Nur ein gutes Dutzend Zuhörerinnen hatte den Weg zur Lesung in den Veranstaltungssaal des Wohnstiftes gefunden. Das heiße Wetter und die „Landpartie“ trugen ihren Teil dazu bei, dass die Resonanz auf diese letzte Veranstaltung des Wohnstifts vor der Sommerpause nicht allzu groß ausfiel.
Der Autorin Susanne Wingels machte dieser Umstand wenig aus. Der Industriekauffrau und gelernten Übersetzerin aus Hasselt war die Freude darüber, dass sie ihre Arbeiten vor einem Auditorium zum Besten geben konnte, durchaus anzusehen.
Ihre literarische „Karriere“ habe begonnen, als sie festgestellt habe, dass es Orte gibt, an denen Eltern mit ihren Kindern nicht willkommen sind, erzählte die 49-Jährige zum Einstieg. Daraufhin habe sie den „Pagina“-Verlag angeschrieben und die Idee vorgestellt, eine Art Führer für Familien-Ausflugsziele am Niederrhein zu schreiben. „Da haben wir mit der Familie und Verwandten dann diverse Orte besucht.“
Vom „Kinderbuch“ zur „Grusel“-Autorin
Aus der Idee entstanden dann zwei Bücher – und vom Wartberg-Verlag folgten zwei weitere Auftragsarbeiten: einmal über „100 Freizeittipps am Niederrhein“ und eben ein Buch über den „Düsteren Niederrhein“, das sie an diesem Nachmittag in kleiner Runde vorstellte.
„Ein Zeitungsartikel hat mich dazu angeregt. Ich habe viele Recherchen im Netz und vor Ort gemacht – und viele Gespräche mit dem Leiter des Weseler LVR-Museums Niederrhein, Veit Veltzke, geführt“, erläuterte sie, welche Quellen die Grundlage für die insgesamt 21 teils gruseligen, aber auch amüsanten Geschichten waren.
Und dann tauchte sie – ergänzt durch Diabilder der einzelnen Orte und Objekte, um die es ging, mit den Zuhörern in die Welt des „düsteren Niederrhein“ ein.
Sie erzählte die Geschichte der „Hexe von Moyland“. In dieser ist von der Zeit der Hexenverfolgung und von einem Dorf namens Liedberg die Rede, das in der Nähe des heutigen Museumsschlosses gelegen haben soll, 1635 aber von kroatischen Söldnern dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Dort lebte die Waise Elgar, die von den Dorfbewohnern für eine Fee gehalten wird, weil sie die Soldaten des ersten Kroatenangriffs mit ihrer Anmut in ein Moor gelockt hatte und für den Ausbruch der Pest mitverantworlich gemacht wurde. Daraufhin wurde sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Geschichten lebendig erzählen
Kurzweilig erzählte Wingels vom „Schinderhannes vom Niederrhein“ Wilhelm Brinkhoff, aus dem 19. Jahrhundert – dem Gauner, Dieb und Frauenheld, der als Held verehrt wurde, weil er seine Beute mit den Kolonisten der Bönnighardt teile. Dort fand er stets Unterschlupf und verprasste sein Geld, nachdem er in den USA reich wurde. Er begann wieder mit dem Rauben und konnte sich schlussendlich vollends der Justiz entziehen.
Spannend geriet auch die Erzählung des „treulosen Torwächters“ Poorte Jäntje vor, der als ehemaliger Wächter des Vosstores in Goch die Stadt an die Spanier verraten wollte, indem er einen Wachsabdruck des Torschlüssels anfertigte. Er wurde allerdings auf frischer Tat ertappt, zum Tod durch Vierteilen verurteilt, konnte sich aber mit einer Giftkapsel durch Selbstmord entziehen.
Warum man ihm nahe des ehemaligen Standortes an der Voßstraße ein Denkmal gesetzt hatte, wusste auch Wingels nicht zu sagen. „Vielleicht gab es damals Menschen, die die Stadt gerne den Spaniern überlassen hätten“, konnte sie da nur spekulieren.
Am Ende konnte sich die Organisatorin des Nachmittags, Irmgard Hard, für den Vortrag nur auf das Allerherzlichste bedanken. Und Wingels kündigte an, dass ein neues Werk über „Burgen und Schlösser am Niederrhein“ schon in Arbeit ist. „Das wird dann etwas sachlicher und weniger gruselig“, meinte sie mit einem Augenzwinkern.