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Herausragender Vertreter

Herausragender Vertreter der weitverzweigten Kevelaerer Goldschmiede-Familie van Ooyen war Paul van Ooyen, der am 7. Dezember vor 100 Jahren in Kevelaer auf die Welt kam. Seine Eltern waren der Graveur und Ziseleur Johann van Ooyen und Maria van Ooyen, geborene Küsters.

Von 1934 bis 1938 absolvierte Paul van Ooyen eine vierjährige Lehre in den Kevelaerer Betrieben von Bernhard Peters und Johann van Ooyen, machte seine Gesellenprüfung und begab sich 1938 für zwei Arbeitsjahre nach Dortmund.

Kriegsdienst, Gefangennahme, Flucht und Heimkehr prägten die Jahre von 1940 bis 1945. Fuß fasste er danach zunächst im elterlichen Betrieb. 1946 nahm er berufsbegleitend für vier Semester ein Werkstudium an der Werkkunstschule in Krefeld auf und legte 1948 vor der Handwerkskammer in Düsseldorf seine Meisterprüfung ab.

Zwei Jahre später heiratete der junge Mann seine Liebe: Irene, geborene Kollath. Sie war Schneiderin. Vier Kinder brachte sie zur Welt.

Zu dieser Zeit hatte Paul van Ooyen bereits ein denkwürdiges Ereignis begleitet. Nach dem Krieg war er einer der Männer gewesen, die das vor den Nazis in Sicherheit gebrachte und unter dem Basilikaturm vergrabene Gnadenbild aus seinem Versteck geholt hatten. Er und der damalige Küster der Basilika, Canisianer-Bruder Norbert Hubbeling sowie Dechant Wilhelm Holtmann erlebten diesen unvergleichlichen Moment in dem Bewusstsein, dass das Bild in den letzten Kriegstagen gerade unter dem Turm in höchster Gefahr gewesen war.

1953 machte Paul van Ooyen sich im väterlichen Betrieb an der Basilikastraße 19 mit einem eigenen Gewerbe selbstständig. 1958 führte er nach dem Tod des Vaters das elterliche Unternehmen weiter. 1965 siedelte er zur Basilikastraße 25 um. Dort kümmerte er sich nicht nur um seine eigene Goldschmiede, sondern widmete sich zudem intensiv der Nachwuchsausbildung. In den 1950er- und 1960er-Jahren leitete er als Gestaltungslehrer Zeichen- und Modellierkurse im Bildungswerk der Kolpingfamilie.

Auf vielfältigste Art setzte er sich für angehende Gold- und Silberschmiede ein: als Lehrlingswart der Innung Geldern – Kleve – Moers (1959 bis 1969), als Mitglied und später Vorsitzender der Gesellenprüfungsausschüsse dieser Innung (1959 bis 1972), als ihr Obermeister (1970 bis 1984) und als Beisitzer des Meisterprüfungsausschusses für das Goldschmiedehandwerk der Handwerkskammer Düsseldorf (1971 bis 1987) bzw. als deren Vorsitzender (ab 1975). In der eigenen Werkstatt bildete er im Laufe der Jahre 31 Lehrlinge aus.

Als Mitte der 1970er-Jahre die Bezirksfachklasse in Geldern geschlossen wurde und die Gold- und Silberschmiedelehrlinge die Düsseldorfer Berufsschule besuchen sollten, organisierte Paul van Ooyen einen halbjährigen Streik der jungen Leute. Der Grund: „Unhaltbare Zustände beim Fachunterricht.“ Paul van Ooyen übernahm mit Kollegen und Fachlehrern ersatzweise ehrenamtlich den Unterricht für diese Zeit in der Berufsschule in Kevelaer – mit beachtlichen Folgen: An der neuen berufsbildenden Schule in Essen-Ost entstanden Bezirksfachklassen mit angemessen gutem Fachunterricht. Sie haben bis heute Bestand.

1977 vertrauten ihm seine Berufskollegen das Amt des stellvertretenden Landesinnungsmeisters NRW an. Nach drei Jahren rückte er an die erste Stelle (1980 bis 1990). Ebenfalls ab 1980 (bis 1984) engagierte er sich als Mitglied des Präsidiums des deutschen Zentralverbands der Gold- und Silberschmiede sowie Juweliere.

Als 1984 eine Kevelaerer Sektion der St.-Eligius-Gilden gegründet wurde, geschah dies auf Initiative der Goldschmiede Herbert Cürvers und Paul van Ooyen zusammen mit Pastor Richard Schulte Staade.

Paul van Ooyen 1948 in der Werkstatt seines Vaters Johann. Foto: KB Archiv

1986 wurde Paul van Ooyen mit der Goldenen Ehrennadel des Handwerks ausgezeichnet (die silberne Ehrennadel des Landesverbands NRW hatte er bereits 1979 erhalten). Es geschah in dieser Zeit, dass sich der Meister auf eine der wichtigsten Stationen in seinem Goldschmiede-Leben vorbereitete. Im Schaufenster seiner Unternehmung zeigte er das in seiner Werkstatt gefertigte Geschenk der Wallfahrtsleitung für Papst Johannes Paul II., der zur Wallfahrtseröffnung 1987 Kevelaer besuchen sollte: eine originalgetreue Kopie des Rahmens, der das Kevelaerer Gnadenbild hält.

Zu diesem Bildchen hat die Familie van Ooyen eine tiefe Beziehung: Seit drei Generationen pflegt und reinigt sie es, zusammen mit dem Rektor der Wallfahrt. So kannten Vater und Sohn van Ooyen das Gnadenbild in- und auswendig, als sie sich an die Arbeit für das Papst-Geschenk machten.

Norbert van Ooyen hatte im Jahr vor dem Papstbesuch gerade seine Meisterprüfung bestanden. Auf die Frage an seinen Vater, wer die Hauptarbeit an dem Geschenk geleistet habe, antwortete Paul van Ooyen damals schnell: „Ich war der Lehrling meines Sohns.“

Paul van Ooyen, der zuletzt Ehrenmitglied der Bruderschaft Consolatrix afflictorum war, wurde 1992 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seit demselben Jahr wird in der Sakramentskapelle eine Reliquie des seligen Adolph Kolping aufbewahrt. Das Reliquiar und der Reliquienschrein sind aus den Händen von Goldschmiedemeister und Kolpingsohn Paul van Ooyen.

Er starb am 18. April 1993 nach längerer Krankheit hoch angesehen mit 73 Jahren. Wie andere Goldschmiedemeister in der Marienstadt hat auch er über Jahrzehnte mit seiner Arbeit Zeugnis für seine ethischen Werte und seine christliche Überzeugung abgelegt.