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Die Geschwister Mott haben einem Planwagen Leben eingehaucht und ihre „Hofmanufaktur mit Geschmack“ erschaffen

Landmomente erlebbar machen

Wie man das Beste aus einer wahrlich schwierigen Situation macht, beweisen aktuell drei engagierte Geschwister aus Winnekendonk. Mit den „Kevelaerer Landmomenten“ haben Stefanie van Look und Katharina sowie Rainer Mott ihre eigene Hofmanufaktur ins Leben gerufen.

Spargelbauern beginnen mit den Vorbereitungen für die Saison und hoffen, dass in Sachen „Arbeitskräfte“ alles gut geht

Frühjahrserwachen auf den Feldern

Bei strahlendem Sonnenschein nahmen Stefan Baumanns und ein paar Bekannte die Folie zur Hand. „Wir legen jetzt ,Tunnel’ zur Verfrühung für den Spargel – das ist so wie Minitreibhäuser über die Wellen machen, damit die Sonne, die jetzt noch nicht so kraftvoll ist, den Damm möglichst schnell erwärmt“, erläuterte der 37-jährige Spargel- und Erdbeerbauer. 

Ein Funken Hoffnung

Viele in Kevelaer schauten am Dienstag abend erstaunt aus dem Fenster oder zückten als überraschter Passant voller Bewunderung ihr Smartphone, um das zu dokumentieren, was sich auf den Straßen der Kevelaerer Innenstadt abspielte. Denn dort fuhren 33 Trekker mit bunt geschmückten Lichtern, Motiven und sogar Tannenbäumen vorne an ihren Fahrzeugen quer durch die Kevelaerer Innenstadt. Landwirte aus Winnekendonk, Kerken, Kevelaer, Aldekerk und dem Kreis Wesel waren vom Europaplatz aus aufgebrochen, um eine Tour durch die City zu machen. Am Schluss der Fahrt versammelten sie sich auf dem Parkplatz am Hülsparkstadion, machten selbst einige Erinnerungsfotos und verabschiedeten sich in die dunke Nacht nach Hause.

Die Initiative „Land schafft Verbindung“ hatte das Projekt ins Leben gerufen. “Die Fahrt steht unter den Motto „Ein Funken Hoffnung“, erklärte der Mitorganisator der Fahrt, der Kerkener Landwirt Thorsten Gaelings. „Es gab so viele Sachen, die in diesem Jahr ausgefallen sind und auf dier man verzichten musste – ob Schützenfeste, Kirmes oder die anderen menschlichen Dinge. Es ging uns einfach darum, den Menschen eine Freude zu machen“, sagte der 26-Jährige, der auch an seinem Trekker einen kleinen Tannenbaum befestigt hatte. „Den hab ich dafür so zugeschnitten und mit Kordel und Faden festgemacht.“

Yvonne und Christoph Giesen waren für die Aktion extra aus Alpen angereist. „Allein die ganze Optik, wenn man so einen Trecker so fertigmacht“, die sei es wert gezeigt zu werden, meinte der Landwirt. Was ihn auf der Fahrt am meisten berührt habe? „Das Funkeln in den Augen der Kinder und auch bei den Erwachsenen.“

Für den Kevelaerer Thomas Achten war es eine Selbstverständlichkeit, mit dabei zu sein. „Ich bin in der Landwirtschaft tätig, bin bei den ganzen Demos mitgefahren. Das macht echt Spaß“, sagte er und konnte ausnahmslos positive Reaktionen feststellen.

Der 21-jährige Niklas wollte dabei sein, wenn es „das letzte Mal in diesem Jahr“ zusammen auf Tour geht. „Ich war bei den „Hoffnungs“-Fahrten in Rheinberg, in Xanten, bei „Kernis“ Wunderland dabei. Das ist schön für die Leute, die haben sich alle gefreut.“ Und der Wettener Andreas Neuy gestand, dass er „schon einen halben Tag den Trekker geputzt und gut einen Tag“ gebraucht hatte, um Lampen anzukleben und die Steckdosen richtig zu verlegen. Er war das erste Mal bei so einer Fahrt dabei. „Das ist so ein Verbund, ein gemeinsames Miteinander, das ist sehr schön“, war sein Eindruck. Er hatte am Europaplatz eine Frau angetroffen, die geweint habe, als er erzählt hatte, warum die Fahrer das machen. “Da musste ich fast mitweinen“, gestand er.

Wenn so eine Aktion nochmal aufgelegt wird, werde er mit dabei sein, versicherte er. „Ich hab schon Gerüchte gehört, dass das zu Nikolaus und Weihnachten 2021 wiederholt werden soll.“ Thorsten Gaelings jedenfalls wäre dafür: „Wir wollen das zu einer Tradition werden lassen.“

Der Familienbetrieb setzt weiterhin auf Wild

Der Büssershof blickt auf eine lange Tradition zurück. „Bekannt ist, dass 1820 Heinrich Verhülsdonk auf den Hof gekommen ist und in von seiner Schwiegermutter Johanna Verhoeven gekauft hat“, erzählt Marlis Verhülsdonk, die mit ihrem Mann jahrzehntelang den Hof am Büssersweg geführt hat.

„Er hat eine Verhoeven geheiratet, die hier zu Hause war. Darüber gibt es Dokumente. Und der heißt ja Büssershof. Im Archiv in Schravelen gibt es einen Jan Büsseren, der erwähnt ist, das geht ins 16. Jahrhundert zurück.“

Es sei immer ein landwirtschaftlicher Betrieb gewesen, „der sich mit der Zeit immer wieder geändert habe, sagt die 67-Jährige. „Mein Mann war hier zu Hause. Ich bin angeheiratet. Er hat ihn als landwirtschaftlichen Betrieb 1977 übernommen und sich dann spezialisiert.“ Damals gab es auf allen Höfe Kühe, Schweine und Hühner. „Als wir heirateten, begann die Phase der Spezialisierung, die die Landwirtschaftskammern empfohlen. Wir haben die Kühe abgeschafft und uns auf Rinder- und Bullenmast, später auf Schweinemast konzentriert.“

Mit Abschaffung der Milchkühe Anfang der 80er-Jahre blieben einige Restflächen übrig, die man nicht als Acker nutzen konnte. „Damals hatte mein Schwiegervater die ersten sechs Damwildtiere, um diese Flächen zu nutzen. Man konnte damit nichts anderes machen, als die Kühe weg waren.“ Daran verdienen wollte die Familie eigentlich nichts. „Das war nur, um die Flächen zu nutzen und die ersten zehn Jahre für den Eigenbedarf. Da hat man an Vermarktung noch gar nicht gedacht.“

Dann vermehrte sich die Herde automatisch. „Da musste man sich irgendwann Gedanken darüber machen, wo bleiben wir mit den Tieren“. So entwickelte sich der neue Geschäftszweig. „Man musste damit erstmal bekannt werden, das Fleisch bekannt machen. Das hat sich über 20 Jahre entwickelt.“

Ihr Mann war für den Hof zuständig, sie für die Vermarktung des Wilds, trotz fünf eigener und zwei Pflegekinder. „Ich hatte ja noch die Schwiegereltern da. Wir waren eine Großfamilie.“ Zunächst war es schwer, Kunden zu finden, erinnert sich Marlis Verhülsdonk.

Dennoch wurde das „Wildgehege“ auf die heutigen acht Hektar erweitert.
Nach und nach entwickelte sich aber ein Kundenstamm, sie fuhren auf Märkte. Der Durchbruch sei durch die „Feines vom Land-Geschichte“ über die Genussregion Niederrhein gekommen, erzählt die 67-Jährige. „Der gehören wir seit 2010 an.“ Das habe von der Werbung so viel gebracht, „was du als Familienbetrieb nicht leisten kannst.“

Nach dem Tod ihres Mannes vor zehn Jahren stellte sie die Schweinemast ein und den Betrieb ganz um: „Man konnte sehen, die Kunden kommen. Das zahlt sich aus in der heutigen Zeit, Tiere zu halten, die in der Natur laufen und nicht zugefüttert werden.“
Nun hat sie das Zepter endgültig an Schwiegertochter Maria und Sohn Hanno weiter gegeben. Etwas schwer falle es ihr schon. „Man weiß das ja, aber es gibt nix Optimales, als den Hof in der Familie weiterzugeben. Ich bin in den Betrieb trotzdem eingebunden. Das gibt einem Sicherheit.“

Den Hofladen habe die Schwiegertochter schon „wunderbar hergerichtet“ und kenne sich mit allem, was mit Computern zu tun habe, gut aus. „Ich hoffe, dass sie mich mit ihrem Wissen unterstützt und bei der Kinderbetreuung“, lacht die 37-jährige Maria. „Erst mal schauen, wie sich das so entwickelt“, bleibt die gelernte Köchin, studierte Betriebswirtschaftlerin, Wirtschaftspsychologin und dreifache Mutter jedoch bescheiden.

Sohn Hanno ist schon seit Jahren für die Schlachtung verantwortlich. Als einziger von fünf Geschwistern interessiert er sich für den Hof. „Ich habe ursprünglich Schreiner gelernt, weil ich nicht wusste, was ich will, und danach Forstwirt“, sagt der 38-Jährige. Er machte sich dann in der Baumpflege selbstständig.

„Aber dann ist mein Vater 2010 gestorben. Ich habe vorher schon im Nebenerwerb hier die Hirschzucht betrieben.“ Aber auch da sei der Umfang begrenzt aufgrund der Fläche. Mehr als 50 Hirsche pro Jahr könne man nicht schlachten. „Mehr gibt die Weide nicht her.“ Insgesamt sind 150 Tiere auf dem Hof, 60 Alttiere plus Nachzucht. Zusätzlich zur Zucht will Hanno Verhülsdonk über die Jagd Wild aus der Region mit anbieten zu können.

Den Gedanken der Regionalität wolle man „weiter verfolgen und hervorheben. Der Umweltgedanke spielt da eine Rolle, Natürlichkeit und Nachhaltigkeit.“ Die Märkte über „Feines vom Lande“ werde man weiter besuchen, den Rest der Tiere über das Jagen ergänzen. Weitere Vermarktungsmöglichkeiten lägen in den Fellen, die man gerben könnte, oder den Geweihen.

Die Diskussionen um die zunehmende Abstinenz von Fleisch nehmen sie natürlich auch wahr. „Viele Kunden sagen, dass sie weniger Fleisch essen, aber bereit sind, dafür eine höheren Preis zu zahlen.“ Der Trend sei, bewusster zu essen. „Ich glaube nicht, dass die Haltung von den landwirtschaftlichen Tieren schlechter ist, aber die Öko-Bilanz ist auch wichtig“, sagt Hanno Verhülsdonk. „Das Futter der Tiere muss auch hergestellt werden.“

Da habe man mit dem Damwild und den Hirschen, die natürlich aufgewachsen sind, und nur im Winter etwas Zufutter erhalten, „die beste Öko-Bilanz.“ Sie würden direkt in ihrem Lebensraum geschlachtet, am Hof verarbeitet und vermarktet. Kurze Wege und Qualität, damit wollen sie auch in Zukunft punkten. „Wir schlachten auch nur anderthalbjährige Tiere.“ Sie wären älter als ein Kalb und hätten noch keinen Nachwuchs bekommen.

Ein bisschen müsse man noch mit dem Image des Damwildes kämpfen. „Die Leute denken, dass Wild streng schmeckt und noch eingelegt werden muss. Das war vielleicht früher so, weil die Hygiene noch nicht 100-prozentig war.“ Da heutzutage aber alles direkt verarbeitet würde und in die Kühlung käme, würde es nicht mehr streng riechen. Zudem sei das Fleisch leicht zu kochen.

Wo früher die Schweineställe waren, kommt Anfang 2021 eine neue Halle hin. „Da kann ich die Maschinen besser unterstellen und das Futter sowie die Hackschnitzel zum Heizen einlagern“, erklärt Hanno Verhülsdonk. „Die Tiere sind unsere Passion“, macht er stellvertretend für die Familie deutlich, dass die Bewirtschaftung de Hofes in dieser Form ein langangelegtes Projekt ist.

Corona habe sich nicht groß auf das Geschäft ausgewirkt. „ Es ist aufwändiger mit den Kindern wegen der Betreuungsmöglichkeiten“, sagt Maria Verhülsdonk. „Wir merken jetzt halt, dass das Kaufverhalten anders ist: es gibt kleinere Veranstaltungen. Viele kochen zu Hause, bestellen Portionen für ein bis zwei Personen.“

Naturschutz und Landwirtschaft versöhnen

Es war eine Urkunde und ein symbolischer „Lebensbaum der Biodiversität“, den die NRW-Landwirtschafts-,Natur- und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser im Versuchszentrum Gartenbau der Landwirtschaftskammer NRW in Straelen an den Berater Peter Gräßler überreichte.

Stellvertretend für das Bundesamt für Naturschutz zeichnete die Ministerin das 2018 von der Landwirtschaftskammer NRW angeschobene LEADER-Projekt „Steigerung der Biodiversitätsmaßnamen auf landwirtschaftlichen Flächen am Niederrhein“ als „UN-Dekade-Projekt Biologische Vielfalt“ aus. Die Auszeichnung erhalten Projekte und Beiträge, die sich in besonderer Weise für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen.

Gräßler hatte im Rahmen des LEADER-Projektes für die Landwirtschaftskammer NRW insge-samt 93 Betriebe in den Kommunen Geldern, Kevelaer, Nettetal und Straelen beraten, die in der Folgezeit auf gut 165 Hektar Fläche Maßnahmen für die Stärkung der Biodiversität und des Artenschutzes ergriffen haben. „Das erstreckte sich von Blühstreifen – einjährigen, mehrjährigen oder über Vertragsnaturschutz – und Uferrandstreifen bis zu Grünlandmaßnahmen.“ Der Anteil an Vertragsnaturschutzmaßnahmen am Niederrhein liegt laut Kammer bei 50 Prozent.

Dabei habe man auch mit dem Naturschutzbund Gelderland und den Biologischen Stationen kooperiert, um so die Netzwerkbrücke zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu schaffen. „Die Untere Landschaftsbehörde sagt dann ‚Ja‘ zu den Maßnahmen und greift dabei auf deren Expertise zurück“, erklärte Gräßler.

„Der Impuls ging ganz stark von der Bauernschaft aus“, hob die Teamleiterin Biodiversität bei der Landwirtschaftskammer NRW, Elisabeth Verhaag, die Rolle von Personen wie des Winnekendonkers Bernhard Stenmans oder der LEADER-Organisatorin Simone Schönell hervor.

Knapp 30 Betriebe hätten sich allein aus Kevelaer engagiert. Es sei das „maßgebliche Ziel der Aktion“ gewesen, Landwirtschaft und Umweltschutz zusammenzubringen und das über diese persönliche Ansprache aufzulösen. Das sei gelungen, meinte Verhaag. Mittlerweile sei man aber in sieben Beratungsprojekten aktiv und könne mit Fug und Recht feststellen, „dass wir mit diesem Beratungsangebot erfolgreich unterwegs sind“, erklärte der Präsident der Landwirtschaftskammer NRW, Karl Werring. Man habe in den vergangenen Jahren landesweit rund 400 Landwirte beraten, mit denen man über rund 1.000 Hektar neue Flächen für die Biodiversität und den Artenschutz pro Jahr gesprochen habe, sagte Werring.

Die „hervorragende Zusammenarbeit“ mit den Unteren Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen vor Ort sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor, unterstrich der Präsident. Die Ergebnisse des Niederrhein-Projekts zeigten, „dass sich in gemeinsamer und konstruktiver Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz große Fortschritte auch in einer intensiv bewirtschafteten Agrarregion erreichen lassen.“

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser erklärte, dass ihr das Projekt besonders am Herzen liege, weil es hier um das Miteinander von Landwirtschaft und Naturschutz für die Biovidersität gehe. „Wir erleben in den letzten Jahren ja eher das Gegenteil. Aber so kann das nicht weiter gehen. Wir haben nur eine Erde, auf der wir leben, von der wir essen, wo wir ein Ökosystem haben.“ Es gelte da, Landwirtschaft, Artenschutz und Natur zusammenzubringen und nicht gegeneinander zu handeln.

In 30 Jahren habe man zum Beispiel 75 Prozent der Biomasse bei Insekten aufgrund von versiegelten Flächen, Lichtverschmutzung oder homogenen Agrarlandschaften verloren. „Und wir werden in einigen Jahren eine Million weniger Arten auf der Welt haben. Wir kennen Insekten, die unsere Kinder und Enkel nicht mehr kennenlernen werden.“ Deswegen sei es umso auszeichnungswürdiger, dass aus der Kreisbauernschaft Geldern der Wunsch gekommen sei, über ein LEADER-Projekt Biodiversitätsberatungen durchzuführen.

Es gehe dabei nicht darum, konventionelle Bauern zum Ökolandbau zu bewegen – auch wenn man bis 2030 20 Prozent ökologischen Landbaus anstrebe. „Aber man kann auch der konventionellen Landwirtschaft zeigen, wie es möglich ist, mehr Biodiversität auf ihre Betriebe zu bekommen.“

Die Ministerin kündigte an, dass die Maßnahme der Landwirtschaftskammer vom Projektstatus in eine langfristige Finanzierung überführt werden soll. Das sei im Haushalt angemeldet worden und durch das Kabinett gekommen. Jetzt brauche es nur noch eines Beschlusses des Landtages.

Die Fördersumme für das damals bis Ende Dezember 2021 bewilligte Projekt belief sich auf knapp 161.330 Euro. Das Geld wurde zu 65 Prozent aus den LEADER-Fördermitteln, zu insgesamt einem Viertel von den Kreisen Kleve und Viersen und zu zehn Prozent von der Landwirtschaftskammer NRW finanziert.

Der Niederrhein ist nicht mehr das gelobte Land

Jahr für Jahr hofft Thomas Cleven auf bessere Zeiten. Der 42-Jährige baut auf seinem 140 Hektar großen Hof besipielsweise Getreide, Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben und Gras an. „Es ist nix besser geworden – nur anders“, beschreibt er die aktuelle Situation. „Wir haben im Grunde drei trockene Jahre hintereinander gehabt.“ Drei Jahre Verluste. „Und jedes Jahr war dabei anders.“

2018 war ein extrem trockenes Jahr, 2019 trocken, aber nicht so extrem wie das Jahr zuvor und 2020 „hatte wir im Winter Regen, das Frühjahr war feucht.“ Da bestand die Hoffnung, dass sich der Grundwasserspiegel langsam wieder anfüllt. „Dann war es früh wieder warm.“

Jedes Jahr war anders

Die Trockenheit, „die kam dieses Jahr noch früher“, bestätigt sein Kollege Johannes van den Boom. Der 34-Jährige bewirtschaftet seine 140 Hektar auch mit Grünland, Silomais, Getreide und Zückerrüben. „Der kleine Vorteil war, dass es nicht so die Hitze gab und die Sonnenstunden, dass es bedeckt war.“ Die letzten 14 Tage dagegen, die waren „extrem, das ist selten so.“ Der Unterboden ist dadurch extrem trocken. „Das Getreide braucht Wasser aus den tieferen Schichten. Das war diesmal sehr problematisch“, erzählt van den Boom. Da nutze das Wässern nicht so viel – anders als bei Mais.

„Aber auch da waren die Flächen beim Zweibruchmais so trocken, dass 30 Zentimeter Erde ausgetrocknet waren“, gibt Cleven seine Erfahrung wieder. „Den Zweibruchmais mussten wir sogar beregnen, damit der überhaupt keimte.“ So etwas habe es am Niederrhein wohl noch nie gegeben, sagt sein Freund van de Boom. „Mein Vater ist über 70, der sagt: Das hatten wir so noch nicht.“

„Im April und im Mai und bis jetzt“

So begann man, die Maisfelder teilweise schon „im April und im Mai bis jetzt“ kontinuierlich zu beregnen, spricht Cleven von gut „2300 Stunden“, in denen das Wasser lief. „Das ist nochmal mehr als im letzten Jahr.“  Dann kam noch die große Hitze, wo man von vorne begann, „weil sonst der Mais noch schneller abgereift wäre.“ Dazu kamen noch extreme Winde von Osten. „Den haben wir sonst nur im Winter. Das hat sich schon sehr verändert. Ostwind bedeutet kein Regen, der regnet dann im Sauerland ab. Der muss von Westen kommen“, erklärt Cleven. So entstand noch so eine Art „Fön-Effekt“, ergänzt van den Boom.

Getreide sei in diesem Jahr insgesamt ein großes Problem gewesen, bei den Rüben lasse es sich noch nicht abschätzen. „Das kann nochmal kommen, wenn Regen kommt. Die sind noch nicht in der entscheidenden Phase“ , sagte van den Boom. „Rüben können auch im November noch wachsen“, sagt Cleven.

Benachteiligt

Eigentlich lebe man am Niederrhein in einer guten Ecke und sei von Wetterextremen verschont geblieben, aber das habe sich geändert. „Bisher war der Niederrhein das gelobte Land. Im Moment sind wir wirklich benachteiligt“, ergänzt van den Boom. Es sei schwer zu sagen, wie lange man mit so einem Zustand leben könne. „Klar machen wir uns sorgen, dass das nach drei Jahren zur Normalität wird. Aber es wird auch wieder anders werden“, ist van den Boom hoffnungsvoll, dass das nur eine begrenze Periode ist. „Wir werden jetzt nicht jedes Jahr eine Dürre kriegen.“

Das Grünland sei teilweise schon verbrannt gewesen, aber mit dem Regen werde es wieder grün, so Cleven. „Es ist nicht nicht so extrem wie vor zwei Jahren – man muss halt immer Hoffnung haben“, formuliert Cleven das Prinzip.

Mit dem Klimawandel, das könne damit nicht passen, sagt Cleven. Wenn man nach Ostfriesland fahre oder nach Bayern, sagten die Menschen dort: „Es hat in Unmengen bei uns geregnet.“ Das passe nicht zusammen.

Anbau verändern

Man mache sich aber natürlich Gedanken, vom Anbau her was zu verändern. „Wir haben das schon in   den letzten Jahren so gemacht, dass der Boden weniger gepflügt wird, die Zwischenfrucht steht und man dann in die Zwischenfrucht, die im Winter steht, den Mais sät, ohne zu pflügen. Das spart auch etwas Wasser. Oft wird halt im Herbst Gras ausgesät, umgebrochen und Mais ausgesät. Gras entzieht sehr viel Wasser, da muss man gucken. Aber eine Kuh muss auch Gras haben.“

Das Prinzip, zwei Hauptkulturen auf einer Fläche anzubauen, stoße an seine Grenzen, ergänzt sein Kollege. „Da denkt man nach, ob man nur Gras oder Mais anbaut, nicht erst Gras und dann Mais.“ Dann wäre man nicht mehr ganz so abhängig vom Wasser.

Die Vegetationsphase sei länger geworden, und man könne noch bis Anfang Dezember Mais ernten und dementsprechend säen, sagt Johannes van den Boom. Der begrenzende Faktor sei da aber das Wasser. Da auf Flächen zu verzichten, sei dann schon reales Geld. Und brach liegen sei immer das Schlechteste für einen Boden.

„Das sieht man am Nitrat – wenn da kein Aufwuchs drauf ist, kann das auch keinen Nährstoff ziehen. Eine Kultur zieht ja immer Stickstoff aus dem Boden während der Vegetationszeit.“ Aber man müsse in der Landwirtschaft immer mit neuen Bedingungen umgehen – ob nun vom Klima her oder politisch. „Man weiß halt am Anfang des Jahres nicht, ob es trocken wird oder nass“, sagt van den Boom.

Erschwerend für viele Kollegen am Niederrhein habe sich Corona ausgewirkt. „Viele, die Industriekartoffeln anbauen, sind in einer schlechten Situation. Die Preise sind völlig im Keller und solange keine Großereignisse stattfinden, ist der Verbrauch von Pommes und Chips nahezu Null.“

Selbst baue man glücklicherweise nur Speisekartoffeln an. Und am Milchmarkt habe sich die Situation wieder eingependelt, meint van den Boom. „Beim Fleisch ist es anders, da machen wir etwas Bullenmast. Da sind die Preise halt gefallen.“

Positiv fiel Corona für diejenigen aus, die an den Höfen Direktvermarktung hätten, meint Cleven. „Und es wurden viel mehr regionale Produkte in den Supermärkten gekauft.“ Man müsse sehen, wie schnell der Verbraucher da nach Corona in seine alten Verhaltensmuster zurückfalle.

Beide halten aber unberirrt daran fest, weiter zu machen, „weil wir positiv gestimmte Menschen sind.“ Man müsse lernen, mit den Gegebenheiten umzugehen. Allerdings hätten einige Landwirte am Niederrhein in den letzten Jahren schon die Arbeit niedergelegt. Das werde es auch in diesem Jahr geben.

„Mit Erdbeeren hat man das ganze Jahr über zu tun”

Als ich Stefan Baumanns morgens um neun Uhr auf seinem Spargel- und Erdbeerhof auf Keylaer besuche, geht er schon eine Weile seiner Arbeit nach. Die Erdbeeren müssen abgewogen werden, um danach direkt im eigenen Hofladen über die Theke zu gehen. Genau das ist der Schritt, den der Verbraucher sieht: Die beliebten, rot leuchtenden Früchte liegen in Schälchen zum Kauf bereit. Oftmals geht dann zu Beginn der Erdbeersaison die Jagd nach den günstigsten Preisen los. Auch Stefan Baumanns kennt das Kaufverhalten der Bürger. Er macht nun darauf aufmerksam, dass es wichtig ist, die regionalen Landwirte zu unterstützen und erklärt, warum es nicht unbedingt möglich ist, preislich mit den Erdbeeren der Supermärkte und Discounter aus fernen Ländern mitzuhalten.

„Mit Erdbeeren hat man das ganze Jahr über zu tun“, macht Baumanns direkt zu Beginn des Gesprächs deutlich. Bereits im Januar werden die Treibhauserdbeeren gesetzt. Diese werden dann belichtet und bis zum Blütenstadium geheizt. „Das hat alles den Effekt, dass die Erdbeeren sechs Wochen vorgeholt werden“, erklärt der Fachmann, der bereits in der vierten Generation Erdbeer- und Spargelbauer ist. So wird dafür gesorgt, dass es auch im April bereits heimische Erdbeeren zu kaufen gibt. Auch wenn der ein oder andere Verbraucher gerne das ganze Jahr über Erdbeeren kaufen würde, verrät Baumanns. „Wenn im Februar gutes Wetter ist, fragen die Leute schon, wann es Erdbeeren gibt.“ Ob es einen geschmacklichen Unterschied zwischen Treibhauserdbeeren und Erdbeeren vom Feld gibt? „Ja den gibt es. Die Photosynthese kann im Gewächshaus nie so stattfinden wie draußen.“ So schmecke die gleiche Sorte jeweils unterschiedlich.

Unterschiedliche Bedingungen bei der Pflanzung

Von April/Mai bis Juli pflanzt Baumanns auf seinem Hof auf Keylaer Erdbeeren auf Feldern an. Aber warum kann man seine Erdbeeren dann bis in den Oktober hinein kaufen? Ganz einfach: Die Pflanzen werden in drei Partien geteilt und unter verschiedenen Bedingungen angebaut, erklärt Baumanns. So kann der Landwirt gewährleisten, dass die Früchte nicht alle zum gleichen Zeitpunkt reif werden. Denn ob die Pflanzen mit Vlies bzw. Folie abgedeckt werden oder direkt unter freiem Himmel stehen, mache da einen bedeutenden Unterschied im Reifeprozess. Vor allem sei die Ernte aber von den Wetterverhältnissen abhängig, erklärt der Unternehmer. 30 bis 50 Kältetage mit Temperaturen unter zehn Grad Celsius benötige die Pflanze. „Nachfröste sind sehr wünschenswert.“

Um den 10. Januar herum komme dann die Folie auf die Felder, damit die Pflanze keinen Frost mehr abbekomme. „Das hält minus acht bis minus zehn Grad Celsius ab.“ Optimal seien Temperaturen von 20 bis 22 Grad Celsius am Tag und unter zehn Grad Celsius in der Nacht. „Große Temperaturschwankungen sind nicht förderlich für die Ernte“, betont Baumanns, der auf einer Fläche von 1,5 Hektar Erdbeeren anpflanzt. Vor allem die Temperatur in der Nacht spiele eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Früchte. Denn nachts werde die Größe der Früchte geprägt. Das sei auch der Grund, weshalb es im vergangenen Jahr viele kleine Erdbeeren gegeben habe. Die Nächte seien einfach zu warm gewesen, blickt der Kevelaerer zurück.

Auch der Herbst ist entscheidend für die Ernte im kommenden Jahr. Denn dann bilden die Pflanzen die Blütentriebe für das nächste Jahr, erklärt der Landwirt. Im Gespräch mit dem Landwirt wird schnell deutlich, dass es schon allein durch die Wetterabhängigkeit keine Garantie eines bestimmten Ertrages gibt. Für die diesjährige Ernte konnte er noch keine Prognose abgeben. Die bisher teilweise recht starken Temperaturschwankungen der vergangenen Wochen seien natürlich nicht gut für die Früchte.

Erdbeeren aus dem Wasserschutzgebiet

Dass die Arbeit mit der Ernte nicht vorbei ist, das sei vielen Verbrauchern gar nicht klar, meint Baumanns. Neben den Pflückarbeiten müssen auch die Triebe geschnitten werden und mehrfach die Blätter der Pflanzen. Teilweise müssen die Pflanzen komplett zurückgeschnitten werden. Stefan Baumanns baut seine Erdbeeren im Wasserschutzgebiet an. Daher wächst zwischen den einzelnen Reihen Gras. „Damit wir nicht spritzen müssen.“

Während der Unternehmer seine Erdbeeren weiter von Hand abwiegt, schaue ich mich in der großen Halle hinter dem kleinen Hofladen um. Trubel herrscht hier nicht, eher idyllische Stille. Stefan Baumanns führt keinen Großbetrieb. Fünf bis sieben Erntehelfer sind bei ihm in der Saison aktiv. „Da gab es anfangs sehr große Probleme“, nimmt der Landwirt Bezug auf den Ausbruch des Coronavirus. „Die Leute, die normalerweise hier sind, konnten nicht kommen.“ Allerdings seien nun deren Familienmitglieder, die ohnehin in Deutschland waren, bei ihm auf dem Hof. So habe er jedoch ein völlig neues Team, was natürlich mehr Arbeit bedeute.  Beim  Spargel habe er mit seinem Team aufgrund der neuen Situation nicht alles ernten können. Dennoch zeigt sich der Unternehmer dankbar, dass die Ernte trotz des Virus gesichert ist. Mehr Hygienemaßnahmen als sonst müsse er auch aktuell nicht einhalten. Da seine Erntehelfer ohnehin in richtigen Wohnungen mit angemessener Aufteilung untergebracht seien anstatt in Containern, gebe es auch dahingehend keine Schwierigkeiten.

Stefan Baumanns beobachtet in den vergangenen Jahren ein „Umdenken der Leute.“ Es sei wichtig, „dass man auch vor der Haustüre kaufen und die regionale Landwirtschaft unterstützen sollte.“ Denn sonst würde es in einigen Jahren die kleinen, familiären Betriebe in der Region vielleicht nicht mehr geben. Der Landwirt ist guter Dinge. Sowohl der Betrieb im eigenen Hofladen und auf den umliegenden Wochenmärkten als auch der Verkauf an Bäckereien und die Gastronomie beweisen, dass sich die Leute immer mehr mit der Herkunft der Früchte beschäftigen. Immer mehr Menschen wollen – so ist der Eindruck des Landwirts – lieber die Erdbeeren vom Bauern um die Ecke, als weit gereiste Früchte aus Spanien und Co. „Wir sind auf einem guten Weg“, ist sic

Landwirte protestieren wieder

Monatelang ruhte – auch bedingt durch die Corona-Krise – der Protest der Landwirte. Gerade im letzten Viertel des Jahres 2019 sorgten mehrere Demonstrationen landes- und bundesweit für Schlagzeilen. Die Landwirte wehrten sich gegen die sich aus ihrer Sicht immer wieder ändernden EU-Regeln und gesetzlichen Vorgaben zur Bewirtschaftung oder auch gegen die die einseitige Schuldzuweisung, was die Auswirkungen ihrer Arbeit auf das Klima und die Umwelt betrifft: Die lose Bewegung „Land schafft Verbindung“ organisierte die Proteste. Jetzt flammt der Protest wieder auf – mit Treckerkorso in Richtung Bonn und Münster. „Wir erwarten 500 in Bonn – und über 1000 Landwirte in Münster“, erklärte vorab der Pressesprecher der LSV-NRW, der Winnekendonker Georg Biedemann.

Es fanden am Donnerstag, 28. Mai 2020, jeweils um elf Uhr Kundgebungen statt – einmal am Bundesumweltministerium in Bonn und an der Münsteraner SPD-Geschäftsstelle. Auch Bauern aus dem Kreis Kleve waren wieder mit von der Partie. Den Corona-Vorgaben geschuldet, durften die Landwirte ihre Fahrzeuge nach Erreichen des Ziels allerdings nicht verlassen. Die Debatten mit den politischen Gesprächspartnern wurden aber digital übertragen, so dass alle Teilnehmer die Gespräche mitbekamen.

Über die Zerschneidung der Landschaft

Was den Landwirten missfalle, seien die einseitigen Schlussfolgerungen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze aus dem jüngsten Bericht „Zur Lage der Natur“ , wo der Landwirtschaft die Hauptverantwortung für die Fehlentwicklungen in der Natur zugewiesen werde. „Denn tatsächlich ist die Zerschneidung der Landschaft und der Biotope durch Infrastrukturmaßnahmen wie auch durch Siedlungs- und Gewerbeflächen bis hin zur Umsetzung der Energiewende der Kern des Problems und keineswegs wie im Bericht dargestellt – eine untergeordnete Randerscheinung“, heißt es in einer Erklärung von „Land schafft Verbindung“ in NRW.

„Sicher tragen wir auch einen Teil der Schuld, weil wir in die Natur eingreifen, aber es sollten alle Ursachen beschrieben werden“, sagt Biedemann. „920.000 Quadratkilometer Flächen wurden versiegelt. 1,3 Millionen Quadratkilometer landwirtschaftliche Flächen sind verschwunden“, nennt er zwei wesentliche Aspekte. „Und die OW1 zerschneidet auch die Natur – es ist halt die Summe der Dinge“, wünscht sich Biedemann einfach mehr Ausgewogenheit in der Debatte. Als Landwirte habe man da nur die Möglichkeit einer „intelligenten Biodiversität“. Man könne Blühstreifen und Biotope gezielt auf Flächen anlegen. „Aber wir sind nicht bereit, uns als die beschimpfen zu lasen, die alleine für die Versäumnisse, für den Klima-, Umwelt- und Artenschutz verantwortlich sind. Das ist nur gemeinsam zu lösen.“

Jährlich werden laut „LSV-NRW” bei vorsichtiger Schätzung mehr als 50 Millionen Euro über das System von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen etwa zum Kauf landwirtschaftlicher Flächen in NRW verwendet. Stimmten die Aussagen im Bericht zur Lage der Natur, würden diese Mittel hierzulande größtenteils wirkungslos verpuffen. „Statt fortlaufend eine Korrektur und Anpassung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethoden zu fordern, stünde es dem Bundesumweltministerium gut zu Gesicht, endlich die Hausaufgaben der verfehlten Naturschutzpolitik zu erledigen“, sagt „LSV-NRW”. Und auch Biedemann steht zu dem Konzept der NRW-Bauern, deren Motto einfach lautet: „Mehr Kooperation wagen!“.

Sie schuften und hoffen

Dass man durchaus auch mal die eine oder andere wirtschaftliche Delle aushalten kann, ist für eine Selbstständigen-Familie wie die Baumanns auf Keylaer durchaus nichts Neues. Der 36-jährige Stefan Baumanns ist mittlerweile in der vierten Generation Spargel- und Erdbeerbauer, zeigt stolz die Felder. Was sich aber aktuell in Zeiten von Corona tut, das nötigt ihm schon sehr viel Respekt ab. „Wir haben ja schon viel erlebt die letzten zwei Jahre durch die schnelle, trockene Hitze. Aber wenn das jetzt so kommt, ist das richtig schlecht.“ Denn die Sperrung aller Grenzen hat für den in Keylaer ansässigen Hofbesitzer Konsequenzen. „Ich habe mit meinem Vorarbeiter in Rumänien gesprochen. Der meinte: Es ist alles dicht. Sie lassen keinen mehr raus oder rein.“ 

Eine Studentin der Agrarwissenschaften habe sich bei ihm als Helferin beworben. „Vielleicht kommen da noch Bekannte von dem Vorarbeiter dazu, und die, die vielleicht in Gärtnereien schon mit den Arbeiten da fertig sind“, lautet Stefan Baumanns – allerdings eher vage – Hoffnung. „Wir machen schon selber sehr viel – ich, meine Frau Anja, die Eltern und dann eben fünf bis sechs Erntehelfer“, macht er klar, was der Ausfall von Helfern momentan bedeutet. Aus dem 13-Stunden-Tag ist mittlerweile ein 16- bis 17-Stunden-Tag geworden: „Und wenn die nicht kommen, dann lasse ich einen Teil des Feldes weg.“ 

Den Spargel genau treffen

Mit völlig Ungelernten drei Hektar Fläche Feld zu bestellen, wie es viele mit Blick auf Studenten, Asylbewerber oder Arbeitslose aktuell diskutieren, sei mal nicht eben so zu machen. „Das ist so, als würde man mich in die Küche stellen und sagen: Du kochst jetzt. Das kann nicht jeder“, sagt Baumanns. „Man muss den Spargel ganz genau treffen, sonst würde man ihm den Kopf abstechen.“ Und nicht jedem sei die Härte der Arbeit wirklich bewusst. „Nicht jeder wird wissen, worauf er sich da einlässt“, meint der 36-Jährige.  Die Rumänen, Polen und Bulgaren hätten einen unmittelbaren Bezug zu diesem urbanen Leben und Arbeiten „wie in den 50er-Jahren. Die haben noch Kühe und Schafe bei sich zu Hause, schlachten noch, backen ihr Brot selbst.“

Momentan spiele das Wetter noch mit, blickt Baumanns in Richtung Himmel und auf die Folienbahnen, unter denen sich der Spargel befindet. „Wenn die Nächte noch kalt sind, kommt er noch zögerlich.“ Schwierig werde es dann, wenn die Temperaturen anziehen und der Spargel schnell wächst. „Ende April/Anfang Mai ist viel Musik im Boden – und dann treibt es aus.“ Man habe ja auch noch ein Treibhaus, erzählt Baumanns. Es werde spannend, wie man den Arbeitsablauf in der Reihenfolge Treibhaus – Folie – Freiland – ohne Folie/Stellage für die Spargel- und Erdbeerernte organisieren kann.

Auswirkungen auf die Abnahmefrequenz

Was in den nächsten zwei bis drei Wochen in Sachen Corona passiere, „wird für den ganzen Markt sehr große Folgen haben“, befürchtet er. Denn das wird sich auch in der Abnahmefrequenz der Restaurants und Bäckereien niederschlagen, die sonst gerne auf Spargel oder Erdbeeren zurückgreifen. Ob da die Besucher auf den Wochenmärkten in Kevelaer und Umgebung ausreichen, der Verkauf am Hofladen angesichts der Situation überhaupt in Gang kommt? Keiner kann das voraussagen. Den Handel mit Supermärkten hat er nach seinen Erfahrungen mit einem Anbieter abgeschrieben, weil „die drücken ihre Händler so, bis man kotzt.“

Aber wenn jemand Erdbeeren oder Spargel haben wolle, müsse man auch liefern können. Und die laufenden Kosten für den Betrieb bleiben ja auch bestehen. Die Erdbeerpflanzen, die bestellt Baumanns zum Beispiel schon im September des Vorjahres – und muss sie dann auch bezahlen. Die Überlegung, beim Staat einen Antrag auf Soforthilfe zu stellen, die gebe es schon.  Aber er will weiter das Beste versuchen, schaut, welche Arbeitsschritte er jetzt schon vorarbeiten kann. „Wir bleiben Saisonarbeiter. In den drei Monaten Spargel- und Erdbeerenernte muss ich mein Geld verdient haben. Sonst habe ich das ganze restliche Jahr Probleme.“

Perspektive für die Landwirtschaft

Der CDU-Bundestagsabgeordnete des Kreises Kleve Stefan Rouenhoff besuchte nun den Schweinemastbetrieb von Familie Biedemann in Winnekendonk.

Georg Biedemann führt zusammen mit seiner Frau Petra und seinem ältesten Sohn Daniel den landwirtschaftlichen Familienbetrieb und engagiert sich seit einigen Monaten ehrenamtlich bei „Land.Schafft.Verbindung“, der Grasswurzel-Bewegung deutscher Landwirte. Hier ist er als Landessprecher einer der führenden Köpfe der Bewegung in Nordrhein-Westfalen. Biedemann, überzeugter und leidenschaftlicher Landwirt, hat in den letzten Jahren seinen Betrieb in Winnekendonk Schritt für Schritt ausgebaut und modernisiert, auch um seinem Sohn eine wirtschaftliche Perspektive zu geben.

Im Gespräch mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten erläutert er die Herausforderungen der Landwirtschaft, die sich im Spannungsfeld zwischen Verbrauchern, Lebensmitteleinzelhändlern, Umweltverbänden, Tierschutzorganisationen und der Politik bewegen. Zwar werde in der deutschen Landwirtschaft unter höchsten Standards produziert, dennoch gebe es gesellschaftliche Gruppen, die immer höhere Anforderungen stellten, so Biedemann.

Das führe letztlich dazu, dass die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland immer weniger rentabel werde, Betriebe aufgegeben und Agrarerzeugnisse vermehrt aus dem Ausland importiert werden müssten. Biedemann warb im Gespräch mit Rouenhoff für gesetzliche Rahmenbedingungen, die nicht alljährlich geändert werden und damit eine langfristige Planung ermöglichten.

Der Unionsabgeordnete Rouenhoff, selbst in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, zeigte Verständnis für die Forderungen von Biedemann: „Die deutsche Landwirtschaft ist einer der kapitalintensivsten Wirtschaftszweige pro Kopf. Hier werden Millionen-Investitionen in Ställe, Maschinen und Fahrzeuge getätigt. Deshalb fordern die deutschen Landwirte zurecht verlässliche Rahmenbedingungen für ihre Investitionen. Nur dann wird eine landwirtschaftliche Produktion in Deutschland und bei uns am Niederrhein dauerhaft gesichert sein. Und eine funktionierende deutsche Landwirtschaft ist im Interesse der Verbraucher, weil sie höchste Produktionsstandards gewährleistet.“

Familie Biedemann bewirtschaftet eine landwirtschaftliche Nutzfläche von über 130 Hektar. Der Betrieb verfügt über 750 Sauen sowie 2.500 Mastschweine. In dem Familienbetrieb sind neben den Familienangehörigen zudem zwei Auszubildende sowie vier weitere Vollzeitkräfte beschäftigt.