Wenn bei den Ohnsorgs wieder der Flur gemacht wird

Kevelaer. Ob es wirklich das letzte Mal war, dass Heidi Mahler in Kevelaer auf der Bühne stand? Die beliebte Volksschauspielerin, die mittlerweile die 70 weit hinter sich gelassen hat, wirkte auf der Bühne am Montagabend jedenfalls fit wie eh und je. Mit einem überzeugenden Ensemble an ihrer Seite zelebrierte Heidi Mahler einen weiteren Auftritt ihrer avisierten Abschiedstournee mit dem Ohnsorg-Klassiker „Tratsch im Treppenhaus“.
Das Stück um den tratschenden Hausdrachen Meta Boldt – eine Rolle, in der schon Heidi Kabel brillierte – hat nicht umsonst die Jahre überdauert. Etwa alle zehn Jahre wurde im Ohnsorg-Theater sozusagen der Flur gemacht. Eine Grundreinigung erfolgte nie – war auch gar nicht erforderlich, denn auch unerlaubte Untermieter, unbezahlte Rechnungen, Kaninchenzuchtvereine und erst recht Vater-Tochter-Konflikte, (bei-)seite springende Ehemänner und tratschende Klatschweiber haben in der Zeit kaum Staub angesetzt. Sprich: Die Grundideen dieses Stückes von Jens Exler (Uraufführung 1960) sind heute so gut wie ehedem. Und die Charaktere sind so gut beschrieben und haben ein jeder so viel Anteil am Geschehen, dass längst nicht alles Gute und Böse an der Boldt‘schen Kittelschürze hängen bleibt.
Und die Schauspieler wissen ihren Rollen einiges abzugewinnen: Der brummige Brummer (Horst Arenthold) mutiert zum säuselnden Pavarotti-Verschnitt von Format, dem lüsternen Metzgermeister (Dieter Schmitt) treibt‘s erst die Zornes- und dann die Schamesröte ins Gesicht und die arme alleinstehende Frau Knoop (Beate Prahl) lässt das Selbstmitleid beiseite und sogar etwas wie Koketterie aufblitzen. Und selbst Manfred Bettinger in der undankbaren Rolle des hölzernen Vaters, sowie Fabian Goedecke und Eileen Weidel als junge Ausreißer geben ihren Rollen einen bunten Stempel, der einen beim Anblick die Schwarz-weiß-Malerei der alten TV-Aufzeichnungen alsbald vergessen lässt. Doch auch wenn sich die anderen Schauspieler noch so gut – und das tun sie wahrlich alle – in ihre Rollen knieen, auf das klassische Niveau einer Heidi Mahler können sie in diesem Treppenhaus nicht klettern. Mahler hat die Größe, die Vorlage, ihre Mutter anzunehmen, steil zu gehen und sie teils schlichtweg in Habitus und Sprache perfekt zu kopieren. Es macht Spaß, ihr dabei zuzusehen. Und sollte es ihr nicht leicht fallen, so lässt sie es doch so leicht aussehen, als habe sie richtig Spaß daran.
Spaß hat dann auch das Publikum im ausverkauften Bühnenhaus in Kevelaer und honoriert die Ensembleleistung mit begeistertem Applaus. Und für die Mahler steht sogar die eine oder der andere auf, um sich vor ihrer Leistung zu verneigen.
„Tratsch im Treppenhaus“ bleibt in jedem Falle der bestens konstruierte Klassiker. Die Inszenierung von Michael Koch lässt Heidi Mahler und das Ensemble glänzend dastehen. Und ist nun, wie einst der Name Heidi Kabel, ein Maßstab für zukünftige Adaptionen. Es gibt Dinge, die kann man wohl nicht viel besser machen.