Und ich tanze!

Wenn Edith Bongers- Reul erklären soll, von wem sie ihr Bewegungstalent geerbt hat, kommt die Antwort ohne langes Zögern: „Das habe ich von meiner Mutter. Sie ist früher als Kind in den Bäumen herumgekraxelt“, erzählt sie und lächelt.
Als das zweite von sechs Geschwistern wurde die Tanzpädagogin und -choreographin am 26. April 1957 in Trier als Tochter des späteren Kevelaerer Sparkassendirektors Werner Bongers und seiner Frau Katharina geboren.
„Die beiden kamen aus Kranenburg und Zyfflich. Und als er eine Anstellung hier fand, sind wir hierher gezogen – und der Rest der Kinder ist auch in Kevelaer geboren“, erzählt die 61-Jährige. Sie kam in die Antonius-Grundschule, „wo es nur Mädchen gab“, später dann auf das Gymnasium.
Das Musische war im Hause Bongers stark ausgeprägt. „Die jüngere Schwester und ich spielten Gitarre, einige Geschwister waren beim Vater der Sängerin Annja Rossmann im Schulchor. Ein jüngerer Bruder spielte Klavier und der kleine, in England lebende Bruder leidenschaftlich Schlagzeug“, erinnert sie sich an diese lebhafte Zeit.
Die junge Edith turnte und machte Leichtathletik „bei der alten Frau Sadowski. Die hatte die Ballettschule auf der Gelderner Straße. Da war ich schon mit 13, 14 Jahren.“
Erste ganz zarte Berührungspunkte mit Tanz und darstellendem Spiel hatte sie bei der Gestaltung einer Messe. „Da ging es um Ausgrenzung und Wiedereingliedern, da habe wir eine Reihe gebildet und uns damit vor- und zurückbewegt.“
Tanzdiplom und Kinder

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Nach dem Abitur ging sie 1976 nach Köln. „Ich wollte unbedingt was mit Bewegung machen“, war für die damals 19-Jährige klar. Ein halbes Jahr ging sie in eine Gymnastikschule, bis sie zum Sportstudium zugelassen wurde.
Dort gab es auch einen Bereich „darstellendes Spiel, Musik, Tanz.“ Sie lernte unter der Begründerin des „elementaren Tanzes“, Maja Lex, die unter anderem auch mit Carl Orff zusammengearbeitet hat.
„Diese Bewegung war sehr prägend für unsere Entwicklung“, sagt Bongers-Reul. Noch heute fährt sie einmal pro Monat nach Köln, wo sie Lex´ Nachfolgerin Graziella Padilla besucht.
Damals lebte die junge Edith mit ihrem Freund Wolfgang Reul in Würzburg, wo er Medizin studierte. Sie bekam das erste Kind, gab Kurse für Kinder im Bereich Jazztanz und darstellendes Spiel und schloss ihre Diplomarbeit ab.
Der gemeinsame Weg des Paares führte über Bad Kissingen, Bad Berleburg und Emden Weihnachten 1990 nach Kevelaer. Ihr Mann ließ sich mit einer eigenen Praxis in der Marienstadt nieder. Das eigene Erleben von kinderreichen Familien führte dazu, dass die Familie Bongers-Reul bis 1996 auf elf Personen anwuchs.
Ihre neun Kinder zog Edith Bongers-Reul im Haus der Schwiegereltern groß, das sie übernehmen durften. „In der Zeit waren nur Kinder angesagt“, sagt Bongers-Reul.
Wiedereinstieg und Weiterentwicklung

2010 fing sie wieder mit dem Tanzen an. Sie machte zwei Jahre lang eine Ausbildung beim
Bundesverband Tanz zur „Tanzpädagogin für Tanzkultur“. Ihr Abschlussprojekt „Frauen- leben“ stellte sie mit acht Frauen auf der Bühne der Begegnungsstätte vor. „Einer meiner Söhne hat dazu noch gerapt, das war eine gute Verbindung.“
Und in den vergangenen fünf Jahren lernte sie für ihr zweites Tanzdiplom an der Akademie Remscheid Modern Dance, höfische Tänze und südeuropäische Folklore – und neue Stile wie Hip Hop.
Ihr Tätigkeiten sind vielseitiger Natur: Sie arbeitete bei der Caritas, machte im Wohnstift mehrere Jahre lang Tanzangebote, gab an der Förderschule Kevelaer Tanz- Förderkurse und Tanzkurse in Kindergärten und in Grundschulen.
Im „Mein Sportraum“ an der Marienstraße bietet sie unter dem Titel „Und ich tanze!“ jeden Donnerstag Bewegungs- und Tanzmöglichkeiten für Grundschulkinder an. Dazu kommen weitere Grundschul- und Erstklässler- Tanzangebote in Mülheim und Kempen.
2017 choreographierte sie zu dem großen Kevelaerer „Ave Maria“-Musikspiel über das Leben Mariens den Tanz „wo sich Maria und Elisabeth treffen.“ Komponist Elmar Lehnen sprach sie an, sie traute sich die Aufgabe zu.
Knapp ein halbes Jahr arbeitete sie mit 30 Mitgliedern des Theaterchores Niederrhein und vielen Kindern. „Die hatten daran Freude, sich auf die Bewegungsaufgaben einzulassen und ihre Quellen ‚anzuzapfen‘, beschreibt die Theaterpädagogin den Prozess, der in der „großartigen Erfahrung“ der Aufführung im Juni mündete.
Sich bewegen, um sich selbst zu entdecken

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Im Bewegungstanz, sagt Bongers-Reul, „kommen die Eigenschaften jedes Einzelnen zum Ausdruck – individuell und authentisch. Das ist das, was ich
vermitteln möchte.“ Bewegung „gehört zum Leben dazu und Musik – und darüber die Kombination und dann zu entdecken, was steckt in mir. Solche Augenblicke finde ich großartig.“
Mit ihrer Kollegin Edith Rühl betreibt sie in der Alten Schule in Goch-Hülm ein Tanzatelier für Frauen ab 40. Da soll es weiter in Richtung Tanztheater gehen.
Und bei der Kevelaerer „Landpartie“, wo sie 2018 bei der Steinwerkstatt von Lisa Lepper mit Edith Rühl aufgetreten „und zur Musik auf Steinen balanciert“ ist, wird sie mit dem Konzept „Zwischenräume“ zu sehen sein. „Ihr Bruder spricht Dada-Texte und es soll dazwischen Musik gemacht werden.“