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Frischemarkt in Twisteden hat wieder geöffnet

Noch ist nicht jedes Regal befüllt, aber es hat schon Formen angenommen: Der Betrieb im Frischemarkt an der Twistedener Dorfstraße ist heute morgen um vier Uhr angelaufen. „Wir bekommen noch Ware heute und morgen – und dann ist alles da“, zeigt sich der Neuinhaber Sivaguru Sivagaran an dem Morgen der „inoffiziellen“ Eröffnung des Ladens sehr zufrieden. „Ein schönes Gefühl“, gab der 43-Jährige zu. Der in Unna lebende Sivagaran war Mitte der 90er-Jahre vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat geflohen, hat sich als Flüchtling erst im Einzelhandel und in der Gastronomie Stück für Stück hochgearbeitet. „Man kann auch als Ausländer viel erreichen, wenn man fleißig ist“, lautet sein Credo. Sivagaran ist vor fünf Jahren ins Nahversorgungsgeschäft eingestiegen und betreibt aktuell sieben Läden. 

Er gibt zu, dass er zunächst unsicher gewesen sei, wie man als ausländischer Mitbürger in einem kleinen Dorf angenommen wird. Das habe sich aber komplett gelegt „durch die Ansprache der Menschen hier.“ Diese Begeisterung und das Anteilnehmen habe ihn sehr beeindruckt. „Jeden Tag, an dem ich hierher gefahren bin, gab es Menschen, die fragten: Wann machen Sie denn auf?“ Die gleiche Frage kam ihm in der Volksbank entgegen, obwohl ihn da eigentlich noch keiner kannte. Und Nachbarn des Ladens hätten einfach mitangepackt und Sachen reingetragen. „Das ist nicht normal“, sagt Sivagaran. „Das Gefühl, dass die Menschen hier so hinter mir stehen“, das habe ihn so stark gemacht.

Ein Blick in den umgebauten Laden.

In den vergangenen vier Wochen habe ihn außer dem Laden vieles nach Twisteden gezogen, erzählt Sivagaran. „Den Ort habe ich sofort geliebt“, gesteht er. Das „Irrland“ hat er im September mit seiner Familie besucht. Und die Chemie zu den Mitarbeitern, die er allesamt übernommen hat, die scheint auch zu stimmen. „Die Menschen, die Mitarbeiter hier, der Ort – jetzt hab ich nur noch Spaß.“ Seine größte Hoffnung ist nun, dass der Laden gut angenommen wird. Man habe bewusst früher geöffnet, um die Mitarbeiter für die Kasse und die ganzen Abläufe fit zu machen. Offizielle Eröffnung soll am 5. November sein – begleitet von Anzeigen, Flyern und Sonderangeboten.

„Wir haben komplett umgebaut“, meinte er beim Gang durch die Regale. „Die Struktur hat sich verändert – alles ist mehr offen und man hat mehr Platz im Laden.“ Die Brottheke und der neue Kassenbereich sind vorne, danach kann man eine breite, langgestreckte Regalstruktur entdecken bis hin zur Post und dem Getränkemarkt ganz am Ende, die dort immer schon waren.

Guter erster Eindruck

Monika Reuter fertigte mit dem neuen Kassensystem die Kunden ab. „Ich bin seit acht Uhr heute hier, es werden immer mehr“, meinte die Verkäuferin zur Resonanz. „Man merkt, dass die Leute froh sind, hier wieder einkaufen zu können.“ Auch für sie selbst sei es wieder schön, vor Ort arbeiten zu können, gestand Anni de Groot, die seit 25 Jahren im Dorfladen tätig ist. „Wir waren ja zweieinhalb Monate zu Hause.“

Die Kunden zeigten sich zufrieden.

Die Kunden, die am ersten Morgen dort anzutreffen sind, bestätigen den Eindruck von Freude und Erleichterung über die bereits erfolgte Wiedereröffnung des Ladens. „Die Aufteilung ist gut, etwas offener“, meinte Jennifer Wennemann. Jetzt müsse sie nicht mehr für Kleinigkeiten nach Kevelaer. Tom Kehren holte sich an der Bäckertheke Brötchen zum Frühstück. Er komme dafür regelmäßig sonst hierher. „Ich bin froh, dass der Laden auf ist – und auch für die Kollegen hinter der Theke“, unterstrich der 41-Jährige die Bedeutung des Ladens. „Das ist auch eine Anlaufstelle und ein Treffpunkt hier – für ein kleines Pläuschchen über Alltägliches.“ Yvonne Melten verließ zufrieden mit ihren Einkäufen den Laden. „Das ist wirklich schön, das hat wahnsinnig gefehlt. Toll, dass sich jemand gefunden hat, der es weiterführt.“

Ein Ende und ein Neubeginn

Seit ein paar Wochen geisterte das Gerücht schon in der Ortschaft herum. Jetzt ist es bestätigt worden: Das Ehepaar Hecks, das den „Nah&gut“-Laden an der Dorfstraße seit gut zweieinhalb Jahren betriebt, geht mit dem Betrieb in die Insolvenz. Man habe Dienstag vor zwei Wochen von der Insolvenz erfahren, „als der Insolvenzverwalter vor allen Angestellten stand und mitgeteilte, dass Hecks insolvent sind“, erzählt Gertrud Zaykowski, deren Mann Vermieter des Ladens ist und mit dem sie gemeinsam in der Frühschicht immer noch mit hinter der Theke steht. Nähere Angaben habe es nicht gegeben. „Im Januar war das Ehepaar Hecks bei uns am Frühstückstisch“, erzählt Zaykowski.  Da habe man noch gefragt, ob man so zurechtkomme. „Sie sagten, wir haben die und die Pläne.“

Dann kam Corona. „Aber das ist nicht alles. Der Lebensmittelbereich hat sogar von Corona profitiert, weil alle zu Hause kochen mussten und kein Restaurant geöffnet war.“ Sicher habe Edeka zwischenzeitlich Lieferschwierigkeiten gehabt, „aber das hätte man auffangen können.“ Hecks habe viel mit Kühlanhängern und Events gemacht, „das ist ihm weggebrochen, das stimmt. Aber dass man davon insolvent ist, das kann nicht alles sein.“

Ganz wichtig, unterstreicht die 59-Jährige, sei es ihr, das Gerücht zu entkräften, „dass wir in der Coronazeit die Pacht erhöht hätten. Da ist kein Stück dran.“ Im Gegenteil, sagt sie. „Hätte er uns gefragt“, wäre sie ihm da sicher entgegengekommen.

Der bisherige Betreiber hält sich bedeckt

Christoph Hecks hielt sich zu dem Thema auf KB-Anfrage komplett bedeckt. „Wir geben keine Presseauskunft zurzeit, da haben wir uns mit unserem Anwalt drauf geeinigt. Wir sind noch an einigen Sachen dran“, bestätigte er nur, dass „was in Bewegung“ sei. Ein Pressemitteilung werde dann über den Anwalt an die Öffentlichkeit weitergeleitet.

Nach der Ankündigung durch den Insolvenzverwalter „war ich drei Tage in Schockstarre“, gesteht Zaykowski. Denn immerhin haben sie und ihr Mann den Laden selbst 26 ½ Jahre lang geführt.  „Das ist mein Baby , da hab ich das halbe Leben mit verbracht. Ich liebe diese Arbeit“, merkt man mit jedem Satz, wie viel Herzblut darin steckt. „Wir hatten es damals ja nicht aufgegeben, weil wir keine Lust mehr hatten, sondern weil wir wenigstens für die Enkelkinder Zeit haben wollten, wo wir wir nie Urlaub gemacht haben.“

In der jetzigen konkreten Situation kam dann Karin Raimondi auf sie zu, um sie zu motivieren, ob sie nicht noch irgendwelche Kontakte mobilisieren könne. Die so Angesprochene will die Lorbeeren für den Impuls nicht haben, sagte sie dem KB. „Hauptsache, es geht weiter. Da haben wir jetzt ziemlich gezittert.“

Über die Lüning-Gruppe – ein deutsches Lebensmittelunternehmen mit dem Hauptsitz im ostwestfälischen Rietberg im Kreis Gütersloh- kam sie dann an einen Interessenten, der „Freitag vor zwei Wochen“ nach Twisteden kam, „sich die Geschichte angesehen“ hat und sehr interessiert war. Der sei dann eine Woche im Urlaub gewesen, habe „eine Nacht darüber schlafen“ wollen. „Und er hat sich dann entschieden.“ Die konkreten Verhandlungen fanden dann am Dienstag dieser Woche in Herne statt. „Er nahm uns dann auch mit nach Recklinghausen, um uns zu zeigen, wie er seine Läden führt. Er hat da so mehrere Läden, so nachbarschaftsmäßig.“ Der neue Pächter sei „ein ganz lieber Mensch.“

„Ein ganz lieber Mensch“

Bei dem „lieben Menschen“ handelt es sich um den aus Sri Lanka stammenden 43-jährigen Geschäftsmann Sivaguru Sivagaran. Der in Unna lebende Mann war Mitte der 90er-Jahre vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat geflohen, hatte sich als Flüchtling im Einzelhandel und in der   Gastronomie Stück für Stück hochgearbeitet, führte mit 18 ein Restaurant. Vor fünf Jahren war er dann in das Nahversorgungsgeschäft eingestiegen. „Ich habe drei Fischmärkte im Ruhrgebiet, einen vierten zuletzt vor zwei Monaten neu in Gummersbach eröffnet.“ Er sei auch Richtung Gummersbach, Köln und Duisburg unterwegs. Von den insgesamt sieben Läden habe er vier in einer ähnlichen Konstellation wie in Twisteden übernommen. Er wolle den Twistedener Laden ähnlich wie bisher weiterführen. „Das ist auch „nah&gut“, aber der Lieferant ist mit der Lüning-Gruppe ein anderer, der die Produkte liefert – nicht mehr direkt von Edeka.“ Über Lüning habe Zaykowski auch den Draht zu ihm gefunden. „Ich habe nicht gezögert“, sagt er, als es Freitag vor zwei Wochen hieß, „wir fahren da hin.“ Dann kam es zu den Gesprächen mit dem Ehepaar Zaykowski, mit Hecks und Lüning, wie es weiter gehen soll. „Und dann habe ich spontan entschieden, das zu übernehmen.“

Die Personen, die in dem Laden tätig sind, werde er übernehmen und ein, zwei Neue mitbringen, da das Ehepaar Hecks ja ausscheide. Was ihn motiviere? „Es macht mir Spaß, so angeschlagene Läden hochzubringen, das ist mein Ehrgeiz und mein Stolz. Und ich habe immer gesehen, wie die Menschen glücklich waren.“

Die Post soll bleiben

Die Details würden jetzt zwischen Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt geklärt. Dazu gebe es am heutigen Donnerstag, 13. August 2020, einen Termin in Düsseldorf. Sivagaran geht von grob vier Wochen aus, die es dauern wird, bis das Ganze über die Bühne gebracht worden ist. Die neue Eröffnung peilt er für Mitte September an. „Wir bauen ein bisschen um, werden etwas meinen Stil reinbringen.“ Was soviel heißt wie: „Soviel wie möglich in einem Laden – Bäcker, Tabakwaren, Lebensmittel, Drogerieartikel, Getränke.“ Auch die Post solle gerne bleiben. „Die Post habe ich kontaktiert.“ Hecks habe der Post bislang noch keine Kündigung geschrieben. Sobald diese vorliege, werde sich die Post an ihn wenden. „Die Öffnungszeiten sollen so bleiben, wie sie bisher sind,“ gibt sich der neue Betreiber zuversichtlich, „dass die Leute mitmachen.“

Der Twistedener Ortsvorsteher Josef Kobsch (CDU) freute sich über die „verheißungsvollen“ Signale, die darauf hindeuten, „dass es mit dem Markt weitergehen könnte.“ Auch die Stadt Kevelaer war in den Diskussionsprozess mit eingebunden. „Es sieht so aus, dass es unter Mitwirkung vieler sehr positiv eingestellter Akteure   gelungen ist, eine Nachfolgeregelung zu besprechen“, freute sich Wirtschaftsförderer Hans-Josef Bruns über die ihm zugetragene „mündliche Zusage“ und die „fruchtbaren Gespräche“, die geführt worden seien. Und auch Bürgermeister Dominik Pichler begrüßte den eingeschlagenen Weg. „Wenn es klappt, freut es mich sehr. Toll, dass das so kurzfristig geklappt hat. Das ist für die Ortschaft wichtig und ein gutes Signal.“