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,Abgespeckte“ Variante wird favorisiert

Weiter Tauziehen um Pilgerankunft am Plümpe-Platz

Im Streit um die Pilgerankunft in der Wallfahrtsstadt sind die Fronten jetzt klar…

Die traditionelle Tagung erfolgt am Samstag virtuell. Doch die Teilnehmer*innen erhalten auch ein analoges Erinnerungspaket

Ganz Kevelaer denkt an die Pilgerleiter*innen

180 Pilgerleiter*innen wären eigentlich am Samstag, 27. März, zur Pilgerleiter*innentagung in der Wallfahrtsstadt zu Gast. Da das aufgrund der Pandemie nicht möglich sein wird, kommt Kevelaer nun zu ihnen nach Hause.

Gemeinsam den Jakobsweg entlang

Gelbe Strahlen auf blauem Grund: Diese Zeichen begegnen dem aufmerksamen Bürger immer wieder. Gerade in Kevelaer und Umgebung sieht man sie sehr häufig. Die gelben Strahlen symbolisieren die Pilgermuschel, die den Jakobsweg kennzeichnet. Auch Kevelaer als Wallfahrtsstadt ist für Pilger aus aller Welt attraktiv, so unter anderem für die Jakobspilger. Dazu zählen auch die „Pélerins du Soleil“ – fünf Frauen, die den Jakobsweg seit 2016 laufen. Sie sind tief mit dem Niederrhein verwurzelt und begannen den Weg quasi vor der Haustüre.

Den Gedanken, den Jakobsweg zu gehen, hatten sie schon länger, doch zunächst als Wochenendaktivität. Zu dieser Zeit war ihnen nicht bewusst, wie sehr sie das Pilgerfieber packen wird. Auf ihrer Homepage fassen die Frauen den Beginn zusammen: „Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Wir machen unseren ersten Schritt im Juli 2016 in Millingen/NL, als wir in der Kirche unsere Pilgerpässe im Empfang nehmen. Wir schlagen die leeren Seiten auf und stellen uns vor, wie sie sich im Laufe der Zeit durch viele Pilgerstempel füllen werden.“

Die erste Etappe läuft also von Millingen nach Kranenburg und danach teilt sich der originale Jakobsweg in zwei Stränge. Die widrigen Wetterverhältnisse in Form von Winterstürmen ließen es im weiteren Verlauf nicht zu, den Weg über den Reichswald zu nehmen, der über Goch nach  Kevelaer führt. Stattdessen kam nur der Weg über Kleve nach Kalkar in Frage. Diese ersten beiden Etappen führten dazu, dass bei den Frauen eine Leidenschaft entfacht wurde und sie das Vorhaben ernsthaft in die Zukunft tragen wollten. Der dritte Sonntag im Monat war fortan der Pilgertag. Das Wetter wurde in den wechselnden Jahreszeiten genommen, wie es kam. Die Gruppe lief mit wechselnder Besetzung, mal mit Gastpilgern, mal unvollzählig. Aus diesen Anfängen bildete sich die heutige Fünferkonstellation der Pélerins du soleil.

Über die Eifel nach Trier

In Köln stand die Entscheidung an, aus einem Pilgertag im Monat eine mehrtägige Tour zu machen, denn die Anfahrten nahmen immer mehr Zeit in Anspruch. Eine weitere Entscheidung, die zu treffen war, war die Frage, welche der Routen sie nach Frankreich führt. Die Wahl fiel auf den Weg über die Eifel nach Trier. Die Grenze überschritten sie in Schengen. Nach zwei weiteren Jahren kamen sie im Oktober 2019 in Dijon an. Die Etappe 2020 sollte erstmals über drei Wochen laufen und sie der spanischen Grenze näher bringen. Das große Ziel ist der berühmte Pilgerort Santiago de Compostela.

Corona führte in diesem Jahr jedoch zu einer Zwangspause, da Frankreich nicht passierbar war.  Weil die mehrtägigen Touren nicht mehr monatlich stattfinden konnten, wurden die großen Lücken damit gefüllt, parallel dazu die zweite Niederrheinroute von Goch über Kevelaer nach Aachen zu laufen. Das ist auch heute noch die fortlaufende Trainingsroute, der angesichts Corona eine besondere Bedeutung zukommt. 

Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft

Die Jakobsmuschel am Pilgerweg. Foto: privat

Das anfängliche Pilgerfieber ist über die Jahre zu einer Lebenshaltung geworden. „Prägend sind die vielen Begegnungen mit anderen Menschen, aber auch mit sich selbst. Erfahrungen wie bedingungslose Gastfreundschaft, uneingeschränkte Hilfsbereitschaft und aufmunternde Worte stärken  die Lebensenergie. In der Ausein­andersetzung mit den eigenen Grenzerfahrungen wächst das Vertrauen in die eigene Person und in das Leben“, sind sich die Pélerins einig.

Immer wieder stoßen die Frauen auf Erstaunen, dass sie über die Jahre als Gruppe zusammenbleiben. Viele Jakobspilger ziehen offenbar das Alleinlaufen vor, doch die Pélerins berichten, dass man auch als Gruppe zu sich selbst finden könne. Außerdem wachse die Konfliktfähigkeit und die Fähigkeit, sich in einer Gruppe positiv einzubringen. „Das hilft auch im Leben abseits des Pilgerweges weiter“, sind sie sich einig.

Häufig machen sich Menschen in den unterschiedlichsten, persönlich geprägten Lebenskrisen auf den Pilgerweg. Die Pélerins betrachten den Weg eher als Entwicklungschance, weniger als Lösung. Es geht ihnen mehr darum, unterwegs zu sein auf unterschiedlichen Ebenen, sei es körperlich, spirituell oder geistig. „Neugierig bleiben und das Leben anzunehmen, egal welche Wetterlage vorherrscht“, definieren sie ihr Motto.

Aktuell machen sie sich auf den Weg, Deutschland auf den südlichen Pilgerwegen zu erkunden. Das Ziel ist der Münchener Pilgerweg zum Bodensee. Dazu berichten sie wieder direkt von der Strecke in ihrem Blog „pelerinsdusoleil.blog“.

Auch während der Pandemie ist es möglich, in Kevelaer zu Gast zu sein

Wenn Dr. Rainer Killich aus seinem Fenster im Priesterhaus schaut, kann er den gesamten Kapellenplatz überblicken. Rechts die kleine Kapelle mit dem Gnadenbild, links die Basilika, etwas im Hintergrund dazwischen die Kerzenkapelle. Mittlerweile lodern wieder viele kleine Flammen an der Außen-mauer, die Ständer für die Opferkerzen der Pilger füllen sich zusehends. „Langsam läuft es wieder an“, sagt der Generalsekretär der Wallfahrt Kevelaer.

Auch die Wallfahrt hat unter der Corona-Pandemie gelitten. Traditionell war der Terminkalender voll. Doch dann kam der März und mit ihm das Virus. Die Pilgerleitertagung musste ausfallen. Und bei Killich stand das Telefon nicht mehr still: „Ich schätze, dass rund 95 Prozent aller Gruppen die Wallfahrt für dieses Jahr abgesagt haben. Einige haben sie vom Frühjahr in den Herbst verlegt, aber die meisten kommen nicht wie sonst üblich.“ Dennoch spürt er eine hohe Verbundenheit mit dem Wallfahrtsort. Oft las er rührende Mails und führte lange Telefonate mit Menschen, denen die Absage ehrlich leidtat.

„Uns ist diese Verbundenheit sehr wichtig“, betonte der Generalsekretär. So machte die Wallfahrtsleitung das Angebot, stellvertretend zumindest die jeweilige Pilgerkerze in Kevelaer zu segnen und anzuzünden, um die oft über Jahrhunderte gepflegte Tradition nicht abreißen zu lassen. Auch Einzelpilger konnten sich per Mail an das Priesterhaus wenden, jeden Tag wurden für sie Kerzen aufgestellt. „Das war eine sehr intensive Zeit“, resümiert Killich.

Immerhin durfte am 1. Mai die Wallfahrtseröffnung gefeiert werden, unter strengen Hygieneauflagen zwar, aber es sei ein wichtiges Signal gewesen. Noch immer dürfen sich maximal 150 Menschen gleichzeitig in der Basilika versammeln, um gemeinsam den Gottesdienst zu feiern.„Das funktioniert gut und hat sich eingespielt“, versichert Killich.

Mittlerweile kommen auch wieder erste, meist kleinere Gruppen in die Marienstadt.
Pastoralreferent Dr. Bastian Rütten berichtet von den seelsorglichen Erfahrungen im ersten Halbjahr der Pandemie: „Wir experimentieren und lernen.“ So lade man die Menschen, die sonst um 15 Uhr eine Andacht in der Basilika feiern konnten, nun zu einem Glaubens- und Gebetsimpuls unter freiem Himmel am Gnadenbild ein.

Dort würden auch Kerzen und andere Gegenstände der Pilger gesegnet. „Das wird sehr gut angenommen, oft bleiben Menschen, die eher zufällig vorbeikommen, stehen und hören sich den Impuls an“, hat er beobachtet. Insgesamt hat der Theologische Referent der Wallfahrt die vergangenen Monate erlebt als eine „Zeit der intensiven Kontaktpflege mit seelsorglichen Zügen“.

Im Speisesaal wurden die Tische neu gestellt, um die Einhaltung der Abstands-regeln zu gewährleisten. Mit dem ganzen Team freuen sich Rainer Killich (links) und Bastian Rütten auf die Gäste.
Foto: Bischöfliche Pressestelle

Zudem habe er erlebt, dass bei vielen Einzelpilgern das Bewusstsein für die Bedeutung der Wallfahrt zu spüren sei. Einige kämen in Vertretung größerer Gruppen, andere hätten sich nach der Absage großer Wallfahrten entschieden, nun selber nach Kevelaer zu kommen. Darauf habe man sich auch im Priesterhaus eingestellt, das in den früheren Jahren während der Wallfahrtszeit ausschließlich durch organisierte Gruppen belegt war. Nun hätten auch Einzelpilger die Chance, die Übernachtungsmöglichkeit und das damit verbundene seelsorgliche Angebot des Hauses direkt im Zentrum der Wallfahrtsstadt zu nutzen, mit Vollpension. Auch das sei neu.

„Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier freuen sich, wenn sie wieder für die Pilger da sein dürfen. Auch während der Pandemie ist es möglich, in Kevelaer zu Gast zu sein“, betont Rütten. Natürlich gelten im Priesterhaus – das, anders als es der Name vielleicht vermuten lässt, nicht nur Geistlichen eine Herberge bieten kann -, die üblichen Hygienevorschriften. Im Speisesaal wurden die Tische entsprechend den Abstandsregeln aufgestellt, statt am Büfett wird das Essen direkt auf dem Teller serviert. „Für die meisten Gäste ist das schon eine Selbstverständlichkeit“, sagt Rütten.

Aus Gesprächen mit den Besuchern weiß er: „Die Begegnung mit der Trösterin der Betrübten, als die Maria hier in Kevelaer verehrt wird, tut den Menschen gut. Viele sagen, dass es ihnen nun wieder besser geht. Es geht dabei gar nicht darum, Leute irgendwie in eine andere Realität zu holen, sondern um das Hier und Jetzt. Leib und Seele gehören da zusammen und das erfahre ich sehr deutlich bei den Gästen, die zurzeit hierhin kommen als Pilger oder Wallfahrer, aber auch als Touristen.“