Niemand schneuzt sich in ein Papiertaschentuch. Niemand fährt einen Geländewagen. Niemand reibt sich mit einer Hautcreme ein. Für alle diese Dinge gibt es Markennamen, die unverwechselbar mit den Produkten verbunden sind. Und idealerweise haben wir, wenn wir den Markennamen nennen, auch sofort Bilder von den Produkten im Kopf. Formen, Farben, Logos, Sprüche…
„Kann man sich als Stadt die Methoden der Konsumgüter-Industrie zunutze machen?“, fragt Hans-Josef Bruns, Leiter der Wirtschaftsförderung der Wallfahrtsstadt Kevelaer. Andere, zugegebenermaßen größere Städte, können das, haben das getan. Mit Erfolg. Und deshalb hat sich die Kevelaerer Wirtschaftsförderung das jetzt auch auf die Fahnen geschrieben. Die Standortvermarktung sei eines der wichtigsten Handlungsfelder des Standortentwicklungskonzeptes, führt Bruns weiter aus. Und eines, das gerade vorrangig in Angriff genommen werde. „Wir wollen das aber nicht mit ,Aktionitis‘ machen, sondern konzeptionell.“
Die alte Marke ist nicht schlecht
„Natürlich ist die alte Marke nicht schlecht“, erklärt Nicole Wagener, die sich seit einiger Zeit bei der Wirtschaftsförderung mit Projekten und Konzepten zur touristischen Neuausrichtung Kevelaers beschäftigt. Und auch über den Zusatz „Wallfahrtsstadt“ – den sich Kevelaer in 375 Jahren nun wahrlich verdient hat – sei man sehr glücklich, versichern Wagener und Bruns. Dennoch sei es Zeit für eine Art ,Face-Lift‘, vor allem des visuellen Auftritts. Jeder kenne beispielsweise die im Laufe der Zeit entstandenen unterschiedlichen Logos, die mit Kevelaer in Verbindung gebracht werden, „die Dreiecke und Punkte, den Schriftzug ,unverwechselbar‘, die Skyline – und jede Menge Kombinationen“, sagt Wagener. „Da ist kein roter Faden erkennbar.“ „Der Schriftzug ,unverwechselbar‘ ist natürlich etabliert und wird mit Kevelaer in Verbindung gebracht. Aber er hat einen ganz entscheidenden Nachteil“, ergänzt Bruns, „er überbringt keine Inhalte.“
Aber auch Inhalte können schnell beliebig werden: Viele Kommunen am Niederrhein führten etwa die Region im Namen. Und am Niederrhein gibt‘s nun mal viele Städte. Oder sie schmückten sich mit dem Attribut, eine „Einkaufsstadt“ zu sein. In welcher Stadt kann man denn nicht einkaufen? Es gehe um „Abgrenzung, Profilierung, Positionierung“, sagt Bruns deshalb. Es müsse klar sein, „was wir mit unserem Auftritt sagen wollen“, ergänzt Wagener. Beiden ist klar, dass sie hier an einem hoch emotionalen Thema arbeiten.
Eine Bürgerbefragung, deren Antworten mehrheitlich in die gleiche Richtung wiesen, und zwei von Experten moderierte Workshops mit der Beteiligung vieler gesellschaftlich relevanten Gruppen später, zeigten die ersten Konturen. Und die Zielgruppen waren schärfer definiert. „Wir können natürlich nicht alle Märkte gleichzeitig in gleicher Intensität bearbeiten“, sagt Wagener. Deshalb, und weil im Standortentwicklungskonzept ganz konkret formuliert sei, dass die Zahl der Touristen und Übernachtungen in Kevelaer wieder signifikant steigen müsse, wolle man sich eben als erstes auf Touristen als Zielgruppe konzentrieren.
Die Markenbotschafter
Dennoch weiß auch Wagener, dass die Kevelaererinnen und Kevelaerer „die wichtigsten Markenbotschafter“ ihrer Stadt sind. „Wenn Bürgerinnen und Bürger das Kevelaer-Feeling nach außen tragen, ist das die beste Werbung, die man haben kann.“
Wie sieht‘s denn nun aus, das „Kevelaer-Feeling“, das nach all den Analysen, Workshops und Gesprächen herausgekommen ist? Der „Markenkern“ hat drei Elemente: „Seele“ (steht für Wallfahrt, Spiritualität, auch für Mensch-Sein unter Menschen), „Flair“ (steht für Atmosphäre, Stimmung, Ausstrahlung, Faszination), „Bewusst-Sein“ (steht für Bewusstsein und sich bewusst sein, Achtsamkeit, Ruhe, zu-sich-kommen).
Wohlgemerkt handele es sich dabei um den Kern der Marke, der so direkt nicht nach außen kommuniziert werde, stellt Nicole Wagener klar. Vielmehr bildeten die drei für Kevelaer stehenden Begriffe die Grundlage, etwa für Werbebotschaften, aber auch für die Entwicklung eines Logos und eines einheitlichen „Corporate Designs“.