Vom Ringen mit dem Überleben

„Wir sind alle wohlbehalten zurück“, konnte die Ärztin und Stiftungsvorsitzende der „Aktion pro Humanität“, Elke Kleuren-Schryvers, verkünden, als sie mit Dr. Rüdiger Kerner, Chefarzt am Kevelaerer Marienhospital, auf ihre Benin-Reise vom 28. Oktober bis zum 5. November zurückblickte. Gemeinsam mit Kerner und weiteren neun Personen – darunter Mitglieder der „Aktion Pro Humanität“, die WDR-Moderatorin und ApH-„Botschafterin“ Steffi Neu, medizinisches Personal und Techniker – war sie „am Ende der Regenzeit, einer besonderen Zeit“ nach Gohomey gereist.
In dem nahe der Grenze zu Togo in der Wüste liegenden Ort im Norden des Landes wollte das Team die Situation in dem Hospital erkunden, das mit Hilfe Kevelaerer Spenden in den vergangenen mehr als zwanzig Jahren entstanden ist. Außerdem führte Kerner dort 30 endoskopische Untersuchungen durch. Seine Gocher Endoskopie-Schwester Hildegard Kleinen organisierte die Untersuchungen und lernte Schwestern vor Ort an.
„Als wir ankamen, haben wir eine Situation des Ringens mit dem Überleben vorgefunden“, gab Kleuren-Schryvers ihre ersten unmittelbaren Eindrücke angesichts der auftretenden Krankheiten wie Malaria oder Typhus wieder.
Man sei mehreren lebensbedrohlich erkrankten Kindern begegnet. Ein Kind mit Typhus und Darmdurchbruch musste operiert werden. „Und da waren Kinder mit einem Gramm Hämoglobin in der Notfallaufnahme, wo es sich nur noch um Stunden handelte, bis sie dann nicht mehr überleben würden“, so die Medizinerin. In einem konkreten Fall konnte Begleiterin Heike Waldor-Schäfer mit einer Blutspende helfen.
Deutlich sei bei dem Besuch aber auch geworden, dass das, „was von Kevelaer aus vor 20 Jahren erschaffen worden ist“ – unter anderem mit dem OP-Container vor Ort – „Überleben mit gewährleisten“ kann. Als Problem vor Ort wurde die noch immer recht hohe Sterblichkeit bei Müttern und Babys beschrieben, weil noch immer unter widrigsten Hygienebedingungen Hausgeburten durchgeführt werden.
Man habe vor Ort eine moderne, funktionierende Endoskopie mit Drucker und PC für vernünftig darzustellende Befunde aufgebaut und das „durch niederrheinisches Tun“ der mitgereisten Techniker und mit Hilfe von Spenden, so der Mediziner Rüdiger Kerner. „Und gut ist, dass die Kollegen vor Ort nicht das Gefühl haben, dass wir ihnen nur alte Auslaufmodelle bringen.“ Den Technikern gebühre außerdem der Dank dafür, dass sie für die zuverlässige Versorgung mit Strom und Wasser gesorgt haben.
Mit Hilfe der Endoskopien habe man bei vielen Menschen Fremdkörper in der Speiseröhre vorgefunden. „Die wussten oft nicht, was sie hatten“, sagte Kerner, der sich freut, dass man mit der Diagnose vor Ort helfen konnte. „Sehr berührend“ seien aber Fälle wie die eines sieben oder acht Jahre alten Kindes, das einen künstlichen Darmausgang hatte und nicht mehr lebensfähig erschien. „Die Eltern hatten nicht das Geld für die Behandlung, ich hab‘ die Kosten dann übernommen.“
Die Übertragung der Endoskopie-Untersuchungen auf lokale Ärzte gestaltet sich aber schwieriger als vermutet. Ein älterer Mediziner, „der nach eigener Aussage 70 und noch rüstig“ war, sei „sehr robust“ mit den Patienten umgegangen, weswegen man ihm die Aufgabe nicht habe übertragen wollen. Einem jungen, motivierten Kollegen fehle dagegen noch die Selbstsicherheit.
Allerdings sei eine sehr talentierte junge Ärztin vor Ort, die gerade ihren Abschluss mache und ohne Hemmschwelle an die Untersuchungen gegangen sei. Man werde ihren Einsatz aber nicht überstürzen. Entscheidend bleibe aber auch zukünftig das Grundkonzept der „Hilfe zur Selbsthilfe“ .
Im kommenden Jahr soll ein Transport mit Geräten und Ausstattung für die Kinderheilkunde auf die Reise geschickt werden. Außerdem soll ein Bettenhaus für rund 20 stationäre Patienten entstehen. Auf dem Plan für die Zukunft stehen auch Isolierzimmer für Patienten, die an Ebola, Lassa-Fieber oder Cholera leiden. (aflo)