Viele Vorteile für die Bürger

Weeze hat es nicht, Uedem hat es nicht und auch andere Kommunen im Kreis Kleve haben es an die Kreisverwaltung abgegeben – anders als Kevelaer. Die Wallfahrtsstadt leistet sich ein eigenes Jugendamt. Für die Bürger bietet das zahlreiche Vorteile.

Jugendamt – das klingt für viele Eltern nach einer Einrichtung, die nur jene Familien mit ernsten Problemen betrifft. Natürlich sind die Mitarbeiter des Jugendamtes in solchen Fällen besonders gefragt. Aber es dürfte in Kevelaer keine Familie geben, die noch nie mit dem Team von Jugendamtsleiter Marc Buchholz zu tun hatte – sei es über die Angebote für Kinder und Jugendliche, die Beratungsangebote und Hilfestellungen ab der Geburt eines Kindes oder schlicht die Verwaltung der Elternbeiträge für den Kindergarten oder die Tagespflege.

Mit der Geburt beginnt die Arbeit

Tatsächlich beginnt die Arbeit der 18 Mitarbeiter der Abteilung „Pädagogische Dienste“ – 17 Frauen und ein Mann – mit der Geburt eines Kindes. „Das Angebot des Begrüßungsdienstes richtet sich an alle Eltern, die ein Kind bekommen haben“, betont Abteilungsleiterin Anna-Christina Richter – unabhängig davon, ob die familiäre Situation problematisch ist. Wünschen Eltern, den kostenlosen Begrüßungsdienst in Anspruch zu nehmen, besucht eine pädagogische Fachkraft die junge Familie, übergibt ein Päckchen an nützlichen Produkten und Gutscheinen, gibt Ratschläge und beantwortet Fragen. Das ist besonders hilfreich für Familien, die nicht aus Kevelaer stammen. Aber jedes Paar, das schon ein Kind bekommen hat, wird sich erinnern können, wie viele Fragen da anfangs aufkamen, besonders nach der ersten Geburt.

Diese Form der Beratung setzt das Jugendamt auch danach fort. Eltern, die Beratungsbedarf haben, können sich dort melden und erhalten vom Bereich „Erziehungshilfe“ eine Unterstützung zur Seite gestellt. Probleme sollen so möglichst direkt gelöst werden, wenn sie entstehen. Außerdem lassen sich viele Paare beraten, wenn eine Scheidung ansteht. Wie sollte der Umgang geregelt sein, wo der Lebensmittelpunkt des Kindes liegen?

Die Experten im Jugendamt helfen, solche Fragen im Interesse des Kindes zu beantworten. „Viele Eltern kommen in dieser Situation von alleine zu uns. Aber auch die, bei denen die Trennung im Streit verläuft, sehen wir meist irgendwann, weil diese Fragen ja gelöst werden müssen“, erklärt die Abteilungsleiterin. In diesen Fällen ordnet das Familiengericht die Beratung an.

Natürlich hilft das Jugendamt auch dann noch, wenn in einer Familie ein Problem schon ausgewachsen ist. Häufig handelt es sich dabei jedoch um Fälle, die von außen gemeldet werden und wo die Pädagogen im Sinne des Kinderschutzes aktiv werden müssen. „In solchen Fällen begegnen uns die Eltern meist zunächst mit einer Abwehrhaltung“, weiß Richter. „Aber im Gespräch können wir sie fast immer überzeugen, dass diese Unterstützung für die Kinder gut ist.“ Gemeinsam mit den Eltern werden dann Ziele erarbeitet oder eine konkrete „Gefährdung für die Kinder abgestellt“.

Wo es gar nicht anders geht, kommt der Pflegekinderdienst ins Spiel. Gelegentlich müssen auch in Kevelaer Kinder zu ihrem Schutz aus der eigenen Familie entfernt werden und bei Pflegeeltern ein neues Zuhause finden. Wo es möglich ist, fällt die Wahl zunächst auf Verwandte; doch da diese Option nicht immer besteht, „suchen wir immer Paare, die Pflegeeltern werden möchten“, wirbt Richter.

Paare, die diese Aufgabe übernehmen möchten, werden vom Jugendamt auf freiwilliger Basis geschult. „Die Entscheidung ist natürlich eine Herausforderung, aber wir lassen niemanden allein“, verspricht die Abteilungsleiterin. Aktuell gibt es in Kevelaer rund 40 Pflegekinder. Viele stammen aus der Marienstadt, doch immer mal dürfen Eltern zum Schutz des Kindes nicht wissen, wo diese sich befinden. Dann erfolgt die Unterbringung in anderen Städten. „Das klassische Waisenkind kommt heute kaum noch vor“, ergänzt Richter.

Drei weitere Leistungen

Noch drei weitere Leistungen erbringen die Pädagogischen Dienste der Stadt: Sie koordinieren die offene Jugendarbeit, wobei die Jugendräume in den Ortschaften von Ehrenamtlichen betrieben werden und nur im Kevelaerer „Kompass“ Mitarbeiter der Stadt tätig sind. Vor allem 14- bis 16-Jährige nutzen derzeit die Angebote an der Kroatenstraße am Nachmittag und am frühen Abend. Die Altersgrenze zieht der „Kompass“ aber erst bei 27 Jahren. Jetzt gerade in den Herbstferien bietet das kleine Team dort beispielsweise Bastel- und Kochangebote. Fortlaufend gibt es zudem eine Mädchengruppe. Insgesamt zählen die Jugendräume etwa 450 Besuche im Monat – darunter natürlich manche Jugendliche, die für mehrere Besuche verantwortlich sind.

Für Kinder mit seelischer Behinderung bietet das Jugendamt beispielsweise heilpädagogische Therapien mit dem Ziel, den Betroffenen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wichtig, damit diese Eingliederungshilfe gewährt werden kann, ist zum einen die Diagnose – zum Beispiel Autismus – durch einen Facharzt und zum anderen, dass das Kind dadurch am normalen Leben gehindert wird.

Und dann ist da noch die Jugendgerichtshilfe. Muss sich ein Minderjähriger vor Gericht verantworten, wird das Jugendamt am Prozess beteiligt. Die pädagogischen Experten beurteilen Faktoren wie die Einflüsse des Elternhauses und die Einsichtigkeit des Jugendlichen und liefern einen Bericht ab, der in die Urteilsfindung einfließt. Außerdem entscheiden die Pädagogen mit darüber, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommen.
Verwaltungstypischer sind die Aufgaben in der Abteilung von Ingrid Brams. Ihr zehnköpfiges Team „verschriftlicht die Maßnahmen der Pädagogen“, beschreibt Brams schmunzelnd den Schwerpunkt.

Das Team erstellt Bewilligungsbescheide für Eltern und Maßnahmenträger und belehrt Eltern über deren Rechtsmittel. Dass Eltern widersprechen, komme zwar nur selten vor. „Aber wenn beispielsweise die Eltern denken, ihr Kind sei seelisch behindert, und unsere Pädagogen kommen zu dem Ergebnis, dass es einfach schlecht in der Schule ist, dann kommt schon mal ein Widerspruch“, weiß Brams. Meist aber lösen sich diese Fälle im Gespräch.

Am bekanntesten ist die Abteilung wohl, weil sie auch die Elternbeiträge für Kindergarten und Tagespflege berechnet und einzieht. „Die Betriebskostenzuschüsse von Land und Kommune betragen jährlich etwa 6,5 Millionen Euro“, rechnet Brams mit Blick auf die Debatte um eine mögliche Beitragsfreiheit vor – die es für das letzte Kindergartenjahr bereits gibt. Dass Eltern für die Berechnung eine Reihe Unterlagen einreichen müssen, erklärt sie mit dem Bruttoprinzip: „Bei der Einkommensteuer gilt das Nettoprinzip, daher genügt der Steuerbescheid leider nicht.“

Keine Wartelisten

In Hinsicht auf die verfügbaren Plätze betont Brams: „Wir haben in Kevelaer keine Wartelisten, auch wenn es nicht immer der Wunschkindergarten wird.“ Letzteres liege vor allem daran, dass nicht einfach eine neue Gruppe vor Ort geschaffen werden könne, wenn in einer Ortschaft mal zwei Jahrgänge besonders geburtenstark sind. Um die U3-Plätze zu erweitern, wird aber spätestens im kommenden März in der „Sternschnuppe“ eine weitere Gruppe aufgemacht. Dass die Kindergartenanmeldung in Kevelaer übrigens nicht über das vom Land bereitgestellte Onlinesystem möglich ist, gehe auf einen Wunsch der Kitaleitungen zurück, die den direkten Elternkontakt wünschten, erläutert Brams.

Etwa 140 Kinder zwischen null und drei Jahren werden zudem von insgesamt 33 Tagespflegepersonen betreut. „Eltern, die eine Tagespflege anbieten wollen, können sich bei uns melden“, sagt Brams. Ihr Team prüft dann die Eignung und legt eine 160-stündige Fortbildung nahe – was praktisch alle Tagespflegepersonen bislang in Anspruch genommen haben, verschafft die Fortbildung doch mehr Sicherheit und zudem höhere Pauschalbeträge.
„Die Selbstbetreuung durch die Eltern hat in Kevelaer einen verschwindend geringen Anteil“, weiß Brams. Darüber hinaus gibt es derzeit vom Bund finanziert eine zehnköpfige Gruppe, in der Flüchtlingskinder und ihre Eltern an das Konzept Kindergarten herangeführt werden.

Freie Träger sind günstiger

Während fast alle diese Angebote von freien Trägern bereitgestellt werden, gibt es auch einen Kindergarten, der komplett in städtischer Verantwortung liegt: das „Spatzennest“. Das Team von Brams kümmert sich um die Beschaffung und jene Belange der 22 Mitarbeiter – von Koch und Gärtner bis Betreuer –, die nicht in den Bereich der Personalabteilung fallen. Freie Träger erhalten höhere Landeszuschüsse und sind dadurch für die Kommune günstiger. Dafür bedeute ein eigener Kindergarten, im Einzelfall schnell und flexibel reagieren zu können, so die Abteilungsleiterin.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Abteilung ist die Unterstützung der Jugendarbeit der Vereine. So gibt es Fördergelder für Ferienmaßnahmen oder die Weiterbildung von Betreuern.
Außerdem organisiert die Abteilung die Vormundschaften, die in Kevelaer seit zwei Jahren ein freier Träger wahrnimmt. Eine Ausnahme bilden die gesetzlichen Vormundschaften für Kinder minderjähriger Mütter oder in der Übergangszeit, wenn ein Kind zur Adoption freigegeben wird. „Im Schnitt haben wir immer so vier bis fünf Fälle minderjähriger Mütter“, berichtet Brams.

Für alle diese Aufgaben können wir selbst unsere hohen Standards festlegen“, erklärt Werner Barz, weshalb Kevelaer sich bereits seit 1992 ein eigenes Jugendamt leistet. „Außerdem bedeutet das für die Bürger kurze Wege.“ Das ist nicht nur bequem – es senkt auch die Hemmschwelle, die zahlreichen Hilfsangebote einfach mal in Anspruch zu nehmen.