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Ein neues Kapitel beginnt

Ja, angekommen scheint Julia Holtermann an ihrer neuen Wirkungsstätte schon längst. Immer wieder hallt ein fröhliches „Hallo Julia“, „Guten Morgen Julia“ oder „Julia, kannst du mir mal helfen?“, durch die Flure des St. Marien-Kindergartens Kevelaer. Julia Holtermann ist die Neue. Sie ist die Nachfolgerin von Maria van Meegen, die wenige Tage vor Heilig Abend nach 43 Jahren den Leitungsstab in jüngere Hände gab. (Das KB berichtete). „Und nein, ich möchte meine Vorgängerin nicht ersetzen“, betont Julia Holtermann mit festen aber herzlichen Worten. Vielmehr möchte die Mutter zweier Kinder das Gute und Wertvolle, was ihre Vorgängerin hinterlassen hat, bewahren und fortführen.

„Maria van Meegen hat mir einen ganzen Rucksack voll Gedankengut mit auf den Weg gegeben. Dieses möchte ich mit meinem eigenen Stil und dem Team verbinden“, beschreibt Holtermann die vor ihr liegende Arbeit in Kevelaers ältestem Kindergarten. Seit dem 1. September vergangenen Jahres gehört Holtermann dem Kindergarten St. Marien Kevelaer an. Hier mitwirken zu dürfen, scheint die junge Frau mit Freude zu erfüllen.

Ein entscheidender Rat

Dabei stand der Beruf der Erzieherin eigentlich nicht auf ihrer Lebensplanung. Manchmal jedoch geht ein Lebensweg seine eigenen Pfade. Mit 19 Jahren kommt die junge Frau nach Kevelaer, bringt im gleichen Jahr ihre Tochter Anna zur Welt. Anna braucht in den ersten Lebensjahren besonders viel Aufmerksamkeit und Zuwendung. Die bekommt sie uneingeschränkt von ihrer jungen Mutter. Drei Jahre kümmert sich Holtermann intensiv und liebevoll um ihre Tochter. Gleichzeitig beschäftigt sie sich mit ihrer berufliche Zukunft. Eine Mitarbeiterin des Kevelaerer SOS Kinderdorfes gibt ihr einen entscheidenden Rat: „Ich sehe dich im Kindergarten“, klingt es ihr noch heute in den Ohren.

Darauf folgt ein dreiwöchiges Praktikum im Kevelaerer Jona-Kindergarten. „Das war am 6. Januar 2006“, erinnert sich die neue Leiterin an ihre Anfänge im Umgang mit Kindern. An der Liebfrauenschule in Geldern holt sie ihr Fach-Abi nach, schließt daran eine Ausbildung zur Erzieherin an. „Man hat mir damals die Chance gegeben, einen Beruf zu erlernen und diesen mit meinem Familienleben zu verbinden“, beschreibt Julia Holtermann, für die das Familienleben an erster Stelle steht, ihre damalige Situation. Dafür ist sie dankbar, unendlich dankbar.

Im Gegenzug nutzt die junge Frau ihre Chance, bleibt dem Jona Kindergarten treu, übernimmt, nach Heirat und Geburt ihrer zweiten Tochter Leni, die kommissarische Leitung in der evangelischen Einrichtung. Anfang des vergangenen Jahres liest sie von der ausgeschriebenen Leitungsstelle im St. Marien-Kindergarten. Nach langem Zögern und Ermutigung ihrer Vorgängerin, bewirbt sie sich schließlich in der katholischen Einrichtung. Es ist ein Dienstag, als sie einen Anruf von Pastor Gregor Kauling, Pfarrer an St. Marien, erhält, der sie zum Vorstellungsgespräch einlädt. Nur einen Tag später erhält sie die Zusage. Damit stand eine Nachfolgerin für Maria van Meegen fest.

Ein hervorragendes Team

Überglücklich über diese weitere Chance fängt Julia Holtermann bereits vier Monate vor der eigentlichen Übernahme als Leiterin im St. Marien-Kindergarten an. Wieder nutzt sie die Zeit, lernt an der Seite ihrer Vorgängerin Kinder, Eltern und besonders das Kollegen-Team kennen. „Ich habe hier ein hervorragendes Team vorgefunden“, schwärmt die neue Leiterin. Dieses möchte sie gerne auf ihren Weg mitnehmen, es mit einbeziehen. Von September bis Dezember schaute die angehende Leiterin ihrer Vorgängerin Maria van Meegen über die Schulter, tauschte sich mit ihr aus und erhielt in manchen Dingen einen neuen Blickwinkel.

Julia Holtermann packt alles in ihren imaginären Rucksack, öffnet ihn zur gegebenen Zeit. „Jetzt möchte ich aber erst mal ankommen, erst mal schauen und reinkommen, ich möchte mittendrin sein im Team – und dann Dinge entscheiden“, betont Holtermann mit ihrer herzlichen und jugendlichen Ausstrahlung.

Ein Kapitel geht zu Ende

Das diesjährige Weihnachtsfest dürfte Maria van Meegen wohl in besonderer Erinnerung behalten. „Ja, mich begleitet in diesen Tagen ein ziemlich komisches Gefühl“, gesteht sie mit glänzenden Augen und rührenden Erinnerungen an die vergangenen Wochen. Am 20. Dezember 2019, genau vier Tage vor dem Heiligen Abend, verabschiedete sich Maria van Meegen von ihren Sternen-, Bären-, Gänseblümchen- und Sonnenscheinkindern, die sie 43 Jahre lang im Kevelaerer St. Marien-Kindergarten begleitet hat.

„Ich freue mich ja auf den Ruhestand, aber ich verabschiede mich auch mit sehr viel Wehmut“, betont die langjährige Leiterin der Kevelaerer Einrichtung, für die das Wohl der Kinder in all den Jahren immer an erster Stelle stand. Dafür musste dann auch schon mal so manche Verwaltungsaufgabe beiseite geschoben werden. „Die Kinder hatten und haben immer Vorrang“, sagt Maria van Meegen, die jedes „ihrer Kinder“ beim Namen nennen kann. Und das dürften in 43 Jahren mehr als 2.000 Kinder gewesen sein.

Gespielt, gelacht, geweint und getobt

Maria van Meegen ist es in all den Jahren gelungen, den Kindern den ersten Abschied von Zuhause zu erleichtern, ihnen die Hand zu halten und sie beizeiten auch wieder loszulassen. Sie hat den Kindern zugehört, sie getröstet und gelobt. Sie hat mit „ihren Kindern“ gespielt, gelacht, geweint, getobt oder auch mal in die Stille hineingehorcht. Maria van Meegen sind alle Kinder ans Herz gewachsen.

Die Kinder und Kollegen hatten sich zur Abschiedsfeier versammelt. Foto: HvL

Der Wunsch, Kindern unbeschwerte Kindheitstage zu geben, liegt ihr am Herzen. Genau diesem Ruf folgt sie im Alter von 15 Jahren, nachdem sie während eines 14-tägigen Praktikums im St. Antonius-Kindergarten reinschnuppern darf. „Der Umgang mit Kindern hat mir damals schon Spaß gemacht“, erklärt die gebürtige Twistedenerin. Am 1. September 1976 absolviert sie im St. Marien-Kindergarten ihr Anerkennungsjahr, wird anschließend direkt übernommen und schließlich als Leitung einer Gruppe eingesetzt. Da Twisteden erst 1981 einen eigenen Kindergarten erhält, übernimmt sie die Gruppe mit den Kindern aus ihrem Heimatdorf. Dabei fliegen dem „Fräulein Maria“, wie sie in den 1970er-Jahren noch gerufen wird, die Kinderherzen aller Kinder nur so zu.

Schnell wird der damaligen Leitung klar: Maria van Meegen ist aus dem ältesten Kindergarten der Stadt Kevelaer und des Bistums Münster nicht mehr wegzudenken. Auch nachdem die Einrichtung um eine Gruppe auf vier Gruppen reduziert wird, bleibt die Erzieherin dem St. Marien-Kindergarten erhalten. Angefangen unter der Leitung von Schwester Liboris, übernimmt Maria van Meegen 1988 die Leitung von Schwester Stephanie, der letzten Ordensschwester der Schwesterngemeinschaft der Göttlichen Vorsehung.

Mit 31 Jahren stellt sich die junge Frau der Verantwortung, ein Team zu führen, dieses zu motivieren, dabei immer und überall die Kinder im Blick zu haben. Zusätzlich macht sie eine heilpädagogische Ausbildung und führt eine Inklusive Gruppe im St. Marien-Kindergarten ein. Noch vor 1990 besucht das erste Kind mit Down-Syndrom die integrative Einrichtung. „Das war damals ein Riesenschritt und ein guter dazu“, betont die 62-Jährige, die das integrative Angebot in Zusammenarbeit mit Therapeuten und der Frühförderstelle erweitert.

Viele Veränderungen in 43 Jahren

Sie möchte allen Kindern die beste Möglichkeit für einen guten Start ins Schulleben ermöglichen. Ihr gelingt es, mit vielen Institutionen Gespräche zu führen, die Besonderheiten der Kinder kennenzulernen und herauszufiltern und das Team mit einzubeziehen. „Eine Leitung ist nur so gut, wie sich das Team mitnehmen lässt“, betont van Meegen, die überaus dankbar für ein tolles 16-köpfiges Team ist. In 43 Jahren hat van Meegen viele Veränderungen erlebt. So entzieht sich auch der traditionsbewusste Kindergarten nicht dem Wandel der Zeit. Familienstrukturen ändern sich zusehends und erfordern ein Handeln. Immer ist sie darauf bedacht, alles zum Wohle der Kinder zu entscheiden. Auch hier gelingt der Leiterin eine gute Kombinationslösung.

Bis zur Einführung der Offenen Ganztagsschule 2007 richtet der St. Marien-Kindergarten eine Hortgruppe für Schulkinder vom ersten bis zum vierten Schuljahr ein. „Auch das war eine tolle Erfahrung und alle Kinder profitierten davon“, erinnert sich die sympathische Neuruheständlerin. Immer wieder bringt sie erforderliche Umbaumaßnahmen auf den Weg, die ihr seitens des Trägers, der Pfarrei St. Marien, auch gewährt werden. „Sie haben mir immer großes und uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht, mich dabei selbstständig arbeiten lassen“, lobt die ehemalige Leiterin ihren Arbeitgeber.

Zur Ruhe kommen und die Hektik des Alltags nehmen

Maria van Meegen schaut voller Dankbarkeit auf die vergangenen vier Jahrzehnte zurück. Die Vorweihnachtszeit mit vielen traditionellen Ritualen ist ihr dabei besonders ans Herz gewachsen. „Wir haben immer versucht, die Kinder in dieser Zeit zur Ruhe kommen zu lassen, ihnen die Hektik des Alltags zu nehmen, mit ihnen den Weg zur Krippe ganz bewusst zu gehen, um sie dann auf die Geburt Jesu vorzubereiten“, erzählt die Erzieherin, die bis zum letzten Arbeitstag am 20. Dezember 2019 in der Einrichtung präsent war.

„Bring dir an diesem Tag Zeit mit!“, hatte ihr Team im Terminkalender geschrieben. Nein, leicht haben es ihr 77 Kinder und 16 Erzieherinnen am letzten Arbeitstag im St. Marien-Kindergarten nicht gemacht. Mit einigen Tränen übergab Maria van Meegen, nur wenige Tage vor dem Heiligen Abend, den Leitungsstab an ihre Nachfolgerin Julia Holtermann. Diese wird ab dem 7. Januar 2020 die Geschicke des St. Marien-Kindergartens leiten. Aber das ist eine neue Geschichte. 

Den Artikel zur Abschiedsfeier finden Sie hier auf unserer Website.