Beiträge

Jeder Stich muss sitzen

Geordnetes Chaos empfängt den Besucher, wenn er die kleine „Werkstatt“ betritt, in der an drei Tagen in der Woche eine kleine Gruppe handarbeitsbegeisterter Frauen zusammenkommt. Dabei sind es nicht irgendwelche Handarbeiten, die unter den geschickten Fingern der Damen entstehen.

Dort in dem Raum über dem St. Marien-Kindergarten werden Paramente repariert oder auch neu hergestellt. Überall liegen Stoffpakete und Garn, hängen edle Messgewänder, aber auch alte und neue Fahnen.

Sabine Krysmann, die seit 15 Jahren die Gruppe der Frauen leitet, zeigt stolz die Chronik des Kevelaerer Paramentenstickvereins an St. Marien. Seit 1900 arbeiten in diesem Verein Frauen ehrenamtlich an den feinen Stick- und Näharbeiten. Feinsäuberlich und akribisch aufgelistet sind die Namen der vielen Helferinnen über diese lange Zeit.

Pastor Richard Schulte-Staade war es zu verdanken, dass der Verein weiter lebendig blieb.

Gestartet war die Paramentengruppe vor 120 Jahren mit 30 Frauen, dazu gehörte unter anderem Helene Stummel. Bis 2005 hatten immer die „Schwestern der göttlichen Vorsehung“ die Leitungsposition inne. Pastor Richard Schulte-Staade war es zu verdanken, dass der Verein weiter lebendig blieb. Er war es auch, der Krysmann als erste „freie“ Leitung einsetzte.

Die Gruppe, die heute zwölf Frauen zählt, zeigt ihm gegenüber große Dankbarkeit und Verbundenheit. Er, wie auch seine Nachfolger, hielten die Paramentengruppe über all die Jahre hoch und unterstützten sie.

So trifft man sich in lockerer Runde, je nachdem wie oft es die Zeit erlaubt. Bevor es an die Arbeit geht, wird aber erst einmal Kaffee getrunken, erzählt und natürlich besprochen, was zu tun ist, so auch an diesem Nachmittag. Hautnah bekommte man einen Eindruck von dieser Gemeinschaft, in der sich alle sehr wohl fühlen. So ganz nebenbei fliegen bei einigen Damen in der Pause die Stricknadeln. „Nutzlos herumsitzen, das geht gar nicht“, bemerkt Elisabeth Bergmann, die seit 2002 dazugehört.

Bereits seit 41 Jahren dabei ist Anneliese Uffermann, die schon immer gerne Handarbeiten gefertigt hat. Sie betont, wie wohl sie sich in der Gemeinschaft mit den anderen fühlt. Stress komme nicht auf, bis auf einmal, als drei Wandbehänge gefertigt werden mussten. Da sei dann etwas Druck gewesen und sie habe bis spätabends gearbeitet.

Wallfahrtsrektor Rolf Lohmann führte die Tradition fort.

Denn meistens wird eine Arbeit auch von einer einzigen Frau fertiggestellt, da jede ihren eigenen Stickstil habe, berichtet Krysmann. Das kann sich dann auch über mehrere Jahre hinziehen. So hat die Fertigstellung der KFD-Fahne zwei Jahre gedauert. Zurzeit sind die Damen mit Arbeiten beschäftigt, wo feine, zarte Stickereien gefordert sind. Jeder Stich wird sorgsam ausgeführt. Da sind viel Geduld und Fingerspitzengefühl nötig. Maria Wienhofen unterstützt dabei die Gruppe mit Fachwissen. Sie hat den Beruf der Paramentenstickerin von der Pike auf gelernt.

Als Gruppe präsentiert man sich bei unterschiedlichen Veranstaltungen, wie der Außenmesse oder im Erntedank. Gemeinsame Unternehmungen stärken den Zusammenhalt der Gruppe,was Krysmann sehr wichtig ist: „Jeder gehört dazu.“ So gibt es zu runden oder etwas größerten Geburtstagen immer ein gemütliches Kaffeetrinken. Selbstverständlich dürfen auch Weihnachtsfeier und der jährliche Ausflug mit dem Pastor nicht fehlen.

Zur heutigen Kaffeerunde gesellt sich auch Kirchenschweizer Edmund Pitz-Paal. Er stickt zwar nicht, ist aber seit vielen Jahren sozusagen der Zulieferer der Gruppe. Gemeinsam mit Bruder Klaus hat er früher wöchentlich die reparaturbedürftigen Paramente zur Gruppe gebracht.
Neben den eigentlichen Paramenten werden aber auch die Fahnen geflickt, und wenn nichts mehr geht, zu Putzlappen verarbeitet. Es gibt immer etwas zu tun.

Hintergrund

Paramente sind die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten Textilien, wie Messgewänder, Stolen, Altartücher oder Tücher wie das Kelchvelum, das Tuch zur Verhüllung des Kelches. Paramente müssen aus natürlichen Materialien gefertigt werden. Edle Stoffe wie Leinen und Seide kommen dabei hauptsächlich zum Einsatz. Feine Stickgarne und Japangold werden für die kunstvollen Ornamente verwendet. Ist ein Parament nicht mehr zu reparieren wird es der Erde zurückgegeben. Es wird in kleine Teile geschnitten, verbrannt und vergraben.

Heute umfasst die Gruppe zwölf Frauen.