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Echte Hoffnung oder Strohfeuer?

Beim Autohaus von Rafael Sürgers am Gewerbering 2 hat man sich mental schon auf die Mehrwertsteueranpassung vorbereitet, weswegen der Geschäftsführer bei einem seiner Fahrzeuge schon mal symbolisch den Schilderwechsel andeutet.

„Ich stehe dem positiv gegenüber, weil in unserer Branche mit dem Handel von hochpreisigen und langlebigen Gütern der größte Effekt zu erwarten ist“, gibt sich Sürgers optimistisch. Gerade bei Möbeln, Elektronik oder eben Autos lasse sich das vermuten. „Das sind bei einem Auto mit Bruttokosten von 20.000 Euro 504 Euro Effekt.“ Klar ist aus seiner Sicht auch, das an seine Kunden weiterzugeben. „Das selbst in die Tasche stecken, das werden wir nicht machen.“ Und selbstverständlich sei auch, dass „wir den neuen Mehrwertsteuersatz nehmen, wenn die Lieferung des Fahrzeugs durch Corona verzögert ist.“

Alle Preise würden entsprechend nach unten angepasst. „Wir werden da komplett neu auszeichnen.“ Mit dem Sortiment an Fahrzeugen vor Ort sei das alles kein Problem, die „ins System einzugeben, neu einzupreisen. Und dann erscheint es so auch auf den Autobörsen.“ Das sei zwar ein gewisser Aufwand, aber das müsse man einfach auf sich nehmen. Viel schlimmer stellt er sich die Situation für den Lebensmittel-Einzelhandel vor. „Da ist das mit 5.000 Artikeln ein deutlich größerer Aufwand.“

So ein ähnliches Problem, wenn auch noch verschärfter als von Sürgers angenommen, könnte auch auf Ketten wie Edeka zukommen. „Wir müssten ja sonst bei 25.000 Produkten neue Karten stecken“, sieht der Marketing-Verantwortliche bei Edeka Brüggemeier, André Spittmann, welche praktischen Fragen im Zuge einer Umstellung auftreten. „Ob die Preise nun gesteckt oder an der Kasse abgezogen werden, ist noch unklar.“

Am Mittwoch (Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor) sollte es bei einer großen Geschäftsführersitzung Informationen für die Einzelhändler dazu geben, wie das Ganze gehandhabt werden soll. „Wir werden die Mehrwertsteuersenkung aber auf jeden Fall eins zu eins an unsere Kunden weitergeben. Das kann ich schon verbindlich sagen.“

Markus Kaenders sortierte in seinem Laden auf der Busmannstraße noch die Kleider. Seine erste Reaktion auf die Initiative des Bundes war positiv überrascht.Er war eher davon ausgegangen, dass „Klientelpolitik“ zugunsten von Branchen wie der Automobilindustrie gemacht wird. Da seien „viele gute Sachen“ dabei. Ob das glückseligmachend sei mit der Mehrwertsteuer, das könne man noch nicht sagen.

„Aber es ist ein Impuls.“ Wie man das Ganze machen wird, da hat er sich noch nicht festgelegt. „Aber da rauschen schon ein paar Ideen durch den Kopf.“ Man müsse erstmal schauen, ob es kommt. „Aber die ersten Agenturen fahren da ja schon ihre Werbekampagnen.“ Als Modehändler sei man „ein saisonaler Händler. Da haben wir immer wieder Rabatte.“ Und in den Juli falle eh der Sommerschlussverkauf. „Da geht es irgendwie unter“, ist seine Vermutung.

Ein bisschen versonnen blickt Sabine Dicks, Inhaberin des „Goldenen Schwan“ auf der Hauptstraße, in das extra neu für Einzelgäste angelegte Corona-Wallfahrtsbuch. Sie freut sich über die Gäste, die ihrem Hotel- und Gaststättenbetrieb die Treue halten. Wie das mit der Mehrwertsteuer laufen wird, da befinde man sich noch im Gespräch mit der Kammer.

Denn es gab für die Gastronomiebetriebe 2020 nun zwei Mehrwertsteuersenkungen – eine, die Anfang Mai beschlossen war und eine Reduzierung von 19 auf 7 Prozent vorsah, und jetzt eine, die zum 1. Juli eine Absenkung von 19 auf 16 bzw von 7 auf 5 Prozent festlegt.

„Jetzt müsste man wissen: Ist die erste zurückgenommen? Das heißt also erstmal Verwirrung“, meint Dicks. Und: die aktuelle Absenkung gilt nicht für Getränke. „Das wird alles kompliziert mit den Gutscheinen, war mein erster Gedanke.“ Ob die Senkungen eine Anregung sein werden, verstärkt essen zu gehen? „Ich sehe die gute Absicht des Gesetzgebers. Ich glaube aber nicht, weil diejenigen, die essen gehen wollen, es auch mit 19 Prozent tun werden.“

In welcher Form sie das weitergeben werde, müsse sie noch überdenken. Erstmal koste das Ganze Aufwand. Ob man nun die Kasse anpasse oder die Karten der Tische, das werde man sehen, wenn das Gesetz beschlossen ist.

Schuhhändler Dirk Heystermann unternahm nach dem Feierabend von der Busmannstraße aus mit dem Hund noch einen Spaziergang. „Das ist schwierig umzusetzen für uns“, lautet seine Meinung zum Thema Mehrwertsteuer. „Wenn sie es dauerhaft machen würden… Aber so muss ich danach dann wieder alles umzeichnen“, sieht er die praktischen Aspekte. „Das habe ich bei der ‚Euro-Umstellung‘ miterlebt, das hat mir gereicht“, sagt er offen. „Und ich weiß nicht, ob das ein Anreiz für den Kunden ist. Das macht den Kohl nicht fett.“

Aus Sicht des Unternehmers sei es keine Option, auf die Preise was draufzuschlagen und den Rahm abzuschöpfen. „Wir verdienen dadurch keinen Euro mehr.“ Er hofft, dass der so gut gemeinte Effekt nach sechs Monaten von der Psychologie her nicht umschlägt. „Ich hoffe, dass das dann im Januar nicht in die Hose geht, wenn das Argument kommt: Es wird wieder alles teurer, weil ihr ja drauf geschlagen habt.“