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50 Jahre Kreismusikschule

Zum 50-jährigen Bestehen der Kreismusikschule gab es ein großes Orchesterkonzert in der Halle Gelderland in Geldern. Den Anfang machte das KMS-Kinderorchester, geleitet von Anne Giepner.
Unter dem Titel „TV Hits for Kids“ spielten die jungen Musiker ein Potpourri beliebter Kinderfilm-Melodien und zeigten das hohe Niveau der Nachwuchsarbeit in der Kreismusikschule. Nach einem Grußwort des Gelderner Bürgermeisters Sven Kaiser präsentierte sich das große KMS-Sinfonieorchester, zum Jubiläum verstärkt durch Lehrkräfte und viele ehemalige Schüler.
Das Orchester, dirigiert von Johannes Hombergen und Carolina Dulcé de Thimm, glänzte mit überzeugender musikalischer Gestaltung. Lenena Bleckmann und die „KMS-Ehemalige“ Elisabeth Verhoeven führten durch das Programm.
Foto: privat

Wie Kinder zum Instrument finden

Viele Eltern oder Großeltern wünschen sich, dass ihre Enkel/Kinder ein Musikinstrument erlernen und schenken nicht selten auch Musikinstrumente zu Weihnachten. In Kevelaer unterrichten Maren und Thomas Brezinka schon seit 18 Jahren Kinder im Geigen- und Bratschenspiel und am Klavier. Gemeinsam leiten sie auch die drei Streichorchester der „Jungen Streicher Kevelaer“: die Streichmäuse, die Capella Piccola und das Jugendstreichorchester. In ihrer großen Wohnung in der Hauptstraße gibt zudem der Cellist Ole Hansen einmal wöchentlich Cellounterricht. Viele Kinder konnten so schon professionellen Instrumentalunterricht genießen und in drei Streicherformationen die Freude am gemeinsamen Musizieren erleben. Wie man erkennt, welches Instrument für das eigene Kind wohl richtig ist, ab wann Instrumentalunterricht sinnvoll ist und welchen Nutzen Musizieren hat, darüber sprach das KB mit Maren und Thomas Brezinka.
Kevelaerer Blatt: Ab wann wussten Sie, welches Instrument für Sie das richtige ist? Stammen Sie selbst aus einem musikalischen Haus und wurde Ihnen so die Musik schon in die Wiege gelegt?
Thomas Brezinka: Die Musik wurde uns auf ganz einfache Weise in die Wiege gelegt: indem unsere Eltern von Anfang an für uns gesungen haben, sämtliche Kinder-, Weihnachts-, Schlaf- und Volkslieder rauf und runter. Aber unsere Eltern waren keine Musiker und wir mussten unsere Wege selbst finden. Meine Eltern fanden einfach, dass zu einer guten Erziehung auch das Singen im Chor und das Erlernen von Musikinstrumenten gehört, und haben deshalb dafür gesorgt, dass ich früh guten Unterricht bekam: Oboe und Klavier. In Marens Elternhaus gab es sehr viel Musik, beide Eltern sind leidenschaftliche Laienchorsänger und es wurde bei jeder Gelegenheit gesungen, getanzt und Musik gehört. Maren hat dann Bratsche und Klavier gelernt. Für uns beide war schließlich das Spielen in Jugendorchestern das wegweisende Erlebnis: Maren im Niedersächsischen Landesjugendorchester und ich in der Österreichischen Jugend-Philharmonie.
KB: Nach dem Schulabschluss haben Sie beide sich dafür entschieden, Ihr Hobby zu Ihrem Beruf zu machen. War das für Sie persönlich schwierig und wie war Ihr weiterer musikalischer Werdegang?
TB: Wenn man sein Hobby zum Beruf macht, ist es kein Hobby mehr, sondern auf einmal „blutiger Ernst“. Ein Musikstudium ist hart und die Berufsaussichten sind schwierig. Man braucht schon eine große Leidenschaft für die klassische Musik und einiges Geschick, um auch die Unwägbarkeiten, die das Leben eines Musikers mit sich bringen kann, zu bewältigen – überdies in einer Welt, in der die klassische Musik nicht zum Mainstream gehört. Uns ist zum Glück gelungen, hier am Niederrhein eigene Nischen zu finden und aufzubauen: bei Maren das Unterrichten und die Jugendorchesterarbeit, bei mir ein Mix aus Organisieren – ein Neue-Musik-Ensemble in Düsseldorf und die Leitung der Dom-Musikschule Xanten –, Dirigieren – mein eigentlicher Hauptberuf – und musikwissenschaftliches Arbeiten. Klavierschüler unterrichte ich nur ein paar, weil ich dafür wenig Zeit habe. Aber die wenigen sind sozusagen handverlesen: meistens Schüler von Maren, die auch noch Klavier lernen wollen oder Geschwisterkinder, also sehr motivierte Kinder, mit denen man gerne arbeitet. Musikalische Fertigkeiten gibt es ja nicht umsonst: Man muss dafür regelmäßig üben. Obwohl wir mit unserer Pädagogik immer versuchen, den Spaßfaktor so hoch wie möglich zu halten, stellt sich die wirkliche Freude erst später ein, wenn man ein Musikstück beherrscht und im Umgang mit seinem Instrument immer sicherer wird.
KB: Sie haben sich beide schließlich dafür entschieden, die Liebe zur Musik durch das Unterrichten an die junge Generation weiterzugeben. Sie begleiten Kinder musikalisch oft von der Einschulung bis zum Abitur. Ist es schön, junge Menschen für die Musik zu begeistern oder ist es sehr mühsam?
TB: Es ist eine sehr schöne und eine sehr anspruchsvolle Arbeit, die viel Wissen, Können, Einfühlungsvermögen und Erfahrung voraussetzt. Denn Musizieren ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Geige und Bratsche sind die motorisch anspruchsvollsten Instrumente überhaupt – Cello ist eine Spur leichter – und es ist ganz wichtig, die tausend Schritte, die dorthin führen, kindgerecht und genau anzuleiten. Klavier ist da etwas einfacher, dafür gibt es das Problem der zwei Systeme für die Hände und der Komplexität des Notenbildes. Jedenfalls muss man sich jedem Schüler – eigentlich müsste man sagen: jeder Schülerin, denn 90 Prozent sind Mädchen – voll und ganz widmen, ihn oder sie auch in gewisser Hinsicht seelisch betreuen und stärken. Wenn das gelingt und die Kinder Fortschritte machen und Freude an ihrem Musizieren erleben, gibt es für einen Lehrer nichts Schöneres, als das zu erleben. Am meisten spüren wir das in unseren Orchestern, wenn die Kinder und Jugendlichen gemeinsam musizieren, die Geistigkeit der klassischen Musik verstehen und musikalische Verantwortung lernen. Schön ist außerdem der völkerverbindende Aspekt von klassischer Musik: Wir haben in den Orchestern auch Schüler der zweiten Generation aus Afrika, Iran, Kambodscha, Kanada, Russland und Sri Lanka, die hervorragend integriert sind und ausgezeichnet zurechtkommen. Sie alle über viele prägende Jahre hinweg begleiten zu dürfen und ihnen Werte vermitteln zu können, ist ein großes Privileg.
KB: Sie unterrichten Geige und Bratsche sowie Klavier. Wie kann man erkennen, ob diese Instrumente für das eigene Kind richtig sind? Ist es möglich, bei Interesse ein wenig reinzuschnuppern? Ab welchem Alter empfehlen Sie den Beginn von Streicher- oder Klavierunterricht?
Maren Brezinka: Bei uns ist es jederzeit möglich, eine Schnupperstunde für Geige, Bratsche, Cello und Klavier zu bekommen. Außerdem kann man unsere Streichmäuse bei einer Probe besuchen oder ein Konzert unserer Orchester anhören. Die Instrumente eignen sich alle ab dem letzten Kindergartenjahr, sehr ideal ist auch das erste Schuljahr, aber natürlich kann man auch noch mit neun Jahren beginnen, wenn man motiviert ist und schnell lernen möchte. Es ist nicht unbedingt notwendig, die musikalische Früherziehung besucht zu haben. Aber vorteilhaft ist, wenn zu Hause oder im Kindergarten sehr viel gesungen wurde. In den ersten Jahren sind wir auch auf die motivierende Mitarbeit der Eltern angewiesen. Diese müssen aber selbst kein Instrument spielen. Es erwartet die Kinder bei uns ein sehr fantasievoller und methodisch gut durchdachter Unterricht, der es fast jedem Kind ermöglicht, das Instrument zu lernen. Allerdings sind Geduld und Begeisterungsfähigkeit gefragt. Wer hingegen nur ein- bis zweimal in der Woche lernen möchte, sollte sicherlich eher einen Kinderchor besuchen, was ohnedies empfehlenswert ist.
KB: Klavier, Geige und Bratsche sind sehr anspruchsvolle Instrumente. Aller Anfang ist schwer, gewiss besonders auf diesen Instrumenten. Wie gelingt es Ihnen, dass Kinder gerade am Anfang nicht die Freude am Instrument verlieren, sondern Ausdauer entwickeln?
MB: Über die vielen Jahre konnten wir viele Methoden ausprobieren, die in sehr kleinen Schritten zum Erfolg führen. Wir arbeiten sehr fantasievoll und kreativ, mit abwechslungsreichen Aufgabenstellungen, die aber immer auf das Ziel, einige Jahre später niveauvoll das Instrument zu beherrschen, ausgerichtet sind. Die Streicher werden nach ca. einem Jahr zusätzlich in die Orchesterarbeit integriert, was allen extrem viel Spaß macht. Hier beobachten wir immer wieder, wie sich die Kinder gegenseitig begeistern, ermutigen und zusammenarbeiten. Es herrscht in allen drei Orchestern eine sehr freundschaftliche, lustige und auch „ernste“ Stimmung, die uns jeden Mittwoch aufs Neue mit viel Freude erfüllt.
Es entstehen auch viele Freundschaften unter den Schülern, die ja über den gesamten linken Niederrhein verstreut wohnen. Neben den Konzerten, auf die wir regelmäßig hinarbeiten, gibt es auch einige gesellige Anlässe wie Adventsfeiern, Opernfahrten, Orchesterfreizeit und Workshops, Eis- oder Pizzaessen. Es wird für die Schüler irgendwann ganz natürlich, dass im Sinne der Sache zu Hause geübt werden muss. Für Klavierschüler ist das allerdings ein bisschen schwieriger. Diese Schüler treffen sich hauptsächlich bei den gemeinsamen Schülervorspielen.
KB: Können Sie persönlich feststellen, dass den jungen Menschen in ihrer Entwicklung das eigene Musizieren zum Entfalten ihrer Persönlichkeit hilft?
TB: Auf jeden Fall: ein Instrument zu lernen ist kognitiv und motorisch anspruchsvoll – und daher auch faszinierend und spannend, wenn es pädagogisch gut vermittelt wird. Dazu kommen die seelischen Dimensionen von Musik: es geht in ihr um Gefühle und Seelenzustände, und wie man sie ausdrückt. Es geht um Kreativität. Wer sich in all dem jahrelang ausbildet, erarbeitet sich einen Schatz, der für das ganze Leben vorhält. Wir sind ja mit vielen ehemaligen Jugendstreichern im Kontakt und allesamt sind sie gestandene Persönlichkeiten geworden, die hervorragend im Leben zurecht kommen, interessante Berufe studieren und weltoffen und engagiert sind. Und alle sagen, dass das Orchester zu ihren wichtigsten Jugenderinnerungen zählt und dass sie der Musik treu geblieben sind.
KB: Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Gehirne von Menschen, die selber musizieren, anders sind, vernetzter. Kinder, die musizieren, sollen auch bessere Lern- und Gedächtnisleistungen in der Schule erbringen. Welchen Nutzen hat Musik? Welche Erkenntnisse sind wissenschaftlich belegt?
TB: Viele renommierte Psychologen halten musikalische Intelligenz für eine der wichtigsten Teilintelligenzen des Menschen. Zwar lassen sich damit keine besseren Menschen schaffen, sicher jedoch Eigenschaften und Begabungen vertiefen, die schon angelegt sind. Dabei ist entscheidend, selbst musikalisch aktiv zu werden. Passives Konsumhören bringt fast nichts.
Außerdem braucht jeder, der ein Musikinstrument beherrschen will, Leidenschaft, Selbstdisziplin, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen, also allesamt Eigenschaften, die gut für den Charakter sind. Dazu kommt im Orchester ein Gemeinschaftsgefühl, das man sonst nur schwer bekommen kann, am ehesten noch im Mannschaftssport, aber subtiler. Wer das erlebt hat, zehrt sein Leben lang davon, egal was er später macht.
Wertvolle Musik tut der Seele gut, und diese Wirkung ist natürlich viel größer, wenn man selbst musiziert. Dann taucht man in ein unerschöpfliches Feld ein: auch uns geht es so, dass wir mit den großen Meistern wie Mozart, Schubert, Beethoven, Brahms etc.etc. niemals fertig werden – selbst bei Stücken, die man in- und auswendig kennt, bleibt immer noch etwas übrig. Das ist das Besondere an großer Musik: man rührt nie an ihren Grund, es gibt immer noch tiefere Schichten und noch tiefere – ein unendliches Feld. Es stimmt durchaus, was der Philosoph Arthur Schopenhauer formuliert hat: Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar und tief wie die Musik, weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt, wie sie.
KB: Sie haben auch eigene Kinder. Konnten Sie das Musikergen auch an diese weitergeben?
MB: Als Gen würde ich das zwar nicht bezeichnen, aber ja, unsere beiden Kinder sind quasi mit Musik überschwemmt worden, sobald sie auf der Welt waren. Wir haben ständig gesungen, selbst musiziert, Kinderkonzerte gegeben, zu Hause unterrichtet und sind in Kindervorstellungen der großen Theater in Düsseldorf, Krefeld, Köln usw. gefahren. Früher haben wir uns gesagt, dass wir alles, was wir hier aufziehen, auch für unsere Kinder machen. Naja, das hat sich verselbstständigt, dieses Jahr ist das erste ohne eigene Kinder im Orchester… Unsere Kinder haben ihre schönste Zeit als Jugendliche nicht in der Schule, sondern im Landesjugendorchester NRW verbracht. Heute studiert Anton an der Musikuniversität in Wien Dirigieren, Chorleitung und Korrepetition und Clara testet als Regieassistentin den Beruf der Opernregisseurin während ihres freiwilligen kulturellen Jahres an der Oper in Köln.