Beiträge

Immer voller Tatendrang

Wenn Heike Hacks und Ellen Selders vom Leben ihres Vaters erzählen, sind die Worte geprägt von schönen Erinnerungen und Bewunderung für sein Engagement. Denn in der Tat dürfte sich manch einer die Frage stellen, ob Theo Selders‘ Wochen mehr als sieben Tage hatten. Der Wettener brachte sich in zahlreichen Bereichen des Dorflebens ein, pflegte mit Begeisterung seinen Hof und verbrachte daneben gerne Zeit mit seiner Familie und Freunden. Nach langer Krankheit verstarb er am 17. Juni 2020 im Alter von 75 Jahren im Kreise seiner Familie. Seine beiden Töchter und die Wettener Ortsvorsteherin Beate Clasen erinnern sich gemeinsam an das Leben des ehemaligen Landwirtes und Kraftfahrers zurück.

Theo Selders wurde am 10. Februar 1945 als ältestes von vier Kindern der Eheleute Wilhelm und Elisabeth Selders geboren. Er wuchs auf dem elterlichen Hof in Wetten auf. Diesen bewirtschaftete er selbst bis in die 80er-Jahre. Seit er Anfang der 70er-Jahre bei der Firma „Mera Tiernahrung“ seine Arbeit aufnahm, lief der Hof nebenher, bis er schließlich nur noch als Wohnort genutzt wurde. „Das hat er leidenschaftlich gemacht“, erinnert sich seine Tochter Heike Hacks an die Arbeit für Mera. Für seine Kinder war jedoch in jungen Jahren vor allem die Arbeit auf dem eigenen Hof spannend. „Die Getreideernte war das Highlight. Wir fanden das super“, erinnert sich Ellen Selders, die heute mit ihrer Familie auf dem Hof wohnt, gerne an die Zeit zurück, in der sie ihrem Vater bei der Ernte helfen durften.

Im Alter von 27 Jahren heiratete Theo Selders Mechtild Hebben. Zwei Kinder, Ellen und Heike, gingen aus der Ehe hervor. Im Alter von 46 Jahren verstarb seine Frau. In dieser schwierigen Zeit habe sich die Familie gegenseitig getragen, sich Halt gegeben, erzählen die Töchter. Ab Ende der 90er-Jahre verbrachte Theo Selders eine glückliche Zeit mit seiner Lebensgefährtin Elisabeth Düngelhoef auf seinem Hof. Seine und ihre Familie waren ihm sehr wichtig.

Neben der Leidenschaft der Pflege seines Zuhauses lebte Selders für die Arbeit in seinem Heimatdorf. Er war begeisterter Feuerwehrmann, Reiter und Schütze. In seiner Jugend engagierte er sich in der Landjugend. „Wenn die Sirene ging, konnten wir nur noch an die Seite springen“, erzählt Heike Hacks lächelnd. Bei den Schützen gehörte Theo Selders zunächst den Sebastianus- und anschließend den Petrus-Schützen an. Als Reiter ritt er erst selbst aktiv und engagierte sich später viele Jahre im Vorstand des Wettener Reitvereins. „Es gibt niemanden, der so oft gewählter Adjutant des Festkettenträgers war“, erzählt Ortsvorsteherin Beate Clasen mit Blick auf die Dorfgeschichte. Von 1973 bis 1993 gehörte Selders außerdem dem Präsidium der Geselligen Vereine an. „Als das Präsidium 2009 die Kirmes ausgerichtet hat, war er auch hier als Adjutant an der Seite des Festkettenträgers“, ergänzt Clasen. Das war für ihn ein ganz besonderes Ereignis, erinnern sich seine Töchter noch gut daran. Hin und wieder waren Heike und Ellen selbst überrascht von den Arbeiten ihres Vaters. Eines Tages war Ellen Selders im Dorf unterwegs, sah ihren Vater und fragte sich: „Warum gießt er denn dort jetzt die Blumen?“ Die Lösung war einfach: Er hatte sich dazu entschlossen, als Rentner im Heimatausschuss zu helfen.

Fast 50 Jahre ritt er als St. Martin durchs Dorf

Theo Selders war lange Zeit der Wettener „St. Martin“.

Eines lag dem engagierten Dorfbewohner besonders am Herzen: der St. Martins-Umzug. Beinahe 50 Jahre ritt er als „St. Martin“ durchs Dorf. Als seine Töchter und Enkel noch klein waren, wussten sie nicht, dass ihr Vater bzw. Opa der St. Martin ist. „Mama, der hat die gleichen Schuhe wie Papa“, sagte die heute 47-jährige Heike Hacks damals, als sie einen Blick unter das Gewand des Reiters erhaschen konnte. „Er hat immer am nächsten Tag gefragt: Wart ihr beim St. Martinszug? Was hat der St. Martin denn gesagt?“, lacht die 45-jährige Ellen Selders. „Als wir erfahren haben, dass unser Papa der St. Martin ist, sind wir aus allen Wolken gefallen“, ergänzt ihre Schwester. So hat auch heute der St. Martins-Tag noch eine große Bedeutung innerhalb der Familie.

„Alles, was er gemacht hat, hat er gern gemacht“, da sind sich Theo Selders‘ Töchter einig. Ihm sei nie etwas wirklich lästig gewesen und er habe nie eine besondere Aufmerksamkeit für sein Engagement gewollt. „Er ging im Vereinsleben einfach auf. Aber er hat kein großes Brimbamborium gemacht“, sagt seine Tochter Ellen. „Er war ein Geselliger, war einfach gerne mit Leuten zusammen“, konnte auch Clasen als Ortsvorsteherin beobachten. Und das war nicht nur im Vereinsleben so. Theo Selders hat gerne gefeiert. „Er war immer einer der Letzten auf Feiern. Das haben wir wohl geerbt“, erzählt Ellen Selders lächelnd. Seine geliebte und gelebte Pünktlichkeit führte allerdings auch dazu, „dass er auf Geburtstagen schon mal vor dem Gastgeber da war.“ Die Pünktlichkeit, auch da sind sich die Schwestern einig, hat ihr Vater nicht unbedingt an sie weitergegeben.

Mit wem hat Theo Selders sich denn gerne umgeben? „Ihm war das egal, wer das ist, ob er die Person kannte oder nicht“, erzählt Ellen Selders. Er habe sich eigentlich mit allen Menschen gut verstanden und mit der offenen Art auch andere Menschen gerührt. Mit seiner lockeren Art fand er auch in seinem Kegelclub „Halber Liter“ gute Freunde. Alle zwei Wochen wurde gekegelt – mit Ehrgeiz. „Und wenn sie eine Tour gemacht haben, haben sie das Wochenende genommen, an dem kein Kegeln war“, schmunzelt Ellen Selders. Nach Aussage ihres Vaters sei das natürlich nur Zufall gewesen… Zudem gehörte Theo Selders einem Doppelkopf-Club an und betätigte sich als Rentner sportlich bei den „UNIDOs“, einem Herrenfahrradclub in Wetten. Neben dem Radfahren und dem Reiten galt seine sportliche Begeisterung aber auch dem Fußball. Zwar spielte er nicht selbst, beobachtete aber gerne voller Stolz seine Enkel auf dem Fußballfeld. Außerdem war er großer Fan des FC Bayern München.

Aus tiefem Herzen heimatverbunden

Wer nun denkt, mit all diesen Hobbys sei der Alltag des Wetteners ausgelastet gewesen, der irrt. Theo Selders kümmerte sich mit viel Sorgfalt um seine Mutter, die mittlerweile mit 105 Jahren die älteste Kevelaerer Bürgerin ist. Nebenbei fuhr er den Wettener Bürgerbus, pflegte das eigene Grundstück und kümmerte sich um seine fünf Enkelkinder und die seiner Lebensgefährtin. Er sei nicht der Großvater gewesen, der Tag ein Tag aus mit seinen Enkeln spielte, doch er sei immer zur Stelle gewesen, wenn man ihn brauchte. So baute er für sie zum Beispiel ein Holzhaus auf Stelzen und eine Scheune für die Spielzeugtrecker- und maschinen.

Ein Highlight für die Enkel war es immer, wenn sie ihren Opa auf seinen LKW-Touren durch Deutschland begleiten durften. Und als er bereits krank war, schaute er den jüngsten Familienmitgliedern gerne beim Spielen auf dem Hof zu. Da habe er einmal gesagt: „Auf der Kötherheide (Anm. d. Red.: ein Außenbezirk von Wetten) war und ist es doch für Kinder immer noch am schönsten.“ Dabei habe er Tränen in den Augen gehabt, berichtet Ellen Selders. „Ich glaube, er hat sich oft, als er meine Jungs bei uns oder die Kinder meiner Schwester bei ihnen zu Hause beobachtet hat, an seine für ihn sehr schöne Kindheit auf der Kötherheide, auf unserem Hof, erinnert.“

Verleihung des „Knoase-Ordens“

Für all seinen Einsatz und die Art, das Wettener Dorfleben zu bereichern, erhielt Theo Selders im Jahr 2008 den „Knoase-Orden“. Für diese Auszeichnung muss man keine bestimmten Leistungen erbracht haben, erklärt Beate Clasen. Er sei einfach für „verdiente Wettener“.

Seit 2016 schließlich konnte der Wettener sich in seinem geliebten Heimatdorf nicht mehr so engagieren, wie er es gewohnt war und immer gewollt hat. Nach seiner Diagnose einer Krebserkrankung habe sich sein Kontakt irgendwann größtenteils auf die Familie beschränkt, so die Töchter. Besonders mit seinen Geschwistern habe er ein inniges Verhältnis gepflegt. „Die Beziehung der Geschwister untereinander ist sehr eng. Auch auf dem letzten Weg waren sie alle an seiner Seite“, erzählt Heike Hacks.

Diesen letzten Weg ging Theo Selders zunächst zu Hause und in den vergangenen drei Monaten im Hospiz in Wetten. Umsorgt von den Mitarbeitern der Einrichtung, denen Heike Hacks und Ellen Selders sehr dankbar für ihre Unterstützung sind, und geliebt von seiner Familie verstarb Theo Selders am 17. Juni 2020.