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Ein „Außenpolitiker“ hört auf

Mit Peter Hohl verlässt nach 45 Jahren ein Urgestein der Kreispolitik die politische Arena. Der Kevelaerer sitzt aber nicht nur seit viereinhalb Jahrzehnten im Kreistag Kleve. Er ist zudem der „mit zehn Jahren Abstand Dienstälteste im Kreistag“ und der Dienstälteste in 25 Jahren mit fünf Wahlperioden beim Landschaftsverband Rheinland.

„Ich habe noch zwölf Sitzungen, weil sich die neue Landschaftsversammlung erst spät konstituiert und die weitestgehend noch durchtagen, sagt Hohl. „Das ist so gesehen ein langer Abschied. Aber ich tue, was ich zu tun habe. Und das habe ich zu tun.“ Die Kreis-Wahlperiode endet am 31. Oktober. Die letzten Wochen waren für ihn durchwachsen, „aber nicht, weil ich aufhöre, sondern die Tatsache, unter welchen Umständen man aufhört.“ Er spricht die Corona-Situation an, die auch die politischen Beziehungen beeinflusse. „Wenn ich an die vielen Hybrid-Sitzungen denke, wenn ich in Köln bin. Das ist definitiv anders als im letzten Jahr, wo ich mich entschlossen hatte, nicht mehr für ein Amt zu kandidieren.“

Seinen persönlichen Abschied aus der Politik vergleicht er mit der Schule oder dem Beruf: „Alles hat seine Zeit und ich habe mich ja auch bewusst jetzt aus der Mandatspolitik verabschieden wollen. Das war schon lange für mich klar, dass ich selbst bestimmen möchte, wann für mich Schluss ist.“ Er falle aber sicher nicht in ein Loch – „die Kunst, die Musik als passionierter Klavierspieler, wenn ich schon mal schreibe“, all das wird ihm neben den Enkeln (der vierte ist gerade unterwegs) genug Möglichkeiten geben, sich zu betätigen. „Beim Kevelaerer Museum bin ich ja auch noch dabei, das mache ich auch weiter. Das ist mir sehr, sehr wichtig.“

Wie wichtig ihm das politisch gewesen ist, kann man daran ablesen, dass er sich, als er in den 90ern dafür im Kreis gekämpft hat, einmalig gegen seine eigene Partei gestimmt hat. Aber es gebe keine Entscheidung, die er getroffen habe, die er persönlich bedauere, sagt der CDU-Politiker. „Ich habe jetzt alles Wichtige in Kevelaer selbst“, ist er froh, in Zukunft weniger zu pendeln. „Ich weiß nicht, wie oft ich um den Globus gefahren bin für die ganzen Sitzungen.“ Natürlich hofft er, dass sein Rat noch weiter gefragt ist. „Aber es ist die Zeit gekommen, wo andere die Verantwortung übernehmen müssen.“

Dank an seine Frau

Dass er all die Jahre so entschieden im politischen Geschäft tätig sein konnte, verdanke er zu einem guten Stück seiner Frau, sagt Peter Hohl. Sie sei selbst 16 Jahre im Kreis Kleve tätig gewesen, und unter anderem auch im Vorzimmer von Heinz Paal. „Sie wusste also, wie das so funktioniert.“

Was „wichtiger als die eigene politische Meinung“ sei, „ist die Verbesserung der Meinung über Politik in der Gesellschaft“, sagt Hohl. Und dazu gehöre politische Bildung. „Das sage ich seit 20 Jahren.“ Die Menschen wüssten immer weniger, was Politik eigentlich ist. „Das ist keine Situationskomik, sondern eine schwere Aufgabe, das in eine Struktur zu packen, die fundamental demokratisch ist, aber die repräsentative Demokratie nicht ausschließt.“ Dazu gehöre auch, dass die Bürger verstehen, „dass es Menschen sind, die Fehler machen und die nach dem christlichen Menschenbild“ – einem seiner persönlichen Fundamente seines Wirkens – „auch recht auf Vergebung haben.“ Was nichts damit zu tun habe, Leichtsinn oder Verantwortungslosigkeit zu befördern.

„Dieses Grundsatzgefüge bei mir war eine tragende Sache auch für ganz profane Entscheidungen, die man zu treffen hat – und am liebsten entideologisiert. Genau das Ideologisierte ist das, was uns im Moment in der Gesellschaft zu schaffen macht – dieses Entweder – Oder.“ Der Zusammenhalt der Gesellschaft sei ein zentrales Thema. „Das ist die Aufgabe von Politik. Das ist ein latentes Thema und eine Lebensaufgabe, wie man die Stadt, einen Kreis zusammenhalten muss, was man im Wahlkampf jetzt gehört hat mit Nord- und Südgefälle.“ Die Identitäten der Menschen seien kleingliedriger als das Globale. „Die Herausforderungen der Globalisierung muss man deshalb mental hinkriegen und strukturieren im Kleinen wie im Großen.“

Politik als Spiegelbild der Gesellschaft

Frühere Politikergenerationen  seien wesentlich besser vernetzt gewesen in der Gesellschaft, nicht in Funktionen. „Wir haben mitgemacht in der Dorf- oder Stadtgesellschaft, auch nach Feierabend. Das ist heute schwächer“, beobachtet er. „So richtig verwurzelt sein damit ist schwieriger.“ Das gehe aber nicht nur in der Kommunalpolitik so. „Das ist ein gesellschaftliches Problem – und die Politik ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.“

Dass er 1993 sogar mal als Landratskandidat angetreten ist und bei der Nominierung parteiintern unterlag, grämt ihn im Nachhinein nicht. „Man darf sich nicht nach jeder Niederlage selbst problematisieren.“ Damals ging es für ihn danach in die Landschaftsversammlung. „So konnte ich dort Außenpolitik für den Kreis machen – und im Kreistag Außenpolitik für Kevelaer.“ Für Kevelaer zu wirken sei nicht nur sein Werk gewesen. Auf dem Weg habe es viele Mitstreiter wie Ludwig und Hannes Selders oder Peter Rosen gegeben. „Ich hatte nur das Glück, immer dabei zu sein.“ 

Der Stellenwert Kevelaers lag ihm immer am Herzen

Den Stellenwert Kevelaers habe man ausbauen können und  „viele wichtige Kleinigkeiten wie den Radweg nach Twisteden, die K30 nach Veert oder auch die Verkehrsberuhigung in Twisteden“ verwirklicht. Über den LVR lief unter anderem die Ansiedlung der Wohnverbünde für Behinderte.

„Einfache aber klare Sprache und da immer entideologisiert“, brauche seiner Meinung nach ein Politiker heute, um Menschen zu überzeugen. Politische Willensbildung gehe von den Parteien aus, wo es Inhalte gebe. Die Bürger könnten sich jeweils in Teilen mit den Grundhaltungen identifizieren und dann wählen. Die grundsätzliche Frage heute bestehe in „der Bindungskraft der Parteien, nicht der Ideologien.“ Für die Demokratie sei es wichtig, „dass demokratische Parteien in Sachfragen immer im Gespräch und koalitionsfähig bleiben müssen, um den Zusammenhalt zu fördern.“ Das helfe auch im Ringen mit rechten Parteien und Bewegungen. „Das macht mir Sorge. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich die demokratischen Parteien da durchsetzen.“

Dass er all seine Funktionen 45 Jahre lang in einer Gesellschaft wahrnehmen durfte, die 75 Jahre lang „in Frieden und Freiheit“ gelebt hat, sei angesichts der Lage in der Welt keine Selbstverständlichkeit, sagt Peter Hohl. „Dafür können wir dankbar sein.“