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„Immer authentisch bleiben“

Das Gespür für Musik bekam der am 21. Januar 1952 in Mörmter geborene Sohn eines Landwirts schon von Kind an. „Die Mutter spielte Klavier, der Vater Geige – und Heiligabend, wo der Vater Geburtstag hatte, war immer mit einer großen Feier verbunden.“ Als Geschenk erhielt der kleine Karl dann „einen Fußball oder eine Mundharmonika für 2 Mark 50.“
Man müsste Klavierspielen können…

Klavierspielen, so wie einige seiner Geschwister, lernte er nicht, Noten lesen kann er bis heute nicht. „Ich bin ein Autodidakt – wie Peter Maffay“, sagt er. „Ich hab meinen Brüdern über die Schulter geschaut und versuchte dann, mich selbst zu begleiten.“ Mit 13 Jahren – es ist die große Zeit der Beatles – bekam er von der Tante zur Konfirmation eine Gitarre geschenkt. „Da bin ich in den Gewölbekeller gegangen und habe auf den tiefen Seiten „Keep on running“ gespielt“, erinnert er sich.
Als er mit 14 seinen Cousin in Marienbaum besuchte, „waren ein Bruder und sein Freund mit da“. Sie gingen dort auf den Söller, wo ein Verstärker, ein Akkordeon und eine E-Gitarre standen. „Die haben dann Musik gemacht – und ich hab gesagt: Ich will dabei sein.“
Er sparte sich das Geld für eine Bassgitarre („Ein Stück Treibholz mit Saiten“). 1966 hatte er dann mit den „Dragons“ im Marienbaumer Jugendheim seinen ersten Auftritt. „Was ich nicht wusste, war, dass auch Saiten kaputtgehen können – ich hab auf drei Saiten zu Ende gespielt damals. Und vom Pastor gab´s fünf Mark Gage.“
Eigentlich war er damals noch „ein Schüchterner“, gibt er zu. Die Musik und das Theaterspielen am Stiftsgymnasium ließen aber sein Selbstbewusstsein wachsen – was erklärt, warum er als Lehrer an der Kevelaerer Hauptschule später viele Theatergruppen hatte und viele Schüler zu seinen Benefizkonzerten holte, „um diese Erfahrung zu ermöglichen.“
Der Duettgesang mit Karl Timmermann und Karl-Heinz Krus machte die Band in Xanten, Marienbaum und Sonsbeck bekannt. 1968 gewinnen sie bei einem Musikwettbewerb den ersten Platz – und eine Plattenaufnahme in einem Studio in der Nähe von Köln. „Die Bedingung war aber die Abnahme von 1000 Schallplatten.“ Die Scheibe mit „Hello I love Maria“ und „Heart Transplantation“ wurde ein Hit, die Platten verkauften sich „ruckzuck“. Und selbst bei Radio Luxemburg wurde die Band erwähnt. „Was ich erst vor Kurzem herausfand: Die B-Seite ist ein Kulthilt weltweit, wurde viel in Discos gespielt.“
Den ersten TV-Auftritt hat er 1969 auf der „Gorch Fock“ im belgischen Ostende. Neben Größen wie Marsha Hunt oder Gene Pitney zu sitzen, ist für den jungen Timmermann ein großes Ding.
Das erste Musikvideo überhaupt

„In einer Brüsseler Discothek wurde dann mit „Hello I love Maria“ vielleicht das erste Musik-Video überhaupt gedreht“, erzählt er. 1972 sang er im „Talentschuppen“ in Baden-Baden mit Peter Maffay zwei Lieder: „Ich hab ihm neue Griffe gezeigt, war die erste Stimme.“ Er bekommt Kontakt mit dem bekannten Komponisten Michael Kunze.
Aber nicht nur die Musik zählte – nach dem Abi am Xantener Stiftsgymnasium ging´s für Karl zum Biologie- und Erdkunde-Studium auf Lehramt nach Münster. „Meine Schwester war Lehrerin, die war mein Vorbild.“ Dort lernte er auch seine Frau Renate kennen. „Wir wollten in der Kneipe mittags essen gehen, setzten uns zu ein paar Damen, die zufällig alle aus Kevelaer kamen. Da musste ich lachen, weil ich da an dem Samstag einen Auftritt auf der Hubertuskirmes hatte. Da trat ich als Vorprogramm von Jürgen Marcus auf – und meine Frau stand in der ersten Reihe.“
1973 arbeitete er für ein halbes Jahr in Sevelen, ging dann nach Kevelaer zum Broekhof. „Zu der Zeit war die Edith-Stein-Schule frisch im Bau“, erinnerte er sich. Danach ging es für ihn ins Schulzentrum und in die Hauptschule. Langfristig hat sich diese Zweigleisigkeit für ihn ausgezahlt, sagt Karl Timmermann heute. „Denn ich musste nicht ausschließlich von der Musik leben. „Und angesichts der vielen Superstars, die abgestürzt sind“, ist er froh, für sich „bodenständig geblieben zu sein.“
Dann folgte die Band „Universum“ und die „Tanzmucken“-Zeit „von einem Schützenfest zum anderen“. Die Bee-Gees sind sein Steckenpferd, was dazu führte, „dass mich 1989 Rudi Carrell anrief“, der Imitatoren für ein Casting in Köln suchte. Das Ergebnis war eine dreiwöchige Tour mit dem Entertainer.
Heimatklänge

Er schrieb Songs für Sendungen wie „Lieder so schön wie der Norden“, trat beim „Grand Prix der Volksmusik“ 1991 mit Liedern wie „Niederhein“ und „Zauber Deiner Heimat“ auf, das über eine Million Mal verkauft wurde und in Deutschland und der Schweiz Gold-, in Österreich sogar Platinstatus erreichte.
Von 1998 an moderierte er vier Jahre lang die WDR-Sendung „Heimatklänge“, holte da auch Markus Birkhoff oder das Niederrheinorchester ins Fernsehen.
Damit ist 2002 erstmal Schluss – der Tod seines Sohnes Mark setzte eine Zäsur. „Da hatte ich erstmal keinen Bock mehr.“ Aus der Situation heraus entstand ein Buch, das er sich von der Seele schreibt und den Weg mit seinem Kind aufarbeitet. „Das hat so was Innerliches ausgelöst.“ Und es erklärt ein Stück auch sein soziales Engagement.
Als der Tsunami 2004 über Südostasien fegte, organisierte er binnen einer Woche die Künstler für eine Benefizgala im Bühnenhaus. „Damals kamen ohne Eintritt 16.000 Euro zusammen.“ Daraus entwickelte sich eine Tradition, die bis ins letzte Jahr reichte – damit unterstützt er Initiativen wie „Aktion pro Humanität“, die Hermann-van-Veen-Stiftung oder eine Kölner Krebsklinik. „Aber jetzt bin ich Pensionär, dann wird man auch etwas ruhiger“, will er sich diese „wahnsinnig viele Arbeit“, die ihm viel Spaß gemacht hat, jetzt nicht mehr aufbürden.
Den Krippenmarkt musikalisch gestalten, das möchte Timmermann weiter machen. „Die Idee ist, da sogar das Programm zu erweitern und mit der Lebenshilfe eine Aufführung zu machen, damit diese Menschen eine Plattform haben.“ Der Komponist arbeitet auch an einem Musical, wo es „um den Menschen“ geht. Und er will weiter seiner Maxime folgen: „Authentisch bleiben und mein Ding machen.“

Unscheinbar Kevelaer

„Unverwechselbar Kevelaer“? Die „Schöpfung“ dieses Stadt-Slogans ist lange her. Anfang der 1990er Jahre waren die Schöpfer des aktuellsten Bildbandes mit Motiven aus der heutigen Wallfahrtsstadt und ihrer Ortschaften noch gar nicht auf der Welt. Sie haben den Blick in diesen Tagen nicht auf Unverwechselbares, sondern auf Unscheinbares in Kevelaer gerichtet.
Mike Krüger habe es 2010 auf den Punkt gebracht, erklärt Paul Wans: „Is‘ das Kunst oder kann das weg?“, fragte der Komiker im Titel seines damaligen Programms, mit dem er gleichzeitig 35 Jahre Bühnenerfahrung feierte. Der Kevelaerer Künstler und Kunstpädagoge Paul Wans gehört zu denjenigen, die eine Antwort von berufs- und ihrer Berufung wegen geben können. Unter seiner professionellen Anleitung gingen Schülerinnen und Schüler zweier Kunstkurse des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums am „letzten Wandertag“ auf die Pirsch. Im Visier: „das in ihrem Lehrplan vorgesehene Nebensächliche, Unscheinbare als Gestaltungs- und Werkgegenstand in der bildenden Kunst“, das es doch tatsächlich in die Kunst-Lehrpläne unserer Schulen geschafft hat. Die 39 Zehntklässlerinnen und Zehntklässler hatten sich damit mehrere Wochen im Kunstunterricht auseinandergesetzt und sollten nun mit den Mitteln der Fotografie versuchen, die Lerninhalte umzusetzen. Ob ihnen dies gelungen ist, davon kann sich nun jeder selbst ein Bild machen, in einer Ausstellung im Gymnasium und in dem Kevelaer-Bildband „Der künstlerische Blick auf Unscheinbares in Kevelaer. Fotos von Zehntklässlern des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums Kevelaer“. Eine Auswahl von 130 Bildern aus den zahlreichen Ergebnissen ist da nämlich zu sehen.
Und die hat‘s in sich: Merkwürdige Brechungen in scheinbar symmetrischen Architektur- oder Naturbildern erschließen sich da erst nach mehrmaligem Hinsehen, obschon man vom ersten Augenblick an überzeugt war, dass hier was nicht stimmt. Besondere Blickwinkel schaffen Verbindungen zwischen Gegenständen und Szenerien, die wir in unserem Alltag – obwohl wir sie hunderte Male gesehen haben, so nicht herstellen würden. Erst wenn die Momente festgehalten und der Blick gerichtet ist, erschließen sich neue Verbindungen in unseren Köpfen. Und das so einzufangen und zu präsentieren, ist nun wirklich eine Kunst.
„Dieser Bildband zeigt kein besucherfreundliches, touristengefällig geschminktes Gesicht der Wallfahrtsstadt, sondern eine sehr kurze und stets unveränderte Momentaufnahme von nebensächlichen Sujets in Kevelaer und seinen Ortschaften“, schreibt Paul Wans im Vorwort des Bandes. Die Ausstellung und der Bildband zeigten „das Besondere im Unauffälligen, das Kuriose im Normalen, das Reizvolle im Nutzlosen oder das Schöne im Unansehnlichen“, dass die Schülerinnen und Schüler auf ihrer eintägigen Ekursion durch ihre eigene Stadt gesucht und gefunden hätten. Und das nötigte auch dem Ersten Bürger der Stadt, Dominik Pichler, bei seiner Begrüßung zur Ausstellungseröffnung viel Respekt und einige nachdenkliche Worte zum Thema „Ist das Kunst?“ ab.
Den Bildband gibt‘s zum Preis von 15 Euro in der Bücherstube im Centrum und in der Buchhandlung Bercker zu kaufen. Am Mittwochabend wurde die Ausstellung im Gymnasium eröffnet. Sie ist dort noch bis zum 5. April zu sehen.

Zart und zerbrechlich, bunt und verspielt

Geschickt formt Christin Neumann den dünnen Draht zu einer filigranen Blume. Kleine Rundhölzer machen diese nahezu perfekt. „So, jetzt erhalten die Blüten noch ihre Füllung“, erklärt Christin Neumann ihr weiteres Vorgehen.
Behutsam und vorsichtig betupft sie jede Blüte mit ganz gewöhnlichem Nagellack. Das was für Außenstehende ziemlich kompliziert und auch Geduld erfordernd aussieht gelingt der jungen Frau spielerisch. Mehr noch. Es wirkt geradezu meditativ.
„Ja, das ist es auch zuweilen“, lacht die Mutter eines dreijährigen Sohnes. Erst vor wenigen Jahren entdeckte Christin Neumann ihre Liebe zur kreativen Kunstfertigkeit wieder neu. „Sie war ziemlich eingeschlummert“, bestätigt die zierlich wirkende Frau, die schon als Kind ihre Fähigkeit im Malen entdeckt.
Gefördert wird sie von ihren Eltern. Als Teenager besucht sie die Kreativwerkstatt Creaktivo in Rheinberg, probiert sich hier durch sämtliche Techniken der Malkunst. „Dabei begeisterte mich Aquarellmalerei am meisten“, gesteht die kunsthandwerklich geschickte Frau.
Mit Schulschluss und dem Abi­tur in der Tasche begibt sie sich auf die Suche nach ihrer beruflichen Zukunft. Während einer Gutshofrestaurierung wird dieser Weg eindeutig geebnet. „Das war für mich faszinierend“, beschreibt sie diese Arbeit, worauf sie ein freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege absolviert. Ein komplettes Jahr arbeitet sie an der Seite von Gerlinde Möhrle, Glasrestauratorin aus Köln, im Xantener Dom.
2008 beginnt die ursprünglich aus Aschersleben in Sachsen-Anhalt stammende junge Frau in den Glaswerkstätten Hein Derix ihre Ausbildung im Bereich Glasmalerei und Kunstverglaser. „Hier arbeitet man überwiegend nach Vorgaben, da bleibt wenig Raum für die eigene Kreativität…“, erklärt Christin Neumann, die in dieser Zeit die ungewöhnlichsten Orte kennenlernt. Unter anderem arbeitet sie unter der Dachkuppel des Aachener Doms. „Ein faszinierender Arbeitsplatz“, erinnert sie sich noch heute.
2016, nach Heirat und Geburt ihres Sohnes Liam, möchte sie ihre Ideen wieder in die Tat umsetzen. Lässt sie vorerst die Nähnadel ihrer Nähmaschine auf und ab tanzen, Kinderkleidung und diverse Taschen finden Liebhaber auf dem ersten in Twisteden stattfindenden Sternenmarkt, schon bald folgen Kunstobjekte aus Draht, Federn in Kombination mit Aquarellmalerei.
Mehr noch. Mit unterschiedlichen Drahtstärken fertigt sie Letteringdeko an, drapiert diese in kleine Rahmen oder setzt unzählige umherfliegende Schmetterlinge gekonnt in Szene.
Manches Mal wirken ihre Kunstobjekte zart und zerbrechlich, ein anders Mal bunt und verspielt. „Wenn mir eine Idee kommt, dann möchte ich diese auch bald umsetzen“, erklärt Christin Neumann, die sich im eigenen Kreativraum entfalten, ausprobieren und ihren Ideen freien Raum geben kann. „Ohne die Unterstützung meines Mannes und der Familie könnte ich das allerdings nicht machen“, betont die junge Frau, die dieses Glück sehr zu schätzen weiß.

Start in den Ausstellungsfrühling

Enttäuscht konnte Eva-Maria Zacharias nur über den Zulauf „zum Start in den wort.werk-Ausstellungsfrühling“ sein, wie es die Busmannstraßen-Galeristen poetisch formulierte. Das stürmische Wetter hatte dazu beigetragen, dass nur gut ein Dutzend Gäste den Weg in die Räumlichkeiten fanden.
Trotzdem „liegt Aufbruch in der Luft“, hoffte Zacharias auf die gedankliche „Reiselaune“ der Anwesenden. „Denn hier und heute braucht es nur Phantasie, um abzuheben – in einem weit gespannten Kosmos der Kunst“, zitierte sie den grossen Aktionskünstler André Heller.
Mit Klaus Cordes, Viktor Nono und Nanni Wagner hatte sie „drei kreative Geister“ mit eigener künstlerischer Handschrift eingeladen, um deren Werke „mindestens so bis Mitte Juni“ zu präsentieren. Cordes und Nono erzählten Geschichten, „in denen Bilder und Texte erstaunliche, manchmal fast mystisch anmutende Verbindungen eingehen“.
Cordes kreiert Mail-Art-Collagen auf der Basis von prominenten Köpfen auf Briefmarken. In dem Fall ist es Nofretete, die er „träumend durch Zeiten und Räume reisen“ und dabei zahlreiche Rollen „von der Pharaonin bis zur modernen Frau“ einnehmen lasse.
„Ihre Träume sind Illustrationen – auch Albträume der bundesrepublikanischen Wirklichkeit“, machte der 72-jährige Bocholter die gesellschaftlichen Bezüge deutlich.
So schaffe er eine Verbindung zu Themen wie Tourismus in der Stadt, Migration oder Vereinsamung, ergänzte Zacharias. Am 26. April wird Cordes in der Galerie ergänzend dazu noch eine Art „fiktiven Briefwechsel“ zwischen ihr und Cordes vortragen.
Viktor Nono präsentiert in Kevelaer Übermalungen literarischer Texte und anderer Blätter neben Natur-Motiven in Mischtechnik auf Aluminium.
Der 57-jährige Düsseldorfer „transformiert literarische Themen und Motive aus der Natur – so wie Illustrationen zu Jules Verne oder ,Botschaften‘ aus einer skurrilen Vogelwelt“ – in seiner Kunst, erläuterte Zacharias. Dazu will Nano noch mehr bei einer Lesung am 17. Mai ausführen.
Er verwende dazu Materialien wie Papier oder Plastikfolien und natürliche Farben. „Was ich damit ausdrücken möchte – wenn ich das wüsste, könnte ich das nicht mehr machen“, meinte der Künstler selbst.
Dazu reihten sich die keramischen Miniatur-Objekte der Gel­denerin Nanni Wagner mit ein. Ihre kleine Serie lässt „filigrane Gebilde auf organischen Fundstücken“ sprießen, zarte Gewächse besiedeln Schwemmholz und Baumpilz. „Das ist wie ein Blick in einen verzauberten Wald“, beschrieb die Galeristin die Wirkung.
Die 61-Jährige selbst hat die Inspiration für ihre 30-teilige „Moosblüten“-Serie bei einem Spaziergang im bergischen Land erhalten, wie sie im KB-Gespräch erzählte. Am Ende der eineinhalbstündigen Vernissage erhielt Viktor Nono die Gelegenheit, als Ersatz für den erkrankten Klaus Pohl aus seinem Buch „Über die Vergeblichkeit der Liebesmüh“ zu lesen. Er trug dabei die etwas grotesk anmutende Geschichte eines Mannes vor, der seine Mutter in einer Art Notstand mit einem Einkaufswagen und Lebensmitteldosen vorbei an den Militärs nach Hause schiebt.

Kunst- und Kreativnetzwerk „wirKsam e.V.“ gegründet

unst und Kultur in unserer Stadt – das ist es, was uns antreibt!“ da sind sich die Gründungsmitglieder einig. Raphaele und Peter Feldbrügge, „Fredda“ Wouters, Tatjana van Went, Daniel Wouters, Anne und Ruben van Rennings haben gemeinsam einen Verein gegründet: „wirKsam e.V. – Kunst – und Kreativnetzwerk Kevelaer und Umgebung“.
Künstlerisch, kreativ und kulturell
Kennen und schätzen gelernt haben sich die sieben über ihre bereits bestehenden Projekte: Die Landpartie am Niederrhein, das KUK-Atelier, den Zeltplatz Anna Fleuth sowie die sozialen Kunstprojekte des Atelier van Went. „In den vergangenen Jahren wurde immer wieder deutlich, dass eine gemeinsame organisatorische und rechtliche Struktur wertvoll sein könnte,“ erklärt Künstlerin Fredda Wouters, die zusammen mit Anne van Rennings, einer der Initiatorinnen der Landpartie am Niederrhein, den Vorstand von wirKsam e.V. bildet.
Neben Kunst und Kultur in ihren vielfältigen Facetten, soll kulturelle Bildung aller Altersgruppen sowie der Austausch künstlerisch, kreativ und kulturell aktiver Menschen untereinander gefördert werden. Aktuelle Projekte sind unter anderem die Landpartie am Niederrhein und das KUK-Atelier, der Verein ist zudem Partner des „Internationalen Madonnari-Festival“ und ein Kinder-Kunst-Projekt ist in Planung. „Wir sehen unseren Verein als kooperationsfreudigen Netzwerkpartner und Projektträger,“ erläutert Anne van Rennings, „Mit eigenen Projekten und zusammen mit Künstlerinnen und Künstlern, der Stadt, Schulen und anderen Aktiven und Vereinen werden wir uns für eine Bereicherung des kulturellen Lebens in Kevelaer einsetzen. Ideen dafür gibt es unzählige.“ Zur Finanzierung setzt der Verein auf öffentliche Fördergelder, Spenden und Sponsorengelder.
Interessierte sind eingeladen die Kulturarbeit von „wirKsam e.V.“ als Fördermitglied zu unterstützen. Jeden Donnerstag ab 19.30 Uhr laden die Vereinsmitglieder zum Kulturstammtisch ins KUK-Atelier am Johannes-Stalenus-Platz. Fragen, Anregungen und Projektideen sind willkommen. Informationen zu aktuellen Projekten und Kontaktmöglichkeiten gibt es außerdem auf der Internetseite „wirksam-ev.de“.
Die Vereinsmitglieder von „wirKsam“ präsentieren sich auf einem Posterfoto auf der Rückseite dieser KB-Ausgabe.

Sie verewigen ein Stück Heimat

Ausgestattet mit reichlich Farbtöpfchen und diversen Pinseln setzen die Fassadenkünstler in schwindelerregender Höhe ihre Pinsel an. Denn bis zur Eröffnung der neuen Saison im Irrland sind es nur noch wenige Tage.
Das aber bringt Lydia Hitzfeld und ihre Tochter Vanessa nicht aus der Ruhe. „Das schaffen wir“, versichern die Künstlerinnen. Mit der Fassadengestaltung des Wasserturms hat die aus Kervenheim stammende Künstlerin ein weiteres Kevelaerer Wahrzeichen ins Irrland gebracht. Ebenfalls zu erkennen ist ein Feuerwehrturm, inklusive Rutschstange. „So ein Fabrikturm stand mal auf Schravelen“, weiß die Künstlerin zu berichten.
Die Idee dazu kam ihr ziemlich spontan. „Ich habe mir überlegt, was Jungs wohl so lieben“, erklärt Lydia Hitzfeld. Verewigt hat sie zudem auch noch die Kevelaerer Kultkneipe „Prinzenhof“, und, wie kann es anders sein, Szenen aus der Bauernhoferlebnisoase. „Ich wollte damit eine Verbindung nach außen schaffen“, erklärt die Künstlerin, der auch im dritten Irrland-Schaffensjahr wieder ein wahres Highlight gelungen ist.
Gemeinsam mit ihrer Tochter Vanessa hat Lydia Hitzfeld im Erlebnispark ein Stück Heimat geschaffen. Und das lässt nicht nur die Herzen der Kevelaerer höher schlagen. Denn ein Rundblick durch die ehemalige Maishalle lässt fast die Vermutung aufkommen, als sei Kevelaer nach Twisteden verlagert worden?
Als die Betreiberin vom Irrland 2017 auf die Idee kam, der Maishalle ein neues Outfit zu verleihen, stieß sie bei Lydia Hitzfeld auf offene Ohren. „Eigentlich sollte hier eine Häuserfassade mit Dorfcharakter entstehen“, erklärt Hitzfeld. Die damalige Straßenmalkünstlerin stieß mit ihrer Idee, Kevelaerer Häuserfassaden hier zu verewigen, sofort auf Zustimmung des Betreiberpaares. So bewaffnete sich Lydia Hitzfeld mit einem Fotoapparat und hielt damit die Häuserfassaden der Marienstadt fest. „Absolut interessant“, sagt die Künstlerin, die vor 15 Jahren ihr Talent rein zufällig entdeckte.
Statt ihrer Tochter Vanessa auf Straßenmalfesten nur über die Schulter zu schauen, meldet sie sich selbst beim Straßenmalwettbewerb in Geldern an. Ganz spontan. „Ich landete direkt auf dem Treppchen“, erzählt die Künstlerin. Von da an war es um die Mutter von drei Kindern geschehen.
Ihr unvergleichliches Talent, Gemälde in 3D Form auf Straßen oder an Häuserfassaden zu malen, brachte sie bis nach China, in die Vereinigten Staaten, die Niederländischen Antillen und kreuz und quer durch Europa. „Vor der Entstehung sehe ich das Bild vor meinen Augen. Ich sehe, wie es sein soll“, erklärt die weltweit bekannte Künstlerin, die jedes ihrer Gemälde liebt, aber auch um ihre Vergänglichkeit weiß: „Straßenmalkunst ist nicht für ewig.“
Einer der Gründe damals einen Auftrag im Irrland anzunehmen. Denn hier in der Halle bleibt ihre Kunst bestehen. Für die hier entstehende Häuserfassade sortiert sie ihre Fotografien, zeichnet vor, tüftelt und rechnet, um diese auf 35 Meter Wände aufzubringen.
Zu sehen sind unter anderem die Fassaden der Glasmalerei Derix, des Goldenen Löwens, der Museumspassage, der Basilika-Innenhof mit Eingang zur Beichtkapelle oder auch des alten Rathauses. Aufgemalte Kaugummiautomaten, eine auf dem Dachsims lauernde Eule, vertraute Storchenpaare und im Wind flatternde Wäsche wecken Kindheitserinnerungen, machen alles herrlich natürlich. „Es macht so viel Spaß, hier ein Stück Heimat zu verewigen“, gesteht Lydia Hitzfeld, die mit ihrer Kunst nicht nur das Betreiberehepaar des Irrlands begeistert, sondern ab Samstag erneut auch die zahlreichen Besucher des Freizeitparks.

Der Flyer zur Landpartie ist da

Am 22. und 23. Juni laden Künstlerinnen und Kulturschaffende zur inspirierenden Entdeckungsreise an wunderbar verschiedene Ausstellungs- und Veranstaltungsorte in Kevelaer und Umgebung. 20 Ateliers, Werkstätten, Gärten und Höfe beteiligen sich in diesem Jahr an der Landpartie am Niederrhein.
Die Gastgeberinnen und Gastgeber gestalten aktuell das Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm. „Schon jetzt lässt sich mit Sicherheit sagen, dass ein sehr facettenreicher Mix aus Kunst, Kunsthandwerk und Kreativem entsteht,“ freut sich Raphaele Feldbrügge. Die Fotografin und Initiatorin der Veranstaltung ist selbst mit ihrem Atelier der EIGENen ART wieder als Ausstellungsort dabei. Daneben wird es Malerei, Bildhauerei, Schmuckdesign, Arbeiten in Ton und Beton, Filzprodukte, Floristik, Drechsel- und Tischlerhandwerk, Lesungen, Konzerte, Workshops, Tanzperformance, Bio-Landwirtschaft und Leckeres zu entdecken geben.
Einen ersten Vorgeschmack und den Überblick über alle beteiligten Orte bietet ab sofort der extralange Flyer. Das vollständige Programm gibt es dann ab Ende April im erstmals erscheinenden Programmheft. Auch die beliebte Faltkarte mit den Radroutenvorschlägen wird pünktlich zur fahrRad-Pause Kevelaer am 28. April wieder aufgelegt. Erneut unterstützt die Volksbank an der Niers die Veranstaltung im Rahmen eines Sponsorings.
Neues und Bewährtes ist mit von der Partie.
Fünf Ausstellungsorte beteiligen sich erstmalig und versprechen spannende Reiseziele der Landpartie-Radtour zu werden: Die Burg in Kervenheim, ein überraschender Innenhof in der Maasstraße, Laersmans Kate – eine uralte Katstelle mit kunstreicher Vergangenheit in der Binnenheide, das „ÜberKopf“-Ferienhaus mit Charme und Witz und das World House in Wetten.
Einige Ausstellungsorte sind nach einer Pause in diesem Jahr wieder dabei: Kerkenkath lockt mit himmlischem Kaffee unter den Nussbaum und die Garten(t)räume in der Koxheidestraße werden wieder mit Kunst und Kreativem belebt.
Mit aktuellen Projekten und neuen Arbeiten präsentieren sich 13 weitere Ausstellungsorte, die bereits in den letzten Jahren das Publikum begeistern konnten: Das Atelier Bettina Hachmann, das Atelier der EIGENen ART, das Atelier für Malerei, Flora Design, Inge Leenen, der Johanneshof Nießen, die Kreativschmiede Schelbergen, das KuK-Atelier, der Lichtergarten Nowak & Dalege, der Naturhof Etzold, die Silberschmiede Vorfeld, die Steinwerkstatt Lepper und Woodrose komplettieren die Landpartie am Niederrhein in diesem Jahr.
In den Abendstunden des 21. und 22. Juni gestalten einzelne Ausstellungsorte außerdem ein vielversprechendes kulturelles Programm. Los geht es schon am Freitagabend in der Steinwerkstatt Lepper: Tanztheater, Lyrik und Musikalisches locken in die große Ausstellungsscheune nach Wemb. Am Samstagabend gibt es an verschiedenen Orten in der Innenstadt Programm.
Die Band Paddys Fancy wird im Johanneshof Nießen aufspielen, bereits im letzten Jahr konnten die passionierten Musiker ihr Publikum mitreißen und begeistern. Auch am Ausstellungsort Garten(t)räume von Familie von der Höh wird es bei einer Lesung kriminell. Zum nächtlichen Ausklang geht es dann ins KuK-Atelier direkt neben der Basilika. Beim offenen Abend sind hier alle eingeladen, sich einzubringen und mitzumachen.

Eine Frau, die gerne macht

Schon als Kind erfuhr die gebürtige Wuppertalerin Raphaele Feldbrügge so etwas wie künstlerische Förderung. „Da durfte ich auf eine Kinderkunstschule in Elberfeld“, erinnert sich die heute 60-Jährige, die mit ihrem Mann vor über 35 Jahren ein schönes Haus am Steensweg erwarb und nach und nach ausgebaut hat.
Wo die Wupper einen Bogen macht

Sie wächst mit sieben Geschwistern im idyllischen Beyenburg, einem Ortsteil von Wuppertal auf. „Da ist es so schön, da macht die Wupper sogar extra einen Bogen“, kommt ihr das Bild wieder in den Sinn. Der Vater war Bankangestellter, die Mutter Erzieherin. Beide achteten auf die Begabungen ihrer Töchter und Söhne. „Einer meiner Brüder ist sehr musikalisch und singt. Eine Schwester ist Goldschmiedin geworden, eine hat viel mit Holz gearbeitet.“ Das Umfeld, in dem sich eine künstlerische Ader entwickeln konnte, war also durchaus vorhanden. Die junge Raphaele, die sich gerne „Ela“ nennen lässt, erhielt ab und an von ihrem großen Bruder die Kamera. „Das war aber eher so spielerisch.“
Nach dem Abitur in Elberfeld wollte sie Textildesign in Krefeld studieren, landete aber in Mönchengladbach im Studiengang „Technik“ mit Schwerpunkt Gestaltung. Bei der Aufnahmeprüfung in Krefeld gab sie zwar auch künstlerische Nachweise ab. „Ich hatte aber immer das Gefühl, ich bin dafür zu ordentlich.“ Kurz zuvor hatte sie ihren Mann geheiratet. Beide gingen zusammen nach Aldekerk, ihr Mann übernahm eine Stelle als Polizist in Krefeld. Ihr Sohn wurde 1982 geboren. „Da habe ich meinen ersten Fotoapparat, eine „Petri“-Kamera, geschenkt bekommen“, erinnert sie sich.

Foto: AF


Aus dem Gleichgewicht

Kurz danach kam sie erneut ins Krankenhaus – diesmal aber nicht aus freudigem Anlass. Die Ärzte diagnostizieren Gebärmutterkrebs – mit 23 Jahren. „Das bringt einen aus dem Gleichgewicht“, bekennt Feldbrügge offen. Das halbe Jahr mit Chemo und letztendliche Entfernung der Gebärmutter hinterließen Spuren. „Danach habe ich definitiv bewusster gelebt und wusste das Leben zu schätzen.“ Das Studium war passé, der Sohn wichtiger. „Es war eine gemeinsame, bewusste Entscheidung, in erster Linie Mutter zu sein.“ Die kreative Umbauarbeit im eigenen Haus in Schravelen beförderte aber die in ihr „schlummernde“ künstlerische Ader. Mitte der 80er begann sie einen Aquarell-Malkurs in Geldern, die erste Ausstellung folgte. „Ich hab gemerkt, dass es mir was bringt und gut tut.“
Drei Jahre später stellte sie erstmals im privaten Rahmen ihre Werke aus. Noch waren die Bilder Ton in Ton und zeigten Landschaften, Türen, Blumen. „Ich erhielt von vielen Seiten die Ermunterung, auf dem künstlerischen Weg weiterzumachen.“ Und Feldbrügge machte weiter: sie begann, auf Seide zu malen und stellte unter anderem mit Kevelaerer Künstlern für die Mazedonienhilfe in der Kevelaerer Sparkasse aus. Zu der Zeit arbeitete sie auch in einer Gelderner Rahmenwerkstatt. „Das war eine Berufung für mich und ich hatte die Möglichkeit, meinen Bildern den richtigen Rahmen zu geben.“
In Sachen Malerei wurde sie abstrakter, farbiger und fantasievoller. Sie nahm an Ausstellungen teil, begann 1997, selbst Künstler zur „Kunst im Zelt“ in den eigenen Garten zu holen. „Da wurde ich dann auch computeraffin und habe angefangen, eigenständig Einladungskarten zu gestalten.“ Das nächste Kreativ-Mosaik in ihrer Künstler-Palette entstand. Nach einem Kurs bei der Künstlerin Minou Ghedina in Wetten begann sie, großformartige Acrylbilder zu machen. „Daher stammen auch die großen Mohnblumenbilder.“ Die Motive werden wieder „gegenständlicher“. Mit dem „deutsch-niederländischen Künstlerdorf“ wurde ab 2001 Neuland beschritten. „Da war wirklich kunstinteressiertes Publikum.“ Und sie wagte den Schritt in die Fotografie, als sie an den Straßenkreuzungen im Kreis die Kreuze am Straßenrand fotografierte. „Das muss mal gesammelt und in der Menge gezeigt werden“, war ihre Überzeugung. Mit ihrem Mann fuhr sie die Punkte ab, wo die Kreuze stehen. Feldbrügge zeigte die Kreuze auf Ausstellungen in Kleve, Bergisch-Gladbach, Düsseldorf und beeindruckt dabei mit Behrens und Wolff zwei NRW-Innenminister.
Eigen-artig

Ab 2007 gibt es unter dem Namen „Atelier Eigen-art“ und später im „Atelier der EIGENen ART“ wieder Ausstellungen zuhause. Die Fotografie ist heute dominanter Bestandteil ihres Wirkens. „Ich habe seit fünf Jahren nicht mehr gemalt“, bekennt die 60-Jährige. Sie macht Makroaufnahmen zum Beispiel von Wasser- und Tautropfen. „Die Fähigkeit, auch kleine Dinge wahrzunehmen“, will sie damit schärfen. „Was die Natur uns bietet, das ist so viel.“ Und sie ist im IMAGO-Kunstforum aktiv, organisiert zusammen mit Anne von Rennings die mit dem Marketingpreis der Stadt Kevelaer 2018 ausgezeichnete „Landpartie“. Das Vorbild stammt aus dem Wendland, wo ihr Sohn nach 4 Jahren Wanderschaft als Tischler „hängengeblieben“ ist. Als beide gemeinsam unterwegs waren und abends am Lagerfeuer saßen, stand für sie fest: „Es gibt bei uns so viele Künstler. Das müssen wir in Kevelaer machen.“ Damit hat sich für beide ein Traum erfüllt. „Und wenn ich sehe, was wir für ein tolles Netzwerk geschaffen haben, freue ich mich. Dieses Jahr gibt es 20 Ausstellungsorte – und es werden immer mehr.“
Wirksam

Damit ist Feldbrügges Lust am Tun noch lange nicht ausgefüllt. „Jetzt wollen wir über den Verein wirKsam e.V. noch mehr bewegen.“ Trotz der vielen Aufgaben achtet Feldbrügge auf das innere Gleichgewicht – denn es soll die Ruhe und Zeit für das Eheleben und die drei Enkelkinder bleiben.

Kunst, Kultur und Kreativität

„Die Bürger einbeziehen“, lautete der Ansatz der künstlerischen Leiterin des Madonnari-Festivals, Frederike Wouters. Zusammen mit Anne von Rennings konnte sie im Forum der Öffentlichen Begegnungsstätte mehr als ein Dutzend Künstler, Unternehmer, Politiker, das Stadtmarketing als Mitveranstalter und weitere Interessierte begrüßen.
Beide erläuterten zunächst mal die Grundlagen des neu gegründeten Vereins „wirKsam“. Er soll dazu dienen, neben den Aktivitäten im KuK-Atelier und Veranstaltungen wie Madonnari-Festival und „Landpartie“ noch weitere Projekte anzuschieben und ein Künstler-Netzwerk zu entwickeln.
Im Gespräch sind unter anderem auch eine Online-Plattform, „um Kevelaer vielfältig und offen“ zu gestalten. „Kunst, Kultur und Kreativität zu fördern“, nannte das Anne van Rennings. „Wir wollen auch für Künstler in die Bresche springen, die von der Kunst leben müssen, damit das ernst genommen wird.“
Anschließend zeigte die Initiatorin des „Madonnari“-Festivals ein Kurzvideo, in dem nochmal die Atmosphäre ders ersten Madonnari-Festivals in stimmungsvollen Bildern wiedergegeben wurde.
Danach gab es ein 20-minütiges „Brainstorming“. Die Besucher konnten auf großem Papppapier ihre Vorschläge und Ideen zu Themen wie „Kulinarisches“, „Einzelhandel“ oder „Was für Kinder“ aufschreiben. Gottfried Mölders fand die Idee eines „Polychromeurs“ gut, der wie auf dem Krippenmarkt aktiv am Forum seine Skulpturkunst gestalten könnte. Marienveilchen oder Rosen verteilen, kleinformatige Bilder fertigen war die Idee einer Unternehmerin. Auch Vorschläge wie eine begleitende internationale Küche oder Folklore im Petrus-Canisius-Haus wurden festgehalten.
Einige Bürger äußerten sich auf der „Sonstiges“-Fläche zu dem aktuellen gesellschaftlich-atmosphärischen Rahmen für das Festival. „Es gibt so eine Untergrundstimmung in der Stadt, die nicht so fassbar ist“, meinte Ingrid Jörgens, die mit weiteren Personen einen Appell mit der Überschrift „Wir Kevelaerer stehen auf. Für die Würde des Menschen, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung“ unterzeichnet hat.
Sie bezog sich unter anderem auf eine nationalsozialistische Aufschrift, die sie in der Nähe von ALDI ausgemacht hat. Man habe diesen Rahmen gewählt, um sich anzudocken, ergänzte die stellvertretende Bürgermeisterin Brigitte Middelhoff, „um Kevelaerer zu finden, die das Grundgesetz verteidigen. Wir hatten Anlässe, die rechtspopulistisch ausgerichtet waren.“ Was sie meinte, kommt in dem Aufruf zum Ausdruck, in dem es unter anderem heißt: „Wir wollen nicht, dass bei Reden auf der Jahreshauptversammlung der geselligen Vereine gegen Hilfebedürftige, Ausländer, Flüchtlinge und sich positionierende Menschen schlechte Stimmung gemacht wird.“
Am Ende stellten Wouters und van Rennings nochmal die Ideen-Vorschläge zum Madonnari-Festival ausführlich vor. Zur Sprache kamen da auch noch verlängerte Öffnungszeiten der Geschäfte oder die Frage, wer das Festival vielleicht finanziell unterstützen könnte? Beide Frauen zeigten sich mit den Anregungen zufrieden: „Wir hatten eine bunte Mischung und Ideen. Darauf können wir aufbauen.“

Und ich tanze!

Wenn Edith Bongers- Reul erklären soll, von wem sie ihr Bewegungstalent geerbt hat, kommt die Antwort ohne langes Zögern: „Das habe ich von meiner Mutter. Sie ist früher als Kind in den Bäumen herumgekraxelt“, erzählt sie und lächelt.
Als das zweite von sechs Geschwistern wurde die Tanzpädagogin und -choreographin am 26. April 1957 in Trier als Tochter des späteren Kevelaerer Sparkassendirektors Werner Bongers und seiner Frau Katharina geboren.
„Die beiden kamen aus Kranenburg und Zyfflich. Und als er eine Anstellung hier fand, sind wir hierher gezogen – und der Rest der Kinder ist auch in Kevelaer geboren“, erzählt die 61-Jährige. Sie kam in die Antonius-Grundschule, „wo es nur Mädchen gab“, später dann auf das Gymnasium.
Das Musische war im Hause Bongers stark ausgeprägt. „Die jüngere Schwester und ich spielten Gitarre, einige Geschwister waren beim Vater der Sängerin Annja Rossmann im Schulchor. Ein jüngerer Bruder spielte Klavier und der kleine, in England lebende Bruder leidenschaftlich Schlagzeug“, erinnert sie sich an diese lebhafte Zeit.
Die junge Edith turnte und machte Leichtathletik „bei der alten Frau Sadowski. Die hatte die Ballettschule auf der Gelderner Straße. Da war ich schon mit 13, 14 Jahren.“
Erste ganz zarte Berührungspunkte mit Tanz und darstellendem Spiel hatte sie bei der Gestaltung einer Messe. „Da ging es um Ausgrenzung und Wiedereingliedern, da habe wir eine Reihe gebildet und uns damit vor- und zurückbewegt.“
Tanzdiplom und Kinder

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Nach dem Abitur ging sie 1976 nach Köln. „Ich wollte unbedingt was mit Bewegung machen“, war für die damals 19-Jährige klar. Ein halbes Jahr ging sie in eine Gymnastikschule, bis sie zum Sportstudium zugelassen wurde.
Dort gab es auch einen Bereich „darstellendes Spiel, Musik, Tanz.“ Sie lernte unter der Begründerin des „elementaren Tanzes“, Maja Lex, die unter anderem auch mit Carl Orff zusammengearbeitet hat.
„Diese Bewegung war sehr prägend für unsere Entwicklung“, sagt Bongers-Reul. Noch heute fährt sie einmal pro Monat nach Köln, wo sie Lex´ Nachfolgerin Graziella Padilla besucht.
Damals lebte die junge Edith mit ihrem Freund Wolfgang Reul in Würzburg, wo er Medizin studierte. Sie bekam das erste Kind, gab Kurse für Kinder im Bereich Jazztanz und darstellendes Spiel und schloss ihre Diplomarbeit ab.
Der gemeinsame Weg des Paares führte über Bad Kissingen, Bad Berleburg und Emden Weihnachten 1990 nach Kevelaer. Ihr Mann ließ sich mit einer eigenen Praxis in der Marienstadt nieder. Das eigene Erleben von kinderreichen Familien führte dazu, dass die Familie Bongers-Reul bis 1996 auf elf Personen anwuchs.
Ihre neun Kinder zog Edith Bongers-Reul im Haus der Schwiegereltern groß, das sie übernehmen durften. „In der Zeit waren nur Kinder angesagt“, sagt Bongers-Reul.
Wiedereinstieg und Weiterentwicklung

2010 fing sie wieder mit dem Tanzen an. Sie machte zwei Jahre lang eine Ausbildung beim
Bundesverband Tanz zur „Tanzpädagogin für Tanzkultur“. Ihr Abschlussprojekt „Frauen- leben“ stellte sie mit acht Frauen auf der Bühne der Begegnungsstätte vor. „Einer meiner Söhne hat dazu noch gerapt, das war eine gute Verbindung.“
Und in den vergangenen fünf Jahren lernte sie für ihr zweites Tanzdiplom an der Akademie Remscheid Modern Dance, höfische Tänze und südeuropäische Folklore – und neue Stile wie Hip Hop.
Ihr Tätigkeiten sind vielseitiger Natur: Sie arbeitete bei der Caritas, machte im Wohnstift mehrere Jahre lang Tanzangebote, gab an der Förderschule Kevelaer Tanz- Förderkurse und Tanzkurse in Kindergärten und in Grundschulen.
Im „Mein Sportraum“ an der Marienstraße bietet sie unter dem Titel „Und ich tanze!“ jeden Donnerstag Bewegungs- und Tanzmöglichkeiten für Grundschulkinder an. Dazu kommen weitere Grundschul- und Erstklässler- Tanzangebote in Mülheim und Kempen.
2017 choreographierte sie zu dem großen Kevelaerer „Ave Maria“-Musikspiel über das Leben Mariens den Tanz „wo sich Maria und Elisabeth treffen.“ Komponist Elmar Lehnen sprach sie an, sie traute sich die Aufgabe zu.
Knapp ein halbes Jahr arbeitete sie mit 30 Mitgliedern des Theaterchores Niederrhein und vielen Kindern. „Die hatten daran Freude, sich auf die Bewegungsaufgaben einzulassen und ihre Quellen ‚anzuzapfen‘, beschreibt die Theaterpädagogin den Prozess, der in der „großartigen Erfahrung“ der Aufführung im Juni mündete.
Sich bewegen, um sich selbst zu entdecken

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Im Bewegungstanz, sagt Bongers-Reul, „kommen die Eigenschaften jedes Einzelnen zum Ausdruck – individuell und authentisch. Das ist das, was ich
vermitteln möchte.“ Bewegung „gehört zum Leben dazu und Musik – und darüber die Kombination und dann zu entdecken, was steckt in mir. Solche Augenblicke finde ich großartig.“
Mit ihrer Kollegin Edith Rühl betreibt sie in der Alten Schule in Goch-Hülm ein Tanzatelier für Frauen ab 40. Da soll es weiter in Richtung Tanztheater gehen.
Und bei der Kevelaerer „Landpartie“, wo sie 2018 bei der Steinwerkstatt von Lisa Lepper mit Edith Rühl aufgetreten „und zur Musik auf Steinen balanciert“ ist, wird sie mit dem Konzept „Zwischenräume“ zu sehen sein. „Ihr Bruder spricht Dada-Texte und es soll dazwischen Musik gemacht werden.“