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Schatzgrube in Kervenheim

Wer sich dem Gebäude an der Ecke Dorfstraße nähert, kann noch immer die Schilder mit dem Signet „Dorfladen – hier kauf ich ein“ entdecken. Doch wer durch die Fenster schaut, erkennt, dass sich in den Räumlichkeiten heute etwas anderes findet.
Und wer den früheren Verkaufsraum betritt, entdeckt dort statt Waschpulver, Zahnpasta und Duschgel alte Tassen, Bilder, Geschirr, Spielzeuge oder Schallplatten.
Der Mann, der das alles in diesen Räumlichkeiten zusammengetragen hat, ist Winfried Schiller, den die meisten einfach nur „Winnie“ nennen. „Diese Brücke hier hab ich am Morgen reinbekommen, die soll ich für jemanden verkaufen. Die ist handgemacht“, erzählt der 68-jährige Kervenheimer und weist auf den Nachbau der Londoner Tower Bridge.
Das Trödeln betreibt der Senior noch nicht sehr lange. „Ich mache das seit 2013. Meine Schwiegermutter war gestorben. Und ein Bekannter sagte zu mir: „Bring die Sachen am besten zum Trödel.“ Gesagt, getan. Im Laufe der Zeit kamen dann immer wieder Leute auf ihn zu, die ihm irgendwelche Sachen anboten. „Ich habe dies und das“, hieß es dann immer häufiger. Haushaltsauflösungen kamen dazu, es wurde immer mehr.
Bis vor Kurzem war er mit einem Trödler in der Gaststätte gegenüber zusammen, bis er den früheren Dorfladen „anmieten“ konnte. Über diesen Weg belebt Schiller nun ein für Kervenheim zentrales Gebäude, das vier Jahre lang leer stand. „Mal ist gar nichts los, mal sind es ein paar mehr. Und ich habe schon Stammkunden.“
Eine Sache ist ihm sehr wichtig: „Das ist kein Gewerbe hier, ich verkaufe die Sachen aus reinem Hobby, ich bin Rentner.“ Ihm ist außerdem die Botschaft wichtig, dass die Menschen darauf acht geben, nicht Dinge wegzuwerfen, die vielleicht noch ihren Wert und Sinn besitzen. Das „Menschliche beim Trödel“ sei das Wichtigste.
Für Silke Steinhart kommt die Möglichkeit, sich bei „Winnie“ umzusehen, genau richtig. Die 43-Jährige ist mit ihren Kindern vom Schwarzwald wieder zurück in die alte Heimat Kervenheim gezogen. „Zu Weihnachten haben die Kinder einen gelben Schneemann hier gesehen, den wollten sie unbedingt haben.“ Das habe sie neugierig gemacht. Und so darf sie ihren Kindern zwischendurch erklären, wie man mit einem Tastentelefon telefoniert, und auch mal ein ausrangiertes Kaffeeservice mitnehmen.
„Schade, dass solche Sachen entsorgt werden. Das ist kein Müll“, findet Silke Steinhart. „Ich brauchte noch Schmuck für den Weihnachtsbaum und habe hier zufällig denselben Schmuck wie aus meiner Kindheit gefunden. Ich hatte Tränen in den Augen.“
Michael Schmidt kam an diesem Samstag erstmals in den Trödelladen. „Ich wollte mal gucken. Ist schön, für den einen oder anderen hier was zu finden“, urteilt der 48-jährige Kervenheimer, der beim Anblick der Vinylplatten bedauert, „dass ich keinen Schallplattenspieler zu Hause habe.“
Für Rügebert Baier aus Sonsbeck lohnte sich die Suche. „Darf ich den mal testen?“, fragte er zu einem alten Tauchsieder. „Ich fahr Lkw. Wenn du unterwegs bist, machst du damit das Wasser warm und wäschst dich“, erklärte der 60-Jährige.
Schillers Trödelladen ist von mittwochs bis freitags jeweils von 14 bis 17 Uhr und samstags von 12 bis 15.30 Uhr geöffnet.