Beiträge

Wo Glaube noch der Regelfall ist

Seit zehn Jahren lebt der indische Missionar Pater Benny Kurian Valloor CST (geb. 10. Dezember 1970) schon in Deutschland, seit November 2015 ist er hier in Kevelaer als Seelsorger an St. Marien tätig. In wenigen Tagen wird der Pater aus der „Kongregation der kleinen Theresia vom Kinde Jesu“ für zehn Tage zur Mission nach Afrika aufbrechen. Das Kevelaerer Blatt sprach mit dem Seelsorger über seine Berufung, die Unterschiede zwischen Deutschland und Indien und die bevorstehende Mission in Kenia und Tansania.

KB: Pater Benny, aus was für einer Familie kommen Sie?
P. Benny: Ich komme aus einer einfachen, aber christlichen Familie. Mein Vater war Landwirt, hielt Kühe, Schafböcke, Schweine und baute Ingwer und Kautschuk an. Meine Mutter ist Hausfrau und erzog mich und meine drei Brüder. Alle meine drei Brüder haben eine eigene Familie, einer lebt zuhause, einer in England, einer in Amerika. Ich komme aus einem Dorf, in dessen Nähe der älteste Marienerscheinungsortes der Welt ist: Kuravilangad. Die dortige Kirche geht auf das Jahr 105 zurück.

KB: Wie kamen Sie zum Priesterberuf?
P. Benny: Ich wollte schon nach dem dritten Schuljahr Priester werden. Einer meiner Brüder hatte mir in der Ferienzeit eine Biographie über den hl. Franz von Assisi für Kinder gegeben. Als ich das las, musste ich weinen. Ich war so berührt von diesem Heiligen! In meiner Familie gibt es einige Priester und Ordensschwestern. Auch mein Schulfreund wollte Priester werden. Als wir beide 15 Jahre alt waren, begleitete ich ihn einmal zu einem Camp. Dieses hatte den Zweck, von den 200 Bewerbern für das Priesterseminar 50 herauszufiltern. Drei Priester der Kongregation, der ich heute angehöre, hatten die Bewerber geprüft. Sie fragten am Ende meinen Freund: „Mit wem bist Du hierher gekommen?“ Er wies auf mich und sagte: „Mein Freund will auch Priester werden!“ Spontan fragte mich einer der drei Patres: „Möchtest Du in unserer Kongregation Priester werden?“ Ich sagte spontan: „Ja!“ Einen Monat später war einer der Patres bei uns zu Hause. Mein Vater war erst dagegen, dass ich mit 15 Jahren schon in das Priesterseminar eintrete, aber schließlich hat er wie meine Mutter zugestimmt. Im Jahr 2000 wurde ich dann zum Priester geweiht.

KB: Wo wirkten Sie als junger Priester?
P. Benny: Da ich aus einer einfachen Familie komme, wollte ich auch selber zu den Armen gehen und kam im Jahr 2000 als junger Priester nach Punjab in Nordindien. Bei den Hausbesuchen durfte ich erleben, wie die Kinder immer gleich voll Freude zu uns Priestern kamen, wie die Mütter trotz ihrer Armut für uns kochten, oft noch von den Nachbarn etwas extra liehen. Die Liebe, die Zufriedenheit und der Zusammenhalt in den Familien war so schön!

KB: Ist es gefährlich, als christlicher Missionar in Nordindien zu wirken?
P. Benny: In Punjab in Nordindien sind die meisten Menschen Sikhs, die anderen sind Christen oder Hindus. Als ich noch im Priesterseminar war, gab es einige terroristische Sikhs, welche ganz Punjab zu ihrem Land machen wollten. Doch auch terroristische Sikhs haben Respekt vor Priestern und Ordensleuten. Sie würden keine Christen töten, die sie als Christen erkennen. Die Sikhs sind sehr liebe Menschen, sie lieben die Christen, lesen auch oft in der Bibel. Wir Priesterkandidaten wurden von unseren Oberen extra eingeladen, Kreuze zu tragen, da diese ein Schutz sind. Auch befreundete Hindus baten uns um Kreuze und Rosenkränze, damit auch sie geschützt sind. Heute leben zum Glück alle drei Religionen friedlich zusammen und die christliche Mission ist nicht gefährlich.

KB: Wie kamen Sie dann nach Deutschland?
P. Benny: Ich war einige Zeit für die Finanzen in meiner Kongregation zuständig. Ich wurde in dieses Amt gewählt, ich wollte das gar nicht. Ich sagte meinen Oberen auch: „Ich möchte Seelsorger sein und nicht immer mit Geld zu tun haben!“ Zufällig wurde dann ein Mitbruder, der gerade in Deutschland war, als Provinzoberer nach Indien berufen. Es musste für ihn Ersatz nach Deutschland. Auch ich wurde gefragt. Ich sagte nur: „Ich möchte in einem kleinen Dorf arbeiten!“ Darauf meinte der Provinzoberer: „Es gibt auch Dörfer in Deutschland!“ Als Ordensmann habe ich gelernt, zu gehorchen und eigene Wünsche zurückzustellen. Ich machte mir Sorgen wegen der Sprache, wegen der fremden Kultur, aber ich sagte schließlich Ja. Im Jahr 2007 kam ich dann nach Deutschland. Ich wollte nur kommen und schauen und konnte so gut wie kein Wort Deutsch. Zunächst hatte ich einen Sprachkurs in Dingden. Von 2008 bis 2015 wirkte ich in der Pfarrei Seliger Niels Stensen in Lengerich. Seit November 2015 bin ich hier in Kevelaer. Neben dem Beichtdienst, der Liturgie und dem Besuchsdienst an St. Marien werde ich auch manchmal von Ordensgemeinschaften zu Vorträgen eingeladen.

KB: Was sind die großen Unterschiede zwischen Deutschland und Indien?
P. Benny: Der Winter in Deutschland ist zwar sehr kalt, aber nicht so schlimm für mich. Schlimmer waren die Winter in Nordindien, weil es dort kein warmes Wasser, keine Heizung und oft auch keinen Strom gab. Ich schätze in Deutschland die Ordnung und Pünktlichkeit. Schon im Seminar in Indien hat mein Novizenmeister uns gesagt: „Wenn in Deutschland ein Zug abfährt, könnt ihr danach eure Uhr stellen! So sollt auch ihr sein: Zuverlässig!“ In Indien gibt es bei privaten Absprachen noch viel Unpünktlichkeit! Das Essen hier ist ganz anders als in Indien, aber ich mag Bratwurst, Gegrilltes und die deutsche Küche allgemein!

KB: Sie kommen aus Kerala in Südindien, wo es viele Berufungen gibt. In Deutschland dagegen gibt es wenig Priester- und Ordensnachwuchs. Woran könnte das liegen?
P. Benny: In meiner Heimat halten alle christlichen Familien ein Abendgebet. In meiner Familie dauert das etwa eine Stunde. Auch die Kinder nehmen daran teil. Meine Familie liest z.B. ein Kapitel aus der Bibel, verschiedene Betrachtungen, betet den Rosenkranz und Litaneien. Wenn alle christlichen Familien in Deutschland nur zehn Minuten jeden Tag für das gemeinsame Familiengebet hätten, wären die Kirche auch hier in einem Jahr wieder voll! Familien, die zusammen beten, halten zusammen!

KB: Sie gehören dem Orden „Kongregation der hl. Theresia vom Kinde Jesu“ an. Was ist das Charisma dieses Ordens? Was ist Ihr persönliches Lebensmotto?
P. Benny: Die hl. Theresia von Lisieux gilt als Patronin der Mission. Unser Orden ist ein reiner Missionsorden. Unser Gründer, Pater Basilius, hatte als Motto: „Be little, serve the little!“ – „Sei klein, diene den Armen!“ Mein Orden wird oft auch nach der hl. Theresia „Little-Flower-Congregation“ genannt. Mein Lebensmotto ist: „Wir haben nur ein Leben, das müssen wir mit Freude verbringen.“

KB: Im September werden Sie für einige Tage nach Afrika in die Mission gehen. Was wird Sie dort erwarten?
P. Benny: Eigentlich wollte ich einen Monat nach Afrika, aber da ich noch einen Mitbruder aus Indien auf seiner Pilgerreise durch Europa begleiten musste, habe ich nicht mehr so viel Urlaub und kann nur zehn Tage nach Afrika. In Kenia und Tansania werde ich meine neun Mitbrüder besuchen und ihnen helfen, wo ich kann. Wir leisten dort Hilfe zur Selbsthilfe. Ich war bisher noch nie in Afrika. Ich freue mich auf Afrika, aber ich bleibe natürlich weiterhin in Kevelaer!

KB: War die Tamilenwallfahrt vom vergangenen Samstag für Sie ein Stück Heimat auf dem Kapellenplatz?
P. Benny: Ja, es ist immer ein schöner Anblick, die Männer in Dhotis, die Frauen in ihren schönen, farbenfrohen Saris zu sehen. Der Familienzusammenhalt der Tamilen ist so stark wie in Indien. Und auf dem Tamilenmarkt habe ich gleich Reis gekauft.

Das Interview führte Doris de Boer.