Beiträge

Shopping lockt in die Innenstadt

Nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist klar: Der Handel in den deutschen Innenstädten steht massiv unter Druck. Mit der Untersuchungsreihe „Vitale Innenstädte“ versucht das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln anhand von Besucherbefragungen in Innenstädten Trends aufzuzeigen. Städte und Unternehmen sollen dann aus den Ergebnissen Handlungsfelder und Konzepte für die Zukunft herleiten. 

2020 wurden fast 58.000 Passant*innen bundesweit in 107 Städten unterschiedlicher Größe an mehreren Donnerstagen und Samstagen Ende September bis Mitte Oktober befragt. Kevelaer hat auf Betreiben der Wirtschaftsförderung erstmals an der Untersuchung teilgenommen; hier wurden rund 600 Besucher*innen der Innenstadt befragt.

Inwieweit die Umfrage während der Pandemie Sinn ergibt, mag hier einmal dahingestellt sein; einige Auftraggeber haben jedenfalls aufgrund der aktuellen Lage von Gastronomie und Einzelhandel von einer Veröffentlichung abgesehen. 

Kevelaerer*innen kaufen in Kevelaer

Auffällig ist in jedem Fall, dass die Antworten bei einer Frage in Kevelaer deutlich vom Durchschnitt anderer Städte abweicht. „Wohnen Sie in dieser Stadt oder außerhalb?“, hatten die Interviewer gefragt. Mehr als 95 Prozent der Befragten beantworteten diese Frage mit „Ja“. Im Schnitt kamen also weniger als 5 Prozent der Befragten von außerhalb. In anderen Städten im für Kevelaer relevanten „Ortsgrößendurchschnitt“ (Mittelstädte mit 25.000 bis 50.000 Einwohnern) waren es rund 35 Prozent. 

Unabhängig von den Ursachen darf man also davon ausgehen, dass die Antworten weitestgehend das Meinungsbild der Kevelaerer*innen widerspiegelt. Weiterhin auffällig ist der erhöhte Altersdurchschnitt der Befragten, der bei 49,4 Jahren, in Kevelaer bei 52,1 Jahren liegt. Ein sehr hoher Anteil der über 65-Jährigen und ein außerordentlich geringer Anteil von Besucher*innen bis 20 Jahre ist hier ebenfalls markant.

Die vergebenen Schulnoten haben die Untersucher des Instituts für Handelsforschung in ein „Ampelsystem“ umgestrickt. Einen ,Rotlicht-Bereich‘ (Schulnote 4 bis 6) gibt es in Kevelaer demnach nicht. Mit 1 oder 2, (einem grünen Ampellicht) bewerteten die Befragten recht viele Bereiche, einige dürften dabei Erstaunen auslösen: Gut bis sehr gut sind demnach die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit mit PKW und Motorrad, die Erreichbarkeit mit dem Fahrrad, die Parkmöglichkeiten, Orientierung und Wegführung, das Gastronomie- sowie das Dienstleistungsangebot. Schlechter (Schulnote 3, gelbe Ampel) schneiden das Freizeit- und Veranstaltungsangebot ab. Hier gebe es „noch deutlich Luft nach oben“ erklärte Nicolaus Sondermann, der für das IFH die Untersuchung online präsentierte. 

Sauber, sicher und bequem

In Bezug auf das „Allgemeine Ambiente / Flair / Atmosphäre“ sind die Befragten mit „Sicherheit“, „Sauberkeit“, „Bequemlichkeit“, sowie mit „Plätzen, Wegen, Grünflächen, Sitz- und Verweilmöglichkeiten“ sehr zufrieden, nur eine 3 bekommen dagegen „Gebäude / Fassaden“, „Lebendigkeit“ und „Erlebniswert“. 

Als Handelsforschungsinstitut fragt das IFH selbstverständlich auch die Zufriedenheit mit dem örtlichen Einzelhandel ab. Gute Noten bekommt Kevelaer von den Befragten hier in den Branchen „Schuhe / Lederwaren“, „Uhren / Schmuck“, „Apotheken“, „Bücher“, „Drogeriewaren etc.“ sowie „Lebensmittel“. Nur „befriedigend“ schneiden dagegen „Bekleidung“, „Unterhaltungselektronik / Computer / Foto / Telekommunikation“, „Wohnen / Einrichten / Dekorieren“, „Büro / Schreibwaren“, sowie „Sport / Spiel / Hobby“ ab.

Ein Ergebnis der Untersuchung ist ganz eindeutig: Die Besucher*innen kommen in erster Linie zum „Shopping“ in die Innenstadt – in Kevelaer sogar mehr als im Durchschnitt (siehe Grafik 1). Andere Gründe spielen für den Besuch der Innenstadt eine untergeordnete Rolle und liegen in Kevelaer allesamt deutlich unter dem Durchschnitt. Ebenfalls deutlich: mehr als die Hälfte der Besucher*innen gab an, mit Auto oder Motorrad gekommen zu sein. Allerdings ist hier auch der Anteil der Fahrradfahrer*innen deutlich höher als im Durchschnitt (siehe Grafik 2 weiter unten im Beitrag).

Interessant sind auch die Antworten der Befragten zu ihrem Einkaufsverhalten: Nur 7,1 Prozent gaben in Kevelaer an, verstärkt online zu kaufen (im Durchschnitt 15,4 %); 40,8 % kaufen „überhaupt nicht online ein“ (im Durchschnitt 33,8 %). Corona hinterlässt beim Einkaufsverhalten ein ungleichmäßiges Bild: Wer online zum Shopping unterwegs ist, kauft verstärkt bei großen Online-Marktplätzen ein. Fast die Hälfte der in der Innenstadt befragten Besucher*innen (48,9 %) gab aber auch an, bewusst mehr in der Innenstadt zu kaufen, „um die lokalen Anbieter zu stärken“. Dazu passt, dass 80 % der Befragten angab, „regionale Produkte“ seien für sie „sehr wichtig“.

Sonntags eher nicht öffnen

Bei einem anderen in Kevelaer heiß diskutierten Handels-Thema ist das Meinungsbild übrigens deutlich: Über 70 Prozent der Befragten meinen auf die Frage, ob Geschäfte sonntags häufiger öffnen sollen „nein“ oder „eher nein“. Ein Trend, der übrigens bundesweit so abzulesen ist.

Interessant ist auch die Frage nach der Nutzung von Medien, um sich über das Angebot der Innenstadt zu informieren: Deutlich weniger als im Durchschnitt sind die in Kevelaer Befragten hier online unterwegs, lediglich Internetseiten und Onlineshops lokaler Geschäfte besuchen hier mit 11 % der Befragten mehr als im Durchschnitt (10,2 %). Kevelaer liebt offenbar analog: Fast 50 % der Befragten informieren sich über „Prospekte / Flyer / Plakate“; sogar 61,9 % nutzen die Printausgaben regionaler und lokaler Zeitungen.

Grafik 2: Verkehrsmittel Grafik: IFH Köln

Doch Umfrage-Ergebnisse sind nur die eine Seite der Medaille. Die andere sind die Schlüsse, die man aus ihnen zieht, die Ideen und Konzepte, die man daraus herleitet. Kevelaers Wirtschaftsförderer Hans-Josef Bruns meint dazu: „Wir haben die Studie nicht für die Schublade gemacht und wollten auch nicht nur bestätigt bekommen, was wir ohnehin schon wissen. Wir kennen jetzt noch genauer die Kundenerwartungen, um die richtigen Ansätze zu finden.“

Hans-Josef Bruns, Wirtschaftsförderer der Stadt Kevelaer. Foto: KB-Archiv

Welche Schlüsse zieht der Wirtschaftsförderer der Wallfahrtsstadt aus der vorliegenden Studie? „Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse möchte ich fünf Erkenntnisse besonders herausstellen: 

1.  Kevelaer steht insgesamt gut da. Sowohl im Vergleich zum Bundesdurchschnitt als auch im Vergleich innerhalb der Ortsgrößenklasse.

2.  Online-Shopping hat das Einkaufsverhalten maßgeblich verändert. Es hat eine Umsatzverschiebung gegeben und zukünftig werden sich die Vertriebswege noch mehr miteinander vermischen. Trotzdem bestimmt der stationäre Einzelhandel hier in Kevelaer auch zukünftig maßgeblich, wie attraktiv unsere Innenstadt wahrgenommen wird. Der Einzelhandel und die Gastronomie sind und bleiben deshalb ein sehr wichtiger Anziehungsfaktor für Kevelaer. Das bedeutet positive Ausstrahlungseffekte für die ganze Innenstadt. Auch der Lebensmitteleinzelhandel spielt dabei eine extrem wichtige Rolle.

3.  Aber es müssen auch neue, zusätzliche Angebote entwickelt werden. Die Studie nennt hier Entwicklungsthemen wie neue Veranstaltungsformate, Angebote für jüngere Zielgruppen und die Entwicklung von weiteren Angeboten gerade im Bereich von Kunst und Kultur. 

4.  Insgesamt ist der Faktor „Freizeit“ und „Erlebnis“ auszubauen. Unsere Innenstadt wird natürlich auch gerne in der Freizeit besucht. Unser Augenmerk muss deshalb auch zukünftig in einer verstärkten Zusammenarbeit der Akteure aus Handel und Freizeit liegen. 

5.  Die weichen Faktoren wie Ambiente und Flair, Sicherheit und Sauberkeit und auch Parken und Erreichbarkeit erzielen sehr gute Werte.

Die Optionen

Welche Aufgaben fasst die Wirtschaftsförderung in den Blick? „Die Handlungsoptionen für eine dauerhafte Attraktivitätssicherung und -steigerung sind für uns ganz klar: 

1.  Fokussierung auf unsere bestehenden Zielgruppen und Entwicklung von Formaten für jüngere Zielgruppen, auch in Fragen zielgerichteter Kommunikation.

2.  Stärkung von (inhabergeführtem) Einzelhandel und der Gastronomie 

3.  Ausbau weiterer Angebote und Funktionen, die für die Besucher einen hohen Stellenwert haben und zu einer Erhöhung von Freizeit- und Erlebniswert führen müssen.“