Beiträge

„Weißes Kreuz“ schließt zum Jahresende

Es gibt Pilgerherbergen, die sind so alt, dass man sie selbst schon fast als eine Pilgerstätte bezeichnen muss. Das „Weiße Kreuz“ am Kapellenplatz ist so eine Herberge, in der sich mehrere Generationen Wallfahrer die Klinke in die Hand gaben.

Doch aller Wandel, all‘ die Kraft und Herzlichkeit, die Hubert Voss und seine Frau Ursula in den Betrieb der Herberge und Gaststätte steckten, seit sie ihn 1978 übernahmen, hilft in der heutigen Zeit nicht mehr: „Tradition ist schön und gut“, sagt Hubert Voss, „aber ein Betrieb muss seinen Mann ernähren.“

Suche nach Nachfolger

Seit 15 Jahren, sagt der gelernte Hotelfachmann und Koch, suche er schon einen Nachfolger, könne die gemeinsamen Besuche bei den Banken schon nicht mehr zählen – doch alle seien irgendwann abgesprungen. Auch sein Sohn habe sich anders orientiert und wolle die altehrwürdige Herberge nicht weiterführen. Seit einem Jahr versuchen er und seine Frau es mit eingeschränkten Öffnungszeiten – doch für die beiden allein ist das nicht zu stemmen, haben sie festgestellt. Deshalb soll das „Weiße Kreuz“ zum Jahresende schließen. „Ich werde nächstes Jahr 68“, sagt Voss, „irgendwann muss auch mal gut sein.“

Gut wird‘s nicht, das ist klar, wenn man sieht, wie Hubert Voss mit Wehmut auf die „vielen guten Jahre“ zurückblickt, die er in dem Haus am Kapellenplatz verbrachte und das er seit über 50 Jahren leitet. „Ich bin mit Mariengesängen groß geworden“, sagt er. Der Vater starb früh, Mutter und Tante führten Herberge und Lokal, dessen Ruf der Großvater Anton Voss begründet hatte.

Das Traditionshaus „Weißes Kreuz“ am Kevelaerer Kapellenplatz heute.

Gut wird‘s nicht für die vielen Stammgäste, die teils ihre Zimmer „von Generation zu Generation weitergereicht haben“, wie Ursula Voss erzählt, und zu denen man ein schon fast familiäres Verhältnis aufgebaut habe. Diese Verbundenheit spürt man besonders, wenn Hubert Voss aus dem Fester auf die Gnadenkapelle blickt und sagt: „Ich helfe unseren Stammgästen natürlich und rufe bei den Kollegen an, damit sie eine Unterkunft finden.“
Stammlokal der Vereine

Gut wird‘s auch nicht für die Vereine, wie die St.-Antonius-Gilde, den Reiterverein St. Georg, die Geselligen Vereine oder den Schachclub, die das Traditionshaus am Kapellenplatz noch ihr Stammlokal nennen und die Hubert Voss bereits über die Schließung zum Ende des Jahres informiert hat. Sie werden sich eine neue Heimat suchen müssen.

Gut wird‘s auch nicht, wenn man an die Gäste des Restaurants denkt. Viele Kevelaerer werden die hervorragende gutbürgerliche Küche des gelernten Kochs sicherlich vermissen.
Und was wird aus dem Haus, wenn nicht doch noch auf wundersame Weise ein Interessent auftaucht? „Im Zweifelsfall ein ruhendes Gewerbe“, sagt Hubert Voss und man merkt, wie schwer ihm der Abschied von seinem Lebenswerk fällt.

Die Geschichte

Seit 1750 steht das „Weiße Kreuz“ am Kapellenplatz, das gilt als gesichert. Davor ist nichts dokumentiert, doch vermutet man, dass es sich bei dem Gebäude um die älteste noch bestehende private Pilgerherberge in Kevelaer handelt. Wie das Hotel zu seinem Namen kam, ist auch nicht bekannt. Allerdings war es früher üblich, Herbergen und Gasthöfe mit Symbolen zu versehen, um Menschen, die nicht lesen konnten, das Finden zu ermöglichen. Im Krieg diente es als Krankenhaus und nahm in der Nachkriegszeit zunächst Obdachlose auf. Ein echtes Kevelaerer Original war Hubert Voss‘ Großvater Anton Voss, dessen Name noch heute die Fassade des Hauses ziert.

Der Hotelier lud 1925 zur Gründungsversammlung des Reitervereins St. Georg ein und trug 1929 als dessen Ehrenmitglied die Festkette zur Kirmes (Adjutant: Heinrich Gleumes). 1936 war er Adjutant des Festkettenträgers Peter Verhaag (Reiterverein St. Georg), 1939 des Festkettenträgers Johann Boll (St. Sebastianus-Schützenbruderschaft).