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Melodien ohne Millionen

Kevelaer. Welch‘ wundervolle Charaktere sich in diesem Chor „verstecken“: die nach dem Lenz lechzende Veronika und der gefährliche Mackie Messer, die geständige Kleptomanin und die fesche Lola, der verliebte Matrose und der kleine Gardeoffizier, Bel Ami und Lilli Marleen – um nur einige derer zu nennen, die am Wochenende auf ganz wunderbare Weise über die große Kevelaerer Show-Bühne gingen. Der Theaterchor Niederrhein hatte dem Publikum im zweimal ausverkauften Bühnenhaus nicht zuviel versprochen.

Parforceritt durch eine Epoche

„Evergreens“ aus den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, von Chorleiter Tom Löwenthal liebevoll zu Potpourris arrangiert, mal mitreißend, mal gefühlsbetont, mal temperamentvoll-schmissig und mal zärtlich-anrührend dargeboten – das ließ niemanden kalt. Löwenthal leitete auch das eigens zusammengestellte Salonorchester mit Musikern aus der Region und trieb diese mit schwungvollem Dirigat zu einem gelungenen Parforceritt über eine immense Distanz von über 80 einzelnen Melodien an.
Die große Zeit der Ufa-Stars, die wunderbar authentisch daherkommenden Kostüme und Frisuren und nicht zuletzt die gelungene Choreographie der kleinen wie insbesondere der großen Szenen des wohl fast 100 Sängerinnen und Sänger umfassenden Theaterchores durch Peter van Aar und Dorette Ploegmakers, denen es gelang, die Mischung aus Gala und Revue mit einem Laienchor erstaunlich professionell umzusetzen, das alles begeisterte die Zuschauer im Bühnenhaus restlos. Und es war ein weiterer Beweis dafür, dass man eben keine Millionen braucht, sondern Begeisterung und Engagement, um einen gelungenen Unterhaltungsabend auf die Beine zu stellen.
Ach ja, natürlich brauchte man in diesem Falle noch ziemlich viel „Musik, Musik, Musik“, und die stand an diesem Abend wiklich im Mittelpunkt. Durch Conférenciers eingeleitete Medleys unterschiedlicher Komponisten wie etwa Kurt Weill, Friedrich Hollaender, Peter Kreuder oder Michael Jary wechselten mit thematisch oder nach Interpreten gefassten Sets. Arrangeur, Regie, Solisten, Chrogruppen bis hinauf zum Gesamtchor hatten sich die Stücke offensichtlich mit viel Geführl für die Autoren, die Zeiten und die Hintergründe erarbeitet und lieferten ein rundum stimmiges Bild der Epoche der großen Revuen und Galakonzerte ab.
Das Publikum belohnte den hohen Aufwand und das liebevolle Engagement der Beteiligten mit minutenlangem, begeisterten Applaus.

Bildergalerie

Leidenschaft und Liebe in Bildern

Kevelaer. Noch war niemand ans Rednerpult getreten, noch kein Wort der offiziellen Eröffnung oder Einführung gesprochen, da verbreitete sich die Nachricht schon, fast ehrfürchtig geflüstert: Neuer Besucherrekord, noch nie seien bei der Eröffnung einer Kabinett-Ausstellung im Niederrheinischen Museum in Kevelaer so viele Menschen da gewesen. Das mag in zweifacher Hinsicht erstaunen: Einerseits kann der Künstler als weitgehend unbekannt gelten, andererseits hat er erst in den letzten Jahren vor seinem Tod Beziehungen Richtung Kevelaer geknüpft.
Dass Heinz Henschel dennoch posthum so etwas wie ein Star in der Kunstszene werden könnte, liegt vielleicht daran, dass er das nie beabsichtigte. Dass er auf nicht geklärte, in jedem Falle aber großteils autodidaktische Weise zu einer künstlerischen Reife fand, die selbst die Experten im Kevelaerer Museum und darüber hinaus immer wieder in Erstaunen versetzt. Dass er unfassbar detailreich arbeitete, zugleich aber auch eine schier unglaubliche inhaltliche Breite abdeckte.
Im Kevelaerer Museum sind nun erstmals rund 100 seiner Werke öffentlich ausgestellt. Die Reaktion des Publikums bei der Eröffnung war weitgehend einheitlich: Die Besucher wollen wiederkommen. Denn mit diesen Bildern will sich jeder länger, intensiver befassen.
Die Ausstellungs-Kuratorin und designierte Museumsleiterin Veronika Hebben fasst das unfassbar umfassende Werk Heinz Henschels so zusammen: „Es sind Werke, die aus Leidenschaft an der Kunst und Liebe zum Handwerk entstanden sind.“ Doch dann ist es auch schon vorbei mit der großen Klammer, die das Unfassbare naturgemäß nie ganz zusammenhalten kann: „Präzision, Detailverliebtheit, Farbigkeit, Vielfalt und Vielschichtigkeit sind nur einige Begriffe, die auf das Werk dieses lange unbekannten Künstlers passen.“ Die Reihe lasse sich fast beliebig erweitern. „Wir haben das Glück, dass wir einen sehr guten Einblick in dieses Werk erhalten können, es liegt uns fast vollständig vor.“ Rund 1300 Objekte sind erhalten. „Jedes einzelne Blatt gilt es zu entdecken, jedes ist auf seine Art einzigartig., auch wenn sich Schwerpunkte in der Motivik zeigen.“
Herausforderung für Mensch und Museum
Man ahnt die Herausforderungen für Matthias David, den „Gralshüter“ Henschels, als den ihn Museumsdirektor Burkhard Schwering bezeichnete, wie für die Macher des Kevelaerer Museums wie Veronika Hebben, der von Anfang an klar war: „Wir müssen ihn zeigen.“ Nach Motivgruppen geordnet, sind rund 100 Drucke und Zeichnungen Henschels im Museum zu sehen, dazu die selbstgebaute Druckpresse, einige Objekte, Druckplatten und Werkzeuge. Das mag überschaubar klingen. Doch die Werke selbst sind es, die den Besucher vor eine Herausforderung stellen: Man wird Mühe haben, die scheinbar unendliche Detailfülle der Werke annähernd zu entdecken. Doch auch das hat einen großartigen Effekt, denn man setzt immer wieder neu an, nimmt eine Lupe zu Hilfe, wie es auch der Künstler Heinz Henschel tat, macht an anderer Stelle weiter, entdeckt neue Details – und immer wieder auch freie Flächen. Hat der Künstler sie absichtlich frei gelassen?
Nicht die einzige Frage, die sich bei der bewussten Betrachtung stellt. Einige Bilder erschließen sich schnell, Schiffsmotive, Darstellungen indigener Völker oder auch Porträts. Aber: „Wundern Sie sich nicht, wenn Sie unbekannte Symbole entdecken“, sagt Veronika Hebben, „er schuf seine eigene Symbolschrift, die mittlerweile auch entschlüsselt ist.“
Auf eine Beschriftung der Werke hat man im Kevelaerer Museum verzichtet. Das gibt die Möglichkeit, diesen unbekannten Künstler Heinz Henschel quasi ,auf eigene Faust‘ zu entdecken. Einen dürren Lebenslauf gibt es, Erläuterungen von Gerd Baum zu seiner künstlerischen Entwicklung.
Mit Herz und Verstand
Wer versucht, sich mit Herz und Verstand diesen gezeigten Werken zu nähern, der wird manchmal am Verstand zweifeln, ob der Akribie und des Zeitaufwandes, den das Gezeigte erfordert haben muss. Aber ihm wird auch das Herz aufgehen in einem Kosmos von Farben und Formen, die er in dieser Zusammenstellung noch nie gesehen hat. Irgendwann kommt man dahin, wo Heinz Henschel wohl aufhörte, weil ihn der Tod einholte: In einer Fantasiewelt, die er für sich selbst erschuf – und in die uns heute das Kevelaerer Museum in so liebevoller Form einen Einblick gewährt.

Eine große Kunst

Man muss Heinz Henschel nicht persönlich gekannt haben, um sich vorzustellen, wie er da am Sonntag saß. Vermutlich an einem einfachen Biertisch, vor sich ein großes Glas Gerstensaft oder einen Pott Kaffee, auf einer wohl kunterbunten Wolke seines eigenen Kosmos‘. Man ahnt ein bescheidenes Lächeln unter dem mächtigen Schnauzbart. Und ganz viele Besucher der Ausstellungseröffnung schauten am Sonntag mal kurz nach oben und winkten ihm zu, diesem Mann, der aus Freundschaft zu Menschen in den Achterhoek kam und der sich mit dem Landstrich und den Menschen hier vor seinem Tod ein wenig anfreundete.
Man wird nicht jeden Tag einen unbekannten Künstler entdecken. Aber dass Heinz Henschel einen Kevelaerer zum „Gralshüter“ seines bis dato weitgehend unentdeckten Nachlasses wählte, ist nicht nur für diesen ein Glücksfall. Das Niederrheinische Museum Kevelaer bekommt mit der Ausstellung „Wanderer zwischen den Welten“ die Chance, sich nicht nur als Hüter verstaubter Exponate zu präsentieren – was durchaus, inklusive der entsprechenden Arbeit des ,Staubwischens‘ eine ehrbare Aufgabe ist – sondern auch als ein Raum für Entdeckungsreisen ins Unbekannte.
Es wird eine Diskussion darum geben, wer Heinz Henschel denn nun ist. Ein Künstler? Ein Handwerker? Ein Kunsthandwerker? Das Kevelaerer Museum wagte den Schritt, diesen Unbekannten mit offenen Armen aufzunehmen. Die Experten standen genauso mit offenem Mund vor den Werken dieses Mannes, wie es heute die Besucher der Ausstellung tun. Ich habe niemanden getroffen, der nicht zumindest verwundert den Kopf schüttelte, als er zum ersten Mal auf ein Werk von Heinz Henschel traf. Und das ist mehr, als mancher Künstler mit seinem Gesamtwerk geschafft hat.
Dass man dies alles in Kevelaer erleben darf, ist natürlich ebenfalls ein Glücksfall. Es zeigt aber auch, was wir hier brauchen: Ideen, Visionen, Fantasie. Und dann die Kraft, das auch zeigen zu wollen. Das kann nicht jeder, schon keiner allein. Deshalb sind solche mutigen Menschen wie die Ausstellungsmacher im Kevelaerer Museum so wichtig. Sie sehen über Tellerränder. Sie zerreden ihre Ideen nicht, sie präsentieren sie. Oft sogar ehrenamtlich. Man sollte ihnen zusehen, man sollte ihnen zuhören, man sollte sie wertschätzen. Man sollte all das „weiter so“ und „haben wir immer schon so gemacht“ über Bord werfen. Das tut sich von allein. Wir müssen wieder offen werden für das, was wir sehen, und wertschätzen, dass wir es sehen können.
Das Kevelaerer Museum zeigt nur einen Teil des Henschelschen Kosmos‘. Aber es hat den Mut, die Museumswelt für einen Mann zu öffnen, der uninterpretiert ist. Der (noch) nicht etabliert ist. Der auf dem „Kunstmarkt“ noch „ohne Wert“ ist. Das macht diese Ausstellung so wertvoll. Sie fordert im übertragenen Sinne Unvoreingenommenheit ein. Denn hier kann sich buchstäblich jeder noch selbst ein Bild machen, ohne sich auf berufene Münder berufen zu können.
Ich kann nur jedem raten, der sich von Fantasie beflügeln lassen kann, sich diese Ausstellung anzusehen. Er wird Heinz Henschel entdecken. Und vielleicht wird er ihm sogar einen kurzen Gruß nach oben auf die bunte Wolke schicken.

Michael Nicolas

Zwei Wilfrieds kämpfen wie Siegfried für ihre „Modertaal“

Kevelaer. Rappelvoll war’s am späten Freitagnachmittag in der „wort.werk—galerie“, Busmannstraße 28, als die Hausherrin gut 35 Gäste und natürlich die beiden Hauptakteure Wilfried Renard und Wilfried Wiesmann begrüßte.
Renard, von Kindesbeinen an mit Kävels Platt aufgewachsen, hatte sich zum energischen Ziel gesetzt, unsere plattdeutsche „Modertaal“ wieder zum Leben zu erwecken bzw. zu verhindern, dass sie völlig in Vergessenheit gerät. Dazu passte sehr gut seine Eingangsbemerkung „hoch met de Maue“.
Nach dem einleitenden „Lucky man“ (Emerson, Lake & Palmer), das Wilfried Wiesmann mit seiner Gitarre und trotz leichter Erkältung stimmlich brillant vortrug, machte Renard Ernst mit den Hemdsärmeln.
Es folgte eine einzige Hommage an das Kävels Platt und außerdem eine Huldigung an unseren Heimatdichter Theodor Bergmann, der diesen Dialekt auch auf seiner Grabplatte hat verewigen lassen: „Hier hört hän t’hüß“. Renard zitierte in perfekt vorgetragenem Platt aus Bergmanns Gedichtbändchen „Maisüches on Heijblumme“, zunächst die Prosageschichte vom Räuberhauptmann Kronenberg; der soll Jahrhunderte zuvor mit seiner Bande den Niederrhein unsicher gemacht haben. Dass es bei dieser „Räuberpistole“ nicht immer ganz ernst zuging, war einerseits dem Erzählgeschick Bergmanns, andererseits dem ausdrucksstarken Vortragenden zu verdanken.
„You’ve got to hide your love away“ (Beatles) folgte als nächstes Gitarren- und Gesangsintermezzo von Wilfried Wiesmann, wobei die Auswahl der Musikstücke allgemein sehr gut zu den meist nachdenklichen Proben aus dem Bergmann’schen Gedichtband passte, ebenso wie das spätere „Crow on the cradle“ (Jackson Browne).
Das berühmte und allseits bekannte „Antöneke Flaeß“ durfte in Renards Auswahl ebenso wenig fehlen wie die „Verdummde Haerek“: Herrlich, wie Renard ganz genüsslich das affektierte Hochdeutsch des heimgekehrten Sohnes nachsprach! Aber es gab auch Besinnliches, als er „Dreckes stoervt“ (Thema: Liebe über den Tod hinaus) rezitierte oder auch „Et Maisüt“, Heimatliebe in völlig anderer Tonlage, wie Renard meinte.
Humoristisch ging es noch ein paarmal zu, als z.B. Hunder = Hühner den Aufstand gegen ihren Hahn wagten und zum Schluss kleinlaut und eingeschüchtert vor seiner Autorität kapitulieren mussten und „van Ängst et Eike falle liete“.
Zwei Höhepunkte – und das zum Schluss – krönten einen gelungenen „Modertaal-Oawend“:
Renard bekundete seine und Bergmanns Liebe zu unserer Sprache mit der Wahl des Gedichts „Min Modertaal“, wonach ein 35-stimmiger Chor voller Inbrunst alle vier Strophen unseres Heimatliedes „Wor hör ek t‘hüß?“ sang.
„da capo“ verdient
Nach dem abschließenden „Norwegian Wood“ (Beatles) erhielten die beiden Protagonisten für ihre gelungene Darbietung Blumen von der „wort.werk“-Galeristin überreicht. Sie verabschiedete ihre Gäste mit guten Wünschen und der Ankündigung der nächsten Ausstellung über meisterliche Glaskunst.
Ein vorbereiteter Imbiss und viele Gespräche folgten noch an diesem Abend, der unbedingt ein „da capo“ verdient. Ein großer Dank an die beiden Wilfrieds!

Wilfried Schotten

Die „Landpartie am Niederrhein“ geht am 9. und 10. Juni in die dritte Runde

Kevelaer. Die mittlerweile sehr zahlreichen Fans können sich den Termin schon mal vormerken: Am 9. und 10. Juni gibt‘s bei der dritten Auflage der „Landpartie am Niederrhein“ wieder jede Menge Kunst, Kultur und Kulinarisches in und um Kevelaer zu erleben. Die beiden Initiatorinnen Raphaele Feldbrügge und Anne van Rennings (Mitte) stellten auf dem Johanneshof jetzt die aktuellen Plakate und Flyer vor, die mit Unterstützung der Volksbank gedruckt wurden und auf denen die 16 Spielorte des Jahres aufgeführt sind. Darunter sind fünf neue, sodass auch für „erfahrene“ Teilnehmer genug Neues zu entdecken sein wird. Ein musikalisches Programm, Lesungen und Leckeres für das leibliche Wohl sind in Vorbereitung. Auf der Internetseite „www.landpartie-niederrhein.de“ wird das Programm aktuell ergänzt. Und weil man das Internet nur bedingt mitnehmen kann, wird demnächst wieder das beliebte Faltblatt mit Radweg und Angaben zu den einzelnen Standorten erhältlich sein. Außerdem in diesem Jahr neu: Es wird Kurzworkshops geben, bei denen man Kunst und Kunsthandwerk ausprobieren kann.

Boulevard auf dem Balkon

Will man die Grundidee einer „Beziehungskomödie“ mal ein wenig aufpeppen, ist das schon ein gelungener Ansatz: Der betrogene Ehemann geht zum Geliebten seiner Frau und fordert ihn auf, sich ein wenig intensiver um sie zu kümmern. Das ist die Szene, mit der „Sei lieb zu meiner Frau“ beginnt. Dass daraus ein bisweilen stark konstruiertes, aber dank flotter Dialoge dennoch kurzweiliges Stück Boulevardtheater entstehen kann, bewies die Tournee-Produktion des Theaters an der Kö um den Autor und Schauspieler René Heinersdorff am Dienstagabend im ausverkauften Bühnenhaus.
Zufälle gibt‘s!
Der Liebhaber ist natürlich auch verheiratet, seine Frau hat natürlich auch einen Liebhaber und das ist natürlich ausgerechnet der Mann der Geliebten ihres Mannes. Alles klar? Also weiter so: Die Herren kennen sich ja bereits, die Damen lernen sich im Reisebüro kennen und schließlich landen beide überkreuz vom Ehe- zum Liebes- verwechselten Paare zufällig in Instanbul im selben Hotel in zwei Zimmern nebeneinander. Zufälle gibt‘s!
Gäbe es sie nicht, böte sich nicht die schöne Chance, nach immer neuen, sich überkreuz wiederholenden Erklärungen und Ausreden zu suchen und auch nicht die Möglichkeit, dauernd dumm aus der Wäsche zu gucken, was Jeanette Biedermann, Maike Bollow, Hugo Egon Balder und René Heinersdorff offensichtlich mit viel Spielfreude tun. Die Wäsche bleibt übrigens in dieser Seitensprung-Soap an, auch in einer wunderbar stehend hinter der Decke gespielten Bett-Szene. Und unter die Gürtellinie rutscht da auch nix – schön!
Die Bühne braucht kaum Kulissen, so schnell schießen die Sätze hin und her, wechseln die flink agierenden Schauspieler die Perspektiven. Die Idee mit dem aufgeklappten Balkon am Bühnenrand hat allerdings viel Charme, auch wenn sie eindimensional bleibt und nicht ganz in geadelte Romeo-und-Julia‘sche Höhen aufsteigt.
Dass das Publikum immer eine Nasenlänge voraus ist, liegt in der Natur der Boulevardkomödie und produziert natürlich auch in Kevelaer, mit ein paar kräftigen Kalauern und Schwank-Schmankerln versehen, amüsiertes Lachen. Dass die als Alibi der Damen angedachte Freundin Doris aus einem Reisebüro in Winnekendonk stammen sollte, war ein schöner Trick, Lokalkolorit einzustreuen – nur sollte man sich den Ortsnamen dann auch merken können. Konnte Heinersdorff nicht, sagte „Wittendonk“, wurde von Biedermann korrigiert. Doch die hatte den Namen dann nach der Pause vergessen und wurde wiederum von Heinersdorff erinnert: „Das heißt Winnekendonk, das habe ich sehr schwer lernen müssen…“
Eine gute Leistung eines eingespielten, aber aufmerksamen und spielfreudigen Ensembles, die zu Recht mit begeistertem Applaus belohnt wurde.

Kunst und Kultur in Kevelaer fördern

Kevelaer. Seit mehr als zwei Jahren besteht nun schon das Kunst-und Kultur (KuK)-Atelier am Johannes-Stalenus-Platz nahe der Kirche. „Ein schöner Standort“, findet Frederike Wouters, die dort aber von Anfang an nicht nur einfach Bilder ausstellen wollte. „Es ist mir ein großes Bedürfnis, Live-Musik zu hören und Kultur-Veranstaltungen zu fördern“ , sagt die 33-jährige Winnekendonkerin.
Bereits im vergangenen Jahr hatte sie deshalb einige Events organisiert, „weil in Kevelaer in der Richtung wenig passiert.“ Ob nun „Wort & Tonschlag“, die KB-Autorin Christel Hundertmarck oder die Musikerin Joanna Westen: Die Angebote, die sie „aus reinem Spaß an der Freude“ machte, seien „gut angenommen worden.“
Um dem interessierten Publikum eine weitere Möglichkeit zu geben, ungewöhnliche Kultur und noch nicht so bekannte Musik kennnenzulernen, gibt es deshalb auch diesem Jahr eine kleine Reihe, bei der sich Künstler mit präsentieren können.
Den Auftakt zu dem kleinen Konzertreigen macht am kommenden Samstag der Gitarrist Bjarke Ramsing mit alter amerikanischer Folk-, Blues- und Rootsmusic. Nach Kevelaer kommt der in Holland lebende Ramsing mit dem Bassisten Teun van Langen.
In der Fußgängerzone kennengelernt
„Mein Bruder Daniel hat ihn in der Kevelaerer Fußgängerzone auf der Hauptstraße kennengelernt, wo er Musik gemacht hat“, erinnert sich Frederike Wouters, wie es zu diesem Kontakt überhaupt kam. Danach bot er sich über die Online-Plattform „sofa concerts“ an, berief sich auf ihren Bruder – und Wouters fackelte nicht lange.
Am 17. März werden dann Pe Krieger und Kat Mertens als „Les Terroritas“ aus Krefeld die KuK-Bühne mit lustigen Geschichten, frecher Zunge und Performancekunst stürmen und sicher für viel Gelächter und Mitwippen beim Publikum sorgen.
„Mainstream kann ja jeder“, sagt Wouters, die aus dem Kevelaerer Musik-Netzwerk den Tipp bekommen hat, dass das Duo echt gut sein soll. „Dann habe ich mir Sachen auf „youtube“ angeguckt und gesagt: super geile Sachen.“ Ganz besonders habe ihr gefallen, „dass die sich nicht so ernst nehmen.“
An der dritten Auflage der „Landpartie“, bei der vom 8. bis 10. Juni wieder 16 Standorte mit Kunstwerken aus Fotografie, Malerei, Bildhauerei und Keramik aufwarten, wird sich das KuK-Atelier in diesem Jahr nur am Samstagabend beteiligen. „Das ist ein irrer Aufwand und ich hab ja sonst davon nicht viel gesehen“, möchte Wouters das Ereignis diesmal etwas entspannter mitnehmen.
Atmosphärische Feuerperformance
Am Abend soll es zunächst eine atmosphärische Feuerperformance mit der spanischen Künstlerin Kalan alias Sonia Rosillo geben. „Sie erzählt am 14. April vorher noch für Kinder Geschichten auf Spanisch“, verweist sie auf die verschiedenen Kunstfertigkeiten der Frau, die auch als Klinikclown unterwegs ist.
Ab 22 Uhr wollen dann Daniel Neuys und Taste Kapuze, die seit einem knappen Jahr gemeinsam im Proberaum an Synthie- und E-Gitarrensounds tüfteln, mit Loop-Effekten, Beats-Geigenzählerknarzen und einer „UN-Rede Trumps“ für tanzende Beine sorgen. „Das ist experimentelle Musik ohne Schublade“, meint Wouters. Wer will, kann danach mitjammen.
Die kleine Reihe endet am 8. September mit „Wort & Tonschlag“- einem schrägen Mix aus Lesung, Konzert und Performance. Seit acht Jahren wandeln Musiker Daniel Wouters – früherer Musikethnologie- und Phonetik-Student in Köln und Betreiber des Zeltplatzes „Anna Fleuth“ – und Texter Max Pothmann auf dem schmalen Grat zwischen Unterhaltung und abgefahrener Improvisation.
„Das sind surreale witzige Texte, wo man schon mal den Faden verlieren kann – witzig, spannend und schräg“, erläutert Frederike Wouters. Pothmann studierte Tanz in Kopenhagen und Essen und veröffentlichte 2013 sein zweites Buch „Kiribati – auf zu neuen Abenteuern“.
Wie in jedem Jahr lässt Wouters dann wieder den Hut rumgehen, damit die den Künstlern garantierten 100 Euro zusammenkommen, damit es sich für sie auch lohnt zu kommen.
Auf lange Sicht hin will sie aber ihre Kulturarbeit auf institutionelle Füße stellen. „Ich bin zusammen mit lokalen Künstlern dabei, einen Verein zu gründen, um so besser Gelder zu akquirieren und die Kultur- und Kunstszene in Kevelaer besser zu fördern.“ Denn nur so „gibt es für die Künstler eine gewisse Sicherheit und es entwickelt sich weiter.“
Zweite Auflage des Madonnari-Festivals
Was sie dabei motiviert? „Ich habe eine große Heimatverbundenheit – deshalb nehme ich das wichtig und ernst – und das alles gerne auf mich, soweit es geht.“ Denn schließlich ist die StreetArt-Künstlerin oft monatelang in der Weltgeschichte unterwegs.
Und dann gibt es ja noch das „Madonnari-Festival“, das sie nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr erneut auflegen will, „Das KuK war ja erst mal der Versuch, zu sehen, was in Kevelaer geht. Darüber habe ich viele Leute kennengelernt und so kam es auch zum Madonnari-Festival.“ Die Planungen für die zweite Auflage laufen bereits, sagt Wouters. „Und wenn das abgesichert ist, werde ich überlegen, wie wir das KuK-Atelier an dem Wochenende dann mit bespielen.“

Pop, Pinien und Piraten

Kevelaer. Die Bandbreite könnte kaum größer sein: Ein Duo und ein großes Sinfonieorchester, Pop, Rock und Folk, Wagner, Sibelius und Respighi, Klassik und Filmmusik, Cover-Songs und Eigenkompositionen. Und das alles bei freiem Eintritt und für einen guten Zweck. Mehr ist wohl kaum möglich beim großen Benefiz-Konzert, das die Kreismusikschule am Sonntag, 18. Februar, ab 17 Uhr, im Konzert- und Bühnenhaus in Kevelaer veranstaltet.
Über 60 junge Musiker…
Die Kreismusikschule hat zwei Sinfonieorchester, die von den beiden Dirigenten Ana Carolina Dulcé de Thimm und Johannes Hombergen zweimal im Jahr zu gemeinsamen Konzerten zusammengeführt werden. So entsteht ein großes Sinfonieorchester mit weit über 60 jungen Musikerinnen und Musikern von 12 Jahren bis ins Erwachsenenalter. Im zweiten Teil des Kevelaerer Konzertes widmen sie sich nicht nur dem klassisch/romantischen Repertoire (Finlandia op.26 Nr.7, Jean Sibelius, und Suite von Tannhäuser, Pilgerchor, „O du mein holder Abendstern“, Großer Marsch von Richard Wagner), sondern auch moderner Filmmusik mit einem Medley aus „Pirates of the Caribbean“. „Auf ausdrücklichen Wunsch unserer Schüler“, lächelt Johannes Hombergen und sagt weiter: „Von den Piraten ist es kein weiter Schritt zu den Pinien.“ Diese nämlich, genauer gesagt die „Pinien von Rom“, habe Ottorino Resphigi lautmalerisch so gut getroffen, dass man sich sehr an das Filmmusik-Genre erinnert fühle. Nach dem Finale wird es dann eine gemeinsame Zugabe mit dem Duo „Tina & Elli“ geben, auf die sich die Musikschülerinnen und -schüler schon ganz besonders freuten. „With a little Help from my Friends“ von den Beatles wurde dazu ausgewählt.
…und ein Duo
Vor der Pause im ersten Teil des Konzertes präsentieren Elli Erl und Tina van Wickeren einen Querschnitt aus englisch- als auch deutschsprachigen Acoustic-Coverversionen. Aber auch Eigenkompositionen sind zu hören. Elli Erl gewann 2004 die zweite Staffel von „DSDS“, ist mittlerweile hauptberuflich Realschullehrerin für Musik, Sport und Englisch an einer Düsseldorfer Realschule und musikalisch eben als Duo mit Tina van Wickeren unterwegs. Die hat ihrerseits ebenfalls einige öffentlichkeitswirksame Erfolge aufzuweisen. Unter anderem gewann sie den Titel „Die deutsche Stimme“ der Bertelsmann-Stiftung, war Halbfinalistin der Sat-1-Show „The Winner is“, im Finale des Deutschen Rock & Pop-Preises und hat am „Köln-Rockt-Festival“ teilgenommen. KMS-Leiter Thomas Dieckmann hat das Duo bei einem Konzert in Kleve kennengelernt. Die Idee, am mittlerweile dritten Benefizkonzert der Musikschule teilzunehmen, stieß bei den beiden Musikerinnen auf offene Ohren.
Der Eintritt zum Konzert (Einlass ab 16.30 Uhr) ist frei. Um Spenden für die Hilfsorganisation „Aktion Lichtblicke“ wird allerdings gebeten. Seit 1998 unterstützt die Aktion in ganz NRW Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die materiell, finanziell und seelisch in Not geraten sind. Ins Leben gerufen wurde die Aktion von den 45 NRW-Lokalradios.

„Es macht Spaß, ihn zu entdecken“

Kevelaer. So schnell verschlägt es Veronika Hebben nicht die Sprache. Beim ersten Einblick in die Vielschichtigkeit des Werkes von Heinz Henschel erging es der Kunsthistorikerin jedoch nicht anders, als vielen Laien auch: Schon beim Betrachten eines einzelnen Bildes muss man da mit ziemlicher Reizüberflutung rechnen (das KB berichtete über den Künstler Heinz Henschel und die Entdeckung seiner Werke in der Ausgabe 3/2018).
Reizüberflutung
Erst recht kompliziert wird es, wenn man sich auf wissenschaftlich-professionellem Wege diesem Kunstschaffenden nähert. „Wir müssen ihn ausstellen, auch wenn ich noch nicht weiß wie“, das sei ihr erster Gedanke nach der ersten Begegnung mit dem Werk Henschels gewesen, erinnert sich die zukünftige Leiterin des Niederrheinischen Museums Kevelaer (siehe Bericht auf der Seite 4 dieser Ausgabe) heute. Als es ernst wurde mit der Vorbereitung der Kabinettaustellung, die am 18. Februar eröffnet wird, kam die „große Sorge“ hinzu, „dass wir dem Werk nicht gerecht werden können.“ Einerseits wollen die Ausstellungsmacher die schlichtweg unglaubliche Detailverliebtheit des Autodidakten Henschel präsentieren, „aber auch die Fülle des Werkes insgesamt darstellen.“
Detail und Fülle
An die 120 Bilder, etwa ein Zehntel des erhaltenen und bekannten Gesamtwerks Henschels, wird deshalb in der Kabinettausstellung zu sehen sein. Es könnte also eng werden, bei der begrenzten Ausstellungsfläche in der 1. Etage des Museums. Aber wohl nicht ganz so „eng“ wie auf einigen Bildern Henschels, weshalb das Museum eigens Lupen anbieten wird, mit deren Hilfe die Ausstellungsbesucher noch tiefer in die Bilder vordringen, sich quasi auf „Entdeckungsreise“ in die Henschelschen Welten begeben können.
Detailverliebtheit, handwerkliche Qualität und die schier unglaubliche „Präzision in der Umsetzung“ waren es unter anderem auch, die die Wissenschaftlerin davon überzeugten, dass Heinz Henschel ausgestellt werden müsse. „So ist mir das noch nie untergekommen“, sagt Veronika Hebben, und macht dem Autodidakten ein riesiges Kompliment, über das sich der bescheidene Mann wohl sehr gefreut hätte: „Es macht unheimlich Spaß, ihn zu entdecken.“
„Er ist authentisch, er bleibt sich selber treu“, so viel hat sie bisher bei der Beschäftigung mit seinem Werk auch festgestellt. Er schuf seine Kunst für sich selbst, hat niemals eine Auftragsarbeit angenommen. Und er war – sei es aus der Not heraus, oder aus einer Art inneren Bescheidenheit – nicht gerade verschwenderisch mit Material: Teils zeichnete er beispielsweise auf der Rückseite alter Plakate.
Rahmen gekauft und Rahmen gegeben
„Es ist absolut verdient, dass seine Werke gezeigt werden“, sagt Veronika Hebben. Und auf die Frage, ob dieser bescheidene Mann, der sich zuletzt immer öfter im Kevelaerer Achterhoek blicken ließ, das denn auch gewollt haben könne, sagt Matthias David vom Verein „Natur und Kultur im Achterhoek“, der den künstlerischen Nachlass verwaltet, er sei sich da ziemlich sicher. „Er hat noch vor seinem Tod Rahmen gekauft.“
Nun bekommt er sozusagen einen größeren Rahmen, eine Ausstellung im Kevelaerer Museum. Wer diese besucht, kann den „Wanderer zwischen den Welten“ ein bisschen näher kennenlernen. Und vielleicht wird er ihn mögen. So wie Matthias David, Veronika Hebben und die anderen, die sich in seine Werke schon einmal vertieft haben.

Bewegendes Gesangskonzert in der Basilika

Kevelaer. Ergriffen erhoben sich die Menschen von den Kirchenbänken und spendeten den Künstlern vor dem Altar langanhaltenden, dankbaren Applaus. „Da läuft es einem kalt den Rücken runter“, fasste der Straelener Reinhard Derks das in Worte, was viele Besucher kaum zu fassen wagten.
Selten so ergriffen
Selten hat man ein Publikum in der Basilika so ergriffen und auch berührt gesehen wie an diesem Abend. Der Grund für die überschwängliche Begeisterung war der Auftritt des „Don Kosaken Chor Serge Jaroff ® Leitung: Wanja Hlibka“, der von dem jüngsten Solisten des Chores, Wanja Hlibka nach dessen Ableben und einer längeren Pause wieder reaktiviert worden war und seitdem in den großen Konzerthallen und Kathedralen Europas wieder unterwegs ist.
Warum diese Musik des rund 20-köpfigen Ensembles die Menschen so für sich einnimmt, hat einen ganz einfachen Grund: Gesangliche Brillianz trifft auf gefühlvolle, fast sentimentale russische Volksweisen und Melodien, die mit Inbrunst und tiefem Ausdruck vorgetragen werden und somit das Ohr und die Herzen der Menschen mühelos zu erreichen scheinen.
Das beeindruckte die Zuhörer in der gut gefüllten Basilka nachhaltig – ob nun mit Gretschaninows „Credo“, dem „Vater unser“ von Kedrov oder dem „Herr erbarme dich“ , bei dem die Männer eine geradezu pathetische „Gesangsmauer“ auferstehen ließen, um dann in einem ungeheuer schnellen Singsang überzugehen, dabei tief ansetzten und wieder aufstiegen.
Erhaben und feierlich durchdrang dann auch Rachmaninows „Oh Herr wir singen Dir“ das Kirchenschiff. Beeindruckend war der große Stimmumfang, den die Gesangsformation zu bieten hatte – von den tiefen Bässen bis zum höchsten Tenor.
Dazu kommt die markante Wucht und die akustische Voluminösität der Stimmen, die den dargebotenen Kompositionen noch einmal einen gewaltigen Schub verliehen und die Basilika so dermaßen räumlich erfüllten, als würden Hunderte von Männern dort stehen und ihre Lieder zum Besten geben.
Natürlich durften die „Abendglocke“ und die „Legende von den zwölf Räubern“ in dem Repertoire nicht fehlen – geschlossen harmonisch und solistisch absolut beeindruckend vorgetragen. Bei „Oh bete Freund“ schwangen sich Solist und Kollektiv zu großen Höhen auf und sorgten beim Publikum für Kopfschütteln angesichts diesen Gesangs.
Zum Herzerweichen schön geriet dann das russische Volkslied „Eintönig klingt hell das Glöckchen“ mit einem Solisten, der wie ein Engel aus dem Himmel klang. Bescheiden bedankte er sich danach mit einer tiefen Verbeugung beim Publikum, das seine Leistung mit Ovationen und Bravorufen würdigte.
Mit dem Klassiker „Ich bete an die Macht der Liebe“ endete ein außergewöhnliches Konzert, von dem nur zu hoffen ist, dass es in so einem Rahmen noch mal stattfinden kann.