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Wie aus dem Sketch ein Stück wird

Beim Boulevard-Theater klappern Autoren und Schauspieler, die ihr Handwerk verstehen, oft mit den Türen. Bei „Dinner for One“, einem Boulevard-Stück das dem berühmten Sketch nachspürt, verzichtete man fast vollständig auf Türen und beließ es bei Türrahmen. Besser so, schließlich spielt der Hauptdarsteller sechs Männerrollen und darf sich dementsprechend oft in Sekundenschnelle umziehen – eine schauspielerische Meisterleistung, bei der Türen nur im Weg wären.

Der künstlerische Leiter der Comödie Dresden, Christian Kühn, ist eigentlich zu jung und zu schlank für das Bild des gealterten Buttlers James, das wohl jeder aus dem Sketch vor Augen hat – und doch parodiert er ihn nach der Pause, als ebendieses „Dinner for One“ über die Bühne geht, beinahe originalgetreu. Mehr noch: Er setzt noch ein paar schöne Spitzen obendrauf.

Dabei hat er schon im ersten Akt überzeugt und die vier männlichen Gäste des Dinners, die wir ja alle nur als Verstorbene kennen, auf eindrucksvolle Weise zum Leben erweckt. Die um den Sketch gestrickte Rahmenhandlung, für die Kühn, seine Spielpartnerin Dorothea Kriegl und Genre-Tausendsassa René Heinersdorff verantwortlich zeichnen, ist wie der Silvesterklassiker selbst recht simpel gestrickt. Genau das aber erfordert schauspielerische Höchstleistungen und eine unerhörte Detailverliebtheit. Kühn und Kriegl boten beide Beides in hervorragender Weise.

Zunächst und immer wieder zwischendrin verkörperten sie ein junges Journalisten-Pärchen auf der Suche nach einer möglichst reißerischen Story hinter dem Ereignis im Sketch. Sehr gut nachvollziehbar zeigten sie auf, wie die beiden jungen Leute immer mehr in die Geschichte hineingezogen werden – bis sie schließlich in die Rollen der Miss Sophie, des James und der vier Gäste in jungen Jahren schlüpften und damit die Geschichten hinter dem Sketch lebendig werden ließen.

Die Ideen zu den Figuren und ihren Lebensgeschichten waren so skurill wie einfallsreich und ließen den Spannungsbogen in rund einer Stunde Spielzeit bis zur Pause nie abreißen. Naturgemäß hatte Christian Kühn bei seinen Sprüngen von einer Rolle in die nächste und zurück eine Wahnsinnsarbeit zu leisten – die er aber mit einer außergewöhnlichen Leichtigkeit und einem ständigen Draht zum Publikum gekonnt über die Rampe brachte. Dorothea Kriegl stand ihm in ihrem Können in nichts nach und spielte vor der Pause eine wunderbare junge Miss Sophie, die gekonnt-kokett das Geheimnis um ihre Verbindung zu den vier Herren und Butler James lüftete.

Letzterer war dann auch die Verbindung zur Story nach der Pause, die mit dem Sketch begann. Nachdem der mit hoher Originaltreue für begeisterte Wiedererkennungsmomente gesorgt hatte, und das junge Journalisten-Pärchen auf der Bühne noch über das ,was bisher geschah‘ reflektierte, folgte ein Theaterkunstgriff, der auch schon mal daneben gehen kann: Die Schauspieler stiegen aus ihren Rollen aus und ließen alle Masken fallen. Doch in diesem Falle war das fast schon logische Konzequenz des Spannungsbogens – und mit einem kleinen Schlussgag sogar noch ein i-Tüpfelchen.

Jubel und stehende Ovationen gab es vom Publikum für einen wunderbaren Theaterabend im ausverkauften Kevelaerer Bühnenhaus.

Die Botschaft geht nicht unter

Wer an Shakespeare keinen Gefallen findet, der wird wohl kaum einen Draht zum Theater finden. Bei der TheaterWerkstatt Haus Freudenberg steht auch deshalb alle zwei Jahre ein Shakespeare-Klassiker auf dem Programm. „Wie es euch gefällt“ heißt es in diesem Jahr. Und es geht – fast möchte man sagen: wie immer bei Shakespeare – um die großen gesellschaftlichen, politischen und emotionalen Themen der Menschheit: Liebe, Hass, Macht, Geld… Die Fassung, die auf dem Originalstück von 1599 basiert, stammt von Matthias Hahn; die Inszenierung hat wieder Anna Zimmermann-Hacks übernommen. „Es wird ein lustiges Stück, dessen Botschaft jedoch nicht im Humor untergehen wird“, sagt die Regisseurin.

Den Spaß spüren

Den Spaß spürt man bei den Projekten der TheaterWerkstatt immer schon vorher: Rund ein halbes Jahr dauern die Vorbereitungen. Mehr als 100 Menschen arbeiten auf und hinter der Bühne auf einen gelungenen Abend hin – und in diesem Jahr werden es erstmals fünf Aufführungen werden, darunter zwei im Konzert- und Bühnenhaus in Kevelaer. Bühnenbild und Kostüme, Frisuren und Make-Up – alles ist selbstgemacht, steht aber der Qualität professioneller Bühnen in nichts nach.

Ein „Klassiker“ ist auch die musikalische Begleitung der TheaterWerstatt-Stücke geworden, gerade traf die diesjährige Band (Vivien Zastrow, Felix Pickers und Daniel Bormann) erstmals zur Probe mit dem Schauspiel-Ensemble zusammmen. Für alle ein spannender Moment, sagt Vivien Zastrow, denn allen wird klar: Es geht auf die Zielgerade. Und der Song „Tanz“ von Stefan Stoppok, den die Band unter anderem spielt, macht im Refrain klar, worum es irgendwie immer geht, wenn diese Gruppe ein Theaterstück auf die Bühne bringt: „Beweg‘ den Herz zum Hirn, schick‘ beide auf die Reise, tanz‘, tanz‘, tanz‘, aber dreh‘ dich nicht, dreh‘ dich nicht im Kreise.“

Vor 16 Jahren startete das Ganze mal mit einer inklusiven Idee – von der heute keiner mehr spricht, denn schon nach wenigen Minuten spielt es kaum noch eine Rolle, ob und welches Handicap jemand hat. Anna Zimmermann-Hacks sagt, sie sehe oft die vermeintlichen Schwächen als Stärken, und setze die Mitspieler dementsprechend ein. Und auf der Bühne führt das dann ganz schnell dazu, dass Unterschiede nebensächlich werden.
Dem können einige Mitspieler nur zustimmen: Gregor Wellens lobt die „große, ungezwungene Gemeinschaft“ und die Kevelaerer Familie Pichler ist mittlerweile zu viert vertreten: „Ein echtes Familienprojekt“, freut sich Dominik Pichler über die Zeit, die er mit Frau und zwei Kindern, aber auch in der großen Familie der TheaterWerstatt verbringen darf.

Aufführungen
Samstag, 29. Februar, 19 Uhr und Sonntag, 1. März, 15 Uhr, Bühnenhaus Kevelaer; Samstag, 7. März, 19 Uhr, Stadthalle Kleve;
Samstag 14. März, 19 Uhr, Sonntag, 15. März, 15 Uhr, Lise Meitner Gymnasium Geldern.

Der Kartenvorverkauf beginnt am 20. Januar, in Kevelaer gibt es die Karten im Service-Center im Rathaus. Der Eintritt beträgt 8 Euro.

Uedemer Theatertruppe gibt drei Aktionen Rückenwind

Traditionell hatte die Uedemer Theatergruppe Rückenwind im Advent ihren großen Auftritt im Bürgerhaus. Vor gleich zwei Mal ausverkauftem Hause begeisterten die Laiendarsteller wie gewohnt ihr Publikum.

Die Zuschauer spendeten zusätzlich einen dreistelligen Betrag, so dass in diesem Jahr gleich drei Organisationen finanziellen Rückenwind erhalten konnten. Matthias Mahlke und Peter van Schie (Amelandlager), Sujata Davids (Café Konkret) und Werner van Briel (Aktion Pro Humanität) freuten sich über je einen Scheck in Höhe von 750 Euro.

Foto: privat

Herzerwärmendes Theater

Seit ihrem Erscheinen im Jahr 1843 ist die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens in zahlreichen Theaterstücken und Filmen immer wieder neu erzählt und aufgeführt worden. Und seine Faszination scheint der Stoff, der die rührende Wandlung des Geizkragens Ebenezer Scrooge zum Herzensmenschen erzählt, bis heute nicht verloren zu haben. Denn zahlreiche Eltern oder Großeltern fanden mit ihren Kindern den Weg in das Bühnenhaus, um sich von der Geschichte einfangen zu lassen.

Allein schon das Bühnenbild mit der wunderbaren historischen Hauskulisse versetzte die Zuschauer direkt in die Zeit des 19. Jahrhunderts. Und auch die Schauspieler in ihren ehrwürdigen Kostümen konnten den Charakter der Weihnachtsgeschichte auch optisch sehr gut transportieren. Oliver Gebhardt spielte den alten Griesgram Scrooge, der sich mürrisch hinter seinem Schreibtisch verkriecht und für den Weihnachten überhaupt keine Bedeutung hat. „Ich wünsche mir ein gewinnbringendes Fest“, sagt er. Selbst der Holzscheit, den sein Angestellter Bob Cratchit (Sebastian Teichner) ins Kaminfeuer legen will, ist dem Geizkragen zu viel und er droht mit „Kündigung“. Die Einladung zum gemeinsamen Essen bei seinem Neffen (Andreas Werth) lehnt er genauso rigoros ab wie die Bitte einer Spende für die Armen seitens einer Sammlerin (Sonja Wigger).

Drei Geister führen ihm sein Leben vor Augen

Als er in seinem Stuhl einschläft, erscheint ihm im Fenster der Geist seines verstorbenen Kompagnons (Jacob Marley), der unter der Last der Ketten und Gewichte leidet, die er durch sein herzloses Auftreten im Leben gesammelt hat. Er kündigt ihm den Besuch dreier Geister an – dem der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht. Diese Geister (Leonard Maschner) führen ihm nach und nach sein Leben vor Augen:

Die lebendige Darstellung sorgte für Stimmung beim Publikum. Foto: AF

Wie er einsam als Kind aufwuchs, weil der Vater ihm nicht verzeihen konnte, dass die Mutter im Kindbett starb. Wie er sich erstmals verliebte und seine Verlobte Belle aus zunehmender Hinwendung zum Geld vernachlässigte und sie ihn daraufhin verließ. Der zweite Geist „der gegenwärtigen Weihnacht“ erscheint um Schlag zwei Uhr: Er führt Scrooge das bescheidene Heim seines Angestellten Bob Cratchit und seiner Familie vor, in dem auch Cratchits’ jüngster Sohn Tiny Tim lebt, der sehr schwach ist und auf eine Krücke angewiesen ist. Er werde wohl sterben, „wenn sich die Schatten der Zukunft nicht ändern“, mahnt ihn der Geist.

Der „Geist der zukünftigen Weihnacht“ zeigt ihm dann die Szene eines Lumpenhändlers und einer Reinemachefrau, die über Kleidungsstücke verhandeln, die sie einem Toten gestohlen hat. Scrooge erkennt dort sein Bettkissen wieder. Und er führt ihn zum Haus des Angestellten, in dem die Familie voller Schmerz und liebevoller Erinnerung an Tiny Tim um dessen Tod trauern. Am Ende muss Scrooge ertragen, seinen eigenen Grabstein zu sehen – und versteht, dass er der Verstorbene war, über den so spöttisch geredet wurde.

Dann war er ein anderer Mensch

Am Boden liegend wacht er am Morgen des ersten Weihnachtstages wieder auf, springt erleichtert durch sein Zimmer – und setzt sein den Geistern gegebenes Versprechen um, fortan ein anderer Mensch zu sein. Er schickt Bob Cratchit als anonymer Gönner einen riesigen Truthahn als Festtagsbraten, verdoppelt dessen Gehalt, nimmt des Neffen Einladung an, verteilt eine großzügige Spende und wird für Tiny Tim wie ein zweiter Vater. Die Wandlung des Alten vom Geizkragen zum Herzensmensch gelang Oliver Gebhardt großartig.

Wirklich zu Herzen gehend spielten Andrea Wigger und Sebastian Teichner das bescheidene Angestellten-Ehepaar, das in Armut mehr Herz und Würde zeigt als der alte Mann. Und die musikalischen Elemente bereicherten das fesselnde Spiel des Ensembles, das dazu führte, dass kein einziges Kind unruhig auf seinem Stuhl saß. „Dass er nicht mehr geizig war und Gutes getan hat“, fand die neunjährige Elisabeth neben den „Liedern und der kleinen TinyTim-Puppe“ am schönsten. „Die Puppe und die Geister“ hatten auch den siebenjährigen Erik aus Weeze gepackt.

Tanztheater „Die Bühnengestalten“ präsentierte sich im Museum

Das Volksmärchen „Momotaro der Pfirsichjunge“ kenne in Japan jedes Kind. Die Geschichte sei erst viele Jahre nur mündlich tradiert worden, bevor die Erzählung um den Jungen, der aus dem Pfirsich schlüpft, aufgeschrieben wurde.

Tanzpädagogin Marita Billaudelle zeigte mit elf Kindern von sechs bis zwölf Jahren am Sonntag in zwei Vorstellungen eine ganz eigene Version der Geschichte: „Die Kinder hatten so viele Ideen, die wir alle berücksichtigt haben. Freuen Sie sich auf unsere ganz eigene Momotaro-Geschichte!“, begrüßte sie die Besucher.

Mit Sprechtheater und kreativem Tanz erzählten die Kinder, die alle mehrere Rollen übernahmen und oft auch aus dem Publikum heraus sprachen und spielten, wie eine kinderlose Frau (Fine Bousart) beim Waschen am Fluss einen wunderschönen Pfirsich findet, den sie mit ihrem Mann (Justus Lörcks) teilen will. Beim Aufschneiden allerdings finden die beiden darin einen kleinen Jungen (Emil Kruse), den sie als lang ersehnten Sohn annehmen und erziehen.

Dieser Momotaro wurde ein guter, einflussreicher junger Mann (Isabelle Giefer), der seine Eltern sehr liebte und sie gerne reich und glücklich machen wollte. Für diesen Plan macht er sich, von Fasan (Finja Peters), Affe (Emil Kruse) und Hund (Johanna Velmer) begleitet und mit viel süßen Reiskuchen ausgestattet auf zur Insel Onigashima. Dort besiegten die vier Freunde gemeinsam die bösen Oni, die alle Schätze der Dorfbewohner geklaut hatten und die sie nun zurückerobern.

Erst nach einem Jahr und von einer Wahrsagerin (Nora Aben) angekündigt kommt Momotaro mit allen Schätzen zurück in sein Dorf, wo es ein glückliches Wiedersehen mit seinen Eltern gibt. Die Prinzessin (Zoe Gastens) selbst schließlich hält um seine Hand an und alle Dorfbewohner lebten noch lange, glücklich und reich. Als Dank und Gedächtnis für die Tat Momotaros wird ein großes Pfirsichblütenfest gefeiert.

Zum ersten Mal konnte das Tanztheater von Marita Billaudelle auch die Räume des Museums nutzen, wofür großer Dank an Veronika Hebben ging, die nach eigener Aussage sofort von diesem Projekt begeistert war und für weitere Tanztheaterkurse auch sofort die Museumsschule für die Proben zur Verfügung stellte.

Tobias und Nina Velmer, beide selber Theaterpädagogen, waren von der Aufführung begeistert: „Das ist genau so, wie ich Theater mit Kindern sehen möchte: Nah am Kind, lebendig, kreativ, mit wenig, aber sehr ansprechender Ästhetik, mit viel Bewegung und Tanzelementen!“

Auch Zuschauerin Lynn (6) fand an dem Stück „alles toll“. Gemeinsam mit Oma Edith besucht sie öfter Theateraufführungen, nun konnten die beiden ein Stück erleben, dessen Darsteller alle selber aus Kevelaer stammen. „Es war alles wunderbar mit Musik unterlegt, das Publikum wurde toll mit einbezogen und der Pfirsichblütentanz, bei dem die Kinder mit den orangenen Lampions einen Baum im Tanz formten, war wunderschön!“, meinte Edith Bongers-Reul.

Die Idee für dieses Projekt trug Marita Billaudelle schon einige Jahre mit sich herum. Auf einem Hörspiel hatte sie die faszinierende Geschichte um den Pfirsichjungen gehört und mit einigen Kindern im Juli eine Werkschau mit einem ersten Entwurf gemacht. „Die Kinder wollten aber noch mehr, so haben wir das Projekt schließlich groß aufgezogen. Die Projektarbeit mit den Kindern hat echt wahnsinnig viel Spaß gemacht und hat mich selber begeistert!“, erzählt sie.

Die Kostüme und Requisiten hat die Tanzpädagogin und Hobbyhandwerkerin sogar alle selbst gemacht. Ab 18. November beginnen in der Museumsschule Kevelaer bereits zwei weitere Tanztheaterkurse für Kinder von fünf bis sieben Jahren bzw. acht bis zwölf Jahren mit je fünf Einheiten. Bei genügender Teilnehmerzahl werden beide Schnupperkurse zu festen Angeboten (Infos unter www.die-buehnengestalten.com).

Miss Sophie hätte fröhlich gefeiert

Beim berühmten „Dinner for One“ geht es schon ziemlich turbulent zu. Das lässt ein Feuerwerk erwarten, wenn Miss Sophies Erben endlich zum Zuge kommen. Und so kam es dann auch: Die Kevelaerer Amateurtheatergruppe „4c“ hatte sich das Stück „Miss Sophies Erbe“ ausgesucht – wohl nicht zuletzt ob der vielen schrillen Figuren, die nach und nach auf Ansitz Kübelstein eintreffen, jeder natürlich mit dem Wunsch, sich nach dem Ableben der Ewig-90-Jährigen möglichst schnell die Taschen vollzustopfen.

Als da wären und während der beiden Aufführungen am Wochenende auf der Bühne waren: Die abgehalfterte Operndiva Ludmilla Stroganoff (Marion Schink), die gleich dem jungen Butler (Micha Rosenkranz) um den Hals fällt, und ihre verhärmte Assistentin Gundula (Helene Voß); der tuntige Modemacher Siegfried Roy Toby, der seine Finger auch gleich in Richtung des schon durch die Diva belästigten Bediensteten ausstreckt, der sich daraufhin mit Pfefferspray wehrt und irrtümlich Richard Pommeroy (Günther Thomas) erwischt, sowie die attraktive Pflegerin und Gattin von Sir Winterbottom (Nicole Arping). Erblassverwalter Dr. Ross (Marcus Kemper) und Köchin Marlies (Annika Selders) hatten also alle Hände voll zu tun, den letzten Willen der Verstorbenen adäquat umzusetzen.

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Lebensfrohe Witwe

Auf den Running-Gag mit dem Tigerfell und andere artistische Höhenflüge verzichtet Autor Andreas Wening in seiner Fortsetzung des Dinners mit anderen Darstellern. Dafür gibt‘s jede Menge Zicken-Krieg, Tunten-Tratsch, einen ganz schön schüchternen Butler, eine richtig resolute Köchin und eine sexy erb-stöckelnde statt -schleichende Pflegerin, die sehr schnell zur lebensfrohen Witwe wird.

Die Dialoge überfordern den Kopf nicht wirklich, landen ihre Treffer oft unter der Gürtellinie, bürgen aber dank des Dauerbeschusses für schnelle Lachsalven beim Publikum. Und so geht dieser Dreiakter so schnell vorbei, dass man sich eigentlich noch gar nicht sattgesehen und -gehört hat, an den schrill-schrägen Figuren, die allesamt zum Schluss noch mal richtig von Miss Sophie posthum vorgeführt werden.

Neben einer glücklichen Hand bei der Stückauswahl, einer flotten Regie (Joachim Huissmann) und einem wunderbar-detailverliebten Bühnenbild des Teams, darf man den Darstellern gratulieren, dass sie ihre Rolle allesamt farbenfroh rübergebracht und mit sichtlicher Freude am eigenen Spiel für viel Spaß bei den Zuschauern gesorgt haben.
Mit hervorragendem Nachwuchs und engagierter Stammtruppe darf man sich auch auf kommende Stücke sicherlich freuen.

So schön schräg

Wenn ein Theaterstück diesen Namen verdient hat, dann „Chaos auf Schloss Haversham“ von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields. Der englische Originaltitel „The Play that goes wrong“ trifft‘s noch besser, in der deutschen Übersetzung gibt‘s mehrere Titelversionen.

Aber die mit dem Chaos ist die beste, denn von Bühnenbild, Requisite und Ensemble bleibt am Ende kaum etwas an seinem eigentlich vorgesehenen Platz.

Aber der Reihe nach: Vordergründig geht es um einen englischen Krimi, in dem nach bester Agatha-Christie-Mausefalle-Manier der mysteriöse Tod eines Adeligen aufgeklärt werden soll. Alle sind verdächtig, keiner will‘s gewesen sein. So weit, so gut, wäre da nicht diese Laienspielgruppe, der im verzweifelten Versuch, das Stück aufzuführen, aber auch jedes Malheur passiert, das man sich auf einer Bühne nur ausdenken kann. Klemmende Türen, klapprige Kulissen, Lichteffekte und Geräusche an der falschen Stelle, fehlender Text und fehlende Requisite, ja sogar Knock-Outs können diese Laiendarsteller nicht davon abhalten, die goldene Aufführungsregel des Schauspiels voller Inbrunst umzusetzen: Weiterspielen!

Die Ankündigung als „Slapstick-Komödie“ machte schon neugierig, die in Teilen filmreife Umsetzung durch das Tourneetheater Thespiskarren ließ dem Publikum angesichts hervorragend laienhaft spielender Darsteller, abenteuerlicher visueller Effekte und Stunts keine andere Wahl, als immer wieder zwischen angehaltenem Atem und lautem Losprusten zu wechseln.

Vom puren Klamauk – der Gärtner ist zwar nicht der Mörder, trägt aber eine Gießkanne in der Hand und führt mit der anderen einen unsichtbaren Hund aus – über Running-Gags und textliche Endlos-Schleifen, bis hin zu feinen Anspielungen und Untertönen, die sich trotz des lautstarken Slapsticks noch Gehör verschaffen können, war wirklich alles dabei, was einem die Lachtränen in die Augen treiben kann.

Kävels-Bläche on Stage

Wer auch nur einen Funken Sympathie für Mr. Bean, „Die nackte Kanone“ oder Monty Python aufbringen kann, der sollte sich diese Bühnenshow wirklich nicht entgehen lassen.
Gerade vermeintliche Missgeschicke erfordern auf der Bühne eine derartige Präzision, dass man vor dieser damit vollgestopften Inszenierung nur den Hut ziehen kann. Und den Schauspielerinnen und Schauspielern war deutlich anzumerken, dass sie ihr Bühnendasein als vermeintliche Laiengruppe aufs Äußerste genossen.

Am Ende gab es viel Applaus im sehr gut gefüllten Bühnenhaus von einem Publikum, das an diesem Abend mit einem prall gefüllten Schadenfreude-Konto nach Hause gehen durfte.
Eine kleine persönliche Anmerkung zum Schluss: Dem Chronisten des Kevelaerer Blattes war es Freude und Ehre zugleich, beim Aufbau des Bühnenbildes behilflich sein zu dürfen!

Barbara Ruscher glänzt nicht nur auf der Mattscheibe

Weinerlich und wütend, fröhlich und fassungslos – es ist eine ganz eigene Mischung aus Kabarett und Comedy, die Barbara Ruscher da auf die Kleinkunstbühne beim „Kabarett unter‘m Dach“ brachte. Oft glänzt sie auf der Mattscheibe, als Moderatorin oder in TV-Satireshows. Jetzt konnten sich die Kevelaerer mal hautnah von ihrer Ausstrahlung überzeugen.

Und da hat die zweifache Mutter von der großen weiten Weltpolitik bis zur kleinen, intimen Verhütungsfrage, eine Menge zu bieten: Plastik in den Weltmeeren und SUVs auf der Garagenauffahrt, Brexit („der Berliner Flughafen Englands“) und Fitness-Tracker („bevorzugt getragen von jenen, die früher gegen die Volkszählung demonstrierten“), Nestlé in Afrika und Beckenbauer in Katar, Trump und Höcke, Ausländerhass und Ausmalbücher für Erwachsene – es gibt kaum ein Thema, an dem sie nicht irgendwas oder irgendwen Schlechtens oder Schlechten findet – und sei es auch mal sie selbst.

Als ob das alles nicht schon für gute Werte in einer imaginären Umfrage zur Beliebtheit von Komikerinnen ausreichte, puscht sie ihre Sympathiewerte immer wieder mit Selbstironie hoch und das sogar mit dem Hinweis auf ihren ersten Bildungsweg. Die Frau ist Lehrerin („Kabarettistin mit Exkursionshintergrund“), hat aber den ganz langen Zeigestock und die quietschende Kreide irgendwo verlegt.

Sie weiß was, weiß es aber nicht besser, außer bei den ganz Doofen vielleicht. So begegnet sie etwa dem Publikum auf Augenhöhe, den Rappern „Kollegah“ und „Fahrid Bang“ mit dem Statement „Dummheit ist ein nachwachsender Rohstoff“ und einem Anti-Rap.

Überhaupt sind die sparsam eingestreuten Lieder in ihrem Programm „Ruscher hat Vorfahrt“, zu denen sie sich selbst am Klavier oder an der Luftpumpe (beim Lied übers Liegerad) begleitet, immer wieder kleine Höhepunkte. Songtexte, die irgendwo zwischen der Beiläufigkeit eines Hagen Rether und der Aggressivität eines Rainald Grebe liegen, nicht ganz so böse und weltläufig, aber oft genug präzise auf den Punkt.

Unterricht am Gymnasium, Schrottwichteln im Netz

Und dann immer wieder diese harten Landungen, diese Bodenhaftung mit beiden Beinen mitten im Leben: Vom Wechsel der Tochter zum Gymnasium („weil da der meiste Unterricht ausfällt“) zum Nachwuchs-Kollegen, dem sie sich als „die Mutter von Mario Barth“ vorstellt, bis zum Partnerportal im Internet („Schrottwichteln“) reichen die und lassen aufhorchen und loslachen. Tolles Kabarett-Comedy-Kleinkunst-Gemisch, das das Publikum beim „Kabarett unter‘m Dach“ mit viel Applaus honorierte.

Kervenheimer Knast war keine Strafe

So viel Gemütlichkeit findet man nur, wenn man in Kervenheim einsitzt. Und die Insassen kommen sogar freiwillig dorthin – schließlich handelt es sich bei dem Theaterstück „Residenz Schloss und Riegel“ doch um einen Bühnenknast, den der Theaterverein Gemütlichkeit in seinem Jubeljahr auf die Bretter im Saale Brouwers zaubert.

Zur Premiere jedenfalls war die gute Stube Kervenheims mit Zuschauern gut gefüllt und im hinteren Teil warteten die Darsteller darauf, dass sich erst der Vorhang und dann die Zellentüren öffneten.

Keine Reue

Das geschah dann auch in dieser Reihenfolge und der Knastbesuch sollte die Zuschauer nicht reuen. Denn das Ensemble des Theatervereins hatte auf der Bühne, vor und hinter den Kulissen, fleißig an dem Dreiakter von Winnie Abel gefeilt.

Im klassischen Schwank werden gerne die Rollen vertauscht. Das ist hier ebenso, aber eine zusätzliche Ebene macht das Verwirrspiel auf der Bühne noch interessanter: Auch die Orte des Geschehens geraten durcheinander. Ein rüstiges Rentnerpaar (Irmgard und Hermann Krause, dargestellt von einer peppig-patenten Beate Gansen und vom toll-tüddeligen Heinz-Theo Bruckmann) gerät statt in eine Seniorenresidenz irrtümlicherweise in die JVA, die durch ihre Tochter (resolut verzweifelnd: Simone Gansen) geleitet wird.

Anstaltsleiterin Sandra Reschke (Simone Gansen) und ihre wohlbehüteten Insassen Marlene (Gisela Franzen) und Boris (Jonas Werner) können‘s nicht fassen (v.l.).
Fotos: nick

Sobald die Schließerin (schreiend komisch und einsilbig: Anne Ophey) die Gittertür des Gemeinschaftsraums hinter sich schließt, versuchen die Insassen, die neuen Gäste für sich und ihre Freiheitspläne zu gewinnen. Als da wären: Karl „Kalle“ Huber, den Georg Werner als den unschuldigsten Unschuldigen gibt, den man sich vorstellen kann, Bad Girl Jaqueline, dargestellt von einer echt-voll-krass-dauerschwörenden Michaela Leisten, Boris Brandner, als der sich Jonas Werner in russisch-rabiater Muskelprotz-mit-Spatzenhirn-Manier durch die Szenen boxt, sowie die Wirtschaftskriminielle Marlene Heinrichs (Gisela Franzen), die versucht, ihren Aufenthalt so glamourös wie möglich zu gestalten.

Am Ende dürfen alle ihre Scherflein zur Lösung der dringendsten Probleme beitragen, was zu einem Happy-End vor und hinter Gittern führt. Dass die Charakter-Kombination dabei reichlich Stoff für Wort-Spiel und Spiel-Witz bietet, versteht sich von selbst. Und weil das Publikum die wichtigsten Eckdaten immer schon eine Weile weiß oder zumindest erahnen kann, bevor sich für die Bühnenfiguren der Knoten entwirrt, kommt in dem Kervenheimer Knast keine Langeweile auf.

So sind diese etwas mehr als zwei Stunden Aufenthalt in Kervenheims Kittchen schließlich keine Bestrafung, sondern zumindest für das Publikum eine Belohnung.

Lichtblicke und Herzenswünsche

Ensemble und Zuschauer bleiben aber nicht die einzigen Gewinner des Abends und der vier Aufführungen im Jubiläumsjahr. Das erklärte der Vorsitzende des Theatervereins, Erich Derriks, bei der Begrüßung des Premierenpublikums. Dank der Beteiligung zahlreicher Sponsoren konnte die Theatergruppe bei allen vier Aufführungen eine Tombola durchführen, deren Erlös ebenso wie der Erlös eines Benefiznachmittages am vergangenen Sonntag zu gleichen Teilen an die zwei Organisationen „Lichtblicke e.V.“ und „Herzenswünsche Niederrhein e.V.“ übergeben werden soll.

Übrigens erwähnte Derricks vor der Premiere auch, dass die Aufführungen der beliebten Theatergruppe künftig wieder im Herbst stattfinden sollen.

https://www.kevelaerer-blatt.de/theaterstueck-residenz-schloss-und-riegel/

Für die Erben wird es langsam Ernst

Das musste ja mal so kommen: Die legendäre Miss Sophie ist tot. Nun geht‘s ans Erbe der alten Dame, die so unverwüstlich ihren 90. Geburtstag mit dem berühmten „Dinner for One“ feierte.

Andreas Wening hat daraus das Bühnenstück „Miss Sophies Erbe“ gemacht, und die Kevelaerer Theatergruppe „4c“ bringt es in diesem Jahr auf die Bretter des Bühnenhauses.

Eine illustre Schar wird da die Bühne bevölkern: Stieftochter Ludmilla Stroganoff (Marion Schink) sieht sich schon als Alleinerbin, hat aber die Rechnung ohne das Personal (ihre Assistentin Gundla: Helene Voß, Butler Paul: Micha Rosenkranz, Köchin Marlies: Annika Selders) gemacht. Und nach und nach reisen auch die Verwandten der Teilnehmer an der berühmten Tischrunde an: Richard Pommeroy (Günther Thomas), der schrille Modemacher Siegfried Roy Toby (Günther Voß) und die blutjunge Pflegerin von Sir Winterbottom (Nicole Arping).

Da ist natürlich für reichlich Zündstoff untereinander gesorgt – und die alte Dame hat in ihrem Testament noch einige Überraschungen versteckt, die der Erb­lassverwalter Dr. Ross (Marcus Kemper) den Erben nach und nach präsentiert.

Das wird auf der Bühne für reichlich Verwirrung sorgen – und bei den Proben unter der Regie von Joachim Huissmann, die das KB jetzt besuchte, natürlich nicht minder. Mehr oder weniger textsicher manövrieren sich die beliebten Laiendarsteller durch die Szenen, die abends im Probenraum auf Keylaer anstehen. Noch zwei Wochen bis zur Premiere? Haben wir immer noch hingekriegt!, lautet das Credo des Ensembles unisono.

Termine & Karten

Aufführungen sind am Samstag, 2. November, 20 Uhr, und Sonntag, 3. November, erstmals nachmittags um 15 Uhr. Karten können bei Foto Brell, Kiosk Villa und im Rathaus (+10 % Gebühr), bei allen Mitgliedern des Theatervereins und an der Abendkasse zum Preis von 7 € (Kinder bis 14 Jahre) bzw. 10 € (Erwachsene) erworben werden.