sonderprogramme vom Bund und Land. Beispielsweise finanzieren wir mit „Gute Schule 2020“ viele sowieso vorgesehene Sanierungen an den Schulen.
Dann sind die Gewerbesteuereinnahmen in einer Höhe, die ich in den letzten Jahren nicht erlebt habe. Wahrscheinlich bleibt das zunächst so, denn die Unternehmen haben die Auftragsbücher voll. Aber die Gewerbesteuer ist eine der am schwierigsten zu kalkulierenden Größen.
Auch weil die Schlüsselzuweisungen durch das Land von ihr abhängen?
Die Berechnung der Schlüsselzuweisungen erfolgt zeitversetzt. Wegen höherer Einnahmen in 2016/17 erhalten wir 2018 geringere Schlüsselzuweisungen. Aber die Gesamtmasse für die Zuweisungen ist wegen der Konjunktur groß. Die Schlüsselzuweisungen sinken nur um rund 800.000 Euro, während die Gewerbesteuer etwa fünf Millionen Euro höher ausfällt.
In den vergangenen Jahren haben die Ratsfraktionen lange gerungen, um bei den freiwilligen Ausgaben eine fünfstellige Summe einzusparen. Wie sinnvoll ist das, wenn doch die Konjunktur die Planungen um Millionenbeträge verändern kann?
Die günstigen Bedingungen werden nicht bleiben. Die Konjunktur wird sinken, Zinsen werden steigen. Da macht eine Haushaltskonsolidierung durchaus Sinn. Dabei sind auch nicht nur Peanuts rausgekommen. An der Stelle möchte ich die Vereine loben, die das mittragen. Im Zweifel sind das die Beträge, die sonst fehlen, um den Haushalt auszugleichen.
Was machen Sie mit den ungeplanten Mehreinnahmen?
Wenn Geld da ist, soll man natürlich nicht auf dem Geld sitzen bleiben, sondern damit Dinge machen, die späteren Jahren zugute kommen – beispielweise Schulden tilgen. Aber im Moment haben wir nicht solche Überschüsse.
Kevelaer investiert derzeit viel, und auch wenn große Teile der Kosten durch Förderprogramme gedeckt werden, bleiben erhebliche Eigenanteile.
Wir investieren in viel Sinnvolles wie Schulen. Mit 4,2 Millionen Euro an neuen Krediten in 2018 und 2,55 Millionen Euro in 2019 ist das absolut vertretbar und im interkommunalen Vergleich unbedenklich. Da habe ich keine schlaflosen Nächte. In diesem Jahr haben wir übrigens noch keinen Investitionskredit benötigt, sondern alles aus den laufenden Einnahmen finanziert.
Bereitet Ihnen die Verschuldung langfristig mehr Sorgen? Irgendwann steigen die Zinsen wieder.
Wir haben momentan Kredite in Höhe von 14,3 Millionen Euro. Das ergibt eine Pro-Kopf-Verschuldung von 485 Euro. Die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in den NRW-Kommunen beträgt 2877 Euro. Überhaupt: Was tue ich mit einer schuldenfreien Stadt, die keine Infrastruktur für ihre Bürger mehr hat?
Auch beim Mehrzweckbecken waren es nicht so sehr die Baukosten, sondern die Folgekosten, die Sie kritisch kommentierten.
Das Mehrzweckbecken ist an sich ein guter Ansatz. Wir nutzen den Umbau zudem für eine energetische Modernisierung. Die Betriebskosten können wir verkraften. Jetzt müssen wir zeitnah mit dem Bäderverein sprechen, der beim Nutzungskonzept und einer guten Auslastung helfen will.
Beim Personal steigen die Kosten durch höhere Gehälter – aber auch die Zahl der Stellen steigt leicht, obwohl die Politik auf einen Abbau drängt.
Wir haben einige zusätzliche Aufgaben bekommen, im Flüchtlingsbereich, aber auch durch die vielen anstehenden Investitionen. Das erfordert auch Personal. Ich sehe das Ziel eher darin, die Stellenzahl stabil zu halten. Ein Abbau wäre nur denkbar, wenn kommunale Aufgaben wegfallen.
Einige altersbedingt frei gewordene Stellen wurden zuletzt nicht nachbesetzt, sondern durch die Zusammenlegung von Aufgaben eingespart. Liegt darin noch Sparpotenzial?
Das betrifft ja auch meinen Bereich, und da kann ich schon sagen, dass man bei der Zusammenlegung von Aufgaben an seine Grenzen kommt. Das geht überhaupt nur mit einem guten Unterbau, den ich zum Glück habe.
Hohe Kosten entstanden in den vergangenen Jahren auch dadurch, dass Bund und Land Aufwendungen im Asylbereich nicht annähernd in tatsächlicher Höhe erstattet haben. Hat sich das gebessert?
Die Kostenerstattung ist besser geworden, aber noch immer nicht abschließend geregelt. Wir haben in Summe immer noch ein Defizit von einer halben Million Euro im Flüchtlingsbereich und ob es dabei bleibt, ist schwer zu sagen. Immer unkalkulierbarer werden die Kosten der geduldeten Flüchtlinge, die eigentlich ausreisepflichtig sind, aber aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden. Die Kosten für diesen Personenkreis werden nicht erstattet und belasten voll den städtischen Haushalt.
Nicht nötig wird ein ursprünglich fürs nächste Jahr geplanter Neubau, weil wir zwei Altbauten mit guter Substanz kaufen konnten. Beide sind als Nachfolgenutzung für allgemeines Wohnen oder auch die Unterbringung von Jugendlichen geeignet. Die aus der Not heraus entstandenen Anmietung von teurem Wohnraum entfällt damit.
Kurzfristige hohe Ausgaben haben im vergangenen Jahr auch zu teilweise besorgniserregend hohen Kassenkrediten geführt. Wo liegt deren Höhe derzeit?
Wir haben im Moment Null.
[lächelt] So macht Haushaltsplanung Spaß.