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„Hier kommen Menschen zu sich“

Am Ende des Abends zog Wallfahrtsrektor Rolf Lohmann eine positive Bilanz des Festaktes: „Eine angemesse Feier, der Stadt höchste Anerkennung.“  Vorausgegangen war ein gut zweistündiger, recht kurzweiliger Festakt. Musikalische Begleiter waren die Abiband  des Kardinal-von Galen-Gymnasiums  und der gesangsgewaltige  Niederrhein-Chor unter der Leitung von Tom Löwenthal inklusive Begleitband.
Deren Stück „Das gibt‘s nur einmal“ stand sinnbildlich für die Einmaligkeit des Ereignisses.  Bürgermeister Dominik Pichler formulierte das auf seine Weise: „So jung kommen wir nicht mehr zusammen.“
Pichler schlug in seiner kurzen Ansprache den Bogen von der Begründung der Wallfahrt 1642 zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges bis zum heute weltweit bekannten Wallfahrtsort mit rund einer Million Pilgern, der 1987 vom Papst Johannes Paul II., dem damaligen Kardinal Josef Ratzinger und Mutter Teresa besucht wurde. Die Wallfahrt befinde sich auch im Wandel, so Pichler, sei aber als „Wallfahrt 2050“ ein wichtiger Baustein des integrierten Handlungskonzeptes der Stadt.  Der scheidende Wallfahrtsrektor Rolf Lohmann hielt ein flammendes Plädoyer für den „außergewöhnlichen“ Wallfahrtsort Kevelaer. Dabei sei auch wichtig, die von ausserhalb kommenden Pilger als Bestandteil der Wallfahrt zu betrachten und einzubinden. Das habe sich zuletzt bei der Pilgerleitertagung gezeigt, wo das Signal ganz klar gewesen sei: „Denkt daran, dass wir auch zu Kevelaer gehören, … weil uns die Stadt am Herzen liegt.“  So mache er sich um eine Zukunft des Wallfahrtsortes keine Sorgen.
Diese Pilger erfreuten sich an dem besonderen Flair der Stadt, „dem behaglichen Kapellenplatz“. Stadt, Vereine oder Seelsorgeteam seien dazu aufgerufen, „diese traumhafte Pilgerstätte“ zu erhalten, wünschte er sich eine Zukunft des Wallfahrtsortes „für die nächsten 375 Jahre.“
Fachbereichsleiter Werner Barz durfte ließ auf einer Großleinwand und mit historischen Bilder die Entstehung der Wallfahrt Revue passieren lassen. Dabei erinnerte er an Hendrik Busman, dem 1641 vor dem Hagelkreuz an einer Wegkreuzung nach Kevelaer den Aufruf erhielt, dort „ein Kapellchen zu bauen“, an die erste Pilgergruppe aus Rees, den Bau der Kerzen- und der Gnadenkapelle. Auch Wilhelm I. sei 1714 und 1738 in Kevelaer gewesen. Barz verwies auf die Entstehung des Kunsthandwerks wie Butzon&Bercker, der Glasmalerei Derix, die 1908 für die  Sixtinische Kapelle sechs Fenster herstellte, oder dem Orgelbauer Seyffert. Und natürlich durften die Besuche des Papstes und von Mutter Teresa 1987 nicht fehlen.
Oberministrant Christoph Mölders blickte mit ein paar persönlichen Gedanken auf die Wallfahrt zurück, beschrieb das Gefühl, wenn man wie die Bocholter Fußpilger „auf dem Zahnfleisch, aber voller Begeisterung in eine volle, lebendige Stadt komme.“ Er streifte die überregionalen Wallfahrten wie die der Ministranten, der Tamilen oder die „interreligiöse Wallfahrt“, die gerade in Zeiten von „Fremdenhaß, Wutrede und Intoleranz“ wichtig sei.
Kaplan Christoph Schwerhoff beschrieb als jemand, der noch nicht lange in Kevelaer ist, mit einem Zitat aus einem Buch von Jürgen Wiebicke, der auf seiner Reise durch Deutschland auch in Kevelaerr Station gemacht hat, den  Ort, „wo man schwere Gedanken loswerden kann.“ Das mache Kevelaer besonders, es sei ein „Ort der Erdung. Hier kommen Menschen zu sich.“
Höhepunkt des Abends war zweifellos die Rede des früheren Wallfahrtsrektor Richard Schulte-Staade. Er plauderte aus dem Nähkästchen, auf welchen verschlungenen Pfaden er den Besuch des Papstes in Kevelaer möglich gemacht hatte, indem er den marianischen Weltkongress nach Kevelaer holte und die Unterstützung von Kardinal Höffner sicherte.
Bei dem Besuch habe er den Papst mal eben so am Arm gepackt, weil er zu den „vielen Sängerknaben und Ordensschwestern“ laufen sollte die sich extra für ihn aufgereiht hatten. Was den Ruf zur Folge hatte: „Nicht mal in Kevelaer kann der Papst hingehen, wo er will.“
Schulte-Staade  berichtete davon, dass er von Mutter Teresa gerügt worden sei, weil man keine Betzeit ins Programm eingebaut habe, um ihr dann die Möglichkeit spontan in der Basilika mit den Gläubigen zu ermöglichen.
Und er erzählte von dem Terroristen, der ihm ankündigte, ein paar Wochen nach seinem Besuch die Waffe vorbeizubringen, mit der der Arbeitgeberpräsident Schleyer erschossen worden sei und die sich ein paar Wochen später tatsächlich fand.

Kevelaer soll nun auch „offiziell“ Wallfahrtsstadt werden

Kevelaer. Entsprechend der Kommunalverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen kann eine Gemeinde seit 2011 eine zusätzliche Bezeichnung führen, die auf die Historie, die Eigenart oder die Bedeutung der Gemeinde hinweist. Kevelaer kann mit der Wallfahrt eine solche historische Bedeutung vorweisen. Immerhin feiert die Stadt in diesem Jahr ihr 375-jähriges Wallfahrtsjubiläum. Um künftig auf Straßenschildern und im Behördenverkehr als „Wallfahrtsstadt Kevelaer“ aufzutreten, musste der Rat mit drei Vierteln seiner Mitglieder den entsprechenden Beschluss fassen. 30 Stimmen waren für eine Namensänderung erforderlich. 33 der 36 anwesenden Mitglieder des Stadtrates haben ein positives Votum abgegeben, drei haben sich enthalten.
„Ich freue mich, dass der Bedeutung der Kevelaer Wallfahrt mit dem Namenszusatz Rechnung getragen wird. Jetzt müsste die Kevelaerer Wallfahrt vom Kultusministerium wie beantragt nur noch als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt werden“, so Bürgermeister Dr. Pichler.
“Die Wallfahrt in Kevelaer ist stadtbildprägend und gehört für die Kevelaerer Bürgerinnen und Bürger zum Wesensmerkmal der Stadt, wie auch die zahlreichen Pilger, die zur Wallfahrtssaison über die Hauptstraße Richtung Kapellenplatz ziehen”, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Stadt. Mit der Wallfahrt ist ein starkes Gemeinschaftsgefühl verbunden – auch in den Ortschaften – welches sich beispielsweise in dem hohen ehrenamtlichen Engagement zahlreicher Menschen in Kevelaer widerspiegelt, die das Wallfahrtsleben aktiv begleiten. Kevelaer und Wallfahrt sind im öffentlichen Bewusstsein untrennbar miteinander verbunden und damit ein besonderes identitätsstiftendes „Markenzeichen“ der Stadt. Die für Kevelaer charakteristische Zusatzinformation „Wallfahrtsstadt“ dient einer Profilschärfung und ist dabei unabhängig vom persönlichen Glaubensbekenntnis in 375 Jahren historisch gewachsen.
Die Verwaltung muss nun noch beim Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen die Genehmigung zum Führen des Namenszusatzes einzuholen. Sobald der Antrag genehmigt ist, sollen Einheimische und Besucher dann auf den Ortseingangsschildern mit „Wallfahrtsstadt Kevelaer“ begrüßt werden.

Doppelte Spenden in Kevealer: Die Lücke im Priesterhaus ist gefüllt

Die Lücke ist gefüllt. In der Bildergalerie des Priesterhauses gab es bislang kein Gemälde aus dem Jahre 1942, in dem die Marienstadt auf 300 Jahre Wallfahrt zurückblicken konnte. Dr. Horst-Dieter Gnisa und Artur Elders-Boll sorgten jetzt dafür, dass sich die Bilderreihe schließt. Dabei ist dies durchaus einem glücklichen Umstand zu verdanken.
„Ich erinnere mich noch gut an die gemütliche Kaffeerunde im Dezember 2013 mit dem Domkapitular“, sagt Artur Elders-Boll. Damals hatte ihn Rolf Lohmann angesprochen, ob er nicht seinen alten Schulfreund Dr. Horst-Dieter Gnisa bewegen könnte, dessen Immobilien in der Nähe der Gnadenkapelle zu modernisieren. Gesagt, getan. Der Besitzer der Häuser Kapellenplatz 31 (Eiscafé) und 33 (bislang Devotionalien) sorgte zunächst für eine Weihnachtsbeleuchtung an seinen Immobilien. Danach folgte ein neuer Anstrich. Ein neues Dach, die Verkleidung der Giebelwand und die Sanierung der Hinterhöfe sind ebenfalls geplant. Schließlich hat Gnisa sein Geschäftslokal am Kapllenplatz künftig dem Eine-Welt-Laden günstig überlassen, weil der Verein mit seinen Erlösen notleidende Menschen unterstützt. „Beim Aufräumen der Wohnung fiel uns dann eine besondere Papierrolle in die Hände“, sagt Elders-Boll und verweist auf die Original-Radierung mit dem Motiv der Gnadenkapelle des Kevelaerer Künstlers Karl Wenzel aus dem Jahr 1942. „Mein Großvater Jakob Franchi und der Künstler waren befreundet“, erklärt Horst-Dieter Gnisa, wie die Radierung in den Besitz seiner Familie gelangte. Der Augenarzt wollte den selten Fund aber nicht für sich behalten: „Karl Wenzel schuf das Bild aus Anlass des Jubiläums 300 Jahre Wallfahrt nach Kevelaer. Das durfte aber im Krieg nicht gefeiert werden und wurde erst 1951 nachgeholt.“
Nach Rücksprache mit seinem Freund Elders-Boll ließ er das Werk zunächst vom Galeristen Heinz Janssen fachgerecht aufarbeiten und einrahmen, um es dann kurz vor dem 375-jährigen Jubiläum dem Priesterhaus zu überlassen. „Sowas fehlt hier noch“, sagt der Mediziner aus Pulheim, der die Übergabe als Zeichen großer Dankbarkeit gegenüber dem Rektor der Wallfahrt und Hüter der Gnadenkapelle sieht.
Dieser ist jedenfalls voll des Lobes über die unerwartete Stiftung. „Das ist was ganz Besonderes für unser Haus“, sagt Rolf Lohmann. „Der große Einsatz von Dr. Gnisa für seine Heimatstadt ist beispielhaft.“
Auf Grund ihrer langjährigen Verbundenheit mit der Gnadenstätte Kevelaer haben sich Dr. Horst-Dieter Gnisa und Artur Elders-Boll darüber hinaus entschlossen, das Wallfahrtsjubiläum finanziell zu unterstützen. „Denn 375 Jahre Kevelaer-Wallfahrt gilt es dankbar und zukunftsweisend zu feiern“, sagt Elders-Boll. Er und sein Schulfreund griffen deshalb zum Auftakt einer Spendenaktion in die eigene Tasche und überreichten Pastor Rolf Lehmann jeweils einen Umschlag mit 375 Euro. Der Wallfahrtsrektor weiß, dass er das Geld für die anstehenden Feierlichkeiten im nächsten Jahr gut gebrauchen kann: „Das ist ein gutes Zeichen. Momentan gibt es zahlreiche Initiativen, die die Stadt und die Wallfahrt gleichermaßen fördern. Da ist dieser Grundstock für uns sehr wichtig.“
Dabei soll es aber nicht bleiben. „Wir würden uns freuen, wenn möglichst weitere Kevelaerer und Wohltäter aus Nah und Fern unserem Beispiel folgten“, gibt sich Artur Elders-Boll zuversichtlich. Im Priesterhaus hat sich inzwischen eine zentrale Lenkungsgruppe für die Verantwortung der Spendenaktion gebildet. Ansprechpartner sind der Generalssekretär der Wallfahrt, Dr. Rainer Killich und Verwaltungsleiter Thomas Selders.