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Den Glauben virtuell bewahren

Es herrschte eine entspannte Stimmung, als sich Annja Rossmann, Tom Löwenthal, Björn Völlings und Nicole Kraft-Englich gemeinsam mit Pfarrerin Karin Dembek verteilt im Kirchenraum auf die Aufnahmen vorbereiteten. „Ihr seid so weit weg, und so muss nur ich mit meinen Haaren vor die Kamera“, scherzte die Pfarrerin in Richtung der beiden Musiker*innen, die sich auf der Empore an der Orgel auf ihren Einsatz vorbereiteten. „Das liegt an der Orgel. Das hat nix mit den Haaren zu tun. Und wer schöner sein will als wir, ist nur geschminkt“, rief Rossmann lachend herunter – und war dann später doch „sichtbar“ für die Zuschauer*innen vor der Kamera. Zu Beginn sei das alles mit den Aufnahmen schon seltsam gewesen, gab Löwenthal zu. „Wir haben uns dran gewöhnt“, sagte der Chorleiter und Musiker. „Und wir haben Spaß.”  

Rossmann, die mit Gesang und Flöte die musikalischen Beiträge des Online-Gottesdienstes mit gestaltet, sah das ähnlich pragmatisch: „Es ist trotzdem so, als wären die Leute hier, weil sie am Bildschirm sitzen. In dem Moment, wo ich musiziere, denke ich an die Menschen, die zuhören. Wo sie zuhören, ist mir nicht so wichtig.“

In der Zeit direkt nach Beginn des ersten Shutdowns habe man mitbekommen, „dass das mit dem Online viele machen“, erzählte Pfarrerin Karin Dembek. „Und wir fragten uns: können wir das auch?“ Mit einem einfachen Stativ und dem Handy ging es los. „Da war sicher noch vieles sehr steif“, meint sie im Nachhinein. Dann kam Björn Völlings mit einem besseren Stativ, ein paar Anregungen – und so spielte sich das Ganze ein.

Die Aufnahme beginnt

Völlings justierte Stativ und Handy, gab Karin Dembek letzte Anweisungen. „Ich bleibe zum Kyrie-Gebet am Altar stehen. Dann komme ich nach vorne“, verständigten sich die zwei auf die Vorgehensweise. „Das ist ja abgespeckte Form, aber es ist schöner, wenn wir gemeinsam beten. Man sieht uns zwar nicht, aber hört uns“, sagte Völlings und bat die Küsterin Nicole Kraft-Englich, die über die Reihenfolge wachte, das „Vaterunser“ lautstark mitzubeten. 

Das Gute an der Zusammenarbeit sei, dass man alles bespreche, meinte Völlings. „Wir sind in dem Team hier oft zusammen. Selten kommt jemand extern dazu. Da ist es dann etwas wuschig, weil die das nicht gewohnt sind. Da haben wir mal ein, zwei Takes. Aber hier im Team schaffen wir es auch mal, ohne Cut zu drehen.“ Eine zweite Kamera für die Musiker*innen – das wäre mit Beleuchtung und Aussteuerung viel zu viel Aufwand, waren sich alle einig. 

Und so startete das Team am vergangenen Freitag: Rossmann intonierte nahe des Altars „Lobet den Herren“, und Dembek begrüßte die Gemeinde zur Online-Andacht  „für den Sonntag Invokavit.“ In Sachen Absprache herrschte dann ein paar Minuten später beim Erklingen einer von Tom Löwenthal mitgebrachten Melodie Verwirrung. 

„Am einfachsten wäre es, wir machen nach dem Eingangsgebet, was wir aufgenommen haben, einen Schnitt“, ordnete Nicole Kraft-Englich die Situation. „Wir machen da einfach weiter, wo wir gerade waren.“ Ihr fiel die Aufgabe wie immer zu, später das Video zusammenzuschneiden. „Das habe ich mir in der Zeit erarbeitet“, verwies sie auf die Tatsache, dass sie mit Sachen wie Videoschnitt zuvor relativ wenig zu tun hatte. „Aber das läuft mittlerweile alles tippi-toppi.”

Aufnahme war im Kasten

Zur Predigt schritt Dembek dann ganz nah an die Kamera, hob nach dem gemeinsamen Gebet noch die Hände zum Segen und schritt aus dem Bild. „Alles fertig“, konnte Völlings der coronakonform platzierten Mannschaft das Signal geben, dass alles im Kasten war. 

Es sei „nach wie vor merkwürdig, in eine leere Kirche reinzugucken“, gestand die Pfarrerin beim Verlassen des Kirchenraumes. „Es wäre schon schön, eine Antwort zu haben, wobei die Präsenzgottesdienste, die wir hatten, auch ohne Gesang vonstatten gingen“, sah sie die Besonderheit der Zeit auch unter analogen Bedingungen – ohne Abendmahl und konkretem Austausch. „Die Gemeinde hat da halt wenig Möglichkeiten, sich am Gottesdienst zu beteiligen. Das finde ich nach wie vor schräg.“ Das mache so ein Format wie dieses sogar fast noch angenehmer – weil wenigstens ein paar Menschen konkret dabei sind. „Und im Miteinander macht es schon Spaß.” Immerhin habe man bei 21 ausgestrahlten Gottesdiensten 3809 Klicks verzeichnen können. Das sei schon eine ganz gute Rückkopplung, auch wenn man nicht wisse, wer da so alles von wo aus guckt. „Ich schicke das teilweise auch per WhatsApp-Gruppe herum“, sagte Dembek. „Im Januar sind die Gottesdienste erfahrungsgemäß recht zäh – da hatten wir an die 160 Klicks.“ So viele Menschen hätte man im Januar in den Gottesdiensten sicher nicht in der Kirche gesehen.  

Am Dienstag werde man einen Kindergottesdienst aufnehmen, erzählte die Pfarrerin. Wie es insgesamt weitergehe, da zuckte sie mit den Schultern. „Ich hoffe, dass wir im Sommer zu einer Normalität zurückkehren, obwohl ich letztes Jahr auch schon enorm optimistisch war.“ Dann wolle man einmal im Monat auf jeden Fall für diejenigen, die nicht kommen, eine Aufnahme ins Netz stellen. Und zu Ostern hofft Dembek, dass man zumindest Ostersonntag einen Gottesdienst „Open Air“ ausrichten kann. Bei Karfreitag habe man die Online-Variante im Blick. „Aber man kann halt gar nichts planen.”

v.l.: Annja Rossmann, Tom Löwenthal, Pfarrerin Karin Dembek, Björn Völlings, Nicole Kraft-Englich.