Nur zu gerne hätte Chris Camden seine Eltern über den großen Teich begleitet, um hier in Kevelaer seinen langjährigen Freund Rafael Sürgers zu besuchen. „Ja, das wäre natürlich großartig gewesen“, betont Rafael Sürgers, der sich über den Besuch von Brenda und Sam Camden aber mindestens genauso freut. „Ein Jobwechsel verhinderte leider ein freudiges Wiedersehen“, erklären Chris‘ Eltern. Aber auch die Eheleute aus Roanoke/Virginia sind hier in Kevelaer bei Familie Sürgers nur zu gern gesehene Gäste und immer herzlich willkommen. „Brenda und Sam gehören bei uns ebenso zur Familie“, berichtet Rafael Sürgers‘ Mutter Hannelore. Und das nicht grundlos. Denn zur Familie aus den USA besteht seit nahezu 30 Jahren eine tiefe Freundschaft.
Wie diese langjährige Freundschaft entstanden ist, daran kann sich Rafael Sürgers noch genau erinnern. „Es war im August 1990 und ich studierte damals in Trier“, berichtet der Diplom-Betriebswirt. Mit Studienfreunden sei er gerade von einer Studienfahrt zurückgekommen, als ihnen beim Heimkommen drei ratlos dreinblickende Gestalten auffielen. Die darauf angebotene Hilfe der Studenten nahmen die aus Amerika stammenden und in Gießen stationierten Soldaten gerne an. Da diese auf der Suche nach einer Herberge waren, übernachteten Young, Choe und Chris in dieser besagten Augustnacht schließlich im Studentenheim in Trier. Damit begann eine tiefe und weitreichende Freundschaft.
Immer wieder trafen sich die Studenten mit den in Deutschland stationierten Soldaten, um sich auszutauschen und ihre unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen. Zu dieser Zeit begann aber auch der zweite Golfkrieg mit der Eroberung Kuweits durch den Irak. Die Operation „Dessert Storm“ stand unmittelbar bevor. So kam es, dass die jungen Soldaten noch vor Weihnachten 1990 nach Kuweit einberufen wurden. Mit dem Versprechen, weiterhin in Verbindung zu bleiben, verabschieden sich die Freunde schweren Herzens. Im April 1991 kehren Young und Choe – im Juni des gleichen Jahres auch Chris – unversehrt nach Deutschland zurück. Die Freunde haben sich wieder.
Ein vertrautes Kennenlernen
Während Young und Choe im Herbst 1991 zurück in ihre amerikanische Heimat ziehen, verweilt Chris weiterhin in Deutschland und besucht zu Weihnachten die Familie seines Freundes in Kevelaer. Im Frühsommer 1992 führt auch Chris‘ Weg dann zurück nach Amerika. Die Verbindung zwischen den Freunden aber bleibt bestehen. Schon bald tourt der junge Rafael Sürgers durch die Vereinigten Staaten, besucht dabei seinen Freund Chris und seine Eltern in Virginia. „Als Rafael zu uns kam, war es so, als käme ein weiterer Sohn zu uns nach Hause“, beschreiben Brenda und Sam Camden das erste Kennenlernen.
Immer wieder reisen Chris Camden, der inzwischen verheiratet ist und drei Kinder hat, und Rafael Sürgers zwischen Deutschland und Amerika hin und her, besuchen sich gegenseitig und pflegen ihre wertvolle Freundschaft. Diese Freundschaft ist bis hierher eigentlich schon außergewöhnlich und sehr beeindruckend. Doch was Freundschaft wirklich bedeutet und was sie darüber hinaus alles bewirken kann, das spüren beide Familien erst in den vergangenen Jahren – am eigenen Körper und im Herzen.
Chris bricht zusammen
Chris Camden ist als Marathonläufer und Triathlon-Athlet ein wahrlich sportlicher Typ. So nimmt er am 10. September 2017 nicht zum ersten Mal an einem Triathlon teil. Nur wenige Meter vor dem Ziel aber passiert das Undenkbare und Unerwartete. Chris bricht zusammen. Seine Frau, eine Sportmedizinerin, sieht nur einen zusammenbrechenden Sportler, eilt zu ihm, erkennt in diesem Moment ihren eigenen Mann und setzt mit der Herzmassage ein. „Unser Sohn hatte einen Herzstillstand und musste wiederbelebt werden“, berichten Brenda und Sam mit erstickender Stimme.
Chris wird, dank sofortiger medizinischer Hilfe, zurück ins Leben geholt, kommt ins Krankenhaus und erhält sofort drei Bypässe. Chris‘ Schwester Kelly ist es, die umgehend die Freunde in Kevelaer informiert. Rafael Sürgers braucht nicht lange zu überlegen, welche Hilfe, auch weit weg von seinem Freund, angebracht ist. „Was man hier in Kevelaer macht, wenn Menschen in Not sind, liegt klar auf der Hand“, betont der Unternehmer, der sofort seine Familie unterrichtet. „Unsere ganze Familie ist sofort zur Gnadenkapelle gegangen, hat gebetet und Kerzen angezündet – für Chris“, antwortet Hannelore Sürgers. „Es war das Einzige, was wir für den Jungen und die Familie tun konnten“, beteuert die 75-jährige mit Nachdruck.
Es ist die Kraft des Gebetes, die Kraft der Freundschaft, die die Familie in Amerika erreicht und stärkt. Und wirkt. Nach einem langen Heilungsprozess mit vielen Komplikationen kämpft sich Chris Camden zurück ins Leben. Im September dieses Jahres gelingt ihm sogar eine erneute Teilnahme an einen Triathlon. Ende gut – alles gut… Leider nicht.
Komplikationen, Operationen und Intensivstation
Es bleibt 2017 nicht bei diesem einen Schicksalsschlag. Nur drei Monate nach dem Zusammenbruch von Chris erkrankt Hannelore Sürgers. Ein Routineeingriff am 14. Dezember 2017 sollte Besserung bringen. Doch auftretende Komplikationen, immer wieder neue Operationen, lange Aufenthalte auf der Intensivstation, lassen einen Genesungsverlauf in weite Ferne rücken. Auch das Weihnachtsfest 2017 verbringt die Familie im Krankenhaus am Bett der geliebten Mutter.
Am Neujahrstag 2018 entscheiden sich die Ärzte zu einer erneuten Operation. Dennoch gibt es kaum Hoffnung für die Familie auf Besserung. Im Gegenteil. „Wir waren auf das Schlimmste gefasst“, gesteht Rafael Sürgers, informiert aber in dieser ausweglosen Situation die befreundete Familie in Amerika. Brenda Camden erfasst sofort die Situation und schreibt den Freunden in Kevelaer eine aufbauende Mail mit der Information, dass ihre ganze Familie und die Glaubensgemeinschaft, der die Familie Camden angehört, für die schwer erkrankte Mutter beten werde.
Die Kraft des Gebetes
Jeden Sonntag treffen sich die Camdens in der „Sunday School Class“ zum Gebet. In einem separat angelegten Fürbittbuch betet die gläubige Gemeinde für Menschen in Not. Auch Hannelore Sürgers wird hier aufgenommen. „Wir glauben an die Kraft des Gebetes“, berichtet Brenda Camden mit bewegter Stimme. Und genau diese Kraft erreicht Familie Sürgers in Kevelaer – insbesondere Hannelore Sürgers. „Die Gebete haben uns, unsere Mutter erreicht und ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Mutter, natürlich auch Dank der Medizin, aber auch durch die Kraft des Gebetes, und das von wildfremden Menschen, überlebt hat“, betont Rafael Sürgers.
Hannelore Sürgers erwacht nach drei Wochen aus dem Koma, kehrt wieder ins geliebte Leben zurück. „Ich bin allen so dankbar, die mir geholfen haben, für mich gebetet haben – dass es so etwas gibt…“, blickt Hannelore Sürgers, immer noch tief bewegt über so viel Anteilnahme dankbar zurück. Zum Dank schickt Familie Sürgers ein Kreuz und eine Plakette mit einem Abbild unserer Trösterin der Betrübten aus Kevelaer zur Gebetsgemeinschaft „Sunday School Class“ nach Virginia.
Weihnachten mit der Familie
Brenda und Sam sind mittlerweile wieder zuhause in Amerika. Hier in Roanoke/Virginia haben sie am Heiligen Abend die Christmette besucht und sich mit der Familie und den Freunden aus der Gebetsgemeinschaft getroffen. Auch Hannelore und ihr Sohn Rafael Sürgers feiern die Weihnachtstage mit der ganzen Familie und haben die Christmette in der St. Antonius-Kirche besucht. Dabei haben sich weihnachtliche Gedanken aus Amerika wie auch aus Kevelaer irgendwo in der Mitte getroffen.
„Freundschaft, Freundlichkeit und die Kraft des Gebetes können Berge versetzen“, so Brenda Camden beim Besuch in der Marienstadt. Wie recht sie hat. Begegnen wir uns nicht nur zur Weihnachtszeit mit Freundlichkeit, nehmen wir uns, liebe Leserinnen und Leser, diesen Vorsatz doch mit ins neue Jahr. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr.