Beiträge

Der Zuversichtliche

Dass er von seiner Heimatstadt Aachen aus den Weg ausgerechnet an den Niederrhein und nach Kevelaer finden würde, sei irgendwie schon vorgezeichnet gewesen, meint Martin Brandts. „In Aachen wird Maria auch sehr verehrt. Es war vorhersehbar, dass ich dann in einer weiteren Marienstadt heimisch werde. Ich wandle sozusagen ein Stück auf Marias Wegen“, sagt der 50-Jährige.

Dass das so ist, „das ist mir erst im Laufe der Jahre so richtig aufgegangen. Das tut vor allem in Zeiten gut, wo es auch mal schwierig ist“, sagt Brandts. „Der Kapellenplatz ist für mich so ein Kraftpool wie der Aachener Dom“, äußert er mit Überzeugung. Er identifiziere sich vollkommen mit Kervenheim und Kevelaer, auch wenn es zu Beginn auch mal geheißen habe: „Du bist ja nicht von hier.“ Aber das habe sich geändert. „Wenn man mit den Alten in Kervenheim ins Gespräch kommt, stellt man fest: Viele sind nicht ursprünglich von hier, aber in Kervenheim auch heimisch geworden.“

Schon der Vater sei praktizierender Familienrichter gewesen. „Daher kommt meine Leidenschaft für das Familienrecht.“ Über seine Mutter, die verstarb, als er fünfzehn Jahre alt war, möchte Martin Brandts nicht so viele Worte verlieren. „Sie war schwer erkrankt.“

Passionierter Sportler

Er war passionierter Fußballer und Tennisspieler. Bei den Alten Herren Kervenheim kickt er heute noch mit: „Der Mittwochabend ist da gesetzt.“ Neben Beruf und Fußball gibt es noch die Pferde, die bei der Schwiegermutter stehen, die zum Ausgleich beitragen. „Und wenn ich mit meiner Motorsense unterwegs bin, fallen mir die besten Ideen ein.“

Über den „großen“ Heinz Koppers sei er an die Fußballtruppe gekommen. „Er hat uns bis zuletzt angefeuert und motiviert. Er war eh so ein bisschen ein Mentor für mich“, gesteht Brandts. „Dementsprechend ist es für mich eine Ehre, in der Truppe die Rolle des Obmanns tragen zu dürfen. In der Tradition von Heinz habe ich das gerne übernommen.“

Nachdem er in Aachen das Abitur geschafft hatte, ging er dann kurz zum Bund. Nach einem Lehramtssemester in Aachen sattelte er 1991 in Bonn auf Jura um. „Da habe ich gelernt, wie man auch mal Ellenbogen einsetzen muss und zugleich auch das Milieu kennengelernt, mit dem ich heute im Strafrecht zu tun habe. Eine gute Lebensschule.“ Nach dem zehnten Semester war das 1. Staatsexamen geschafft.

Die Referendarzeit verbrachte er Mitte der 90er-Jahre in Aachen, gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau Elke, die er während seines ersten Staatsexamens über einen Studienfreund kennenlernte, der genauso dem Pferdesport zugetan war wie seine Frau.

Erst wurde in Aachen standesamtlich geheiratet – ein halbes Jahr später dann kirchlich am Kloster Mörmter in Xanten. Aus der Verbindung ging die heute 16-jährige Tochter Alessandra hervor. „Ohne die Kervendonkerin Elke“, sagt Brands heute, „wäre es nie möglich gewesen, hier so anzukommen. Den Anker braucht man schon, sonst fragen sich alle: wie kommt der nach Kervenheim und auf die Idee, hier zu leben?“

Das Paar lebt seit 2002 in Kervenheim. Am 1. April 2003 eröffnete der damals 33-Jährige seine Kanzlei in der Ortschaft. Nachdem Brandts in Kervenheim als Mensch und Anwalt angekommen war, „hatte ich den Wunsch, das Größere mit in den Blick zu nehmen.“ Und das ging für ihn nur „über die Kommunalpolitik.“ Auch da schlug der Einfluss des Vaters, der alter CDU-ler ist, voll durch. „Da bin ich insofern konservativ und treu.“ Ich muss nicht mit allem in der großen Politik einverstanden sein, sich ständig neu auszurichten sei „nicht mein Ding.“ Konstanz findet er da „total wichtig und gibt mir auch Halt“, wählt Brandts einen blumigen Vergleich dazu: „Im Leben und in der Ehe ist auch nicht alles Erdbeermarmelade.“ So gesehen war die CDU „der logische Schritt“, die Schnittmenge inhaltlich da für ihn am größten.

Dinge verändern

Und so wurde er nicht nur Ratsmitglied, sondern ab 2014 auch Ortsvorsteher. „Ich wollte einfach Dinge verändern“, sagt Brandts. Wobei ihm in dieser neuen Rolle egal ist, wer welches Parteibuch hat. „Als Ortsvorsteher bin ich Ortsvorsteher für alle – da ist mir das völlig schnuppe. Im Rat darf da ruhig auch mal ein wenig anders sein, aber das sind zwei paar Schuhe.“

Auch er hatte das Scheitern des Dorfladens 20120/23 miterlebt, den er bis heute „eine Chance“ nennt. „Der Kunde vor Ort hat das entschieden“ – und bei vielen damals Engagierten sicher auch „tiefe Wunden“ hinterlassen, sagt Brandts. „Am Ende waren es Zahlen, die es nicht hergaben. So ehrlich muss man sein.“

Seitdem habe sich in Kervenheim aber schon einiges verändert. „Insgesamt gehen wir offener miteinander um. Es ist mehr Raum für eigene Ideen. Die Beteiligten haben begriffen, dass dieses Gegeneinander eine Sackgasse ist. Für mich war es wichtig, die Gemeinsamkeiten zu entdecken.“

Dafür fanden sich auch Mitstreiter wie einst Horst Neisius beim Heimat- und Verschönerungsverein als „das beste Beispiel, alte Krusten aufzubrechen.“ Heute sei man „an einem anderen Punkt.“ Natürlich gelte Kervenheim oft als das „vergessene Dorf“ oder als „Schlafstadt“.    Das „müssen wir ernst nehmen und versuchen, da gegenzusteuern.“
Kervenheim sei aber mehr als ein Ort ohne Apotheke, ohne Arzt, ohne Bank und bald vielleicht auch ohne Bäcker und Kneipe. „Die strukturellen Probleme existieren nicht erst seit heute“, sagt der CDU-Politiker. „Aber ich wehre mich dagegen, uns immer nur damit zu definieren, was wir nicht haben, sondern was wir an Kreativität und Reichtum haben.“ Es seien viele Projekte in Gang gekommen wie die Sanierung der Turnhalle, der Weg entlang des Sportplatzes oder die Tatsache, dass Kervenheim als allererstes Dorf Glasfaser bekam.

Die Stadt habe Geld in den Kindergarten gesteckt. „Der Kindergarten und die Schule sind die Seele unseres Dorfes.“ Klar gefalle vielen die Grundschul-Kooperation mit Winnekendonk nicht. „Aber sie war damals notwendig, den Standort Kervenheim dauerhaft zu sichern.“ Und das ist eine der Rahmenbedingungen, die für ihn wichtig sind, „dass Kervenheim für junge Familien attraktiv bleibt.“

In Sachen Einkaufen gebe es das Instrument der Mitfahrbank, das voraussichtlich bald auch nach außen sichtbar werde. „Die Radfahrverbindung in die Nachbarorte muss besser werden“, sieht Brandts da noch eine große Baustelle. Und die „schwierige Kreuzung Schloss-Wissener-Straße /Winnekendonker Straße“ müsse unbedingt entschärft werden. „Da bleibe ich auf jeden Fall dran, bis das dicke Brett durchgebohrt ist.“

Dass er aktiv den Austausch mit allen Vereinen vor Ort suche, sei für ihn sehr wichtig. „Mich interessiert total, was sie machen. Die Veranstaltung ist für mich in der Regel nicht vorbei, wenn sie vorbei ist.“ Das bedeute aber schon, „dass man mich dann schon mit vielen teilen muss. Das mag speziell für meine Familie nicht immer schön sein.“ Die hätte nichts dagegen gehabt, wenn er nicht noch einmal Ortsvorsteher geworden wäre, trägt es aber trotzdem gerne mit.

Was Blühendes

Für 2021 erhofft er sich für Kervenheim, dass weiter „viele kleine Dinge in Umsetzung gehen“ wie ein neues Großspielgerät in Form einer Burg, das voraussichtlich im April 2021 kommen soll. Und schließlich ist da noch das 750-Jahre-Jubiläum der Burg und der 112. Geburtstag der Feuerwehr, was nachgefeiert werden muss. „Es tut sich was“, bleibt Brandts zuversichtlich, dass aus dem vielbesungenen „Heimatstädtchen“ Kervenheim noch etwas Blühendes entsteht.

Bereit für eine neue Aufgabe

Als ich den neuen Kevelaerer Ortsvorsteher Peter Hohl in seinem Haus an der Venloer Straße antreffe, wirkt er nachdenklich. „Die Situation beschäftigt mich schon sehr“, bekennt der 75-jährige Mann. Gemeint ist die besondere Corona-Zeit. „Es ist nichts berechenbar – und Demut ist da der beste Begriff“, meint der gestandene CDU-Politiker, der 45 Jahre lang im Kreistag und 26 Jahre lang als Mitglied der Landschaftsversammlung Rheinland die Geschicke der Region mitgestaltet hat. „Aber lieber diese Zeit als Krieg oder Hungersnot“, merkt man ihm die Ernsthaftigkeit an, mit der er sich momentan auseinandersetzt. Eigentlich wollte der frühere Hauptschullehrer, der an der Weezer Johannesschule tätig war und seit 1972 in der Kevelaerer City wohnt, keine große exponierte Position mehr. „Das kam nicht von mir – ich bin gefragt worden“, sagt der Feingeist, der privat Klavier spielt, nebenbei auch noch malt und in Vereinen wie den Bürgerschützen und im Museum mitmischt. 

„Keine Mandatspolitik“, das habe er sich auf die Fahnen geschrieben für seine Zeit als Politik-Rentner. „Dabei bin ich geblieben“, unterstreicht er. Es sei ein entscheidender Unterschied, „ob man Entscheider ist oder eine repräsentative Aufgabe annimmt.“ Die Position des Ortsvorstehers sei für ihn so gesehen nicht so belastend – zumal jetzt alle Autofahrten nach Kleve und Köln wegfallen. Für Frau und Enkel bleibt also ausreichend Zeit. Und bei so einem Angebot Nein sagen, das kam für ihn nicht in Frage. „Dass ich gefragt wurde, ist ein Ehre für mich – und dass ich von allen Fraktionen gewählt wurde, ist für mich das Pünktchen auf dem i.“

Dass er dabei in große Fußstapfen tritt, ist ihm klar – schließlich bekleideten schon Persönlich-keiten wie Egon Kammann und Dr. Edmund Bercker dieses Amt. Sowohl er selbst als auch andere trauen ihm dieses Amt zu – „das ist eine große Motivation für mich.“ Die Position des Ortsvorstehers, die will er allerdings nicht überhöht wissen. „Ich bin da nur das Kommunikationsmedium, das Bindeglied zwischen Bürger*innen und der Verwaltung“, sagt Peter Hohl. Aber in der Funktion will er natürlich Ansprechpartner sein.

Innenstadt, Radkultur und Autoverkehr

Die lebendige Vielfalt der Stadt zu erhalten mit ihren Altbürgern, Neubürgern und Zugezogenen, der Sport- und Kulturszene, die Kirchengemeinden nicht zu vergessen – dafür will er sich einbringen. Die Gestaltung der Innenstadt mit dem Kapellenplatz, dem Johannes-Stalenus-Platz und dem Peter-Plümpe-Platz sind ihm natürlich ein Anliegen – genauso wie eine umweltfreundliche Infrastruktur. „Das gilt vor allem für die Radkultur.“ Er würde sich vernünftige Haltepunkte und Abstellmöglichkeiten in der Innenstadt wünschen. „Das ist für Jung und Alt, wenn man die Stadt radgerechter macht.“ Überhaupt solle im politischen Raum mehr für die Umwelt, das aber mit Augenmaß geschehen. „Und auch den Autoverkehr reduzieren finde ich sinnvoll.“ Das dürfe aber gerne mit vernünftigen Parkmöglichkeiten für Fahrzeuge „Hand in Hand“ gehen.

Was den Einzelhandel angeht, sieht er die „verzwickte Lage“ zwischen Lockdown und Online-Shopping. Da müsse man den Online-Bereich abdecken und viel persönlichen Service zugleich bieten. „In so einer kleinen Stadt kann man das noch, das Persönliche.“ Ein Bereich, der ihm ebenfalls am Herzen liege, sei die Kunst, sagt Hohl. Für den Bildungshumanisten steht über allem die Verpflichtung für die „res publica“, die öffentlichen Angelegenheiten, die für ihn seit fünf Jahrzehnten im Zentrum seiner Tätigkeiten stehen. „Das ist heute wichtiger denn je, aufgrund dessen, was Corona alles auslöst. Entideologisiert kriegt man viel mehr erreicht. “

Jetzt ist er gespannt, was auf ihn zukommt. „Ich dränge mich nicht auf, aber ich bin bereit.“  Und nach diesem Grundbekenntnis setzt sich Peter Hohl am Ende des Gesprächs ans Klavier, improvisiert ein paar wunderschöne klassische und sogar bluesige Klänge. Ein Stück Normalität, das ihm sichtbar guttut – in einer wahrhaft besonderen Zeit.

Das Wachstum voranbringen

Seit fast drei Jahrzehnte pendelt Erich Reiser beruflich zwischen Winnekendonk und Krefeld. „Ich bin eine echter Zugereister – zusammen mit meiner Frau“, gesteht der neue Ortsvorsteher von Winnkendonk. „Wir kommen beide aus Schleswig-Holstein, aus Wrohe nahe Kiel.“ Die Vorfahren waren bis zur vierten Generation Binnenfischer, auch der Vater noch.

„Der hat aber selbst den Beruf gewechselt, weil das einfach nicht mehr viel gebracht hat“, berichtet der Vorruheständler, der zuletzt als Projektleiter im Maschinen- und Anlagenbauer gearbeitet hat und jetzt der Gemeinde „100-prozentig zur Verfügung“ steht. „Mein Vater war zum Schluss Verwaltungsangestellter und 16 Jahre lang Bürgermeister seiner Heimatstadt. Das ist mein erstes Vorbild, damit bin ich groß geworden“, sagt der 62-Jährige. „Daher rührt auch der Kontakt zur Kommunalpolitik.“

Selbst ging Reiser in Kiel zur Schule, machte dann eine Ausbildung zum Schreiner, holte das Abitur auf dem technischen Gymnasium nach. 1980 folgte die Bundeswehr und ein Jahr später begann er sein zum Studium der Holzwirtschaft in Hamburg, das er als Diplom-Holzwirt abschloss. Seine Frau lernt er im Alter von 20 Jahren auf einem Sommerfest kennen. „Jeden Lebensschritt haben wir gemeinsam gemacht“, sagt er nicht ohne Stolz. Zu der Zeit engagierte er sich noch in der Jungen Union, trat aber aus. „Das war die Zeit von Pershing II, die Entscheidung mit Kohl und der Nachrüstung, das war nicht meins“, sagt er heute „Die Antworten, die ich damals bekam, waren nicht die Richtigen. Ich bin auch nicht links gewesen, aber ich konnte mich da einfach nicht wiederfinden.“ Danach verlor er die Politik, auch berufsbedingt, erst mal aus dem Auge.

Nicht für immer ins Saarland

Der erste Sohn wurde geboren, man musste Geld verdienen. Ein Angebot lockte die junge Familie ins Saarland in die Nähe von Saarlouis. Dort arbeitete Erich Reiser als Projektingenieur für ein Sperrholzwerk. Fünf Jahre blieb er mit seiner Familie dort. „Wir waren uns einig, dass wir nicht bis zum Lebensende im Saarland bleiben“, erinnert er sich. Der Unterschied zwischen katholischen Saarländern und protestantischen Norddeutschen wie ihm war doch „zu krass“ gesteht Reiser zu. „Das ging zwar, aber nicht auf Dauer. Und wir wollten uns noch bewegen.“

So machte sich das Paar mit Sohn und erster Tochter auf den Weg nach einem Ort, wo die Familie bleiben wollte. 1991 stieg er als Projektleiter bei einer Krefelder Firma ein, ein zeitraubender Job. „Ich war 100 bis 120 Tage pro Jahr im Ausland. Das war internationale Projektabwicklung, die mich durch die ganze Welt geführt hat, außer nach Afrika und Australien, aber in den Iran, Brasilien, Kanada, Russland oder China.“ Das viele Reisen kam ihm entgegen: „Wir sind weltoffen trotz unseres norddeutschen Charakters. Meine Mutter hat immer gerne Ferienwohnungen vermietet. Da bin ich in meiner Kindheit immer mit Fremden zusammengekommen.“

Auf der Suche nach einem Haus in der Nähe wurden sie schließlich in Winnekendonk fündig. Am Heiligenweg stand ein Haus frei, das gerade neu erbaut war. „Da haben wir die ersten 16 Jahre gewohnt.“ Die zweite Tochter wurde in Geldern geboren. „Jede Station ein Mitbringsel“, schmunzelt Reiser. Die Entscheidung für Winnekendonk sei bewusst so gefallen: „Meine Frau und ich sind beide ländlich orientiert, nie Stadtmenschen gewesen. Deshalb verstehen wir die Lebensart und Weise der Landbevölkerung, wie wir sie hier auch wiederfinden. Wir lieben diese Freiheiten, diesen Abstand zu den Menschen. Aber man hat trotzdem eine Nähe zur Nachbarschaft. Man kennt sich, bringt sich ein und man weiß das auch wert zu schätzen, den klassischen Schnack vor der Haustor.“

Hinter den Vorhang schauen

1995 stieg er in Winnekendonk wieder in die CDU ein „wegen meines Nachbarn Ulrich Völlings“, der ihn dazu motivierte. Seit 2006 ist er im CDU-Vorstand des Ortsverbandes Winnekendonk aktiv. Und seit letztem Jahr ist er Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU im Kreis Kleve, „was mich weiterbringt, weil dort die grundlegenden Grundwerte diskutiert und angerissen werden, die man weitergeben kann. Und man ist besser informiert.“ Das entspricht seinem Bedürfnis, „hinter dem Vorhang zu schauen, um der Wahrheit näher zu kommen.“

Seine Grundwerte habe er „immer in der CDU gesehen“, spricht er von einer „geistig-politischen Heimat.“ Er sei „kein Hardcore-Evangelist, aber lebe bewusst in der Kirche als Protestant. Ich bin mit dem Familienbild der CDU einverstanden“, sagt Reiser. Und er stehe zu Dingen wie Selbstverwirklichung und Besitz. „Diese Sachen sind für mich unumstößlich.“
Seit der letzten Kommunalwahl sitzt Reiser jetzt im Stadtrat. „Mein einziges wirkliches Manko“, sagt er, sei die Tatsache, „dass ich kein Vereinsmensch bin “ Das habe ihn, wie auch die anderen CDU-Kandidaten, denen das ähnlich ging, „nicht daran gehindert, für die Allgemeinheit tätig zu werden.“

Dass das Ortsvorsteheramt fünf Jahrzehnte lang von Hansgerd Kronenberg ausgefüllt wurde, schreckt ihn nicht ab. „Ich habe mich nicht von dieser herausgehobenen Persönlichkeit beeindrucken lassen. Hansgerd hat auf eigenem Wunsch gebeten, aufzuhören“, sagt Erich Reiser. „Wir haben ganz bewusst rücksichtsvoll keine Avancen gemacht und auch nicht gedrängt dass er das tun soll, aus Respekt vor seinem Ehrenbürgertum und seiner 50-jährigen Erfahrung.“ Dann musste der CDU-Vorstand eine Entscheidung fällen. „Wir haben im Vorfeld diskutiert, was machen wir für den Ernstfall und waren da vorbereitet.“ Er selbst habe da keine Bedenken gehabt, „weil ich das Für und Wider der Amtsfunktion kenne von Kindheit an.“ Er könne auf diesem Weg „eine gewisse Professionalität“ beweisen, hat er vor den großen Fußstapfen keinerlei Furcht. Auch wenn er sich nicht habe vorstellen können, einmal dieses Amt zu bekleiden. „Man verliert den Respekt vor hohen Tieren im Beruf.“

Winnekendonk als Nebenzentrum

Als Ortsvorsteher werde er „Repräsentant und Ansprechpartner für alle“ sein. Politisch wolle man auch mit anderen außerhalb der CDU das Gespräch suchen, „Wir haben auch andere starke Ratsmitglieder in Winnekendonk und Achterhoek. Mit zehn von 40 Ratsmitgliedern kann man für die Ortschaft schon was bewegen.“ Die detaillierte Sachkenntnis in Projekten, die fehle ihm natürlich nach einem Monat Ratsmitgliedschaft noch. „Deshalb lese ich sehr viel.“ Was Winnekendonk angehe, habe Kronenberg „Bemerkenswertes zustandegebracht.“ Das merke er jetzt, wo er erstmals im Rat sitzt, an den Vorlagen und den ganzen Stadtentwicklungsprojekten, die gelaufen sind. „Die Regionalplanungsbehörden sprechen von Winnekendonk als Nebenzentrum. Das ist ein Wort, das eine Bedeutung hat, wenn man die anderen Ortschaften sieht. Das hat eine große Auswirkung.“

Die Ortschaft sei „ein Zuzugsort in dem Kontext, ein attraktiver Standort. Wir wachsen, das spürt das Gewerbe sehr fein, wo es sich lohnt, Zukunftsinvestition zu tätigen. Das möchte ich auf jeden Fall ausnutzen und voranbringen.“ Und welche Projekte sind Winnekendonk noch wesentlich? Angesichts der Ortsumgehung OW1 denke man in der CDU vor Ort darüber nach, einen „Anstoß zur Neugestaltung des Ortskerns“ zu geben. Der Umzug des SV Viktoria vom alten zum neuen Sportplatz werde 2021 garantiert ein Thema. „Die sind da schon in heller Aufregung“, sagt Reiser. Den Bürgerpark als „schönen Erlebnisort“ neu zu gestalten, fände er auch sinnvoll. „Jedes Jahr dort andere Sträucher zum Blühen bringen, ihn auf die Höhe der Zeit bringen“, damit Kinder und Ältere dort verweilen, das schwebt ihm da vor. „Das geht bestimmt auch mit einfachen gestalterischen Mitteln“, zum Beispiel einer Boulebahn.

Die Frage, wie lange er das Amt des Ortsvorstehers ausüben will, stelle sich ihm erstmal nicht, versichert Reiser. Der frühere Jahrgangs-Landesmeister Schleswig-Holsteins auf 100 Meter Brust in der Staffel schwimmt noch immer gerne und fährt mit seiner Frau jede nur mögliche Strecke mit dem Rad. „Es geht erst mal darum, Akzeptanz in der Ortschaft selbst zu erreichen“, steckt er die Ziele niedriger. „Ich brauche da auch ein Feedback, ob das funktioniert.“

Neu im Amt des Ortsvorstehers

Wenn Guido Küppers auf seine Rolle in der Politik zu sprechen kommt, dann kann er das in einem Satz zusammenfassen: „Ich bin absoluter Newcomer“, sagt der 55-jährige EDV-Fachmann und sucht nach den richtigen Worten, um zu beschreiben, wie sich das so anfühlt.

„Es ist spannend. Sie bekommen so viele Eindrücke, die auf einen einstürzen. Das muss man erst mal sortieren.“ Es sei durchaus respekteinflößend zu sehen, was alles dahinter steckt. Eigentlich wollte er „erstmal so in den Ortsverband reingucken“, als er sich entschloss, 2016 in der Politik bei der CDU aktiv zu werden – ein Spätstarter. Und jetzt ist er erstmals in einer Person Ratsmitglied für Wetten und Ortsvorsteher. „Ich freue mich darauf, aber habe auch Respekt davor.“

Als junger Mann sei er schon Mitglied in der Jungen Union gewesen. Aber dann kamen die Ausbildung, Bundeswehr, Jobs. „Da habe ich irgendwo nicht mehr den Dreh gekriegt.“ Vor vier Jahren machte es dann aber bei ihm „Klick“. „Man ist in Wetten verwurzelt. Da war für mich der Punkt erreicht, dass ich sagte: Ich will nicht nur zusehen und Dinge aus der Zeitung lesen, sondern dabei sein und mitreden können. Dann bin ich aktiv geworden.“

Der in Kevelaer geborene Küppers besuchte damals zunächst die Theodor-Heuss-Hauptschule, machte dann die mittlere Reife. Abschließend lernte er bei der Firma Brocks Groß- und Außenhandelskaufmann, ging dann zur Bundeswehr. „Und dann kam die Neuorientierung.“ Küppers entschied sich für eine zweite Ausbildung – zum EDV-Organisator. Für den neuen Job gab es ganz pragmatische Gründe. „Es sollte ein Job sein, der seinen Mann ernährt. Und EDV und IT war damals im Kommen. Damals musste man den Rechner noch mit ‚Floppy Disk‘ speichern. Wenn ich das heute den Azubis erzähle, schauen die mich mit großen Augen an. Das ist eine wahnsinnige Entwicklung, die da stattgefunden hat.“

Zwei Jahre lang wohnte er in Münster, war bei dem dortigen EDV-Beratungsring tätig. Er arbeitete dann in Duisburg und Weeze, ist nun seit 20 Jahren im Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein in Kamp-Lintfort tätig. Dort betreut er die Heimarbeitsplätze. „Im Moment habe ich da sehr viel zu tun. Wenn man ein, zwei Jahre zurückdenkt, gab es das nur für ausgesuchte Mitarbeiter. Dann kam die Corona-Krise – und jetzt wird es normal.“

Heimatverbundenheit, die ist ihm besonders wichtig. „Meine Mutter sagte immer: Wenn Du länger als zwei Wochen Deinen Kirchturm nicht siehst, dann wirst Du krank.“ Seinem Vater, der in Wetten mit einer Art „fahrendem Supermarkt“ unterwegs war und „Milchmann“ genannt wurde, ging das genauso, erinnert sich der 55-jährige Single gerne. „Das hat er mit Leib und Seele gemacht, er kannte alle Leute.“

Dann kamen die stationären Supermärkte und der Vater begründete gegenüber vom „Diebels live“ in Issum eine Kneipe mit Imbissbetrieb. „Da habe ich auch viel Zeit verbracht und viel mitgeholfen, als ich schon im Rechenzentrum tätig war, um ihn zu entlasten“, erzählt Küppers. Seine Mutter war Hausfrau, fuhr aber mit in den Issumer Betrieb und managte das Ganze mit. „Die Frau hatte das letzte Wort“, sagt Küppers. Sie half auch ihm persönlich bei wichtigen Entscheidungen wie dem Hauskauf an der Grünstraße.

Wenn er nicht gerade arbeitet, liest er gerne und verbringt Zeit in seinem großen Garten. „Die Bäume, das Beet pflegen – das muss man alles im Auge behalten. Das ist so der persönliche Ruhepunkt. Ich kann mich mit einem Buch zurückziehen, muss nicht Trubel haben.“ Ab und zu „muss ich mal die See sehen, das letzte Mal vor zwei Jahren in Dänemark. Und ich fahre gerne Rad, ein paar feste Strecken und Strecken, wo ich experimentiere.“

Ob er seinen Job als Ortsvorsteher so umsetzen kann wie seine Vorgängerin, das vermag er noch nicht zu sagen. „Beate Clasen hat das ganz, ganz toll gemacht, den Kontakt zu der Verwaltung und den Leuten gesucht.“ Er werde sich Mühe geben, so dicht wie möglich dran zu sein. „Es ist mir wichtig, den Wettenern gerecht zu werden.“ In dieser besonderen Zeit, so Küppers, sei ihm ein Anliegen, das dörfliche Leben und das Vereinsleben während der Pandemie aufrechtzuerhalten und auch wieder anzukurbeln.

Das gelte vor allem für die vielen Vereine, die zurzeit nicht aktiv sein können. „Das darf nicht zum Stillstand kommen“, ist einer seiner zentralen Gedanken. Da könne er als Ortsvorsteher „Bindeglied“ sein, organisieren, Termine machen und versuchen, Dinge anzuschieben. Das gelte ebenso für Institutionen wie die Kirmes. Auch bei der Entwicklung der Sportplätze, „wo das Wasser schon mal bis in die Umkleide läuft“, müsse etwas passieren. „Das sind Sachen, die zu knacken sind, wo man viele Gespräche führen muss.“

Als langfristige Idee schwebt ihm vor, „für Ältere und Alte“ eine Möglichkeit oder einen Ort zu entwickeln, an dem sie altengerechte Beschäftigung finden – nicht zu weit weg vom Ortskern. Wie er das verwirklichen kann, da hat er noch keinen konkreten Plan. „Aber der Bedarf, der ist da“, ist er überzeugt. Dafür brauche es in Wetten ein Grundstück, Finanziers, ein Konzept und viel Geld. Aber auch junge Familien an den Ort zu binden, sei sehr wichtig.

All diese Projekte, ist Küppers klar, brauchen einen langen Atem. „Das ist schon so, dass ich langfristig bleiben möchte – das wird man alles nicht in einer Wahlperiode stemmen können“, sagt er, ohne sich dabei unter Druck zu setzen. „Ich werde da einfach schauen, mit wem man den Kontakt suchen kann und mich an die Aufgaben herantasten.“

Auf das Beste für Twisteden gucken

Dass Paul Schaffers leidenschaftlicher Fußballfan ist, ist nicht nur an den Geißbock- Symbolen an der Garage und im Garten zu sehen. Im Keller hat der 63-jährige Geschäftsführer der Welbers Kieswerke GmbH zahlreiche Utensilien seines Vereins aufbewahrt, wo er mit seinen Jungs früher auch Fußball geguckt hat. Mit dem jüngeren seiner beiden Söhne, der in Siegen studiert und Ende des Jahres in seine Firma mit einsteigt, geht er immer wieder zu den Spielen. „Man hat jetzt gemerkt, dass da was fehlt“, bekennt er gerne. Mit dem Ältesten geht das mit dem Fußballbesuch nicht – denn der studierte Physiker ist wissenschaftlicher Assistent an einer Uni in Finnland.

Es fehle ihm auch was in Richtung Karneval, wo die Jecken am 11.11. wegen Corona nicht loslegen können – ein Wermutstropfen für den „überzeugten Karnevalisten“ Paul Schaffers, der „22 Jahre lang hier im Karnevalsverein Vorsitzender“ war. Er habe gerne in Projekte wie das Männerballett viel Zeit hineingesteckt. „Es war wahnsinnig viel Arbeit“, bekennt der Kevelaerer Karnevalsprinz von 1998 im Nachhinein. Als er 2009 merkte, dass er keine Ideen mehr hatte, gab er das Amt ab, „ehe die mich da wegjagen“. Eben ganz oder gar nicht.

Geboren ist der CDU-Politiker in Keylaer, wuchs auf einem kleinen Bauernhof auf. Der Vater war Betriebsschlosser und gelernter Schmied. Von ihm stammt der Leitsatz: „Wenn Du Dir was vornimmst, musst Du das durchziehen.“ Seine Mutter war Hausfrau. „Sie hat immer zu mir gesagt: ein lieber braver Junge. Ich war vom Wesen her sehr zurückhaltend.“

Als Kind bestand die Welt aus der Schule, der Umgebung und einer sorgenfreien Zeit. „Wir durften Baumhäuser bauen, Cowboy und Indianer spielen und schmutzig nach Hause kommen“, erinnert sich Schaffers sichtbar gerne daran. Über die Stationen Hubertus- Grundschule und Edith-Stein-Realschule sowie Handelsschule Geldern begann er eine Lehre als Industriekaufmann, ging dann für 15 Monate zur Bundeswehr, war in Emmerich stationiert. „Eine verlorene Zeit“, sagt Schaffers im Rückblick dazu. Eine Zeit, die man irgendwie rumbekommen musste.

Eine harte Zeit

Nach einer kurzen Episode bei Welbers, wo er jetzt seit Jahrzehnten wirkt, zog es den damals 21-Jährigen eigentlich in die Großstadt, raus aus dem „engen“ Kevelaer. Aber daraus wurde nichts. „Da stand dann ,leider‘ die richtige Frau“, spricht er über seine erste Ehe. Im Alter von 29 Jahren starb seine damalige Frau jedoch an Brustkrebs – eine harte Zeit, über die Paul Schaffers aber reden kann. „Man sitzt stundenlang in der Ecke und weint“, bekennt er ganz offen. „Sie war damals auch schwanger und es bestand die Frage, ob nur Chemo oder nur Schwangerschaft. Das war die schlimmste Woche meines Lebens.“ Am Ende signalisierte der behandelnde Mediziner, dass beides möglich sei; der jüngste Sohn wurde im Alter von acht Monaten vorzeitig geholt.

Seiner Frau versprach er, sich um die beiden Jungs zu kümmern. Das habe geklappt, sagt er heute. „Die wollten ja auch weiterleben, und das Leben geht schließlich weiter.“ Um die Kinder nicht aus der gewohnten Umgebung herausnehmen zu müssen, gestaltete er das Grundstück an der Martinistraße, wo sie wohnten, um.

Und er habe das große Glück gehabt, „nochmal eine tolle Frau kennenzulernen“, die ihn und die zwei Kinder in ihr Herz geschlossen hat. Diese Zeit damals habe ihn aber in der Hinsicht geprägt, nicht alles im Leben so ernst zu nehmen. „Wenn ich daran denke, kann ich bei vielen Sachen gut runterfahren.“

Mit Politik hatte er nichts am Hut, bis ihn 2009 ein CDU-Mann fragte, ob er sich vorstellen könnte, für die CDU in den Kevelaerer Rat zu gehen. Es brauche da nicht nur Verwaltungsleute, sondern auch Unternehmer. „Meine Frau warnte mich: Du musst immer alles hundertprozentig machen.“ Er sagte zu. „Das war am Ende auch zuviel“, meint er aus heutiger Sicht. Die CDU sei schon „meine Partei“, sagt er. Als junger Mann sei er eher der SPD zugeneigt gewesen. Aber mit dem Beruf und immer mehr Verantwortung veränderte sich auch der Blick. „Ich kam mit den CDU-Leuten vom Denken her eher zurecht.“ Er wurde Fraktionsvorsitzender, habe „versucht, Dinge für Kevelaer anzuschieben“, sagt er. „Da konnte ich was machen, was mit einem guten Bürgermeister bewegen“, steht er zu dem konstruktiven Verhältnis, das er mit Dominik Pichler ab 2015 gepflegt hat. „Er hat immer, wenn es um Kevelaer ging, praktisch gedacht.” Und Schaffers zeigt sich anderen Positionen gegenüber aufgeschlossen. „Mir ist fremd, Ideen schlecht zu finden, nur weil sie von einer anderen Partei kommen.“

Der politische Rückzug

Ende 2013, nachdem parteiinterne Auseinandersetzungen zum Rücktritt von Thomas Selders führten, wurde ihm auch das Amt des CDU-Stadtverbandsvorsitzenden angeboten. „Da habe ich mich wirklich gewehrt. Aber man sagte mir: Du kannst das.“ Aus dem Gedanken, das nur eine zeitlang kommissarisch zu machen, wurde ein Amt, das ihn bis zum März dieses Jahres begleitet hat. Man traute ihm zu, die Strömungen in der Partei zusammenzuhalten. Im März trat er von seinem Amt als Stadtverbandsvorsitzender zurück, als die Partei nicht der Empfehlung des Vorstands folgte, keinen eigenen Bürgermeister- kandidaten gegen Pichler aufzustellen. „Ich wollte mich nicht verdrehen und habe das nicht bereut.“ Er zog sich politisch zurück, trat nicht mehr für den Rat an.

Aber er erkennt an, wie sich die Partei jetzt zusammengerauft hat. Dabei nennt er ausdrücklich den Namen Michael Kamps. Was er gut fand an der Arbeit als Fraktionsvorsitzender, sei, dass sich Kevelaer „gut entwickelt“ habe, was nicht nur sein Verdienst sei, wie er betont – und man viele Dinge recht geräuschlos habe entscheiden können. In der Rückschau sei er froh über strukturpolitische Entscheidungen wie den Antwerpener Platz und Aldi-Süd oder bei Fragen wie der Gesamtschule. „Das mit der Hüls, da bin ich stolz drauf“, sagt Schaffers. „Auch Kevelaer wird sich verändern“, ist er überzeugt, dass die „Pilgerei alleine nicht reichen wird“, um die Zukunft der Stadt zu sichern.

Es kommt anders als man denkt

Josef Kobsch (l.) übergibt das Amt des Twistedener Ortsvorstehers an Paul Schaffers. Foto: AF

Eigentlich war das Thema Politik abgeschlossen. „Haken dran und Thema durch“, hatte er sich gesagt – bis der Ortsverband ihn versuchte, für das Amt des Ortsvorstehers zu aktivieren. „Das wollte dann nicht nur die CDU, mich haben auch viele im Dorf angesprochen.“ Er beriet sich mit seiner Frau und versprach, „dass sie die Notbremse ziehen darf“, wenn das Amt zu viel an Zeit kostet. „Ausgleichend sein und auf das Beste für Twisteden gucken“, das stehe jetzt an erster Stelle. Neue Baugebiete bekommen, für das IBC eine Lösung finden. „Da muss dringend was gemacht werden.“ Die Vereine wollten das IBC vor Ort behalten. „Je weiter das raus ist aus dem Ort, desto weniger wird es frequentiert.“ Das kleine Gebäude an der Seite werde in den nächsten Tage ja abgerissen. „Bevor das überplant wird, sollte man wirklich die ganze Fläche in Angriff nehmen und sehen, was man da machen kann.“ Für den Traberpark kann er sich super vorstellen, das Potenzial dort zu nutzen und ein Wohngebiet mit bezahlbarem Wohnraum zu entwickeln.

Was das Dauerthema Verkehr in der Dorfstraße angeht, sieht er beide Seiten. „Die wird man nicht ganz sperren können, da wird ein gewisser Verkehr immer stattfinden.“ Man sei ja auch zum Beispiel über die Gärtnereibetriebe vor Ort froh. Mit der Stadtverwaltung werde man in dieser Woche dazu Gespräche zu führen. „Wir haben unseren Kunden als Unternehmer Merkzettel für die Umgehung in Lüllingen mitgegeben, und unsere eigenen Fahrzeuge haben da auch ihre Anweisungen.“

Erste Sitzung des neuen Rates: Die Arbeit hat begonnen

Der Rat der Stadt Kevelaer hat sich für die kommenden fünf Jahren konstituiert. Die Sitzung fand aufgrund der Corona-Pandemie nicht im Rathaus, sondern im Konzert- und Bühnenhaus und „auf Abstand“ statt. Zunächst vollzog sich eine kurze Änderung der Tagesordnung, die von dem „Alterspräsidenten“ des Rates, Jürgen Hendricks (FDP), mit der Vereidigung und Amtseinführung des Bürgermeisters vor der Vereidigung der Ratsmitglieder beantragt wurde. Pichler trat dazu vor die Bühne, um sich von Hendricks anschließend vereidigen zu lassen und die Urkunde in seiner Eigenschaft als alter und neuer Bürgermeister der Marienstadt zu bekommen. Und dazu gab es noch eine Flasche Kevelaerer Marienlikör als „Sorgentropfen für schwere Stunden.“ 

„Die letzten fünf Jahre empfand ich trotz der vorgeblich schwierigen Konstellation, keine eigene Mehrheit zu haben, als sehr konstruktiv“, machte der Bürgermeister an die im Rat vertretenden Fraktionen das Angebot zur Zusammenarbeit. „An mir soll‘s nicht liegen. Ich bin weiterhin gesprächsbereit mit allen von Ihnen und harre der Dinge, die da kommen.“

Ernennung des Twistedener Ortsvorstehers Paul Schaffers.

Auch die anwesenden 39 Ratsmitglieder – Brigitte Middeldorf (Grüne) fehlte an diesem Tag – erhoben sich später von ihren Stühlen, um in ihr Amt eingeführt und darauf verpflichtet zu werden. „En bloc“ wurden dann die drei neuen stellvertretenden Bürgermeister Pichlers gewählt. Im Vorfeld waren die Personalien bestimmt worden. Erste stellvertretende Bürgermeisterin ist nun Jutta Bückendorf (CDU), Hans-Peter Aengenendt (Grüne) zweiter und Hubert van Meegen (CDU) dritter stellvertretender Bürgermeister. Anschließend erhielten sie ihre Ernennungsurkunden von Pichler.

Gleiches galt für die Ortsvorsteher. In Winnekendonk übernimmt Erich Reiser die Nachfolge von Hansgerd Kronenberg, der fünf Jahrzehnte lang für den Ortsteil gewirkt hat. In Wetten wird Guido Küppers dieses Amt zukünftig ausüben. Mit Johanna Ambrosius (Kleinkevelaer) und Martin Brandts (Kervenheim) blieben die Ortsvorsteher im Amt. Für Twisteden wird sich zukünftig der frühere Kevelaerer CDU-Vorsitzende Paul Schaffers als Ortsvorsteher einbringen, der noch im März wegen mangelnder Unterstützung in der Bürgermeisterfrage zurückgetreten war. Und mit dem langjährigen Kreistagsmitglied Peter Hohl tritt für den Ortsteil Kevelaer ein sehr erfahrener Politiker die Nachfolge von Edmund Bercker an.

Gratulation für den Kevelaerer Ortsvorsteher Peter Hohl.

Der Rat bestätigte danach im Schnellverfahren die von den jeweiligen Fraktionen vorgeschlagenen Mitglieder in den diversen Gremien, von Vorsitz und Mitgliedschaft in den diversen Ratsausschüssen bis zu der Besetzung der Vertreter für die Gesellschafterversammlung der Bürgerwindenergie Kevelaer und des Verbandsausschusses des Wasser- und Bodenverbandes Kervenheimer Mühlenfleuth.

Der Rat bestätigte auch die 13 Mitglieder des Seniorenbeirates, bestehend aus: Karl Bay, Liesel Borman, Karin Bosen, Dr. Helmut Bolten, Gerhard Geurtz, Günther Grader, Katharina Haas, Josef Lipka, André Marchi, Waltraut Metten, Helga Neuhaus, Josef Pauls und Stephanie Pichler. In Sachen „Verkehrsentwicklungsstudie“ bestätigte Pichler auf Anfrage eines Bürgers, dass „wir da noch nicht fertig“ sind, aber ein Verkehrskonzept entwickelt werde. 

Ludger Holla vom Ordnungsamt nahm dann nochmal zu den aktuellen Zahlen und Ereignissen rund um Covid-19 Stellung. Man habe bewusst vor zwei Wochen den „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“ wieder regelmäßig jeden Montag einzuberufen. Die ständig neuen Vorschriften stellten die Behörden „vor große Herausforderungen, aber nicht nur uns, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger. Die Verwirrung steigt, und keiner weiß, was es eigentlich gerade aktuell gibt“, sagte Holla. 

Die Ernennung des Winnekendonker Ortsvorstehers Erich Reiser.

„Wir haben seit Beginn der Corona-Krise 177 positiv getestete Bürgerinnen und Bürger.“ Es gebe „einige kleinere Hotspots“, nannte Holla das Elisabeth-Stift an der Friedenstraße, einen Ausbruch in einer Gemeinschaftsunterkunft der Stadt Kevelaer, wo man Quarantäne verfügt habe. Man habe außerdem das Priesterhaus „auch aufgrund eines Ausbruchs“ zur Zeit geschlossen. Und aktuell sei eine weitere Kindertagesstätte dazugekommen,“ wo wir etwa 40 Personen unter Quarantäne stellen mussten.“

Zeitweilig habe man bis zu 250 Ordnungsverfügungen an einem Tag ausstellen und persönlich zuschicken müssen. Das Ordnungsamt sei damit „deutlich an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit“ und werde „zukünftig bei Kontrollen sowie Kontaktnachverfolgung und den Quarantäneüberprüfungen von insgesamt 16 weiteren Kolleginnen und Kollegen unterstützt, die sich dazu freiwillig gemeldet haben. Andere Städte wie Geldern oder Kleve hätten ihre Personalkapazitäten verdreifacht, während man in Kevelaer mit dem gleichen Personalstamm durch die acht Monate gekommen sei, dabei sogar „in aufopferungsvoller Arbeit“ den Ausfall dreier langzeiterkrankter Mitarbeiter kompensiert habe. „Ich glaube, die Arbeit, die das Ordnungsamt in den letzten acht Monaten geleistet hat, war nicht schlecht.“

Gruppenbild mit Dominik Pichler, seinen Stellvertretern und allen Ortsvorstehern.

CDU Wetten nominiert Küppers als neuen Ortsvorsteher

Auf seiner jüngsten Sitzung hat der Vorstand der CDU Wetten Guido Küppers als Kandidat für das Amt des Ortsvorstehers benannt. Bei der Kommunalwahl NRW wurde der Wettener Küppers als Direktkandidat in den Rat der Wallfahrtsstadt Kevelaer gewählt. Als Vorsitzender des Ortsverbandes und Mitglied der CDU-Fraktion des Stadtrates war er schon jetzt mit den Problemen der Wettenerinnen und Wettener sowie mit wichtigen Entscheidungen der Verwaltung vertraut. Der IT-Spezialist ist in Wetten fest verwurzelt.

Die ursprünglich für den morgigen Donnerstag, 22. Oktober 2020, geplante Mitgliederversammlung muss jedoch aufgrund der gestiegenen Covid-19-Fallzahlen verschoben werden. Alle Mitglieder werden eine neue Einladung erhalten.

Der große „Titus“ tritt ab

Als mich Hansgerd Kronenberg an der Haustür empfängt, ist er gerade noch mitten in einem Beratungsgespräch – eine geradezu charakteristische Situation für einen Mann, der fünf Jahrzehnte lang die Anlaufstelle für alle Belange des Winnekendonker Ortslebens und seiner Bürger war.

In seinem Büro nehme ich ein Trimmrad, die Urkunde über die Ehrenbürgerwürde an der Wand – und ein Schreiben mit dem Briefkopf Kevelaers wahr. „Die wollen mich zu einer Verabschiedung am 28. Oktober einladen“, klingt es, als sei ihm die viele Aufmerksamkeit eigentlich gar nicht so recht.

Sein zehnjähriger Enkel Kilian fegt an dem Schreibtisch vorbei, rennt zu seiner Großmutter – und Kronenberg pfeift ihn wortwörtlich zurück. „Bitte die Tür zu“, folgt der Enkel der Bitte seines Opas.

Auf der Flucht

„In dem Alter war ich gerade auf der Flucht“, erinnert sich Kronenberg an die Odyssee seiner Familie im Februar 1945 von Winnekendonk aus mit dem Fahrrad über Achterhoek und Sevelen, später mit einem Waggon per Zug von Hoerstgen aus bis nach Westfalen.
Die Flucht war wegen der Bombenangriffe nötig geworden, zwei Tage nach der Flucht wurde das Haus der Kronenbergs zerstört.

Zuvor hatte er noch eine durchaus „unbehelligte und unbeschwerte“ Kindheit erlebt, wo man als Sohn eines Lehrers erstmal Hausaufgaben erledigte, um dann mit vielen Spielkameraden auf der Straße herumzutoben, zu spielen, wo sogar noch Pferdekarren und Kutschen in dem weniger besiedelten Gebiet unterwegs waren und man von Soldaten zur Gulasch mit Rotkohl eingeladen wurde.

Als man dann immer wieder die Sirenen heulen hörte und in die Keller abtauchen musste, da „stumpfte man schon ab“, sagt Kronenberg. Das habe halt zum Leben dazugehört, die Flucht sei eine Notwendigkeit gewesen. „Man war damals zu klein, um die Folgen zu erkennen“, wird er an die Zeit der Jagdbomber erinnert, wenn er im Fernsehen die Bilder von Kriegsschauplätzen sieht.

Bis 1952 lebte die Familie auf einem Bauernhof, sein Vater war bis zu seinem 72. Lebensjahr Lehrer, starb drei Jahre später. „1968 war ich Festkettenträger für meinen Vater, das hat der Vorstand von Viktoria so entschieden.“ 2010 erhielt er seine zweite Festkette, dann eigenständig für seine Verdienste.

Plötzlich dringt ungewöhnliche Musik an unser Ohr. Die Nachbarin von Kronenberg wird 40 Jahre alt, und ihr zu Ehren ist ein Dudelsackspieler im Garten. Kronenberg tritt ans Fenster, gratuliert mit zusammengefalteten Händen und lächelt. Auch das ist ist Hansgerd Kronenberg – den Menschen zugewandt, immer eine Freundlichkeit parat.

Über seine jahrzehntelange Jugendarbeit erfolgte sein Einstieg in die Politik. Er wurde als Jugendobmann des SV Viktoria Winnekendonk in den Jugend-und Sportausschuss geschickt, wurde 1964 in den Gemeinderat gewählt.

Damals konnte er nicht ahnen, wie lange er der Politik erhalten bleiben sollte. „Damals war auch die OW1 schon mal Thema“, erinnert er sich. Ein „Dauerbrenner“ – so wie er.

Ein „Dauerbrenner“

Aber auch ein „Dauerbrenner“ muss mal Abschied nehmen. „Einige sagen jetzt, mach weiter. Andere werden später sagen, warum hat er das nicht schon früher getan. Man tut das nicht gerne“, gibt er unumwunden zu, „aber es gibt mehrere Gesichtspunkte.“

Da ist seine Frau Gertrud, der er in Zukunft mehr Aufmerksamkeit widmen möchte. Und: „Das Digitale ist nicht mein Ding. Im Alter entwächst man der jungen heutigen Generation“, sagt Kronenberg. Da brauche es jemanden, „der näher dran ist“, sagt der Mann ,der 30 Jahre lang als Vereins-Jugend-Obmann „nah dran“ war, ganze Schülergenerationen im Ort kennenlernte.

„Und man wird älter und kann nicht mehr so forsch bei der Sache sein“, meint ein 85-Jähriger, der bis heute mit der kommunalen Neuordnung von 1969 hadert und der sich heute bei dem Gedanken, dass Wetten bei der Förderung des Kunstrasenplatzes bevorzugt wurde, für seine Verhältnisse noch ganz schön „aufregen“ kann.

„Mit der Gleichbehandlung, das ist nicht so glücklich“, spricht er zwar von einer „demokratischen Entscheidung“ der Politik, betont aber zugleich, dass Winnekendonk „etwa doppelt soviel Einwohner und entsprechend Sportler“ wie jede andere Ortschaft in Kevelaer hat. Da kommt er wieder hervor, der leise, aber deutliche Streiter für die Interessen „seines“ Ortes.

Ein Mann, ein Baum: Hansgerd Kronenberg verlässt nach Jahrzehnten die vorderste politische Bühne. Foto: AF

Das alte Rathaus

Auf was er nach fünf Jahrzehnten Arbeit für Winnekendonk beispielhaft stolz ist? „Dass die zweite Niersbrücke mit der Durchschneidung von Schravelen verhindert wurde“, kommt recht schnell über seine Lippen. „Der Erhalt des alten Rathauses, wo selbst alte Winmekendonker überzeugt werden mussten“ – und das Haus schließlich unter Denkmalschutz kam.

Und natürlich die Begegnungsstätte Winnekendonk, die durch seinen guten Draht zum damaligen Grundstückseigentümer dazu gemacht werden konnte, was sie heute ist – und dass das nötige Geld für das Haus nach langem Hin und Her politisch mobilisiert werden konnte.

„Das Timing ist wichtig, das Ohr bei der und einen guten Draht zur Verwaltung zu haben“, das sei wichtig, wenn man politisch was bewegen wolle. Zuhören können, „wie die Leute gestrickt sind und darauf reagieren“, sei auch nicht unwichtig. „Ausgleichend sein, das bringt der Job mit sich.“

Dass er 2007 mal CDU-Fraktionsvorsitzender im Kevelaerer Rat gewesen sei, habe auch daran gelegen, „dass ich drauf geachtet habe, dass die Ortschaft angemessen vertreten werden kann“, sagt er. Dass die Partei damals in unruhigem Fahrwasser war und dringend eine ruhige Hand am Steuer brauchte, das sagt er nicht.

„Viel Geduld und nicht viel Gedöns machen, mit den Leuten sprechen“, sagt der schlaue Politikerfuchs, der bis heute auf die Bundes-Goldmedaille beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ stolz ist: „Da läuteten die Glocken, und damals waren noch einige Kneipen offen. Da wurde gefeiert.“

Klar sei für ihn all die Jahre vor allem eins gewesen. „,Titus‘ ist nichts ohne die Bürger, die mitmachen.“ Das zeigte sich vor allem 1982 beim Jubiläumsfest der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes vor 700 Jahren – der bisher grössten gegeminsamen Feier in Winnekendonk.

Und zum Schluss des Gesprächs formuliert Kronenberg seine Wünsche für „sein“ Winnekendonk: „Die Fertigstellung der OW1 unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten, dass eine angemessene Infrastruktur erhalten bleibt, dass die Dorfgemeinschaft der Vereine unter dem Dach der Geselligen Vereine weiterentwickelt und gefestigt wird. Damit Winnekendonk zusammen mit Achterhoek und Schravelen weiterhin die bezeichnung „Golddorf“ rechtfertigt.“  Und schließlich hofft er aktuell, dass baldmöglichst die Ausgleichsmaßnahme der Sportplatzverlagerung in gutem Einvernehmen mit Politk und Verwaltung durchgeführt wird.

Ein eigenständiger Geist

Dr. Edmund Bercker zieht sich nach der Abgabe des Vorsitz der Bürgerstiftung „Seid einig“ auch von seiner Aufgabe als Ortsvorsteher Kevelaers zurück. Das KB besuchte den Kommunalpolitiker.

Bei der Frage, wie lange er eigentlich das Amt des Ortsvorstehers ausgeübt habe, kommt der vierfache Vater angesichts der vielen Mandate, die er im Laufe seines Lebens schon angenommen hat, selbst ins Grübeln: „Sicher schon vor Stibi unter Paal, wo ich stellvertretender Bürgermeister und auch Ortsvorsteher war .“ Genauer gesagt seit 1999.

2009 schied er aus dem Rat aus, bekleidete das Amt des Ortsvorstehers aber weiter. „Das ist eigentlich ein ganz tolles Amt, weil man insbesondere sehr viel Kontakt zu der älteren Generation hat, die unsere Firma kannte. Man hat sofort ein Gesprächsthema und das artet manchmal soweit aus, dass wir dann einen zweiten Termin machen. Da kann man dann in Ruhe alles bequaken.“

Warum er jetzt den Weg für einen Nachfolger freimache, sei eigentlich ganz einfach, sagt Bercker: „Mit zunehmendem Alter ist es nötig, dass jüngere Leute mit Verve drangehen.“
So hatte er es schon bei der „Bürgerstiftung seid einig“ praktiziert, als er die Amtsgeschäfte als Vorsitzender Stefan Jansen übergab. Und so sei es jetzt auch. „Irgendwann muss man sich sagen, dass man nichts für die kommende Generation blockieren sollte.“

Ein bewegtes Leben

Als kleines Kind war Edmund Bercker nicht in Kevelaer. „Wir wurden 1942 ins Allgäu evakuiert“, erinnert er sich. Die Deutschen nutzten das großelterliche Haus an der Friedenstraße als Kommandozentrale „zur Eroberung unserer Nachbarn“. Später saßen dort die Engländer, „um den Übergang über den Rhein zu leiten.“

Bei der Großmutter in Kempten (Allgäu), die dort Verlegerin war, begann der kleine Edmund sich für Literatur zu interessieren. „Sie nahm mich auf den Schoß, wenn neue Bücher kamen.“ 1942 wurde er dort eingeschult. Als er nicht zum Religionsunterricht wollte, fragte ihn seine Lehrerin nach dem Grund. „Meine Großmutter und meine Mutter haben immer gesagt, vor den Braunen muss man sich fürchten.“ Dabei war der Mann Kapuziner und trug das entsprechende Gewand. „Da haben alle gelacht“, erinnert sich Bercker.

1946 kam er wieder nach Kevelaer zurück, ging auf die Volksschule am Markt und zum sogenannten „Pro-Gymnasium“ in Kevelaer. Später kam er auf ein Internat zu den Jesuiten nach Godesberg. Dort blieb er sechs Jahre bis zum Ende der Oberprima.

Der auch medizinisch interessierte junge Mann studierte dann Theologie in Tübingen, wo er auch seine zehn Jahre jüngere Frau kennenlernte. Beide heirateten 1967. „Ich war immer in der Kirche mit eingebunden“, erinnert er sich. Er hatte einen Bezug zu dem Pfarrer von St. Antonius, Heinrich Maria Jansen, klopfte Steine beim Wiederaufbau von St. Antonius. Bis heute ist Bercker Kirchenvorstand in St. Marien.

Zur Promotion in Theologie fehlten ihm aber „die niederen Weihen“, sagt Bercker, sodass er schließlich promovierter Philologe wurde. Im Bistum Rottenburg hätte er einen Verlag übernehmen können, dem Weg seines Doktorvaters an der Uni folgen können. Stattdessen kam der Vater nach Tübingen, um ihn in den Verlag nach Kevelaer zu holen.

Verlagsübernahme 1966

Das Verlegerkind in der vierten Generation übernahm 1966 bei „Butzon & Bercker“ den Bereich Verlag und Kunstwerkstätten, sein Bruder Klaus Bercker den technischen Bereich. 1970 wurde er Geschäftsleiter. Sieben Jahre später begann die Umsiedlung von der „Luga“ zwischen Johannesstraße und Neustraße zum Hoogeweg ins Gewerbegebiet.

Einer seiner persönlichen Höhepunkte war der Besuch von Johannes Rau. Der damalige NRW-Ministerpräsidenten stellte ihm direkt eine Frage: „Wissen Sie, dass ich Autor bei Ihnen bin?“ Denn ein Jesuit hatte ein Gesangbuch mit einem Text von Rau bei dem Verleger herausgegeben. „Ich habe aber nie mein Honorar bekommen“, sagte Rau. Bercker muss bei der Anekdote auch heute noch immer schmunzeln.

Auch für Politik habe er immer ein Faible gehabt, sag Bercker, schon im Studium, wo er Kontakt zu Persönlichkeiten wie den Kirchenhistoriker Karl August Fink oder den Theologen Fridolin Stier hatte, der mit dem großen jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber befreundet war.

Prägend war auch der Vater, der „eindeutig CDU“ war, „aber er hat Fürchterliches insofern erfahren müssen“, weil er in der Nazizeit NSDAP-Mitglied wurde, um sein Unternehmen zu retten. Dafür hätte er später heftige Kritik einstecken müssen. „Er hat sich dafür aber nicht interessiert, hatte damit gar nichts zu tun, wurde schwer im Krieg verwundet“, erzählt der 84-Jährige. Der Vater hätte sich auch später mit der Reichsschriftenkammer in Berlin angelegt, „wenn die uns Schriften verweigerten.“

Das gipfelte nach Berckers Erinnerung in Aussagen wie „„Wenn Sie nicht als Verleger mitkriegen, wo der Unterschied zwischen unserer Auffassung und der des Autors ist, sind Sie nicht geeignet, einen Verlag zu führen. Dann entziehen wir Ihnen den Verlag.“

Politisch engagierte sich Bercker zunächst in der SPD, bedingt durch seinen Kontakt zu dem SPD-Bundestagsabgeordneten und Ehrenbürger Helmut Esters. „Wenn Kevelaer keinen Helmut Esters und die SPD gehabt hätte, wäre Kevelaer heute nicht das, was es ist“, sagt er mit voller Überzeugung. „Das ist den meisten Kevelaerern überhaupt nicht klar.“

Aber Bercker blieb nicht lange bei den Genossen. Bis in die Kundschaft sei er als „Linksradikaler“ verleumdet worden, sodass er schließlich austrat „damit das Gequatsche aufhört“, sagt er heute. Was es nicht tat: Als er Vorsitzender der „Deutschen katholischen Verleger und Buchhändler Deutschlands, Österreichs und der Schweiz“ werden sollte, besuchte ihn eine Delegation der Deutschen Bischofskonferenz, um ihn wegen seiner früheren SPD-Mitgliedschaft von der Kandidatur abzubringen.

Trotzdem wird er gewählt, aber in Bezug auf das Amt hätte er fast „die Bocken hingeschmissen.“ Damals wären die Zeiten halt andere gewesen.

Längere Zeit war er politisch dann nicht aktiv. Erst gegen Ende der 70er-Jahre trat Bercker in die CDU ein. „weil es die einzige Partei war, wo man die Möglichkeit hatte, was zu bewegen.“ Auch wenn ihm in manchen Punkten die FDP inhaltlich näher erschien.

„Ich mache keinen Hehl daraus, wie ich denke“, schlägt er den Bogen zu seiner Großmutter, die ihm sagte: „Wenn Du weiter so kritisch bleibst , habe ich um Dich keine Bange.“ Das sei er immer geblieben. Sich nach ganz vorne drängen sei aber nicht seine Sache gewesen. „Ich habe immer versucht, Leute zu überzeugen.“

Bekenntnis zu Gnadenbild und Kapellenplatz

Stolz mache ihn, dass er „ganz zu Anfang nicht als Politiker, sondern als Kevelaerer Bürger den Verkehrsverein“ habe leiten dürfen. Was ihn immer wieder fasziniere, sei das „unscheinbare Gnadenbild, und wie es behandelt wird.“ Der 84-Jährige erhofft sich, „dass die Kevelaerer nie vergessen, was der Mittelpunkt ist: der Kapellenplatz.“ Und dass, „wenn da an dem Gnadenbild was kommen sollte, was nicht soll, die Bürger kommen und sagen: so nicht.“

Was er nie verstanden habe, sei, dass die Stadt nie bereit war, „am Peter-Plümpe-Platz eine gescheite Toilettenanlage und gescheite Sitzplatzmöglichkeiten für Pilger zu schaffen, die in der Hitze oder im Regen warten müssen auf den Bus.“

Er hoffe, dass sich bei der Neugestaltung des Platzes in der Hinsicht etwas tut. Und man dürfe nicht vergessen, sagt Bercker, „dass es viele Ältere gibt, die mit der Fiets in die Stadt kommen, oder Schwerbehinderte, die die Gelegenheit zum Parken haben müssen.“

Für ausreichend Beschäftigung werden auch nach dem Abschied von seinen Ämtern die acht Enkelkinder sorgen. Zwei hätten jetzt einen Führerschein und „brauchen betreutes Autofahren“, meint er lächelnd.

Genug zu Hause zum Aufräumen ist auch noch zu tun. „Ich hab zuletzt die Abschiedsrede von Heinz Paal gefunden“, fällt ihm spontan ein. Und mit seiner Frau will er weiter aktiv am gesellschaftlichen Leben der Stadt teilhaben.

Das Ende einer Ära

Hansgerd Kronenberg wird sein Amt als Ortsvorsteher der Ortschaft Winnekendonk nicht weiter fortsetzen.

Das bestätigte der 85-jährige Ehrenbürger Kevelaers auf Anfrage des KB, nachdem sich die Winnekendonker CDU mit ihm zu einer Beratung über diese Frage getroffen hatte. „Ich habe das selbst entschieden, die Gründe für diesen Entschluss sind persönlicher beziehungsweise familiärer Art“, sagte Kronenberg.

Damit endet eine jahrzehntelange Ära, die im Februar 1970 mit seiner Wahl zum Ortsvorsteher ihren Ausgangspunkt genommen hatte. Seitdem gilt Kronenberg quasi als „Mr. Winnekendonk“, der die Ortschaft mit seiner ausgleichenden Art durch alle Höhen und Tiefen geführt hat.

Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen unter anderem das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland 2003 und die Verleihung der Ehrenbürgerwürde im vergangenen Jahr.

Ein Nachfolger Kronenbergs, der sich bereits bei der Kommunalwahl nicht mehr um ein weiteres Mandat beworben hatte, steht mit Erich Reiser auch schon fest. Der 62-jährige Diplom-Holzwirt ist mittlerweile im Vorruhestand. Seit dreißig Jahren ist er in Winnekendonk zu Hause und seit 1995 politisch bei der CDU aktiv. Künftig wird er das Amt des Ortsvorstehers von Winnekendonk ausfüllen.

„Mir sind 30 Jahre Winnekendonk durch den Kopf gegangen und die Entwicklung, die in Winnekendonk mit Hansgerd Kronenberg so eine positive Richtung genommen hat“, erzählte Reiser im Gespräch mit dem KB, was seine ersten Gedanken waren, als er für das Amt ausgewählt wurde.

„Persönlich habe ich lange überlegen müssen, ob diese großen Schuhe zu mir passen“, gestand der CDU-Politiker. „Das ist eine große und anspruchsvolle Aufgabe. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich das Amt würdig vertreten kann.“