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Betroffene können Versicherungsansprüche prüfen lassen

Ansprüche für Opfer sexuellen Missbrauchs

Das Bistum Münster beschäftigt sich derzeit nicht nur mit Präventionsarbeit hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs der vergangenen Jahrzehnte. Nun macht der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, darauf aufmerksam, dass Betroffene möglicherweise Ansoruch auf Versicherungsleistungen haben.

Prof. Große Kracht spricht über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster

Forderung nach Grundrechten für Gläubige in der Kirche

Um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche zu vermeiden, könnten im Kirchenrecht verbriefte Grundrechte der Gläubigen hilfreich sein. Das hat Prof. Dr. Klaus Große Kracht kürzlich in Münster betont.

Bischof Genn bittet um Vorschläge, um auf Verfehlungen früherer Bischöfe hinzuweisen

Bischofsgruft bleibt vorerst geschlossen

Im Juni veröffentlichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der WWU Münster eine Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster…

Erste Rückmeldungen nach den Ergebnisse einer Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster

Weitere Meldungen Betroffener eingegangen

In einer wissenschaftlichen Studie, die am 13. Juni veröffentlicht worden war, hat ein Team der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster Fälle des sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster sowie ihre Ursachen und Rahmenbedingungen untersucht und dargestellt.

Bischof Dr. Felix Genn nimmt Stellung zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster

„Missbrauch von Macht“

Ein Forschungsteam der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster legte kürzlich seine Ergebnisse zum sexuellen Missbrauch und dem Umgang mit diesem im Bistum Münster vor.

Das Landgericht Kleve verhandelt die Anklage gegen einen Kevelaerer wegen vielfachen sexuellen Kindesmissbrauchs. (Foto: aflo)
Der Mann soll in Kevelaer eine 12-Jährige in sein Haus gelockt und dort schwer sexuell missbraucht haben

Prozessauftakt gegen 23-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs

Am kommenden Mittwoch, 9. Februar 2022, findet am Landgericht Kleve der Prozessauftakt gegen einen 23-Jährigen statt.

Das Landgericht Kleve verhandelt die Anklage gegen einen Kevelaerer wegen vielfachen sexuellen Kindesmissbrauchs. (Foto: aflo)
Am Landgericht Kleve wird gegen einen 43-jährigen Mann aus Kevelaer wegen jahrelangen sexuellen Missbrauchs verhandelt

Schwere Vorwürfe gegen Kevelaerer Familienvater

Am Landgericht Kleve hat ein Prozess gegen einen 43-jährigen Kevelaerer begonnen, dem sexueller Missbrauch in 22 Fällen vorgeworfen wird – zehn davon in Form eines schweren sexuellen Missbrauchs.

Verfahren für Betroffene möglichst einfach gestalten

Die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz hat vor kurzem beschlossen, die „Zahlungen zur Anerkennung des Leids“ an Opfer sexualisierter Gewalt neu zu regeln. Im Bistum Münster soll das Verfahren für die Opfer möglichst einfach und unbürokratisch gestaltet werden.

Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, erläutert, wie das Verfahren im Bistum Münster in Anlehnung an den Beschluss der Bischofskonferenz aussehen wird: „Betroffene, die in den vergangenen Jahren beim Bistum Münster schon einen Antrag auf Anerkennung des Leids gestellt und Zahlungen erhalten haben, werden im Laufe des Monats Oktober von uns angeschrieben werden.

In diesem Schreiben sollen die Betroffenen konkret über die weitere Vorgehensweise nterrichtet werden, damit sie sich nicht alle erneut an das Bistum wenden müssen. Es ist uns wichtig, den Betroffenen die Last zu nehmen, durch ein erneutes Antragsverfahren gehen zu müssen.“

Die Höhe der Leistungen, so hatte es die Bischofskonferenz beschlossen, soll sich dabei an den Zahlungen orientieren, die staatliche Gerichte Opfern in vergleichbaren Fällen zugesprochen haben. Um bei der Bearbeitung der Fälle und der Höhe der Leistungen eine einheitliche Vorgehensweise in allen Bistümern sicher zu stellen, wird beim Verband der Diözesen Deutschlands ein Gremium eingerichtet, das verbindlich über die Höhe der Leistungen in den Einzelfällen entscheidet.

Die Bistümer werden die Entscheidungen dieses Gremiums umsetzen. Frings betont weiter, dass es dem Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, ein Anliegen sei, für diese Zahlungen keine Kirchensteuermittel aufzuwenden. Da das Bistum aber in erster Linie über Kirchensteuereinnahmen finanziert werde, sei dies nur möglich, wenn die Zahlungen an die Opfer nicht aus dem Bistumshaushalt erfolgten. „Der Kirchensteuerrat, dessen Zuständigkeit sich auch auf den Haushalt des Bischöflichen Stuhls erstreckt, hat daher in seiner jüngsten Sitzung dem Wunsch des Bischofs entsprochen, zur Finanzierung von Zahlungen zur Anerkennung des Leids Geldanlagen des Bischöflichen Stuhls in Höhe von rund 5,2 Millionen Euro zu veräußern.“

Der Bischöfliche Stuhl, so erläutert Peter Frings, sei eine eigene Körperschaft des öffentlichen Rechts und verfüge als solche über ein eigenes Vermögen. „Die Zahlungen zur Anerkennung des Leids werden folglich nicht aus Kirchensteuermitteln erfolgen“, macht der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster deutlich.

Sollten die Mittel von 5,2 Millionen Euro nicht ausreichen, alle Zahlungen zur Anerkennung des Leids zu erfüllen, werde der Bischöfliche Stuhl in Höhe der gegebenenfalls noch bestehenden Deckungslücke vom Bistum ein Darlehen erhalten, das dann in den kommenden Jahren aus den zu erwartenden Erträgen des Bischöflichen Stuhls zurückgezahlt werde.

Sozialpädagoge aus Kevelaer verurteilt

Im Prozess gegen einen 50-jährigen Sozialpädagogen aus Kevelaer hat das Klever Landgericht heute sein Urteil gesprochen. Die siebte Strafkammer verurteilte den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs gegen Minderjährige in sechs Fällen und sexuellen Missbrauchs in 33 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann mehrfach zwischen 1998 und 2002 seinen Neffen sexuell missbraucht hat. Auch habe er sich in den von ihn organisierten Ferienfreizeiten acht Kindern im Schlaf genähert und sie sexuell berührt, ihre Hand genommen, um sich zu berühren und zu befriedigen. Die Übergriffe hätten 2013 auf Sylt und dann ab 2016 bis 2019 stattgefunden.

Außerdem muss der Angeklagte an zwei der Opfer, die durch eine Nebenklägerin vertreten waren, ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro plus Zinsen zahlen. Die Nebenklägerin hatte vor Beginn der Plädoyers, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, den Antrag auf das Schmerzensgeld von „nicht unter 1.000 Euro“ mit Zinsen von 5 Prozent gestellt. Sie vertrat zwei geschädigte Kinder im Alter von 10 und 13 Jahren mit ihren Familien. Der 13-Jährige sei „traumatisiert“, habe Magenschmerzen und Albträume und benötige eine „professionelle Aufarbeitung“ des Erlebten. Das „rücksichtslose Vorgehen“ des Sozialpädagogen würde eine solche Summe rechtfertigen, so die Anwältin.

Der Anwalt des Angeklagten hatte daraufhin ein Schreiben vorgetragen, in dem ein solches Angebot formuliert ist. Das Angebot bestehe für alle Opferfamilien als „ein Zeichen der Reue“ und könnte im Laufe des Jahres gezahlt werden, sobald der Angeklagte „seine finanziellen Dinge geregelt“ habe.

Tatumfang nach unten korrigiert

Das Gericht hatte vor den Plädoyers den Umfang der nachweislichen Taten nach unten korrigiert, insbesondere was die Taten im Zusammenhang mit dem Neffen betrifft. Ursprünglich war der Sozialpädagoge in 52 Fällen des Missbrauchs angeklagt worden. Dazu kam noch der Vorwurf des Besitzes von pornographischen Bildern, den das Landgericht aber fallen ließ. Man habe diese Bilder auf dem Cache des Computers gefunden. Es sei in der Rechtsprechung umstritten, ob der Fund in einem Cache für eine Verurteilung ausreicht, machte der Richter Christian Henckel deutlich.

In seiner Urteilsbegründung erklärte Henckel, dass der Angeklagte eine „massive pädophile Neigung“ habe, die womöglich auf das sexuelle Verhältnis zu seinem Cousin in der Kindheit zurückzuführen sei. Eine „Kernpädophilie“ liege aber nicht vor, da er auch zu Frauen sexuellen Kontakt gehabt habe. Dass er sich den Beruf als Veranstalter und Jugendleiter bewusst ausgesucht habe, um die Neigung auszuleben, „daran glaubt auch die Kammer nicht“, sagte Henckel. „Aber Sie waren sich im Klaren, dass sich die Gelegenheit durch die Leitung bot.“

Der Neigung nicht hilflos ausgesetzt

Das zeige die beständige Wiederholung der Taten. Spätestens nach dem ersten Übergriff „hätte Ihnen auffallen müssen, Konsequenzen zu ziehen – entweder therapeutisch oder Sie hätten mit den Fahrten aufhören müssen. Insgeheim wollten Sie das nicht, um nicht auf die Gelegenheiten zu verzichten“, so Henkel zum Angeklagten. Dieser sei seiner Neigung nicht hilflos ausgesetzt gewesen. „Sie hätten das steuern und verhindern können. Das wollten Sie offensichtlich nicht“, so der Richter, sonst hätte es nicht die Taten „über so einen langen Zeitraum zum Nachteil von Kindern“ gegeben.

Wie es sich damit für die Opfer weiterleben lasse, „lässt sich nicht im Strafprozess klären“, machte Henckel klar. Der Neffe stehe heute zwar im Leben, aber man sehe ihm an, „was für eine Betroffenheit und Belastung durch das Erlebte und Erduldete noch zu spüren“ gewesen sei, „für das Sie die Verantwortung tragen.“ Dazu komme die „Belastung des Verschweigens und Versteckens“ der Vorgänge. „Dass das eine Qual ist, ist deutlich geworden.“ Die vernommenen Kinder hätten ein unterschiedliches Bild aufgewiesen. Dabei sei es aber „nicht ausschlaggebend, ob Kinder das nur als verstörend empfanden oder als sexuellen Übergriff eingeordnet haben. Gravierend war es für alle gleichermaßen.“ Henckel drückte die Hoffnung aus, „dass sie das auf Dauer nicht beeinflusst. Ganz vergessen werden sie das nicht können.“

Auch Missbrauch von Vertrauen

Der Angeklagte habe seine Macht missbraucht, das Selbstvertrauen und den Selbstwert der Geschädigten beeinträchtigt, das Vertrauen missbraucht, das die Kinder ihm als „bewunderten Betreuer“ entgegengebracht haben „und das Vertrauen der Eltern, die Ihnen die Kinder in gutem Glauben überlassen hatten.“ Auch habe er das „Urvertrauen“ der Kinder geschädigt. In seiner eigenen Wahrnehmung habe er ihnen „ersparen“ wollen, die Übergriffe bewusst zu erleben. Darum sei er im Schlaf an sie herangegangen. „Im Endeffekt war es Ihnen aber egal“, sagte Henckel.

Eine Schuldminderung aufgrund seiner Depressionen oder aufgrund des Alkohols während der Freizeiten sah die Kammer nicht. „Sie haben die Situation geschaffen und gesteuert.“ Zugunsten des Angeklagten wertete Henckel dessen „Verhalten am Ende des Ermittlungsverfahrens“. Der Richter benannte das „unumwundene Geständnis“, das einigen Opfern die Aussage erspart habe, „und Ihre ehrliche Reue,“ die nicht nur als Show zu sehen sei.

Auch die Tatsache, dass die Taten bei dem Neffen länger zurückliegen, wertete das Gericht als straf-mildernd. Und es sei klar, dass „durch das Urteil Ihre berufliche und private Existenz vernichtet oder zumindest erschüttert ist, auch wenn Sie es zu verantworten haben.“ Dem gegenüber stehe „die Massivität, die Dauer der Taten und die Folgen für die Betroffenen.“ Das Gericht sah eine Wiederholungsgefahr als gegeben an.

Bischof Dr. Felix Genn räumte eigene Fehler ein

Das Thema „sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche“ schlägt zurzeit hohe Wellen. Erst unlängst verlas Pfarrer Kauling in Gottesdiensten, dass in den 1980-Jahren eine Frau in St. Marien von einem damaligen Kaplan über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht worden sei (KB berichtetet). Bischof Dr. Felix Genn nahm dies zum Anlass, um sich in einem Offenen Brief an die Katholiken zu wenden. Darin räumte der Bischof im genannten Fall auch eigenene Fehler ein:

Liebe Katholikinnen und Katholiken im Bistum Münster,
ich wende mich als Bischof in einem Offenen Brief an Sie, weil es mir ein Anliegen ist, auf diesem Weg möglichst viele von Ihnen zu erreichen.

Es geht um das Thema des sexuellen Missbrauchs in unserer Kirche und in unserem Bistum. Sehr  konkret  geht  es  um  die  Frage  meiner  Rolle,  meiner  persönlichen  Verantwortung  und   meines Verständnisses vom Umgang mit sexuellem Missbrauch.

Wenn  Sie  die  Medien  in  den  vergangenen  Wochen  und  Monaten  verfolgt  haben,  verging   nahezu kaum ein Tag, an dem nicht über sexuellen Missbrauch im Bistum Münster berichtet wurde. Auch wenn vieles an dieser Berichterstattung schmerzhaft ist, so ist sie letztlich ein wichtiges Zeichen. Denn die Berichterstattung zeigt: Vieles kommt deshalb jetzt ans Licht, weil Betroffene uns und mich offen mit unserer Verantwortung konfrontieren, weil wir uns diesem Thema bewusster stellen, die Vergangenheit extern und unabhängig aufarbeiten lassen und Kritik  annehmen. 

Tranzparenz ist zwingend notwendig

Und  vor  allem:  Wir  bemühen  uns  immer  wieder  neu,  die  Interessen  der   Betroffenen in den Mittelpunkt unseres Tuns zu stellen. Diese Haltung und die damit verbundene Transparenz sind für mich zwingend notwendig.

Selbstverständlich kann und darf diese Transparenz auch vor meiner eigenen Person nicht Halt machen. Im Blick auf zwei konkrete Sachverhalte der letzten Zeit wurde ich persönlich sowohl in  der  Öffentlichkeit  als  auch  direkt  kritisiert.  Deshalb  möchte  ich  mich  nachfolgend  dazu   äußern.

Seien Sie zunächst versichert: Ich weiß um den gewaltigen Schmerz, den viele von Missbrauch betroffene Frauen und Männer oft seit Jahrzehnten Tag für Tag spüren und der sie zermürbt. Gerade das Wissen um diese Frauen und Männer bewegt mich, Ihnen als Bischof und Verant‐wortungsträger Auskunft zu geben.

Der erste Sachverhalt ist der eines Priesters des Erzbistums Köln, der in den 1970er und 1980er Jahren  mehrfach  verurteilt  wurde  –  unter  anderem  wegen  sexueller  Handlungen  an Minderjährigen – und der dennoch über Jahrzehnte weiter als Priester im Erzbistum Köln so‐wie in unserem Bistum und im Bistum Essen wirkte. Die Aufarbeitung hat das Erzbistum Köln an eine unabhängige Kanzlei abgegeben. Seit 2002 lebt dieser Priester als Ruhestandsgeistli‐cher im Bistum Essen. Wie vielen von Ihnen bekannt sein wird, war ich von 2003 bis zu meinem Wechsel  2009  ins  Bistum  Münster  Bischof  von  Essen. 

Mir  ist  bewusst,  dass  ich  als  Bischof   letztlich für das verantwortlich bin, was im Bistum geschieht. Dass damals ein Priester in einer Gemeinde seelsorgliche Dienste tun konnte, obwohl bekannt war, dass er mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war, war ein verheerender Fehler. Mich erschreckt im Rückblick die damals fehlende Einsicht, dass ein Priester grundsätzlich nicht mehr seelsorg‐lich eingesetzt werden darf, wenn er sich solcher Verbrechen schuldig gemacht hat.

Heute frage ich mich deshalb: Warum habe ich diesen Fall in all den Jahren in Essen nicht wahrge‐nommen? Welche Schwächen und Fehler gibt es in unserem ‚System‘, dass ein Bischof nicht weiß, wenn ein Priester mit einer solchen Vorgeschichte in einer Gemeinde tätig ist? Haben wir  diese  systemischen  Schwächen  heute  wirklich  beseitigt?  Und  zentral  ist  natürlich  die  Frage, wie es überhaupt sein konnte, dass ein Priester, der mehrfach verurteilt wurde, von Bistum zu Bistum versetzt wurde? Auf diese Fragen habe ich keine einfachen Antworten. Ich weiß nur, dass ich als Bischof von Essen damals Verantwortung trug und deshalb alle um Ent‐schuldigung bitte, die sich jetzt hintergangen oder betrogen fühlen. Insbesondere gilt diese Bitte ausdrücklich denen, die der Priester missbraucht hat und die nicht verstehen können, dass er weiter als Priester tätig sein durfte.

Anfang Mai dieses Jahres habe ich von dem Fall erfahren. Ich bekam einen Brief, den ich sofort an unseren Interventionsbeauftragten weitergeleitet habe. Er hat daraufhin umgehend das Erzbistum Köln eingeschaltet. Vor allem die Betroffenen sexuellen Missbrauchs möchten für diesen Fall wissen, wer welche Verantwortung trug.

Diese Antworten müssen wir geben. Das gilt für alle Fälle sexuellen Missbrauchs. Daher haben wir im Bistum Münster die Universität Münster beauftragt, in völliger Unabhängigkeit Antworten auf diese Fragen zu suchen und die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Konkreter Fall aus Kevelaer

Der zweite Sachverhalt ist der eines Priesters unseres Bistums. In Kevelaer wurde vor kurzem der Brief einer Betroffenen auf ihren Wunsch hin in verschiedenen Gottesdiensten verlesen. In dem Brief berichtet die Frau davon, dass sie Mitte der 1980er Jahre von einem damals dort tätigen Kaplan über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht wurde.

Die Frau hatte sich bereits im Jahr 2010 ans Bistum gewandt. Seitdem ist mir dieser Fall bekannt. Sie verlangte damals ausdrücklich, dass der Sachverhalt nicht öffentlich gemacht wird und auch, dass die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet werden darf. Ein solches Anliegen ist völlig berechtigt, wenn es von Betroffenen geäußert wird.

Entsprechend unserem oben genannten Grundsatz, die Interessen der Betroffenen jederzeit in den Mittelpunkt zu stellen, haben wir uns daher an den  Wünschen  der  Betroffenen  orientiert.  Wir  haben  den  Sachverhalt  nach  Rom  an  die Glaubenskongregation  gemeldet.  Nach  Abschluss  der  dortigen  Prüfungen  wurde  der   Geistliche emeritiert. In einem Dekret wurden ihm seelsorgliche und priesterliche Tätigkeiten nur in einem vom Bistum zugewiesenen Bereich gestattet.

Die Betroffene hat sich dann Ende 2016/Anfang 2017 erneut bei uns gemeldet, weil der Geist‐liche weiterhin öffentlich Gottesdienste feierte. Ich habe ihn dann schriftlich darauf hingewie‐sen, dass eine Zelebration nur eine Ausnahme sein dürfe und ihm nur erlaubt sei, wenn nicht mit einer großen Öffentlichkeit zu rechnen sei. Den Sachverhalt haben wir vor einigen Wochen bereits in Absprache mit der Betroffenen öffentlich gemacht. Die Zielsetzung dabei war unter anderem, dass sich eventuell weitere Betroffene melden. Eine Frau hat dies inzwischen schon getan.

In meiner Verantwortung als Bischof von Münster muss ich in diesem Fall deutlich sagen: Ich habe Fehler gemacht!

Zum einen hätte ich das Verbot sehr viel deutlicher formulieren müssen. Was heißt „Gottes‐dienste ohne große Öffentlichkeit“? Das ist unpräzise und muss künftig unbedingt unmissver‐ständlich und klar formuliert werden.

Ich hätte den verantwortlichen Pfarrer vor Ort, das Seelsorgeteam und die verantwortlichen Gremienmitglieder in Wadersloh über die Hintergründe des Sachverhaltes umfassend infor‐mieren müssen. Dem setzte der Wunsch der Betroffenen, die Öffentlichkeit nicht zu informie‐ren, möglicherweise Grenzen, aber es hätte gemeinsam mit ihr nach einem Informationsweg gesucht werden müssen, der ihren Interessen gerecht wird und zugleich die Pfarrei nicht im Unklaren lässt. Dann wäre es insgesamt leichter gewesen, einer möglichen Missachtung von Auflagen wirksam entgegenzutreten. Information und Kommunikation müssen künftig anders sein.

Ich sehe auch, dass ich den ernstzunehmenden Hinweisen, dass der Priester sich nicht an das ausgesprochene  Verbot  hält,  noch  konsequenter  hätte  nachgehen  müssen.  Das  ist  mein   Fehler und das habe ich zu verantworten. Für die Zukunft werden wir hier klarere Regelungen finden.

Viel Unverständnis in Kevelaer

Zudem  werde  ich  prüfen  lassen,  in  welchem  Umfang  weitergehende  Strafen,  wie  etwa   deutliche Gehaltkürzungen oder andere Auflagen angezeigt sind. Sicher ist: Verurteilte Missbrauchstäter  oder  auch  Priester,  bei  denen  es  strafrechtlich  oder  kirchenrechtlich   unstrittig ist, dass sie Kinder oder Jugendliche missbraucht haben, dürfen nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden. Alle priesterlichen Dienste müssen ihnen untersagt werden. Das ist die Leitschnur, für die ich stehe und die ich umsetzen werde.

Ich weiß, dass manche Betroffene sich mit einer Bitte um Entschuldigung durch kirchliche Verantwortungsträger wie mich schwer tun. Dennoch sage ich allen Betroffenen auf diesem Wege,  dass  es  mir  aufrichtig  leid  tut,  dass  durch  die  unklar  formulierten  Auflagen  meiner   Dekrete neue Verletzungen entstanden sind.

Ich verstehe auch, dass es etwa in der Pfarrei Wadersloh, aber auch in Kevelaer und andernorts viel Unverständnis, Wut und Verärgerungen über  die  ausgebliebene  Kommunikation  gab  und  gibt.  Das  haben  mir  die  Gremien  aus   Wadersloh auch geschrieben. Ich werde in der kommenden Woche das Gespräch mit den Gremien und dem Seelsorgeteam in der Pfarrei in Wadersloh führen. Insgesamt haben wir auch hier gelernt: Künftig wird, wenn es Informationsveranstaltungen in Pfarreien gibt, immer ein Vertreter der Bistumsleitung, also ich selbst, der Generalvikar oder einer der Weihbischöfe dabei sein.

Liebe Katholikinnen und liebe Katholiken,
der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs bleibt eine ständige Aufgabe und Herausforde‐rung. Auch, wenn es nicht sein darf, so können dabei leider doch weiterhin Fehler passieren. Durch die hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und die Sensibilität für dieses Thema werden wir als Verantwortungsträger und werde ich als Bischof heute unmittelbar mit diesen Fehlern konfrontiert. Ich habe aus diesen Fehlern gelernt und lerne hier ständig weiter.

Von daher bin ich gerade denen, die Kritik äußern, dankbar. Denn die Kritik richtet immer wieder zu Recht den Fokus darauf, dass wir in jeder Hinsicht heute ein System des aufmerksamen Hinsehens benötigen. Das sind wir und das bin ich den Betroffenen sexuellen Missbrauchs und der heilenden und befreienden Botschaft des Evangeliums schuldig. Nur so kann es uns allen gemeinsam gelingen, sexuellen Missbrauch in unserer Kirche heute und in Zukunft, soweit das überhaupt möglich ist, zu verhindern.