Beiträge

Eine andere Form der Gastronomie betreiben

Für Ursula Grootens begann mit dem Ausbruch des Coronavirus und den Alltagsbeschränkungen im „Einhorn“ eine völlig neue Form des gastronomischen Arbeitens. „Wir waren direkt am 15. März mit dabei, haben im Familienrat zusammengesessen. Da haben wir dem ‚Einhorn‘ direkt an dem Mittwoch ‚Flügel‘ verliehen“, erzählt die lebenslustige Geschäftsfrau. Damit meint sie ihren Abhol- und Lieferservice an der Twistedener Straße plus „Drive-In“ am Fenster. „Das ist super eingeschlagen. Wir haben super nette Stammkunden und auch Neukunden“, lautet ihr Fazit.

„Wir kommen richtig gut klar, wir haben was zu tun. Mein Mann schickt unsere drei Söhne in die Straßen mit dem Wagen. Und wir haben bis zu 150 Essen am Abend, die wir rausfahren. Wie dachten bei der Kalkulation im Vorfeld, dass 30 schon toll wären. Das haben wir selbst nicht gedacht.“ Die drei Festangestellten und die Halbtagskraft ziehen mit. Zwar agieren die Mitarbeiter in der Küche auf Kurzarbeit, und die Aushilfen, die man zur Zeit nicht benötigt, „sind natürlich traurig.“ Aber natürlich ist es auch so, dass die ganze Geschichte nicht die Einnahmen früherer Tage ausmacht. „Es bringt ein bisschen was rein und man ist psychologisch an der Arbeit. Wir haben eine Aufgabe und was zu tun.“ Ohne die Söhne und ihren Mann ginge das alles nicht, sagt die Geschäftsfrau. „Das ist ein Familienprojekt geworden. Wir sind ganz schön aneinander gerückt, jeder steht für jeden ein.“ Die Kinder seien eine riesige Unterstützung. „Die haben ja auch alle nicht gedacht, dass wir das so lange durchhalten müssen. Von denen hat noch nicht einer gemoppert und geschimpft. Die sagen: Mama, das machen wir für euch.“

Zumeist wird das Essen auf Tellern vorbereitet. „Die meisten bringen uns das auch schön wieder zurück.“ Dazu steht ein Geschirrwagen auf dem Hof, der Tag und Nacht „bestückt“ werden kann. Ansonsten gebe es auch Einweg oder Zuckerrohr-Behältnisse. Die Mahlzeiten würden dann in Wärmebehältern zum Kunden gebracht und kontaktlos übergeben. Bezahlt wird dann oft mit Paypal.

Grootens hofft, dass es „Mitte Mai wieder los geht“ mit dem normalen Betrieb. „Aber wir haben keine Gesellschaften mehr, die Schützenfeste sind alle abgesagt. Das macht schon Sorge. Mit der Kurzarbeit können wir für die Angestellten wenigstens die Arbeitsplätze erhalten.“  Wenn das Restaurant mal wieder geöffnet werden sollte, dann könne sie die Abstands- und Hygienevorschriften sicher einhalten, ist sie optimistisch. Aber soweit denkt sie noch nicht. „Wir müssen erst mal gucken, dass wir das so durchkriegen.“

Die Konserven sind beliebt

Wenn „Börgermeister“ Felix Moeselaegen über die augenblickliche Situation nachdenkt, dann fällt folgender Satz: „Es geht einem nicht unbedingt besser als vor der Corona-Krise, aber man macht noch immer gerne seine Arbeit“, sagt der 35-Jährige. Nach wie vor ist es so, dass die Kunden des Metzgereibetriebes Moeselaegen in die Läden in Kevelaer und Geldern kommen, um zum Beispiel die beliebten Konserven zu holen. „Das ist ja unser Steckenpferd. Das erleichtert ja den Leuten vieles, dass sie vernünftige Mahlzeiten auf den Tisch kriegen.“

Im Zuge der Krise hat die Metzgerei einen Lieferservice eingerichtet, bei dem Tagesmenüs, Fleischgerichte und Suppen in Konserven sowie alle Produkte aus der Fleischtheke telefonisch, per E-Mail oder WhatsApp ab einem Bestellwert von 20 Euro innerhalb Kevelaers geordert werden können. Schon seit der letzten Märzwoche biete man fertig gekochte Sachen, die als Menü verpackt sind, an. Oft telefoniere man dabei mit der älteren Generation. „Die sind nicht alle so mit E-Mail vertraut und internetaffin. Da telefonieren wir sehr gerne. Die Leute können ja die Dosen und Konserven bestellen und was von der frischen Theke. Und wenn sie fertiggekochte Gerichte brauchen, geht das per Absprache.“ Meistens fahren Moeselaegens die Waren selbst dorthin. „Wir machen das gerne, sind uns da nicht zu schade, zu den Leuten hinzufahren.“ Einige zahlten schon per Überweisung und Paypal.

Der Lieferservice bedeutet aus seiner Sicht lediglich ein „Zubrot“, stelle keinen Massenbetrieb dar. Um die Qualität der Lebensmittel müsse man sich keine Sorgen machen. „Eine Metzgerei ist an sich schon ein sehr sauberer Ort. Da sind schon viele Sachen selbstverständlich, die man sonst nicht selbstverständlich macht.“ Bislang hat die Krise noch zu keinen Entlassungen geführt, sagt Moeselaegen. Die Mitarbeiter für die Gastronomie sind erstmal zuhause. „Die ganzen Events, die wegfallen, sind problematisch. Aber das wird sich sicher auch irgendwann legen. Die können ja nicht die ganze Gastronomie bis Jahresende brach legen. Soviel Geld kann man gar nicht drucken.“

Sorgen macht er sich um die Standard-Gastronomen, um die Cafés in der Innenstadt, deren Geschäft auf die Sommermonate und Pilgerei ausgelegt ist. „Da ist sicher die Frage, inwieweit die da ihr Privatkapital dazuschießen. Da werden sicher einige intensiv drüber nachdenken.“

Aktiv gegen die Krise mit Lieferservice und Mittagstisch

Das Telefon klingelt, Agnes Pacco nimmt den Anruf entgegen: „Hallo, ja, das können wir machen. Wir bringen es in einer Dreiviertelstunde.“ Dann legt sie auf. „Das wird wohl der letzte Anruf für heute sein“, konstatiert die 67-Jährige, die seit gut einem Jahr den „Knoase-Treff“ führt – und sich derzeit mit einem Mittagstisch und einem Lieferservice versucht, über Wasser zu halten. „Ich mache das seit zwei Wochen“. Sie zeigt auf ihr Angebotsplakat. „Man muss was tun und nicht immer nur grübeln“, sagt die Kneipenwirtin, die in der Situation die Ärmel hochgekrempelt hat – auch wenn es ihr im Moment nicht immer leicht fällt, positiv zu sein.

Über Facebook, „Geldern digital“ und „Kevelaer digital“, habe sie für das Angebot schon Werbung gemacht. „Das Poster bringe ich draußen vor der Tür noch an, die Flyer sind in Druck und wir wollen diese dann dazu verteilen.“ Und das Desinfektionsmittel steht auch zur Nutzung bereit. Sonntags bietet sie einen Mittagstisch an. „Da kommen schon zwölf bis vierzehn Leute. Vorige Woche gab es Gulasch mit Kartoffeln und Rotkohl. Die Leute waren zufrieden und schreiben: Es war lecker. Ich hatte auch schon Gäste aus Kevelaer, die ihr Essen hier abgeholt haben und angekündigt haben, hier im Oktober feiern wollen.“

Bislang kann sie damit aber noch keinen großen Staat machen. Denn der Lieferservice findet momentan zu wenig Resonanz. „In der Woche sind es sieben bis acht Gerichte, die bestellt werden.“ Es sei wohl noch etwas Geduld angesagt, „bis es bei den Leuten ankommt, dass es dieses Angebot gibt.“ Sie versuche, das Angebot interessant, abwechslungsreich und so kostengünstig wie möglich zu halten. Das Wetter motiviere leider viele, zum Beispiel selbst zu grillen. „Und manche haben Kurzarbeit und sagen sich, wir holen für 4,50 Euro eine Pizza, da sind wir auch satt.“ So kommt es halt vor, dass sie dann auch Essensreste verschenken oder entsorgen musste.

Die Kosten laufen weiter

Bis zum Beginn der Corona-Krise war für die Gastronomin eigentlich alles in Ordnung. „Ich hatte so viele Reservierungen, das Jahr war für mich gerettet.“ Die Situation hat sich mit Corona komplett geändert. „Man lebt ja auch von dem Knoase-Saal. Aber da sind ja alle Gesellschaften, Beerdigungen und Veranstaltungen weggefallen.“ Die Kosten, die laufen aber weiter.

20 Jahre Gastronomie in Detmold und im Winnekendonker Bürgerhaus hat sie schon hinter sich. „Eigentlich habe ich schon ein Alter, wo ich mich aufs Sofa setzen und Geld beantragen könnte“, lacht die 67-Jährige. Aber an dem Knoase-Projekt, „da hängt mein Herz dran.“ Nicht zuletzt, weil die Wettener sie direkt angenommen haben. „Zuletzt bei der Kappensitzung hatte ich das Gefühl, ich gehöre hier dazu. Und ich fühle mich auch dazugehörig. Ich will das hier weitermachen.“ Wie so ein Betrieb zukünftig weiterlaufen soll, da sieht sie noch ganz viele Fragezeichen. „Ich befürchte, wenn man die Nachrichten so verfolgt, dass das mit der Gastronomie vor August/September nichts wird.“ Und in einem Kneipenbetrieb stehe man halt gerne näher zusammen. „Den Thekenbereich kann man also total vergessen. Wer will denn mit vielleicht 20 Leuten auf 120 Quadratmeter getrennt voneinander sitzen, ein Bierchen trinken und knobeln?“

Über die Erweiterung der Räumlichkeiten zum Saal hin könne man sicher eine Möglichkeit für Gastronomie schaffen. „Beim Essen kann man das so hinkriegen, dass man Zwischenräume schafft“, zeigt sie nicht ohne Stolz auf das Kneipen-Interieur. Da sind die Tische durch Blumen und andere Accessoires schon so voneinander getrennt, dass kleine Gruppen für sich dort durchaus sitzen könnten. Entsprechend habe sie der Beschluss der Bundesregierung schon enttäuscht. „Man könnte ja auch draußen Stühle hinstellen für Radfahrer, die da eine Pause machen wollen.“ Aufgeben, das kommt für Agnes Pacco aber nicht in Frage. Sie will solange aktiv bleiben, wie es geht. Und sie hofft darauf, dass die Wettener ihr Angebot mehr nutzen und sie damit unterstützen – damit der „Knoase-Treff“ auf lange Sicht existieren kann.