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Ein Knaller vor leeren Rängen

Dass ein amerikanisches Modern-Dance-Ensemble, das sich seit seiner Gründung 1994 einen weltweiten Ruf erarbeitet und auf verschiedenen Festivals zu sehen war, einmal den Weg in die niederrheinische Tiefebene finden würde, hätte kaum jemand für möglich gehalten.
Umso bewerkenswerter mutete die Verpflichtung der Rioult Dance Company aus New York an, die Bernd Pool und sein Stadtmarketing für die Spielzeit 2017 gewinnen konnten. „Wir waren davon überzeugt, das ist der Knaller“, sollte sich seine Einschätzung in der Hinsicht jedenfalls erfüllen. Allerdings war das Bühnenhaus bei der Vorstellung gerade mal zu einem Drittel gefüllt.
Was das elfköpfige Ensemble  vom französischen Choreographen Pascal Rioult auf den Brettern des  Bühnenhauses bot, stellte sich als  fulminante Symbiose zwischen Modern Dance und klassischer Musik verbunden mit dem Blick auf die Gesellschaft dar. Es begann mit der Anfangs-Choreographie „City“, wo  die Tänzer zu den Klängen von Bach und Leinwandszenen urbaner Gebäude das vitale Leben in einer Stadt verkörperten. Am Ende verschwindet die Menschenmenge auf der Leinwand, lösen sich die Tänze von der Masse und werden zum Individuum.  Zu Bachs „Wolhltemperariertem Klavier“ bewegen sich dann bei der „Polymorphous“-Choreographie bis zu vier schwarz-weiße Tänzer, deren Schatten anschließend von der Leinwand hinter ihnen reflektiert und vervielfältigt werden. Auf diesem Weg fügte die „Company“ den Bewegungen eine optisch-ästhetische Ebene hinzu.
Zum Highlight geriet „Wien“, das Rioult zu einer Metapher auf die Dekadenz und dem moralischen Sittenverfall einer Gesellschaft, der treibenden Lust der Jahrhundertwende, uminterpretierte.
Zu Maurice Ravels „La Valse“ bewegen sich die Tänzer mit rasend schnell im Kreis, wurden Opfer von Mord und Erniedrigung. Es entstanden faszinierende Bilder angelehnt an die Kunst, in einem Fall an Edvard Munchs Bild „Der Schrei“. Die Darbietung geriet so ausdrucksstark und elektrisierte das Publikum zum frenetischen Beifall.
Nach der Pause boten verschiedene Paare bei „Duets Sacred & Profane“ Choreographien der letzten 20 Jahre mit farboptischen Ideen. In der „Dream Suite“ zu Peter Tschaikovskys „Orchestersuite Nr. 2 in C-Dur“ stellte das Ensemble nochmal den Traum einer Frau dar, in dem Tiermasken, pastellfarben und zunehmend surreale Tanzformen den Ausdruck prägten.
Langhaltender Beifall belohnte ein außergewöhliches Erlebnis aus Bewegung, Musik und optischen Elementen. Alle, die dabei gewesen waren, zeigten sich tief beeindruckt.

Farbenfroh und hoch hinaus

Schon früh am Morgen war das Bühnenhaus erfüllt von elterlichen Stimmengewirr, kindlichen Herumtollen in bunten Kostümen und ersten Darbietungen. Ab 9 Uhr erlebten sechs Schülergarden Anfeuerung, Enttäuschung oder Freude für ihren Auftritt. Danach machten sich die Bambinis  auf die Bretter, die die (Tanz-)Welt bedeuten.
„Wir sind das ganze Jahr dafür dabei. Das ist ein guter Abschluss“, fasste die Trainerin der „Piccolinis“ der KKG Geldern, Katharina Schamberger, das Gefühl aller Akeure zusammen. „Es ist der letzte Auftritt für die, die in die nächste Gruppe gehen“, machte sie deutlich, dass das Ganze auch noch eine andere Nuance hat. „Ein schönes Gefühl, ist aber auch ein bisschen traurig“, sagte die siebenjährige Ameliaes, ehe sie mit ihrer Truppe letztmalig tanzte.
Anschließend zeigten die Jugend-Garden ihre Tanz- und Showfähigkeiten und deren Solotänzer ihre Künste, bevor es am Nachmittag mit den Hauptgarden und ihren Tanz-, Show und Solodarbietungen weiterging.
Insgesamt 89 Formationen, von Dülken bis Kleve, stellten sich dabei dem Votum einer fünfköpfigen Jury. Die Gruppe um die Kevelaer Tanzlehrerin Tanja Kocken bewerteten  Elemente wie Einmarsch, Schwierigkeitsgrad, Gesamtbild und Kostüme. „Die Beiträge sind sehr professionell, eine Entscheidung ist nicht einfach“, zeigte sie sich von den Darbietungen beeindruckt. „Die Organisation hier ist echt gut.“
Im vergangegen Jahr hatten die Verantwortlichen des VfR das Turnier erstmals ausgetragen. Die tolle Resonanz auf das Angebot habe den Impuls gegeben, dieses Turnier erneut auszurichten, unterstrich Organisationsleiterin Elke Tebartz. „Wir sind aber mit unseren Teams bewusst nicht dabei“, unterstrich sie den Unterschied, den man im Gegensatz zu anderen Turnieren hier gemacht hatte.
Höhepunkt des Tages waren die Auftritte der Hauptgarden, die mit  beeindruckenden Kostümen, spektakulären Choreographien, vom Flugpersonal über eine „britische“ Abordnung bis zum Circus, und viel Akrobatik punkten konnten. Beim Showtanz siegten schließlich die „Tanzwiesel“ des KVC Wesel mit ihrer „Liebe“-Choreographie. Ein Sieg, der für das gesamte Team angesichts schlechterer Ergebnisse früherer Turnier völlig überraschend kam: „Alle haben geweint und sind komplett aus dem Häuschen“, konnte  Trainerin Maike Pelzer ihr Glück kaum fassen.
http://www.kevelaerer-blatt.de/2-garde-und-showtanzturnier-des-vfr-blau-gold-kevelaer/

Auch mit nur einem Arm ist alles machbar

Mit einem Lächeln öffnet Anika Lindemans mit der linken Hand die Haustür: „Hallo.“ Sie verweist auf die beiden Hunde des Hauses, die auf ihren Gesprächsgast zugelaufen kommen. „Was zu trinken?“, schenkt sie behende ein Glas Wasser ein.
Anika Lindemans hat nur einen  Arm. An der rechten Seite existiert lediglich ein Stumpf und das bereits ihr ganzes Leben: „Ich war ein Frühchen und bin drei Monate zu früh geboren.“ Der Arm wurde ihr kurz  nach der Geburt abgenommen. Für die 18-jährige Fachabiturientin anscheinend kein großes Handicap: „Das war immer ganz normal für mich. Es ist schon etwas anderes, als wenn man ihn durch einen Verkehrsunfall verlöre.“
Die Reaktionen in ihrer Schulzeit bewertet Anika positiv. Kam mal ein blöder Spruch, was selten der Fall war, habe sie den ignoriert. „Die Kinder im Kindergarten haben gesagt, das wächst wieder nach. Denen ist es egal, ob du ein Bein ab hast, helle oder dunkle Haare. Die nehmen dich, wie du bist.“
Ähnliches erlebt sie heute im ersten Jahr ihrer Erzieherinnen-Ausbildung im Marien-Kindergarten. „Da kam ein Kind mit körperlicher Einschränkung zu mir hin und fragte mich, was das ist. Ich sagte ihm, ich habe nur einen Arm und es sagte später: ‘Cool‘.“
Wichtig für den selbstbewussten Umgang mit einem Arm zu leben, war der Umgang, den ihre Eltern mit ihr pflegten. „Die haben mich nicht in Watte gepackt, sondern mich alles machen lassen. Dass mir ein Arm fehlt, schränkt mich in keinster Weise ein.“
Entsprechend nutzt sie den Stumpf im Alltag ganz selbstverständlich mit, wie sie beim Öffnen einer Wasserflasche demonstriert: „Ich bin, wie ich bin , und verstecke mich nicht. Meine Eltern haben es mir nicht anders beigebracht.“
Beim Karneval sei sie von klein auf immer dabei gewesen, zumal der Vater bei den Swingenden Doppelzentnern musikalisch mitmischt und die ganze Familie karnevals­affin ist. „Es gab mal eine Phase zwischen 14 und 15, da hatte ich  weniger Lust, machte mehr mit Freunden. Aber vor zwei Jahren habe ich es wiederentdeckt.“ Da die ganze Familie gerne Karneval feiert, trat sie im letzten März geschlossen in den AGK Achterhoek ein: „Wir kannten schon welche aus dem Verein.“ Da Anika bereits früher bei einer Tanzschule aktiv war, trat sich auch gleich  mit ihrer 16-jährigen Schwester Vanessa der Achterhoeker Showtanzgruppe bei. Monatelang feilte das Team an der Choreographie, an dem Tanz und an der Inszenierung des „Märchens aus 1001 Nacht“, in der sie die Rolle der „Prinzessin Yasmin“ übernahm. „Ich finde den Verein einfach toll, auch die Mädels, das schweißt total zusammen“, freut sich Anika, dass alle auf das schauen würden, was sie beitragen könne und  nicht auf das, was ihr fehle. Sie mache die Schritte, die die anderen auch vollziehen.
Kurz darüber nachgedacht, wie es sein würde, in der ersten Reihe mit zu tanzen, hatte sie schon. Aber die Skrupel wären gleich beim dem ersten Auftritt verflogen.  „Da überlege ich nicht mehr, ob ich vorne oder hinten stehe. Und wir haben Positionswechsel gemacht“, erinnert sie sich. Der Applaus und der Beifall für die Darbietung habe die gesamte Gruppe in ihrer Arbeit bestätigt.
Dass sie von den Mädels und dem Verein so gut aufgenommen und akzeptiert worden sei, freue sie schon. Das gemeinsame Tanzen mache sie „total glücklich“, die Auftritte wie bei der Kappensitzung in Achterhoek seien „ein tolles Erlebnis“ gewesen. Da seien Leute auf sie zugekommen, um zu sagen: „Toll, dass du dir das zutraust.“
Am Samstag, 11. Februar, ist die Showtanzgruppe auf der Kevelaerer Jakobussitzung dabei. Am 17. Februar tritt sie in Geldern-Kapellen auf. In den nächsten Jahren will sie weiterhin in der Truppe engagiert mitwirken. Vielleicht könne sie mit ihrem Beispiel ja sogar „andere ermutigen, die denken, die macht das gerne, egal, ob da was fehlt oder nicht.“