Bereits im März kündigten der Theologe Dr. Bastian Rütten und Basilikaorganist Elmar Lehnen über die Presse den 1921 in Schweden produzierten Stummfilm „Die Wallfahrt nach Kevelaer“ nach dem berühmten gleichnamigen Heine-Gedicht an.
Der Film von Regisseur Ivan Hedqvist war kürzlich im Schwedischen Filmarchiv restauriert und zum ersten Mal in Deutschland gezeigt worden. Gesehen hatten die beiden den Film zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ein kleines Wagnis also, das der Musiker und der Theologe blind, aber vertrauend eingingen.
Schon vieles hatten die beiden seit langem befreundeten Hauptamtlichen an St. Marien angepackt und erfolgreich hinter sich gebracht. Die musikalische und textliche Bereicherung eines Stummfilmes war ihnen noch völlig fremd. Aber, so zeigten der Applaus und die begeisternde Beurteilung vieler, das Projekt war auch dieses Mal wieder geglückt.
„Zunächst sah ich den Film mit den Augen von 2019“, erklärte Elmar Lehnen. „Das religiöse Weltbild und die Frömmigkeit schienen mir gar nicht zeitgemäß. Aber nach einigen Gesprächen mit Magnus Rosborn vom schwedischen Filmarchiv konnte ich den Film mit den Augen von 1921 schauen. So kam schließlich die Faszination.“ Sein Freund Dr. Bastian Rütten fügte an: „Den ganzen Sommer über bin ich mit diesem Film schwanger gegangen. Er liefert unglaublich tiefe und mystische Bilder. Die Struktur des Filmes war mir schließlich sehr vertraut. Aber wir hatten dennoch für heute kein Logbuch, sondern haben zum großen Teil frei improvisiert, während wir auf zwei Monitoren den Film aus dem Moment heraus sahen und spontan kommentierten.“
Bei der Interpretation ging es letztlich um die großen und wichtigen Themen des Lebens: Unterwegs zu sein zu sich, zum Sinn des Lebens, um Sehnsucht und Erfüllung, um Leben, Liebe und Leichtigkeit des Seins, Tanz, aber auch um Schmerz, Enttäuschung und Tod. „Klein ist das Bild, dem wir vertrauen. Groß aber deine Liebe zu uns,“, versicherte Dr. Rütten.
Der Tod hatte, so der Ausgang des dem Film zugrunde liegenden Heine-Gedichtes, den Sohn am Ziel der Wallfahrt zu Maria, der Trösterin der Betrübten, dahingerafft und seiner Mutter genommen. Im Film wurde groß die Gnadenkapelle in Kevelaer eingefangen und zumindest auf der Leinwand geschah ein kleines Wunder: Die Trösterin der Betrübten wurde lebendig und schritt mit ihrem göttlichen Kind durchscheinend, fast unsichtbar über den im Filmstudio nachgebauten Kapellenplatz zu dem sterbend daniederliegenden jungen Pilger.
„Jungfrau Mutter Gottes mein, lass mich ganz dein eigen sein, Dein im Leben, Dein im Tod“, zitierte Rütten Gebetsschätze der Kirche und das Totengebet „Zum Paradies mögen Engel dich begleiten“, die Elmar Lehnen an der großen Seifert-Orgel kongenial begleitete. „Sei in Tod und Leben unser Segen du“, ließ es das Duo auch musikalisch anklingen.
„So hört jeder Film auch mit dir auf. Die Welt ist dieselbe, aber bist du auch derselbe geblieben? Es beginnen wieder deine Pilgerwege. Das Leben schreibt weiterhin Lebensgeschichte. Wir aber bleiben Pilger und Sucher eines Weges nach Mehr“, beendete Rütten die einstündige Meditation.
Die große vor dem Altar aufgestellte Leinwand blieb unbewegt, Musik und Texte verklangen und das Publikum gab seiner Faszination über diese einmalige Verbindung zwischen filmischer Kunst, Musik und Text Ausdruck mit langem Applaus. Elmar Lehnen und Dr. Rütten kamen natürlich am Ende von der Orgelbühne herunter und wurden mit Komplimenten und noch offenen Fragen überschüttet. Dass die meisten Szenen aus Kevelaer nicht direkt in Kevelaer gedreht, sondern im Filmstudio aufwendig nachgebaut wurden, fanden manche Besucher schade.
Zu interessant wären wirklich historische Aufnahmen aus der Wallfahrtsstadt selbst gewesen. „Vielleicht war Heine dem Priesterhaus einfach zu kritisch und unkatholisch und das Filmteam bekam nicht die erforderliche Dreherlaubnis“, wurde sinniert. „Heine lebte zur Zeit der Aufklärung und machte sich oft auch über Äußerlichkeiten des Glaubens lustig“, sagte Dr. Rütten. „Elmar und ich aber wollten eine Innenansicht des Glaubens zeigen, die spirituell ist und hoffentlich jedem Teilnehmer etwas mit auf den Weg geben kann.“
Peter Essen, von dem der ursprüngliche Hinweis auf diesen Stummfilm kam, zeigte sich nach der Vorführung begeistert: „Es war eine wirklich imposante Darbietung dieses Stummfilms in der Basilika. Die Orgelbegleitung empfand ich als geradezu genial. Besonders gefreut habe ich mich über die große Resonanz.“
Alle großen Themen gekonnt ins Wort gebracht
Ähnlicher Meinung war auch Ernst Koppers: „Es ist toll, dass dem Hinweis auf diesen Film sofort nachgegangen wurde und der Film zu uns nach Kevelaer gelangte und inmitten der stimmungsvoll ausgeleuchteten Basilika sehr gut zur Geltung kam. Elmar Lehnen brillierte mit bewundernswertem non-stop-Orgelspiel vom Anfang bis zum Ende und Dr. Rütten konnte alle großen Themen des Lebens gekonnt ins Wort bringen. Es war wirklich ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk.“