Und da war sie wieder, diese geheimnisvolle Stimme aus dem Off: „Hier spricht Edgar Wallace“, erklang aus den Boxen einer der markantesten Sätze der deutschen Filmgeschichte.
Es war ein kleiner, aber erlesener Kreis, der in der Galerie „wort.werk“ in das Leben und Werk des berühmten britischen Kriminalautors eingeführt.
Der bekannte Rezitator, Übersetzer und Autor Wilfried Schotten hatte das Buch „Each Way“ des früheren Privatsekretärs von Wallace, Robert George Curtis, übersetzt. „Eine Anspielung auf die „Ups and Downs“, die den Weg des „Stehaufmännchens“ Wallace begleiteten“, stellte er dann das Buch vor. Und er zeigte via Diaprojektor Bilder des Wohnhauses von Wallace in Greenwich, dass er im Jahr 2002 vor Ort besucht hatte.
Die Liebe zum Theater
Dort wurde Richard Horatio Edgar Wallace am 1. April 1985 als uneheliches Kind der Wanderschauspielerin Polly Richards und des Komödianten Richard Horatio Edgar, „die ihm sicher die Liebe fürs Theater mitgegeben haben“ (Schotten), geboren.
Schotten beschrieb in anschaulichen, bildhaften Worten – begleitet von diversen Fotos – den Lebensweg des Autors, der mit 9 Tagen von der Fischhändlerfamilie Freeman aufgenommen und dort gezwungen wurde, zehn Jahre zur Schule zu gehen, und der an der Fleet Street erste Erfahrungen als „Paperboy“ sammelte.
Deswegen sei Wallace später als berühmter Mann „immer auf dem Teppich“ geblieben, zitierte Schotten die Inschrift der Gedenktafel am „Ludgate Circus“: „Er lernte Reichtum und Armut kennen – er verkehrte mit Königen und doch blieb er sich selbst treu. Seine Talente widmete er der Literatur, doch sein Herz gehörte der Fleet Street.“
Er erzählte von seinem Eintritt in die Armee als 18-Jähriger, seiner Zeit in Südafrika im Royal West Kent Regiment als Kriegsberichterstatter im zweiten Burenkrieg und Herausgeber der „Daily Mail“. „Es hat ihn beschwert, dass er immer knochentrocken schreiben musste.“ Deshalb sei er dann für „zwei, drei Skandale verantwortlich“ gewesen.
Nach der Heirat mit seiner ersten Frau Ivy Maude Caldecott, der Tochter eines methodistischen Missionars und dem Tod der Tochter an Meningitis mit zehn Monaten kehrte das Paar hoch verschuldet nach London zurück und wechselte mehrfach auf der Flucht vor Gäubigern die Wohnung.
Kennzeichnend fürWallace seien „Spielleidenschaft, Großzügigkeit und Verschwendungssucht“ gewesen. Er habe zahlreiche Rolls Royce und 22 Rennpferde besessen – „obwohl er keine Ahnung von Reitsport hatte“, zitierte Schotten aus dem Curtis-Buch: „Kostenabschätzung und Maß gab es in seinem Denken nicht.“
Er dachte, „dass der Zustrom von Geld unerschöpflich sei – und: Ein Edgar Wallace darf niemanden im Stich lassen.“ Und so durfte der Sekretär sich auch mal einen neuen Wagen auf Wallaces Kosten kaufen, auch wenn dessen Krimi „Der Zinker“ noch nicht veröffentlicht war.
Der Bestseller-Autor
„Er konnte immer Geld besorgen“, ab das sei zeitweise auch kein Wunder gewesen, so Schotten. „Jedes vierte verkaufte Buch in England war 1928 eins von Edgar Wallace“, machte er die Bedeutung des Autors mit seinen „über 170 Romanen, 28 Theaterstücken, an die 1000 Essays und Tausenden von Zeitungsartikeln“ deutlich.
Er habe aber auch feministische Literatur geschrieben – und die Filmidee zu „King Kong“ kurz vor seinem Tod mit entwickelt. Wallace habe sich „vom mittelmäßigen Autor zum Bestseller“ entwickelt, sei als Journalist sehr begehrt gewesen. „Aber es gab viele Speichellecker um ihn herum“, konstatierte Schotten.
Später habe sich Wallace körperlich „verdreifacht“, beschrieb er dessen dauerhaftes Fahrstuhlfahren, das Benutzen des Taxis für kurze Strecken, Schlafmangel beim Dauerschreiben und „60 bis 80 Tassen Tee und 80 bis 100 Zigaretten“ am Tag. Das Ergebnis: Diabetes.
Ausführlich widmete sich Schotten in bewegenden Worten dem Ende von Wallace, dem bangen Warten des Freundes Curtis und Wallaces zweiter Frau. „Jeder Atemzug und Arztschritt erreichte unser Ohr – dieses Mal war die Gegenseite zu stark.“ Ganz London und Southhampton hätten damals Halbmast geflaggt, der Friedhof in Southhampton sei überfüllt gewesen.
Heute sei Wallace unbekannt in seinem eigenen Land, verwies er auf dessen Grabstätte in Little Marlow nahe dem Heimatort Bourne End. „Da möchte ich nochmal hin und sein Grab auf Vordermann bringen.“, Mit diesen Gedanken endete eine siebzigminütige, sehr unterhaltsame Reise durch das Leben eines kreativen Kopfes.