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65 Landwirte kamen für eine abschließende Protestaktion auf der B9 an der neuen OW1-Brücke zusammen. Foto: privat
Zwei Landwirte aus dem Raum Kevelaer organisierten eine Aktion zum Abschluss der großen Protestwoche des Bauernverbandes

Protestaktion an der B9

Parallel zur großen Demonstration der Landwirte in Berlin am Montag, 15. Januar 2024, hatten sich auch Landwirte vom Niederrhein zusammengetan, um das Ende der großen Protestwoche des Bauernverbandes gemeinsam zu begehen.

Weihnachtlich geschmückt ging es durch die Innenstadt. Foto: LS
Mit beleuchteten Traktoren fuhren sie durch die Kevelaerer Innenstadt

Lichterfahrt der Landwirte

Viele Kevelaerinnen und Kevelaerer waren am vergangenen Samstagabend, 16. Dezember,  in die Innenstadt gekommen, um sich die Protestfahrt der Landwirtinnen und Landwirte anzusehen.

Der Niederrhein ist nicht mehr das gelobte Land

Jahr für Jahr hofft Thomas Cleven auf bessere Zeiten. Der 42-Jährige baut auf seinem 140 Hektar großen Hof besipielsweise Getreide, Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben und Gras an. „Es ist nix besser geworden – nur anders“, beschreibt er die aktuelle Situation. „Wir haben im Grunde drei trockene Jahre hintereinander gehabt.“ Drei Jahre Verluste. „Und jedes Jahr war dabei anders.“

2018 war ein extrem trockenes Jahr, 2019 trocken, aber nicht so extrem wie das Jahr zuvor und 2020 „hatte wir im Winter Regen, das Frühjahr war feucht.“ Da bestand die Hoffnung, dass sich der Grundwasserspiegel langsam wieder anfüllt. „Dann war es früh wieder warm.“

Jedes Jahr war anders

Die Trockenheit, „die kam dieses Jahr noch früher“, bestätigt sein Kollege Johannes van den Boom. Der 34-Jährige bewirtschaftet seine 140 Hektar auch mit Grünland, Silomais, Getreide und Zückerrüben. „Der kleine Vorteil war, dass es nicht so die Hitze gab und die Sonnenstunden, dass es bedeckt war.“ Die letzten 14 Tage dagegen, die waren „extrem, das ist selten so.“ Der Unterboden ist dadurch extrem trocken. „Das Getreide braucht Wasser aus den tieferen Schichten. Das war diesmal sehr problematisch“, erzählt van den Boom. Da nutze das Wässern nicht so viel – anders als bei Mais.

„Aber auch da waren die Flächen beim Zweibruchmais so trocken, dass 30 Zentimeter Erde ausgetrocknet waren“, gibt Cleven seine Erfahrung wieder. „Den Zweibruchmais mussten wir sogar beregnen, damit der überhaupt keimte.“ So etwas habe es am Niederrhein wohl noch nie gegeben, sagt sein Freund van de Boom. „Mein Vater ist über 70, der sagt: Das hatten wir so noch nicht.“

„Im April und im Mai und bis jetzt“

So begann man, die Maisfelder teilweise schon „im April und im Mai bis jetzt“ kontinuierlich zu beregnen, spricht Cleven von gut „2300 Stunden“, in denen das Wasser lief. „Das ist nochmal mehr als im letzten Jahr.“  Dann kam noch die große Hitze, wo man von vorne begann, „weil sonst der Mais noch schneller abgereift wäre.“ Dazu kamen noch extreme Winde von Osten. „Den haben wir sonst nur im Winter. Das hat sich schon sehr verändert. Ostwind bedeutet kein Regen, der regnet dann im Sauerland ab. Der muss von Westen kommen“, erklärt Cleven. So entstand noch so eine Art „Fön-Effekt“, ergänzt van den Boom.

Getreide sei in diesem Jahr insgesamt ein großes Problem gewesen, bei den Rüben lasse es sich noch nicht abschätzen. „Das kann nochmal kommen, wenn Regen kommt. Die sind noch nicht in der entscheidenden Phase“ , sagte van den Boom. „Rüben können auch im November noch wachsen“, sagt Cleven.

Benachteiligt

Eigentlich lebe man am Niederrhein in einer guten Ecke und sei von Wetterextremen verschont geblieben, aber das habe sich geändert. „Bisher war der Niederrhein das gelobte Land. Im Moment sind wir wirklich benachteiligt“, ergänzt van den Boom. Es sei schwer zu sagen, wie lange man mit so einem Zustand leben könne. „Klar machen wir uns sorgen, dass das nach drei Jahren zur Normalität wird. Aber es wird auch wieder anders werden“, ist van den Boom hoffnungsvoll, dass das nur eine begrenze Periode ist. „Wir werden jetzt nicht jedes Jahr eine Dürre kriegen.“

Das Grünland sei teilweise schon verbrannt gewesen, aber mit dem Regen werde es wieder grün, so Cleven. „Es ist nicht nicht so extrem wie vor zwei Jahren – man muss halt immer Hoffnung haben“, formuliert Cleven das Prinzip.

Mit dem Klimawandel, das könne damit nicht passen, sagt Cleven. Wenn man nach Ostfriesland fahre oder nach Bayern, sagten die Menschen dort: „Es hat in Unmengen bei uns geregnet.“ Das passe nicht zusammen.

Anbau verändern

Man mache sich aber natürlich Gedanken, vom Anbau her was zu verändern. „Wir haben das schon in   den letzten Jahren so gemacht, dass der Boden weniger gepflügt wird, die Zwischenfrucht steht und man dann in die Zwischenfrucht, die im Winter steht, den Mais sät, ohne zu pflügen. Das spart auch etwas Wasser. Oft wird halt im Herbst Gras ausgesät, umgebrochen und Mais ausgesät. Gras entzieht sehr viel Wasser, da muss man gucken. Aber eine Kuh muss auch Gras haben.“

Das Prinzip, zwei Hauptkulturen auf einer Fläche anzubauen, stoße an seine Grenzen, ergänzt sein Kollege. „Da denkt man nach, ob man nur Gras oder Mais anbaut, nicht erst Gras und dann Mais.“ Dann wäre man nicht mehr ganz so abhängig vom Wasser.

Die Vegetationsphase sei länger geworden, und man könne noch bis Anfang Dezember Mais ernten und dementsprechend säen, sagt Johannes van den Boom. Der begrenzende Faktor sei da aber das Wasser. Da auf Flächen zu verzichten, sei dann schon reales Geld. Und brach liegen sei immer das Schlechteste für einen Boden.

„Das sieht man am Nitrat – wenn da kein Aufwuchs drauf ist, kann das auch keinen Nährstoff ziehen. Eine Kultur zieht ja immer Stickstoff aus dem Boden während der Vegetationszeit.“ Aber man müsse in der Landwirtschaft immer mit neuen Bedingungen umgehen – ob nun vom Klima her oder politisch. „Man weiß halt am Anfang des Jahres nicht, ob es trocken wird oder nass“, sagt van den Boom.

Erschwerend für viele Kollegen am Niederrhein habe sich Corona ausgewirkt. „Viele, die Industriekartoffeln anbauen, sind in einer schlechten Situation. Die Preise sind völlig im Keller und solange keine Großereignisse stattfinden, ist der Verbrauch von Pommes und Chips nahezu Null.“

Selbst baue man glücklicherweise nur Speisekartoffeln an. Und am Milchmarkt habe sich die Situation wieder eingependelt, meint van den Boom. „Beim Fleisch ist es anders, da machen wir etwas Bullenmast. Da sind die Preise halt gefallen.“

Positiv fiel Corona für diejenigen aus, die an den Höfen Direktvermarktung hätten, meint Cleven. „Und es wurden viel mehr regionale Produkte in den Supermärkten gekauft.“ Man müsse sehen, wie schnell der Verbraucher da nach Corona in seine alten Verhaltensmuster zurückfalle.

Beide halten aber unberirrt daran fest, weiter zu machen, „weil wir positiv gestimmte Menschen sind.“ Man müsse lernen, mit den Gegebenheiten umzugehen. Allerdings hätten einige Landwirte am Niederrhein in den letzten Jahren schon die Arbeit niedergelegt. Das werde es auch in diesem Jahr geben.

Man muss ihn stechen, wenn er kommt

Es war kein Aprilscherz, den Heinz Kempkes da erleben durfte. „Da haben wir mit dem Spargel angefangen“, erinnert er sich an den 1. April und verkaufte am Folgetag das „weiße Gold“ auf den Marktplätzen im Rheinland.

„Das ist viel zu früh“, sagt der 60-jährige, erfahrene Landwirt, der seit 32 Jahren seinen Hof am Gerberweg in Twisteden betreibt – in der fünften Generation. „Sonst geht es so am 20. April los.“ Man müsse den Spargel aber dann stechen, wenn er komme. „Und man muss früher aufhören oder ihn kaputtstechen und dann spritzen bis Mitte September.“ Im Jahr zuvor „sind wir fast vertrocknet“, erinnert er sich noch lebhaft an die vergangene Saison, als das Ganze noch viel früher vonstatten ging. „Ende Februar Spargel stechen, das ist nicht normal“, klingt mehr als deutlich durch, dass er so was wohl noch nicht erlebt hat.

Die Bedingungen auf seinem Hof sind gut, was das Erdreich betrifft. „Wir haben hier leichten, kiesigen Sandboden. Da werden auch die Steine warm“, sieht er die Bodenqualität „ähnlich gut wie in Walbeck.“

Viel Spargel, billige Preise

Kempkes rechnet damit , dass in diesem Jahr sehr viel Spargel auf den Markt kommt. „Von der Menge her ist es gut“, geht er für sich davon aus, dass er gut 12 Tonnen Spargel wird verkaufen können. Was gut für den Verbraucher ist, ist eher schlecht für die Produzenten. „Der Gewinn wird nicht so hoch sein“, verfolgt er auf seinem Handy die Entwicklung der Spargelpreise.  „Eine Sorte dick 3 Euro 90 das Kilo“, zeigt das Display an.

„Die Stundenlöhne haben sich erhöht“, verweist er auf die Lohnkosten, die sich bei ihm aufgrund der nicht so großen Anzahl an Helfern noch in Grenzen halten. „Auf dem Spargeltag in Straelen sprach man davon, dass 12 Euro pro Stunde das Maß aller Dinge sind. Und vom Preis her hat man keinen Ausgleich dafür“, sagt er und denkt da nicht nur an sich. 

Das „weiße Gold“ vom Niederrhein macht die Spargelbauern nicht unbedingt reich. Foto: nick

Denn in dem harten Verdrängungswettbewerb hätten die größeren Produzenten, die mittlerweile sogar für ihre Stände auf den Märkten zahlten und über Lagerbestände verfügten, die besseren Karten.

Die Kombination aus Lohnkosten, dem Klimawandel mit der verkürzten Saison – abgesehen von der chemischen Behandlung der Felder – und der Konkurrenz könnten dazu führen, dass „ein Haufen Betriebe“ dicht machten, sieht Kempkens die Entwicklung skeptisch. Dazu komme neuerdings noch die „ökologische Debatte“ um den Gebrauch von Folien. „Grünspargel geht ohne Folie, aber die Menschen wollen alle Bleichspargel haben“, macht Kempkens damit indirekt klar, dass der Genuss von Spargel einen Preis hat, der nicht nur in Cent und Euro zu berechnen ist.

Von 40 auf 1,8 Hektar

Früher umfasste das Abbaugebiet des Spargels auf dem Kempkes-Hof in der Spitze 40 Hektar. Davon sind heute noch 1,8 Hektar übrig, auf denen nur noch wenige Mitarbeiterinnen die mühsame Arbeit des Spargelstechens verrichten. „Meine Tochter lernt Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin“, sagt Kempkes. Ihm ist klar, dass er wohl der letzte Spargelbauer in seiner Familie sein wird.

Nochmal zehn neue Hektar anlegen, hieße einen sechsstelligen Betrag und nochmal einige Jahre an Zeit zu investieren. Und Sinn mache das natürlich nur, wenn man einen Nachfolger habe. „Ich bin nicht mehr der Jüngste.“ Soviel Energie möchte der Landwirt in den Job nicht mehr reinstecken. „Noch so die nächsten fünf Jahre“ wolle er wohl weitermachen, sagt er. Und mit Solar- und Biogasanlage hat er seine Existenz auf dem insgesamt 22 Hektar großen Besitz bereits auf eine breitere Basis gestellt.