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Ein Kapitel geht zu Ende

Das diesjährige Weihnachtsfest dürfte Maria van Meegen wohl in besonderer Erinnerung behalten. „Ja, mich begleitet in diesen Tagen ein ziemlich komisches Gefühl“, gesteht sie mit glänzenden Augen und rührenden Erinnerungen an die vergangenen Wochen. Am 20. Dezember 2019, genau vier Tage vor dem Heiligen Abend, verabschiedete sich Maria van Meegen von ihren Sternen-, Bären-, Gänseblümchen- und Sonnenscheinkindern, die sie 43 Jahre lang im Kevelaerer St. Marien-Kindergarten begleitet hat.

„Ich freue mich ja auf den Ruhestand, aber ich verabschiede mich auch mit sehr viel Wehmut“, betont die langjährige Leiterin der Kevelaerer Einrichtung, für die das Wohl der Kinder in all den Jahren immer an erster Stelle stand. Dafür musste dann auch schon mal so manche Verwaltungsaufgabe beiseite geschoben werden. „Die Kinder hatten und haben immer Vorrang“, sagt Maria van Meegen, die jedes „ihrer Kinder“ beim Namen nennen kann. Und das dürften in 43 Jahren mehr als 2.000 Kinder gewesen sein.

Gespielt, gelacht, geweint und getobt

Maria van Meegen ist es in all den Jahren gelungen, den Kindern den ersten Abschied von Zuhause zu erleichtern, ihnen die Hand zu halten und sie beizeiten auch wieder loszulassen. Sie hat den Kindern zugehört, sie getröstet und gelobt. Sie hat mit „ihren Kindern“ gespielt, gelacht, geweint, getobt oder auch mal in die Stille hineingehorcht. Maria van Meegen sind alle Kinder ans Herz gewachsen.

Die Kinder und Kollegen hatten sich zur Abschiedsfeier versammelt. Foto: HvL

Der Wunsch, Kindern unbeschwerte Kindheitstage zu geben, liegt ihr am Herzen. Genau diesem Ruf folgt sie im Alter von 15 Jahren, nachdem sie während eines 14-tägigen Praktikums im St. Antonius-Kindergarten reinschnuppern darf. „Der Umgang mit Kindern hat mir damals schon Spaß gemacht“, erklärt die gebürtige Twistedenerin. Am 1. September 1976 absolviert sie im St. Marien-Kindergarten ihr Anerkennungsjahr, wird anschließend direkt übernommen und schließlich als Leitung einer Gruppe eingesetzt. Da Twisteden erst 1981 einen eigenen Kindergarten erhält, übernimmt sie die Gruppe mit den Kindern aus ihrem Heimatdorf. Dabei fliegen dem „Fräulein Maria“, wie sie in den 1970er-Jahren noch gerufen wird, die Kinderherzen aller Kinder nur so zu.

Schnell wird der damaligen Leitung klar: Maria van Meegen ist aus dem ältesten Kindergarten der Stadt Kevelaer und des Bistums Münster nicht mehr wegzudenken. Auch nachdem die Einrichtung um eine Gruppe auf vier Gruppen reduziert wird, bleibt die Erzieherin dem St. Marien-Kindergarten erhalten. Angefangen unter der Leitung von Schwester Liboris, übernimmt Maria van Meegen 1988 die Leitung von Schwester Stephanie, der letzten Ordensschwester der Schwesterngemeinschaft der Göttlichen Vorsehung.

Mit 31 Jahren stellt sich die junge Frau der Verantwortung, ein Team zu führen, dieses zu motivieren, dabei immer und überall die Kinder im Blick zu haben. Zusätzlich macht sie eine heilpädagogische Ausbildung und führt eine Inklusive Gruppe im St. Marien-Kindergarten ein. Noch vor 1990 besucht das erste Kind mit Down-Syndrom die integrative Einrichtung. „Das war damals ein Riesenschritt und ein guter dazu“, betont die 62-Jährige, die das integrative Angebot in Zusammenarbeit mit Therapeuten und der Frühförderstelle erweitert.

Viele Veränderungen in 43 Jahren

Sie möchte allen Kindern die beste Möglichkeit für einen guten Start ins Schulleben ermöglichen. Ihr gelingt es, mit vielen Institutionen Gespräche zu führen, die Besonderheiten der Kinder kennenzulernen und herauszufiltern und das Team mit einzubeziehen. „Eine Leitung ist nur so gut, wie sich das Team mitnehmen lässt“, betont van Meegen, die überaus dankbar für ein tolles 16-köpfiges Team ist. In 43 Jahren hat van Meegen viele Veränderungen erlebt. So entzieht sich auch der traditionsbewusste Kindergarten nicht dem Wandel der Zeit. Familienstrukturen ändern sich zusehends und erfordern ein Handeln. Immer ist sie darauf bedacht, alles zum Wohle der Kinder zu entscheiden. Auch hier gelingt der Leiterin eine gute Kombinationslösung.

Bis zur Einführung der Offenen Ganztagsschule 2007 richtet der St. Marien-Kindergarten eine Hortgruppe für Schulkinder vom ersten bis zum vierten Schuljahr ein. „Auch das war eine tolle Erfahrung und alle Kinder profitierten davon“, erinnert sich die sympathische Neuruheständlerin. Immer wieder bringt sie erforderliche Umbaumaßnahmen auf den Weg, die ihr seitens des Trägers, der Pfarrei St. Marien, auch gewährt werden. „Sie haben mir immer großes und uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht, mich dabei selbstständig arbeiten lassen“, lobt die ehemalige Leiterin ihren Arbeitgeber.

Zur Ruhe kommen und die Hektik des Alltags nehmen

Maria van Meegen schaut voller Dankbarkeit auf die vergangenen vier Jahrzehnte zurück. Die Vorweihnachtszeit mit vielen traditionellen Ritualen ist ihr dabei besonders ans Herz gewachsen. „Wir haben immer versucht, die Kinder in dieser Zeit zur Ruhe kommen zu lassen, ihnen die Hektik des Alltags zu nehmen, mit ihnen den Weg zur Krippe ganz bewusst zu gehen, um sie dann auf die Geburt Jesu vorzubereiten“, erzählt die Erzieherin, die bis zum letzten Arbeitstag am 20. Dezember 2019 in der Einrichtung präsent war.

„Bring dir an diesem Tag Zeit mit!“, hatte ihr Team im Terminkalender geschrieben. Nein, leicht haben es ihr 77 Kinder und 16 Erzieherinnen am letzten Arbeitstag im St. Marien-Kindergarten nicht gemacht. Mit einigen Tränen übergab Maria van Meegen, nur wenige Tage vor dem Heiligen Abend, den Leitungsstab an ihre Nachfolgerin Julia Holtermann. Diese wird ab dem 7. Januar 2020 die Geschicke des St. Marien-Kindergartens leiten. Aber das ist eine neue Geschichte. 

Den Artikel zur Abschiedsfeier finden Sie hier auf unserer Website. 

Großer Dank für tolle Arbeit

Es war ein Abschied und doch ein bisschen so wie in all den Jahren: Maria van Meegen, die Leiterin des Kindergartens St. Marien, stand umringt von „ihren“ Kindergartenkindern inmitten des Saals im Priesterhaus. „Ich habe euch etwas mitgebracht“, verkündete sie und ließ die Kinder auspacken. „Das verändert sich immer, wenn man es dreht“, erklärte sie anschließend den Kindern den Mechanismus des beweglichen Wandbildes.

Zuvor hatte sich van Meegen nach vielen lobenden Worten bei allen früheren und heutigen Kollegen, dem Elternbeirat, den Leitern und Vertretern der diversen Einrichtungen in Kevelaer für die jahrzehntelange Verbindung und Unterstützung herzlich gedankt. Denn zum Jahresende geht die Kindergartenleiterin in den Ruhestand.

„Wenn ich ein zweites Leben hätten, würde ich wieder Erzieherin werden und es ganz genauso machen“, zog sie ein hochzufriedenes Fazit aus 43 ½ Jahren Arbeit. „Sie sind seit 1974 dabei gewesen, ich seit 1976“, meinte sie mit Blick auf den früheren Prälaten Richard Schulte Staade, der es sich nicht nehmen ließ, dabei zu sein. Es sei ein „komischer Moment“ für sie, räumte sie ein, während sie Weggefährten und Freunde umarmte und Geschenke entgegennahm. „Kinder berühren einen noch mal anders.“ 

Warmherzig, geduldig und konsequent

Dass sie dem Kindergarten auf irgendeine Weise noch erhalten bleibt, darauf hofft der Förderverein des Kindergartens, in dem sie aktuell Beisitzerin ist. „Ich hoffe, sie macht da auch jetzt mehr“, meinte Tobias Friesen. Als „warmherzig, geduldig, gütig, positiv konsequent und charmant straight“ beschrieb Simona Hornen sie.

Eltern und Kinder hatten in der Kirche – angelehnt an Andreas Bouranis WM-Hymne „Ein Hoch auf uns“ – einen eigenen Text verfasst und damit Pfeifen und Applaus ausgelöst: „Ein Hoch auf das, was vor Dir liegt, dass es das Beste für Dich gibt. Ein Hoch auf das, was uns vereint, die Kiga-Zeit“, hieß es da.

Auch Pfarrer Gregor Kauling hatte wie die Kinder später im Priesterhaus seine Anerkennung ob der geleisteten Arbeit zum Ausdruck gebracht: „Rente ist schön“, lobte er die Verdienste der scheidenden Pädagogin. Gleiches trugen die Kinder im Priesterhaus mit Ergänzungen wie „weil Du mehr Zeit zum Radfahren hast“ oder „Damit es Dir gut geht“ vor und präsentierten dazu den passenden Gegenstand wie eine Radklingel oder ein Kleeblatt.

Die Seele des Hauses

Für van Meegens direkte Kollegen geht eine Ära zu Ende. „Ich bin mit ihr angefangen, hab mit ihr 31 Jahre gearbeitet. Das ist ein sehr emotionaler Moment für mich“, sagte Claudia Verhaag mit dauerfeuchten Augen. „Sie war die Seele des Hauses – und die bleibt ein Stück da.“

Christel Gipmanns bewunderte „die Herzlichkeit und Ruhe, die sie ausstrahlt.“ Und ihre Nachfolgerin Julia Holtermann, die die vier Monate Einarbeitungszeit mit ihr als wertvolles Geschenk betrachtete, war sich der Tatsache bewusst, „dass es ein großes Erbe ist, was da auf mich zukommt. Und ich wünsche mir, dass ich dem gerecht werde“, meinte die 36-jährige gebürtige Mülheimerin, die jetzt in Uedem wohnt. Romano Giefers vier Kinder wurden alle unter van Meegens Ägide in dem Kindergarten groß. „Sie war sehr geduldig und souverän. Das tut so einer Tagesstätte gut, wenn jeder das Gefühl hat, da kann nix passieren“, beschrieb der Chorleiter von St. Marien seine Gedanken.

Bürgermeister Dominik Pichler stellte fasziniert fest, „dass sie mit ihrem Beruf anfing, als ich geboren wurde.“ Eine so lange Zeit bei einem Arbeitgeber an einem Platz gebe es heute selten. Und da drei seiner Kinder dort in der van-Meegen-Zeit selbst waren, seine Frau Silvia den Kindergarten früher selbst als Kind erlebt habe, bestehe „ein persönlicher Bezug.“ Silvia Pichler ergänzte: „Als Mutter kann ich nur sagen: super. Sie hat für alle ein offenes Ohr.“