Weihnachten im Hospiz

Als sich die Automatiktür am Eingang des Hospiz‘ in Wetten öffnet, richtet sich der Blick der Besucher auf einen Tannenbaum, an dem rote Sterne aufgehängt sind. „Auf diesen Sternen stehen die Namen von Verstorbenen, an die Angehörige und auch Besucher persönlich erinnern können“, erläuterte die Leiterin der Einrichtung, Birgitt Brünken. Der Baum komme immer Anfang Dezember am ersten Advent in den Eingangsflur. Auf den Sternen stehen schlicht nur der Name oder kleine Bemerkungen über die Person, die sie ausgemacht haben. „Jeder wird aufgefordert, so ein Leben aufleuchten zu lassen. Und das wird phänomenal angenommen.“
An einer der Wände finden sich die Bilder der sechzehn hauptamtlichen Mitarbeiter und des Therapiehundes „Bella“. „Bella hat übrigens dafür gesorgt, dass wir einmal pro Woche das KB kriegen“, erwähnt Brünken mit einem Schmunzeln. Und ein paar Meter weiter hängen Bilder von früheren Gästen des Hauses, wie die Mitarbeiter die Bewohner des Hauses nennen.
Viele Gäste verbinden mit ihrem Aufenthalt im Haus, weiter Normalität zu erleben, auch wenn sie in dem Bewusstsein kommen, dass es vielleicht nur noch für Wochen oder Tage ist. „Wenn Sie ins Zimmer gehen und dann gefragt werden: Hat es wieder gefroren draußen? Diese alltäglichen Dinge, die sind wichtig“, schildert Brünken.
Schon früh beginnt in dem Hospiz, das vor zwanzig Jahren in Wetten begründet wurde und seit zehn Jahren seinen Platz an der Hauptstraße hat, die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. „Überall stehen Kerzen und Tannen, das ist alles sehr individuell. Und wir bauen im Tagesraum die Krippe auf“, erzählt Brünken.
Vor dem Fest selbst steht aber der Besuch des Nikolaus. Heinz Kerkmann übt seit 20 Jahren in der Einrichtung diese Rolle aus. Der 69-Jährige ist als „Mädchen für alles“ von Beginn an mit dabei, war früher auch in den Wettener Kindergärten und Schulen ehrenamtlich unterwegs. „Da bot sich das an.“
Immer wieder komme es zu berührenden Momenten, wenn er in seinem Kostüm, mit Brünken und anderen Mitarbeitern den jeweiligen Raum betritt, ein Nikolaus-Gedicht und die persönliche Ansprache an die Gäste wählt. „Man spürt echte Ehrfucht und diesen Ausdruck: Jetzt kommt noch mal der Nikolaus“, sagt Brünken.
Besonders haften blieben geblieben ist in diesem Jahr der Besuch eines Ehepaares. „Da fingen der Mann und seine Frau fast zeitgleich an zu weinen an – dass wir das noch erleben dürfen, war ihr gemeinsames Gefühl.“ Der Moment war so stark, dass auch alle anderen in dem Raum begannen zu weinen.
Solche Momente gehören genauso dazu wie der Tod von Bewohnern kurz vor Weihnachten – oder Situationen, in denen man Weihnachten kurzerhand vorverlegt, wie bei einem weiblichen Gast im Jahr 2000. Sie hätte es aufgrund ihres Lungenkrebses bis zum Fest nicht geschafft, so Brünken. „Also haben wir einen Tannenbaum gekauft und Weihnachtsschmuck – da fand Weihnachten am 27. November statt.“
Heiligabend werden die Gäste, die es möchten, mit ihren Betten in den Tagesraum hineingeschoben oder begleitet. Viele Angehörigen machen selbst etwas zu essen, die Ehrenamtlichen kommen dazu. Es läuft Musik oder jemand spielt Klavier. Gegen 17 Uhr gibt es ein Gläschen Sekt mit den Angehörigen. Die Feier geht so bis 20, 21 Uhr. „Man muss da die Kräfte unserer Gäste abschätzen. Und es ist jedes Mal sehr beeindruckend“, sagt Brünken.
Manchmal werden sogar besondere Wünsche wahr, so wie 2015, als der Schlagersänger Willi Girmes kam, um für einen der Gäste am Vormittag zu singen. „Das war sehr bewegend“, erinnert sich die Hospizleiterin.
In einem der Zimmer sitzt Schwester Nadine mit Gast Roswitha zusammen, um ein bisschen zu klönen. „Wenn jemand mit dabei ist, nehme ich gerne eine Zigarette – und einen Ramazotti“, verweist die ältere Dame auf das kleine Gläschen vor sich. Sie ist seit drei Wochen im Hospiz, vorher war sie im Krankenhaus. „Zu Beginn war alles sehr fremd, aber die sind sehr nett hier.“ Zuhause wäre sie sonst alleine gewesen. „Ich war zu Weihnachten oft alleine – jetzt ist auf jeden Fall jemand da. Und ich freue mich auf die Gestaltung der Krippe.“
Man versuche, individuell auf die Wünsche der Menschen einzugehen, erzählt Schwester Nadine, die seit siebzehn Jahren mit im Haus arbeitet. „Es gibt Weihnachten auch Gäste, denen geht das alles zu nah, die bleiben im Zimmer.“ So 20, 30 Menschen wären aber immer zusammen, es herrsche ein besonderes Gewusel, „und es ist sehr gesellig“, schildert die 38-Jährige ihre Eindrücke.
Wie dankbar die Menschen für die Arbeit des Hospizes sind, auch das werde zu Wehnachten deutlich, verweist Brünken auf zwei handgefertigte Engel, die einfach so mal vor der Tür standen. „Und kurz vor Weihnachten kam mal ein Mann mit seiner Tochter hinein, die erzählte, dass sie Autos geputzt hatte. „Das Geld dafür will ich Euch schenken“, hatte sie gesagt und für die 7,50 Euro einen Karton mit Weihnachtsaufklebern gebastelt. Brünken erinnert sich: „Davon haben wir jedem Gast eine Kerze gekauft und konnten ihr dann schreiben, was für eine Freude sie unseren Gästen gemacht hat.“