Was wird aus dem Karneval in Coronazeiten? Überall herrscht Ungewissheit. Das wurde auch beim Treffen der Karnevalsvereine des Südkreises im Twistedener IBC deutlich.
„Wir treffen uns jedes Jahr für Nachbesprechungen und tauschen uns aus“ erklärt die VfR-Präsidentin Elke Tebartz. „Dieses Mal haben wir mal mehr über die jetzige Situation gesprochen.“ Keiner wisse wirklich, was Sache sei. Und eine einheitliche Linie gäbe es nicht.
„Die Verunsicherung ist da“, sagt die Karnevalistin. „Viele waren der Ansicht, dass sie die Veranstaltung aufgrund des Gesundheitskonzepts so umsetzen sollten und können. Einige sagen, absagen.“ Und Goch habe schon abgesagt. „Wir warten ab, sagten auch einige. Andere haben alles auf Lager liegen und warten auf „go“ oder „stop“, sobald man was Neues von oben hört.“
Als Veranstalter trage man Verantwortung und Risiko gleichermaßen. „Wir können jetzt nicht den Rosenmontagsleuten sagen: Wir sagen eventuell im November mal ab, fangt schon mal an.“ Auch finanziell sei dabei einiges zu beachten. Dementsprechend müsse man jetzt zeitnah entscheiden. Ihre Maxime sei: “Gesundheit geht vor.“
Man müsse noch aus einem anderen Grund Verbindlichkeit herstellen. „Wir haben ja auch Künstler engagiert, haben mit denen Verträge.“ Die Tendenz sei schon „irgendwo absagen oder es stark reduzieren.“ Wie man das aber im kleinen Rahmen verwirklichen solle, „wissen wir noch nicht.“ Natürlich mache man sich auch Gedanken, wie Karneval unter Corona-Bedingungen funktionieren könnte. Aber Karneval ohne Alkohol, mit 1,50 Meter Abstand und ohne Bützen, das erscheint „schwer möglich“.
Natürlich wolle man Brauchtum nicht absagen. „Aber Kirmes ist auch Brauchtum, musste auch abgesagt werden.“ Und eins ist für die VfR-Vorsitzende glasklar: „Wir wollen nicht die Schlagzeilen 2021, die Heinsberg 2020 hatte. Für das Risiko verantwortlich zu sein, das will ich nicht.“ Das sei für alle Beteiligten „eine sehr unglückliche Situation.“ Bloß kein zweites Heinsberg. Das bestätigt auch der Präsident der Karnevalsfreunde Twisteden, Rolf Roosen. Man habe im IBC eine gemeinsame Marschrichtung abstimmen wollen.
Schnell wurde deutlich, dass das nicht geht, „weil die vertragliche Situation und Organisation der einzelnen Vereine“ halt unterschiedlich sind. Und weil die Künstler, die unter Vertrag stehen, bezahlt werden, wenn man vor einem offiziellen Verbot eine Veranstaltung oder einen Zug absagt. „Da warten die meisten ab.“
Wirklich wohl fühle sich mit der Situation absolut niemand. „Keiner sagte, wir wollen das auf jeden Fall machen.“ Vereinzelt werde über Videos und Onlinesitzungen nachgedacht. „Da muss jeder Verein gucken, was er in seinen Möglichkeiten verwirklichen kann.“ Über ein Corona-Hygienekonzept zum Karneval habe man sich noch keine Gedanken gemacht. „Da sich das ständig ändert, haben wir ein Konzept nicht gemacht.“
Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Wie soll da Stimmung entstehen?„Echte Stimmung beim Sitzungskarneval wird doch nicht aufkommen, wenn nur 30 oder 40 Leute reinzusetzen sind.“ Das habe dann „mit Karneval feiern nix zu tun“, findet Roosen. „Es ist auch die Frage, wenn wir feiern, ob da jemand hingeht.“
Und allein die Zugfeier kostet „ein Vermögen“, sagt Roosen. „Wenn da keiner hinkommt und kein Umsatz stattfindet, kann man das nicht bezahlen.“ Mit 30 Mann eine Kappensitzung und den Zug könne man nur machen, wenn „jemand uns nett Geld schenkt.“ Im Ergebnis bedeute das: „Also entweder für Twisteden alles oder nix.“
Voraussichtlich noch in dieser Woche soll es ein Gespräch der Vereine mit Bürgermeister Dominik Pichler geben, um eine einheitliche Linie herzustellen. „Meine private Meinung ist: Verantwortungsvoll kann man ohne Impfstoff keine Session machen“, sagt Roosen. „Und es wäre das Einfachste, wenn von Land und Bund das Signal kommt, ob es machbar oder nicht ist.“
Seine Haltung zum Thema ist klar: „Lieber ein Jahr Pause und dann wie Phönix aus der Asche als Gangelt. Das nützt nix.“ Wenn man dann rumlaufe, „und jemand sagt, Oma ist gestorben, weil Karneval war“, dann sei damit nichts gewonnen. „Und wenn da ein Highspreader mit Trillerpfeife ist, kannste das alles nicht sicherstellen.“
Bei den anstehenden Wahlen sei das wohl nicht so leicht zu entscheiden. „Ich kann mir vorstellen, dass Ende September sich jemand traut, das offen zu verkünden, weil es eine unpopuläre Entscheidung ist.“ Die Kommunikation mit dem Ordnungsamt und der Stadt laufe hinsichtlich Corona super. „Wir werden eine Lösung finden, wo jeder mit leben kann.“ Beim Ordnungsamt ist die mögliche Absage von Karneval auch Thema. „Wir machen uns da natürlich Gedanken, aber wir haben bis jetzt die Corona-Schutzverordnung, die bis Ende August gilt“, sagte Ordnungsamtsleiter Ludger Holla. „Wir erhoffen uns spätestens für den 1. September einen entsprechenden Hinweis. Das Ministerium lässt sich von uns nix vorschreiben.“
Das Ganze sei noch in der Schwebe, aber Holla bezeichnete es als „relativ unwahrscheinlich“, dass ein Karnevalstreiben stattfinden könne, auch wegen der aktuell steigenden Infektionszahlen. „Aber es gibt noch keine Regelung.“ Das Gesundheitsministerium in Düsseldorf sei für eine Verordnung zuständig. „Wir müssen es umsetzen.“ Es habe da schon einen Austausch des Bürgermeisters mit der VfR-Präsidentin Elke Tebartz gegeben, bestätigte er. „Und dass es in der Richtung die Info gab, darauf jetzt zu warten.“